TE Vfgh Erkenntnis 1986/10/6 G129/86

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Veröffentlicht am 06.10.1986
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Index

L3 Finanzrecht
L3721 Grundsteuerbefreiung

Norm

B-VG Art7 Abs1 /Gesetz
Sbg Wohnbauförderungs-GrundsteuerbefreiungsG VfGG §63 Abs2

Beachte

Kundmachung am 3. Feber 1987, LGBl. für Sbg. 5/1987, Anlaßfall B777/84 vom 6. Oktober 1986 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach Muster VfSlg. 10622/1985

Leitsatz

Sbg. Wohnbauförderungs-GrundsteuerbefreiungsG; offenkundige Absicht des Gesetzgebers, eine bloß teilweise Grundsteuerbefreiung nicht zuzulassen; Gleichheitswidrigkeit des §1 im Anwendungsbereich des §3 Abs2 LGBl. 77/1968

Spruch

§1 des Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetzes, LGBl. für das Land Sbg. 22/1955, im Anwendungsbereich des §3 Abs2 im Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetz 1968, LGBl. 77, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 1987 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Magistrat Sbg. wies mit Bescheid vom 17. Mai 1983 den Antrag der Beteiligten ab, ihr "für die Bauführung A-Straße 3, 5 und 7" auf die Dauer von acht Jahren Grundsteuerbefreiung zu gewähren, nachdem die mit Bescheid des Finanzamtes Sbg.-Stadt auf die Dauer von zwölf Jahren ausgesprochene Grundsteuerbefreiung abgelaufen war. Aus der Zusicherung der Förderung aufgrund des Wohnbauförderungsgesetzes 1954 gehe hervor, daß die Förderung für die Errichtung eines Wohnblocks mit 29 Wohnungen gewährt worden sei, die gesamte Bauführung umfasse jedoch insgesamt 30 Wohnungen, von denen eine (Ordinationsräume eines Arztes) nicht gefördert sei. Unter Bauführungen iS des §1 des Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetzes könnten nur jene Bauführungen verstanden werden, welche zur Gänze nach den Bestimmungen des Wohnbauförderungsgesetzes 1954 gefördert sind.

2. Die dagegen ergriffene Berufung der Beteiligten blieb erfolglos. Der Stadtsenat begründete seinen abweisenden Bescheid vom 29. August 1984 unter Übernahme der Sachverhaltsfeststellungen der ersten Instanz im wesentlichen folgendermaßen:

"Gemäß §3 Abs2 Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetz 1968, LGBl. Nr. 77/1968, ist das Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetz, LGBl. Nr. 22/1955, in Hinkunft Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetz 1955 genannt, auf die nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 153/1954, geförderten Bauführungen weiter anzuwenden. Gemäß §1 des Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetzes 1955 wird den Bauführungen, die nach den Bestimmungen des Wohnbauförderungsgesetzes 1954 gefördert werden, eine Grundsteuerbefreiung auf die Dauer von 20 Jahren zugestanden. Gemäß §2 Abs1 Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetz 1955 sind die Bestimmungen der §§3, 4, 5 und 7 sowie des §8 Abs3 des Bautenbegünstigungsgesetzes 1953, LGBl. Nr. 5/1954, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß auch für die Grundsteuerbefreiung nach diesem Gesetz anzuwenden. Weder das Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetz 1955 noch die sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des Bautenbegünstigungsgesetzes 1953 enthalten eine Bestimmung, nach der die 20jährige Grundsteuerbefreiung auch für nur teilweise geförderte Bauführungen zu gewähren wäre. Daraus, daß die Grundsteuerbefreiung ex lege erlischt, wenn die Förderung gekündigt oder eingestellt oder die Zusicherung widerrufen wird (§2 Abs3), und damit streng an die Gewährung einer Förderung gebunden erscheint, daß ferner die für den Fall der nur teilweisen Förderung unbedingt erforderliche Regelung der Berechnung der Grundsteuerbefreiung fehlt bzw. auch eine Regelung dafür fehlt, wem im Falle einer teilweisen Befreiung von der Grundsteuer diese zugute kommen sollte, und auch das weitgehend sinngemäß anzuwendende Bautenbegünstigungsgesetz 1953 keine hiefür in Betracht kommende Bestimmung kennt, weil ein analoger Fall dort undenkbar ist, läßt sich ableiten, daß Voraussetzung für die Grundsteuerbefreiung die Förderung der gesamten Bauführung ist. Eine Regierungsvorlage, die eine im Sinne des gegenständlichen Berufungsvorbringens gelegene Änderung des Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetzes 1968 dahingehend zum Ziel hatte - wobei gemäß ArtI Zif. 5 der Vorlage diese Änderung auch für die nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1954 geförderten Bauführungen Wirksamkeit erlangen sollte -, daß dem §2 ein Abs5 angefügt werden sollte, der eine Regelung für Fälle einer nur teilweisen Förderung von Bauführungen - sei es, daß diese Bauführungen auch nicht geförderte Teile enthielten oder die Förderung bezüglich einzelner Teile nachträglich gekündigt oder eingestellt bzw. widerrufen worden wäre - enthalten hätte (vgl. Nr. 246 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages, 2. Session der 8. Gesetzgebungsperiode), wurde jedoch vom Landtag nicht beschlossen. Auf Grund der somit weiterhin unverändert geltenden Bestimmungen des Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetzes 1955 i. d. F. LGBl. Nr. 45/1974 wäre ein Vollzug dieser Bestimmungen in dem von der Berufungswerberin beantragten Sinn nicht zulässig bzw. würde dadurch mangels Vorhandenseins einer hiefür erforderlichen Rechtsgrundlage gegen das in Art18 Abs1 B-VG verankerte Legalitätsprinzip verstoßen, wonach die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf. Das Recht auf Prüfung, inwieweit die von den Verwaltungsbehörden zu vollziehenden Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften der Verfassung entsprechen, steht den Verwaltungsbehörden nicht zu."

Dieser Bescheid des Stadtsenates ist Gegenstand der zu B777/84 erhobenen VfGH-Beschwerde.

II. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §1 im Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetz, LGBl. für das Land Sbg. 22/1955, im Anwendungsbereich des §3 Abs2 im Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetz 1968, LGBl. 77, ein. Hiebei nahm der Gerichtshof vorläufig an, daß der Beschwerde Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen sowie daß er bei seiner Entscheidung die bezogene Gesetzesvorschrift anzuwenden hätte. Die Bedenken hinsichtlich deren Verfassungsmäßigkeit legte er wie folgt dar:

"Der VfGH nimmt weiters vorläufig an, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Rechtsauffassung jedenfalls im Ergebnis zutrifft. Versteht man §1 des Gesetzes LGBl. 22/1955 dahin, daß nur eine gänzliche Förderung der Bauführung zur Grundsteuerbefreiung führt, so begegnet die Regelung Bedenken unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes, welches dem Gesetzgeber sachlich nicht begründbare Differenzierungen verwehrt. Geht man vom sozialen Zweck der Förderung durch das Wohnbauförderungsgesetz 1954 aus, den Wohnungsbau, und zwar hauptsächlich die Errichtung von Klein- und Mittelwohnungen zu fördern, so erscheint die an die geförderte Bauführung geknüpfte Grundsteuerbefreiung gleichsam als die Verlängerung einer aus sozialen Gründen gewährten Begünstigung in den steuerlichen Bereich. Der Gerichtshof findet nun - zumindest vorläufig - keine Gründe dafür, welche eine kraß unterschiedliche grundsteuerliche Behandlung im Fall rechtfertigen, daß bloß einem verhältnismäßig geringen Teil des gesamten Bauvorhabens (zB in der vorliegenden Beschwerdesache: einer nicht geförderten Arztordination gegenüber 29 geförderten Wohnungen) keine Förderung zukam. Gewiß liegt es innerhalb des rechtspolitischen Freiraums des Gesetzgebers, eine Grenze zwischen steuerbegünstigter und nicht begünstigter Bauführung zu ziehen; es kann (und wird wohl auch) jede Grenzziehung zu Härtefällen führen. Solche Härtefälle dürfen - was jedoch nach der damaligen Praxis der Förderung wahrscheinlich nicht verneint werden kann - nur ausnahmsweise auftreten, wenn die Regelung vor dem Gleichheitsgebot bestehen soll (s. zB VfSlg. 7996/1977).

Im Prüfungsverfahren wird sich der VfGH allerdings auch mit der Frage zu befassen haben, ob die dargelegten Bedenken durch eine verfassungskonforme Auslegung des §1 im Gesetz LGBl. 22/1955 entkräftet werden könnten. Der Annahme, daß eine bloß teilweise Grundsteuerbefreiung gewährt werden darf, stünden aber wohl die (schon in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegten) Argumente entgegen, daß eine solche Auslegung nicht der anläßlich der Novellierung zum Ausdruck gekommenen Absicht des Gesetzgebers entspräche und überdies eine detaillierte Regelung über die Berechnung einer solchen Steuerbefreiung erforderte."

III. Namens der Sbg. Landesregierung langte eine vom Landesamtsdirektor gefertigte Äußerung ein, die im Prüfungsverfahren jedoch nicht zu beachten war, weil ihr ein Beschluß der Landesregierung nicht zugrundeliegt (VfSlg. 10690/1985, 10739/1985).

IV.1. Das Prüfungsverfahren ist zulässig; sämtliche Verfahrensvoraussetzungen sind gegeben.

2. Die Bedenken des VfGH erweisen sich als begründet.

Eine verfassungskonforme Auslegung des §1 im Gesetz LGBl. 22/1955 kann hier nicht in Betracht gezogen werden, weil die (in der Begründung des Berufungsbescheides zutreffend geschilderte) inhaltliche Änderung der Nov. zum Wohnbauförderungs-Grundsteuerbefreiungsgesetz 1968 gegenüber der RV (s. dazu den Bericht des Verfassungs- und Verwaltungsausschusses Nr. 319 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Sbg. Landtages, 4. Session der 8. Gesetzgebungsperiode) keinen Zweifel an der offenkundigen Absicht des Gesetzgebers erlaubt, (auch für aufgrund des Wohnbauförderungsgesetzes 1954 geförderte Bauführungen) eine bloß teilweise Grundsteuerbefreiung nicht zuzulassen.

Im übrigen ist nichts hervorgekommen, was die im Einleitungsbeschluß dargelegten Bedenken entkräften könnte.

Die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der Gesetzesstelle stützt sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz

B-VG.

Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.

Schlagworte

Grundsteuer, Grundsteuerbefreiung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:G129.1986

Dokumentnummer

JFT_10138994_86G00129_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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