TE Vfgh Beschluss 1986/10/6 KII-1/83

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Veröffentlicht am 06.10.1986
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art138 Abs2
VfGG §55

Leitsatz

Art138 Abs2 B-VG; Antrag auf Feststellung, ob eine (von der Berghauptmannschaft Leoben unter Bezugnahme auf §146 BergG mit zwei rechtskräftigen Bescheiden bereits erteilte) Bewilligung baulicher Maßnahmen im Rahmen eines Bergbaubetriebes in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt; Kompetenzfeststellung - ein Instrument präventiver Rechtskontrolle; dies trifft auch bezüglich der Erlassung von Bescheiden zu; Unzulässigkeit des Antrages

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Stmk. Landesregierung begehrt unter Berufung auf Art138 Abs2 B-VG die Feststellung, ob der von ihr in folgender Weise beschriebene Akt der Vollziehung in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt:

"Tatbestand, der einer Regelung unterzogen werden soll:

Die R GesmbH, Bad Aussee, hat auf dem Grundstück Nr. .../60, KG Strassen, OG. Bad Aussee, ein Büro- und Werkstättengebäude aufgestockt sowie eine Lagerhalle errichtet. Zwischen der Steiermärkischen Landesregierung und der Berghauptmannschaft Leoben bestehen unterschiedliche Auffassungen, ob für diese Bauführungen die Baubehörde zur Durchführung eines baubehördlichen Verfahrens zuständig ist oder die Bergbehörde die Bauordnung im bergbehördlichen Verfahren zu vollziehen hat.

Nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung bedürfen diese Bauführungen gemäß §57 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, idF der Gesetze LGBl. Nr. 130/1974, 61/1976 und 55/1977, einer Bewilligung der Baubehörde, da es sich um Umbauten bzw. um Neubauten handelt.

Es sollten daher diese Bauführungen einem Bewilligungsverfahren durch die zuständige Baubehörde unterzogen werden bzw. sollte gegebenenfalls die Baubehörde einen baupolizeilichen Auftrag zur Abtragung der ohne baubehördliche Bewilligung errichteten Bauwerke erlassen können.

Angabe der Behörde, von der der Bescheid ergehen soll:

Baubehörde erster Instanz ist gemäß §71 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 der Bürgermeister, in Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat.

Da die Bauführungen im Gemeindegebiet der Marktgemeinde Bad Aussee durchgeführt wurden, wäre nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung der Bürgermeister der Marktgemeinde Bad Aussee zur Erlassung des Bescheides sachlich und örtlich zuständig."

2. Wie aus den von der Stmk. Landesregierung vorgelegten Verwaltungsakten hervorgeht, hat die Berghauptmannschaft Leoben mit zwei (in Rechtskraft erwachsenen) Bescheiden vom 10. Dezember 1979 unter Bezugnahme auf §146 des Berggesetzes (idF des BG BGBl. 124/1978) die Bewilligung sowohl zur Aufstockung des Büro- und Werkstättengebäudes als auch zur Errichtung der Lagerhalle auf dem Grundstück .../60 der KG Strassen (Marktgemeinde Bad Aussee) bereits erteilt.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Die gesamte Rechtsprechung des VfGH zu dem durch Art138 Abs2 B-VG (die nunmehr maßgebende Fassung beruht auf der Nov. BGBl. 444/1974) den Regierungen in die Hand gegebenen Rechtsbehelf ist vom Grundsatz beherrscht, daß es sich um ein Instrument präventiver Rechtskontrolle handelt. So sprach der Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung VfSlg. 1031 vom Jahre 1928 aus, daß mit einem iS des Art138 Abs2 B-VG gestellten Antrag nur ein Mangel geltend gemacht werden könne, der im Inhalt eines präsumtiven Gesetzes oder Vollzugsaktes zu Tage tritt.

Dies betonte der Gerichtshof auch in seiner späteren Judikatur: Er wies in seiner Entscheidung VfSlg. 1563/1947 den Kompetenzfeststellungsantrag einer Landesregierung zurück, weil der Landtag einen dem unterbreiteten Gesetzentwurf inhaltlich entsprechenden Gesetzesbeschluß bereits gefaßt hatte, und nahm in VfSlg. 1637/1948 anläßlich der von einer Landesregierung begehrten Kompetenzfeststellung in bezug auf eine Verordnung den gleichen Standpunkt sogar im Fall ein, daß eine in allen wesentlichen Punkten gleichlautende Verordnung (nicht von der antragstellenden Regierung, sondern) von der Bundesregierung bereits erlassen worden war. Ausdrücklich erklärte der Gerichtshof in VfSlg. 3685/1960, daß ein bestehendes Gesetz nicht Gegenstand eines Verfahrens nach Art138 Abs2 B-VG sein könne.

In der Entscheidung VfSlg. 4445/1963 relativierte der VfGH seine Auffassung über die Funktion des Art138 Abs2 B-VG nur insofern, als er in einer teilweisen (also keineswegs einer im wesentlichen gleichlautenden) Regelung einer in einem unterbreiteten Gesetzentwurf behandelten Angelegenheit durch eine andere gesetzgebende Körperschaft kein Prozeßhindernis erblickte, brachte aber - in der Aussage über die vorgenommene Relativierung hinausgehend - zum Ausdruck, daß Art138 Abs2 B-VG keine Einschränkung auf Materien enthalte, die bisher gesetzlich nicht geregelt waren. In gleicher oder ähnlicher Weise wiederholte der Gerichtshof diese (vom Inhalt der Entscheidung her nicht gebotene und zu Mißverständnissen geeignete) allgemeine Aussage in den Entscheidungen VfSlg. 4533/1963, 4615/1963 und 5748/1968 (S 401), denen jedoch insgesamt kein Fall zugrundeliegt, in dem ein in allen wesentlichen Punkten gleichlautendes Gesetz einer anderen gesetzgebenden Körperschaft bestand.

Aus der Sicht der vorliegenden Rechtssache besteht nun kein Anlaß, von der aus VfSlg. 1637/1948 hervorgehenden - wenngleich nur in bezug auf Verordnungen ausdrücklich ausgesprochenen - Auffassung abzurücken, daß das Bestehen eines Gesetzes oder einer Verordnung eine Antragstellung unter Präsentation eines völlig inhaltsgleichen Gesetzentwurfs oder Verordnungsentwurfs hindert.

2. Im Hinblick auf die im wesentlichen übereinstimmenden Regelungen für Verordnungen und sonstige Akte der Vollziehung in §55 VerfGG, vor allem aber den herausgestellten allgemeinen Zweck des Kompetenzfeststellungsantrages ist der VfGH der Meinung, daß die soeben dargelegte prozeßrechtliche Auffassung über Kompetenzfeststellungen aufgrund von Verordnungsentwürfen in gleicher Weise für Kompetenzfeststellungen bezüglich sonstiger Vollzugsakte - also bezüglich der Erlassung von Bescheiden - zutrifft. Ist der - iS der litb dieses Paragraphen - unterbreitete Tatbestand, also der für die rechtliche Beurteilung unter kompetenzmäßigem Aspekt ausschlaggebende Sachverhalt - wie im vorliegenden Antrag - derart spezifiziert, daß eine meritorische Entscheidung des VfGH - abgesehen von einem sodann zu beschließenden Rechtssatz - notwendig und geradezu ausschließlich aussagt, ob ein bereits erlassener Bescheid (zur Gänze oder teilweise) aus dem Blickwinkel der Kompetenz verfassungsmäßig ist oder nicht, so wird mit einem derartigen Antrag der Weg präventiver Rechtskontrolle vollständig verlassen, was prozessual unzulässig ist.

3. Der von der Stmk. Landesregierung gestellte Antrag war sohin zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren beschlossen werden konnte.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:KII1.1983

Dokumentnummer

JFT_10138994_83KII001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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