TE Vfgh Erkenntnis 1986/9/25 B186/85

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Veröffentlicht am 25.09.1986
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art5
Sbg Berg- und Naturwachtordnung. LGBl 60/1979 §1
Sbg NaturschutzG 1977 §8
Sbg Stadtrecht 1966 §19 Abs4
Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Salzburg vom 24.01.85
VfGG §82 Abs3

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; von Naturschutzwacheorganen als Hilfsorgane der Naturschutzbehörde vorgenommene Untersagung von Schlägerungsarbeiten auf einem Grundstück unter Androhung der sofortigen Festnahme - Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gegen die Eigentümer des Grundstückes; Verletzung im Eigentumsrecht durch Untersagung der Schlägerung ohne jegliche gesetzliche Grundlage - Verordnung über die Erklärung des Grundstückes zum geschützten Landschaftsteil erst nachfolgend durch Anschlag an einem Baum des Grundstückes iS des §19 Abs4 Sbg. Stadtrecht 1966 kundgemacht

Spruch

Die Bf. sind durch die von Organen der Sbg. Berg- und Naturwacht als Hilfsorgane des Magistrates der Stadt Sbg. (der Bezirksverwaltungsbehörde) am 4. Feber 1985 in den Vormittagsstunden vorgenommene Untersagung der Schlägerung von Bäumen auf dem Grundstück .../1 KG I im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der von Dr. M S und der Verlassenschaft nach der am 15. November 1984 verstorbenen Dr. E R als Eigentümerinnen des Grundstückes .../1, KG I (Stadtgemeinde Sbg.) unter Berufung auf Art144 B-VG erhobenen Beschwerde wird vorgebracht, die Bf. hätten am 4. Feber 1985 von ihrem Eigentumsrecht am Grundstück .../1 in der Weise Gebrauch machen wollen, daß sie die Schlägerung der auf dem Grundstück stockenden Bäume veranlaßt hätten. Das Fällen der Bäume sei jedoch durch das Einschreiten von Organen der Sbg. Berg- und Naturwacht verhindert worden. Dem Einschreiten dieser Organe habe jedoch jede Rechtsgrundlage gefehlt, weil "hinsichtlich des genannten Grundstückes ... am 4. 2. 1985 zumindest bis 15.00 Uhr keine wie immer geartete Verfügungsbeschränkung, insbesondere betreffend die Durchführung von Schlägerungsarbeiten, weder gemäß dem Forstgesetz noch gemäß dem Salzburger Naturschutzgesetz oder einer auf dessen Grundlage erlassenen Verordnung" bestanden habe.

Es wird die kostenpflichtige Feststellung begehrt, daß die Bf. durch das Einschreiten der Organe der Sbg. Berg- und Naturwacht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Eigentumsrecht verletzt wurden.

2. Der Magistrat der Landeshauptstadt Sbg. hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II. Nach den Ausführungen in der Beschwerde und in der Gegenschrift des Magistrates der Landeshauptstadt Sbg. sowie nach den vorgelegten Verwaltungsakten steht folgendes fest:

1. Im Amtsblatt der Landeshauptstadt Sbg. Nr. 2/1984 vom 1. Feber 1984 wurde verlautbart, daß beabsichtigt sei, das Grundstück .../1 KG

I zum geschützten Landschaftsteil iS des §8 des Sbg. Naturschutzgesetzes 1977, LGBl. 86/1977 (im folgenden NSchG), zu erklären. Die mit dieser Verlautbarung begonnene Frist nach §10 Abs1 NSchG, innerhalb der Maßnahmen, die den Schutzzweck beeinträchtigen können, nur nach vorheriger Bewilligung der Naturschutzbehörde zulässig sind, ist nach einer Verlängerung gemäß §10 Abs2 NSchG am 1. Feber 1985 abgelaufen.

2. Mit Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Sbg. vom 24. Jänner 1985 wurde die Grundparzelle .../1 zu einem geschützten Landschaftsteil erklärt.

Der Rechtsvertreter der Bf. hatte davon Kenntnis erlangt, daß das die Kundmachung der Verordnung vom 24. Jänner 1985 enthaltende "Amtsblatt/1. Februar 1985, Folge 2/1985", dessen Versendung für den 1. Feber 1985 vorgesehen war, nicht an diesem Tag (Freitag) versendet werde, sondern daß die Versendung erst am 4. Feber 1985 (Montag) vorgenommen werden könne. Das hatte zur Folge, daß die Verordnung über die Erklärung des Grundstückes .../1 zum geschützten Landschaftsteil nicht am 2. Feber sondern erst am 5. Feber 1985 in Kraft treten konnte (§19 Abs3 des Sbg. Stadtrechtes 1966, LGBl. 47).

Da somit nach seiner Ansicht am 2., 3. und 4. Feber 1985 weder forstnoch naturschutzrechtliche Hindernisse einer Schlägerung der auf dem Grundstück .../1 befindlichen Bäume entgegenstanden, veranlaßte der Rechtsvertreter der Bf. für den 2. Feber 1985, Vormittag, die Schlägerung der Bäume. Nachdem etwa 20 Bäume gefällt waren, wurden durch das persönliche Einschreiten des für die Angelegenheiten des Naturschutzes zuständigen Stadtrates J V die Arbeiten eingestellt. Das Einschreiten des genannten Stadtrates wurde von den Bf. als mündliche Verkündung eines Bescheides zur Untersagung der Schlägerungsarbeiten gewertet. Die dagegen erhobene Berufung wurde jedoch mit dem Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 9. Juli 1985 mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, es sei der anwesende Parteienvertreter bei der vom Stadtrat V vorgenommenen Einstellung der Fällungsarbeiten in keiner Weise darauf aufmerksam gemacht worden, "daß es sich um die Verkündung eines mündlichen Bescheides mit allen Rechtswirkungen eines solchen handle". Ebenso sei "weder eine Beurkundung in einer Verhandlungsschrift oder einer besonderen Niederschrift im Sinne des §62 Abs2 AVG 1950" erfolgt.

3. Die am 4. Feber 1985 vom Rechtsvertreter der Bf. für den frühen Vormittag angeordnete Fortsetzung der Schlägerungsarbeiten wurde durch das Einschreiten von Organen der Sbg. Berg- und Naturwacht verhindert. Der mit der Durchführung der Schlägerung beauftragten Person wurde für den Fall der Vornahme weiterer Baumfällungen die sofortige Festnahme angedroht.

Um etwa 15.00 Uhr wurde eine Verordnung des Magistrates über die Erklärung des Grundstückes .../1 zum geschützten Landschaftsteil durch Anschlag an einem Baum auf dem Grundstück .../1 kundgemacht. Diese Verordnung wurde gegenüber der für die Verlautbarung im Amtsblatt der Stadt Sbg. bestimmten, mit 24. 1. 1985 datierten Verordnung in der Weise geändert, daß anstelle des Datums "24. 1. 1985" das Datum "4. 2. 1985" gesetzt und folgende Bestimmung als §8 angefügt wurde:

"Diese Verordnung tritt mit sofortiger Wirksamkeit in Kraft."

III. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Die Beschwerde richtet sich gegen die am 4. Feber 1985 von Naturschutzwacheorganen vorgenommene Untersagung der Schlägerungsarbeiten auf dem Grundstück .../1. Die Einstellung der Schlägerungen am 2. Feber 1985 durch den Stadtrat J V ist nicht Gegenstand der Beschwerde.

Die Naturschutzwacheorgane sind nach §1 der Sbg. Berg- und Naturwachtordnung, LGBl. 60/1979, zur Unterstützung der Naturschutzbehörden bei der Vollziehung des Sbg. Naturschutzgesetzes 1977 bestellt. Sie sind bei ihrer Tätigkeit Hilfsorgane der jeweils zuständigen Naturschutzbehörde.

Bei der Untersagung der Schlägerungsarbeiten am 4. Feber 1985 waren die einschreitenden Naturschutzwacheorgane als Hilfsorgane des Magistrates der Landeshauptstadt Sbg. als Bezirksverwaltungsbehörde (Naturschutzbehörde) tätig. Ihre Amtshandlungen sind dieser Behörde zuzurechnen. Der Magistrat der Landeshauptstadt Sbg. ist bel. Beh.

b) Durch das Einschreiten der Naturschutzwacheorgane ist unter Androhung der sofortigen Festnahme, somit unter Androhung unmittelbaren Zwanges, die weitere Schlägerung von Bäumen auf dem Grundstück .../1 verhindert worden. Das Einschreiten der Naturschutzwacheorgane ist als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen die Eigentümer des Grundstückes .../1 zu beurteilen. Ein Rechtsmittel gegen diese Amtshandlungen ist nicht vorgesehen. Damit ist der Instanzenzug erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

2. Die Befugnis zur Vornahme von Schlägerungen von Bäumen ist mit dem Eigentum am Grundstück verbunden. Durch die Untersagung der Schlägerung wird in das Eigentumsrecht eingegriffen. Dieser Eingriff wäre verfassungswidrig, wenn er ohne jegliche gesetzliche Grundlage vorgenommen würde, wenn er sich auf ein verfassungswidriges Gesetz stützte oder wenn er auf einer so fehlerhaften Anwendung eines verfassungsrechtlich unbedenklichen Gesetzes beruhte, daß die Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe gestellt werden müßte.

Die am 4. Feber 1985 von Naturschutzwacheorganen vorgenommene Untersagung der Schlägerung von Bäumen auf dem Grundstück .../1 entbehrt jeglicher gesetzlichen Grundlage. Es steht unbestritten fest, daß die Verordnung über die Erklärung des Grundstückes .../1 zum geschützten Landschaftsteil am 4. Feber 1985 zu dem Zeitpunkt, als die Schlägerung untersagt wurde, noch nicht in Geltung gestanden ist. Als Rechtsgrundlage für eine solche Untersagung ist sie erst mit dem Anschlag iS des §19 Abs4 des Sbg. Stadtrechtes 1966 um 15.00 Uhr wirksam geworden.

Die Behörde vertritt in der Gegenschrift die Auffassung, daß sich die Untersagung der Fällung der Bäume am 4. Feber 1985 auf die von Stadtrat V am 2. Feber 1985 ausgesprochene Untersagung stützen könne. Hiezu ist zu bemerken, daß die durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt am 2. Feber 1985 vorgenommene Untersagung der Baumschlägerungen keinesfalls eine Rechtsgrundlage für die Untersagung der Baumfällungen am 4. Feber 1985 bilden konnte.

Es gibt auch keine andere Vorschrift, auf die die Untersagung der Schlägerung der Bäume am 4. Feber 1985 gestützt werden könnte.

Durch diese auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhende Untersagung sind die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Schlagworte

Naturschutz, Landschaftsschutz, Behördenzuständigkeit, Verordnung Kundmachung, Verordnungserlassung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B186.1985

Dokumentnummer

JFT_10139075_85B00186_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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