TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/17 LVwG-AV-1267/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.2018
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Entscheidungsdatum

17.10.2018

Norm

GewO 1994 §13 Abs4
GewO 1994 §87 Abs1 Z1
GewO 1994 §87 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Grubner als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch die Kanzlei *** Rechtsanwälte, in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 4. September 2017, ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“ zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“ am Standort ***, ***, GISA-Zahl: ***, entzogen. Begründend hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid – im Wesentlichen – ausgeführt, dass im Zuge einer vom Beschwerdeführer beabsichtigten weiteren Gewerbeanmeldung seitens der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya eine Abfrage des Strafregisters durchgeführt worden sei. Dabei sei hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 7. Mai 2014, rechtskräftig seit 23. Mai 2014, GZ ***, wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 147 Abs. 3, 148 2. Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden sei. Die Verwaltungsbehörde habe daraufhin mit dem Landesgericht für Strafsachen *** Kontakt aufgenommen und erfahren, dass anlässlich der Verurteilung versehentlich keine Verständigung der Gewerbebehörde erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe einen Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) verwirklicht. Zwar habe die Behörde erst Jahre später von der Verurteilung erfahren, da es sich bei der ausgesprochenen Maßnahme jedoch nicht um eine Strafe sondern um eine administrative Maßnahme handle, sei die vergangene Zeit keiner Verjährung zugänglich und somit kein Hindernis für das Entzugsverfahren. Es sei nach der Schwere, der Art der Tat und der Persönlichkeit des Gewerbeinhabers jedenfalls die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei der ausgeübten Tätigkeit zu befürchten. Ungeachtet des Wohlverhaltens seit der Verurteilung falle die von der Behörde nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 vorzunehmende Prognoseentscheidung zu Ungunsten des Gewerbeinhabers aus. Eine Entziehung der Gewerbeberechtigung sei trotz der vergangenen Zeitspanne von drei Jahren unerlässlich. Die Gewerbeberechtigung sei daher gemäß § 87 Abs. 1 GewO 1994 zu entziehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 hat die Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya den Verwaltungsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vorgelegt.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer – im Wesentlichen – vor, dass das Vorliegen eines Gewerbeausschlussgrundes nicht bestritten werde. Das Verhalten des Verurteilten, und zwar noch vor Einleitung des Strafverfahrens, die positive Charakterisierung durch die Wirtschaftskammer Österreich sowie das nach wie vor gute Verhältnis zu der B-Versicherung und den übrigen Geschädigten würden für eine positive Persönlichkeit und Zukunftsprognose und gegen die Befürchtung einer neuerlichen Straftat sprechen. Auch das Landesgericht *** habe betreffend die Bemühungen zur Schadensbegleichung ausschließlich positive Aussichten gesehen. Die Behörde habe daher verkannt, dass nicht nur eine Wiedergutmachung des Schadens vorliege, sondern auch das Verhalten des Verurteilten bis zur Begehung der gegenständlichen Straftaten und danach, und zwar bereits vor Einleitung des Strafverfahrens zeigen würden, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt hätte und weitere Straftaten nicht zu befürchten seien. Die in § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 kumulativ geforderten Tatbestandsmerkmale würden somit nicht vorliegen.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3.   Zum Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:

Am 22. Mai 2018 hat das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In der Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, den Strafakt des Landesgerichtes ***, ***, sowie durch Anhörung des Beschwerdeführers. Ein Vertreter der belangten Behörde hat an der Verhandlung nicht teilgenommen.

Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung – zusammengefasst – angeführt, dass die Tathandlungen, die letztlich zur Verurteilung geführt hätten, im Wesentlichen in einem Zeitraum von zwei Jahren, und zwar zwischen 2009 und 2011, stattgefunden hätten. Ein Schaden wäre tatsächlich vorgelegen. Die Unfälle, die dazu geführt hätten, seien aber fingiert worden. Seit diesen Verurteilungen habe es keine weitere Verurteilung gegeben. Er sei bis zu diesem Zeitpunkt auch unbescholten gewesen. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass die Versicherungsfirmen seine Haupteinnahmequelle seien. Er habe daher auch im Jahr 2012 mit seinen Vertragspartnern Kontakt aufgenommen und Gespräche geführt. Im Laufe des Jahres 2012 habe er Vereinbarungen betreffend Rückzahlung abgeschlossen. Es sei für ihn kein einfacher Weg gewesen, all dies zu tun. Er habe aber nicht alle Forderungen sofort befrieden können. Zwei Versicherungen hatten aber Anzeige erstattet. Er habe keinen Geschäftspartner verloren, habe sogar zwei, drei noch dazugewonnen. Er habe von sich aus die Initiative ergriffen und mit den Versicherungsunternehmungen gesprochen. Nach der Verurteilung habe es keine besondere Reaktion gegeben, weil bereits im Vorfeld alles mit den Versicherungsunternehmungen besprochen worden sei und Schäden wiedergutgemacht worden seien. Allerdings seien noch nicht alle Schäden beglichen, zB mit der C gebe es noch offene Forderungen. Es habe niemals Zahlungsverzug gegeben. Die Straftaten seien der größte Fehler seines Lebens gewesen und er habe daraus gelernt. Er habe vor allem versucht, das Vertrauen zu diesen Versicherungsunternehmen wieder aufzubauen.

In der Verhandlung legte der Beschwerdeführer eine E-Mail von D (E Versicherung) vom 17. August 2015 vor. Aus dieser geht hervor, dass per 14. August 2015 ein Betrag in der Höhe von 2 000 Euro eingegangen sei. Die Angelegenheit sei somit erledigt. Weiters wurde eine E-Mail von F (B Versicherung) vom 5. Juli 2017 vorgelegt. In dieser bestätigt Herr F, dass eine aufrechte Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer bestehe. Trotz der strafrechtlichen Probleme, die von Seiten des Beschwerdeführers an die Versicherung gemeldet worden seien, sei entschieden worden, die Zusammenarbeit unter laufender und genauer Bewertung weiter zu führen. Es werde bestätigt, dass seit diesem Zeitpunkt eine zufriedenstellende und korrekte Zusammenarbeit bestehe, diese solle bei Vorliegen der rechtlichen Gegebenheiten (Gewerbeschein) auch weiter geführt werden. Die Zusammenarbeit werde geschätzt. Mit Schreiben vom 13. Juni 2018 legte der Beschwerdeführer dazu E-Mails von G (H Versicherungen) vom 11. Juni 2018, von I (J Versicherung) vom 11. Juni 2018, von K (L-Versicherungs-AG) vom 13. Juni 2018 und von F (B Versicherung) vom 5. Juli 2017 vor. In diesen E-Mails wird darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer geschätzt werde, der Beschwerdeführer korrekt handle bzw. ein aufrechtes Agenturverhältnis bestehe.

4.   Feststellungen:

Folgende Feststellungen werden als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Beschwerdeführer, der für zwei Kinder sorgepflichtig ist, ist seit 2007 Inhaber der Gewerbeberechtigung „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“. Im Zuge einer vom Beschwerdeführer beabsichtigten weiteren Gewerbeanmeldung im Juni 2017 ist hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2014 wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt worden ist.

Mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 7. Mai 2014, GZ ***, rechtskräftig seit 23. Mai 2014, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 147 Abs. 3, 148 2. Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Die Strafe wurde unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Mai 2009 bis November 2011 in *** und anderen Orten Österreichs teils allein und teils im Zusammenwirken mit mehreren Mittätern mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Versicherungsunternehmen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet oder verleiht versucht, die dies am Vermögen schädigte, indem er bzw. sie bewusst in den nachgenannten unterschiedlichen Konstellationen teils gegenseitig Unfälle vorsätzlich herbeiführten und die von ihnen gelenkten Fahrzeuge vorsätzlich beschädigten, teils Versicherungsfälle fingierten, indem sie die Fahrzeuge vorsätzlich beschädigten und in der Folge unter Vorlage von inhaltlichen falschen Schadensmeldungen, sohin unter Verwendung falscher Beweismittel, zur Auszahlung überhöhter und nicht zustehender Versicherungsleistungen verleitet oder zu verleiten versucht, wodurch den in der Folge genannten Versicherungsunternehmen in 50 000 Euro übersteigenden Betrag geschädigt wurde oder geschädigt hätten werden sollen. Folgende Versicherungsunternehmen waren betroffen: B Versicherung, J Versicherung, C Versicherung, M Versicherung, N Versicherung, O Versicherung. Im Rahmen der Strafbemessung wurden die Unbescholtenheit, das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung mildernd, die Faktenvielzahl erschwerend gewertet.

In der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht *** am 7. Mai 2014 hat der als Zeuge einvernommene P (B Versicherung) angegeben, dass sich der Beschwerdeführer nach der Einvernahme bei der Polizei bei ihm persönlich gemeldet habe, persönlich vorgesprochen habe, und sich dafür, was passiert sei, entschuldigt habe. Der Zeuge Q (B Versicherung) hat angegeben, dass der Beschwerdeführer alles erledigt habe. Der Zeuge R (J Versicherung) hat angegeben, dass die vereinbarte Rückforderung in der Höhe von 20 000 Euro vom Beschwerdeführer ebenfalls bezahlt worden sei, es sei volle Schadensgutmachung geleistet worden. Die Zeugin D (E Versicherung) gab an, dass eine Zahlungsvereinbarung von monatlich 150 Euro mit dem Beschwerdeführer bestehe. Die Ratenzahlung laufe und werde eingehalten. Der Zeuge S (O Versicherung) führte an, dass eine Abschlagszahlung in Höhe von 6 000 Euro (unter anderem) mit dem Beschwerdeführer eingegangen worden sei. Der Zeuge T (N Versicherung) gab an, dass ein Schaden in der Höhe von 4 500 Euro offen sei. Die Zeugin U (V Versicherung) gab an, dass die Vereinbarung mit dem Beschwerdeführer von diesem eingehalten worden sei.

Die Probezeit von drei Jahren musste nicht verlängert werden und die Strafe wurde schließlich am 8. Juni 2017 mit Beschluss des Landesgerichtes *** endgültig nachgesehen. Eine Verständigung der Gewerbebehörde durch das Landesgericht *** ist nicht erfolgt.

Sowohl in der Verhandlung vor dem Landesgericht ***, als auch im Laufe des Entziehungsverfahrens vor der Behörde und dem Verwaltungsgericht Niederösterreich hat sich der Beschwerdeführer schuldeinsichtig gezeigt und Reue bekundet. Der Beschwerdeführer wurde seit der genannten Verurteilung durch das Landesgericht *** – abgesehen von der Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung von § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) im Jahr 2016 – nicht mehr straffällig. Die Probezeit in der Dauer von drei Jahren musste nicht verlängert werden.

Der Beschwerdeführer pflegt ein Geschäftsverhältnis zu seinerzeit geschädigten Versicherungsunternehmen.

5.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen in den unbedenklichen Akten der belangten Behörde, die Feststellung betreffend die strafbaren Handlungen und die strafgerichtliche Verurteilung beruht auf der Einsichtnahme in den Akt des Landesgerichts *** zu *** und das Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellungen zu den nunmehrigen Geschäftsbeziehungen zu den ehemals geschädigten Versicherungen ergeben sich aus den unbedenklichen Urkunden, die vom Beschwerdeführer im Zuge des Entziehungsverfahrens vorgelegt wurden. Hinsichtlich deren Echtheit und inhaltlichen Richtigkeit wurden keine Bedenken geäußert und sind auch im Verfahren nicht hervorgekommen.

6.   Rechtslage:

Gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie von einem Gericht verurteilt worden sind, wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und die Verurteilung nicht getilgt ist.

Nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 GewO 1994 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

Nach § 87 Abs. 3 GewO 1994 kann die Behörde die Gewerbeberechtigung auch nur für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, dass diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern.

7.   Erwägungen:

7.1.    Die Entziehung der Gewerbeberechtigung dient keinen Strafzwecken, sondern stellt eine administrative Maßnahme dar, die den Zweck verfolgt, das Vertrauen der Kunden und Geschäftspartner von Gewerbetreibenden in die Zuverlässigkeit der Gewerbeausübung zu sichern (VwGH 24. März 2004, Zl. 2004/04/0031).

Die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfordert zunächst, dass auf einen Gewerbeinhaber ein Ausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 zutrifft. Beim Entziehungsgrund der strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des § 13 Abs. 1 GewO 1994 ist die Behörde an ein rechtskräftiges Urteil gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht (vgl. VwGH 26. April 2007, 2006/04/0223; Kreisl in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO § 26 [Stand 1.1.2015, rdb.at], Rz 7). Eine Neubewertung des Sachverhalts ist nur im Rahmen einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens möglich, keinesfalls jedoch im Rahmen des gegenständlichen Entziehungsverfahrens. Der Behörde obliegt aber die selbstständige Beurteilung, ob alle weiteren Voraussetzungen der Entziehung gegeben sind (vgl. VwGH 25. September 1990, 90/04/0021 mwN).

Bei der mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 7. Mai 2014, rechtskräftig seit 23. Mai 2014, GZ ***, wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 147 Abs. 3, 148 2. Fall StGB verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren handelt es sich um eine einschlägige Strafe im Sinne des § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994, da diese das Erfordernis einer mehr als dreimonatigen Freiheitsstrafe erfüllt. Diese Strafe ist zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht nicht getilgt, womit auch § 13 Abs. 1 Z 2 GewO 1994 erfüllt ist.

7.2.    Als weiteres Tatbestandselement kommt gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 kumulativ hinzu, dass nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist (vgl. VwGH 25. März 2010, 2009/04/0192 u.a.). Das Persönlichkeitsbild des Täters und auch die Befürchtung im Sinn des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 können sich bereits in der Art der strafgerichtlichen Verurteilung manifestieren (vgl. VwGH 9. September 2015, Ro 2014/04/0012; VwGH 8. Mai 2002, 2002/04/0030, mwN). Zu berücksichtigen sind insbesondere die Umstände der Straftaten, wobei etwa ein aufwändig geplantes oder auffällig sorgloses Vorgehen, das Tatmotiv, ein langer Tatzeitraum, ein etwaiger Rückfall, oder die Höhe eines Schadensbetrags einzubeziehen sind (vgl. VwGH 11. November 1998, 97/04/0167; 17. September 2010 2008/04/0144). Ferner hat die Gewerbebehörde auch auf das Ausmaß Bedacht zu nehmen, in dem die verhängte Strafe die in § 13 Abs. 1 GewO 1994 genannte Grenze übersteigt (VwGH 9. September 2015, Ro 2014/04/0012; VwGH 11. Dezember 2013, 2013/04/0151, mwN). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Prognose nicht darauf an, dass die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat kaum zu befürchten ist. Für die Verneinung des Vorliegens dieser Tatbestandsvoraussetzungen ist vielmehr entscheidend, dass die in der (durch die fragliche Straftat manifestierte) Persönlichkeit begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes eben gar nicht besteht (vgl. VwGH 9. Mai 2001, 2001/04/0072; 26. April 2000, 2000/04/0068; 8. Mai 2002, 2002/04/0030).

Bei der Prognoseentscheidung sind aber auch alle äußeren Umstände zu berücksichtigen, die auf die Persönlichkeitsentwicklung der betroffenen Person – sei es im positiven oder negativen Sinn – von Einfluss sein können. Diese sind mit der Eigenart und Schwere begangener Straftaten sowie stets im Hinblick auf die Frage abzuwägen, ob mit begründeter Wahrscheinlichkeit noch die Befürchtung besteht, dass der Gewerbeinhaber bei der (weiteren) Ausübung des Gewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begehen wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prognostizierung das Wohlverhalten des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei wurde „auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum“, oder auf den Zeitraum seit der Verurteilung abgestellt (vgl. VwGH 18. Mai 2016, Ra 2016/04/0046; VwGH 9. September 2015, Ro 2014/04/0012; VwGH 6. Oktober 2009, 2009/04/0262; VwGH 11. November 1998, 98/04/0174; VwGH 29. April 2014, 2013/04/0150). Nach der Rechtsprechung des OGH ist dem Wohlverhalten des Täters in Zeiten, in denen er sich nicht frei von Strafverfolgung glauben kann, keine oder nur geringe Bedeutung zuzumessen. Dies betrifft vor allem Zeiträume, in denen noch immer ein Strafverfahren oder ein sonstiges eigene Interessen betreffendes Verfahren – etwa ein Verfahren über die Entziehung einer Berechtigung – anhängig ist (vgl. OGH 25. August 1993, 13 Os 83/93 mwV; OGH 14. Jänner 1987, 1 Ob 37/86, uvm). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gleichermaßen für den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum, wenn er in erheblichem Ausmaß in Haft verbracht wurde (vgl. VwGH 5. September 2001, Zl. 2001/04/0116). Allgemein führt das (bloße) Verstreichen eines bestimmten (gegebenfalls auch längeren) Zeitraums seit Begehung eines Delikts jedoch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht automatisch zu einer positiven Prognoseentscheidung (vgl. etwa 25. April 1995, 94/04/0237; 6. November 2002, 2001/04/0050; 28. April 2004, 2003/03/0017; Kreisl in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO § 26 [Stand 1.1.2015, rdb.at], Rz 16). Relevant ist in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis zwischen der Dauer des Tatzeitraumes und der Dauer des Wohlverhaltens (vgl. VwGH 22. Juni 2011, 2011/04/0014 bei dem viereinhalbjähriges Wohlverhalten gegenüber einem Tatzeitraum von sieben Jahren als zu kurz erachtet wurde).

Nachteilige Folgen für die wirtschaftliche Existenz des Gewerbetreibenden können als solches nicht entscheidend sein (VwGH 8. Mai 2002, Zl. 2001/04/0043; VwGH 12. Juni 2013, 2013/04/0036). Zweck der Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Gewerbeausschluss ist insbesondere der Schutz von Personen (potenzieller Kunden, Arbeitnehmer oder sonst in Betracht kommender Geschäfts- bzw. Vertragspartner des Gewerbetreibenden), aber auch öffentlicher Interessen (wie etwa der Integrität staatlicher Institutionen oder des Staatshaushalts) durch Hintanhaltung der Begehung weiterer gleichartiger Straftaten im Zuge der Gewerbeausübung (vgl. VwG Wien 29. Dezember 2016, VGW-221/079/10393/2016). Dennoch können Gegebenheiten der Lebensführung – wenn besondere Umstände wie zB. ein soziales Netz durch Familie oder ein Wohnsitz hinzutreten – die einen starken Einfluss auf den Lebenswandel und damit auf das künftige Verhalten des Gewerbeberechtigten haben, nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Im Sinne einer ganzheitlichen Prognoseentscheidung ist nämlich durchaus davon auszugehen, dass sich stabilisierende Rahmenbedingungen in Zukunft begünstigend auf die Gesetzestreue des Gewerbetreibenden auswirken werden. So wird sich ein verständiger Durchschnittsmensch mit einer Familie in Zukunft und unter dem Eindruck der erlebten Sanktion für gewöhnlich eingehender mit den möglichen Folgen eines neuerlichen Gesetzesverstoßes auseinandersetzen. Schließlich kann auch das Verhalten des Täters im gerichtlichen Strafverfahren hier – etwa im Hinblick auf seine Schuldeinsichtigkeit – von Bedeutung sein. Allgemein kommt bei der Erstellung einer Zukunftsprognose der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks (hier: der Gewerbebehörde bzw. des Verwaltungsgerichts) von der betreffenden Person im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu (VwGH 18. Februar 2015, Ra 2014/04/0035, mwV).

7.3.    Die Taten, derentwegen der Beschwerdeführer rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, sind in Ausübung des gegenständlichen Gewerbes begangen worden. Der Tatzeitraum umfasst die Jahre 2009 bis 2011, die letzte Tat liegt damit etwa sieben Jahre zurück; seit der rechtskräftigen erstinstanzlichen Verurteilung sind etwa vier Jahre vergangen. Der Beschwerdeführer hat schon vor Einleitung des Strafverfahrens und der Verurteilung mit einer strukturierten Schadensgutmachung begonnen, obwohl er sich damals noch nicht zwingend dem drohenden Strafverfahren oder einem Entziehungsverfahren ausgesetzt sah. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes hat beim Beschwerdeführer der Sinneswandel schon vor der Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden eingesetzt, es erscheint daher sachgerecht, für die Prognoseentscheidung den Zeitpunkt der letzten Tathandlungen und nicht der Verurteilung heranzuziehen. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer ohne Unterbrechung seine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und sich mittlerweile etwa sieben Jahre wohl verhalten.

Zwar hat der Beschwerdeführer Betrugshandlungen in großer Zahl über einen längeren Zeitraum ausgeübt. Es ist dadurch ein hoher Schaden entstanden. Auch die verhängte Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren übersteigt das in § 13 Abs. 1 GewO 1994 genannte Ausmaß erheblich. Zudem missbrauchte der Beschwerdeführer wissentlich seine Vertrauensposition gegenüber seinen Geschäftspartnern zu seinem eigenen Vorteil. Demgegenüber sind die Eigeninitiative des Beschwerdeführers zur Aufklärung der Straftat, die ernsthaften Bemühungen zur Wiedergutmachung, die überwiegende Schadensbegleichung, das umfassende Geständnis, sowie die gezeigte Reue und die Einsicht des Fehlverhaltens vor dem Strafgericht und dem Verwaltungsgericht zu beachten. Ein weiterer gewichtiger Umstand ist das nunmehr langjährige Wohlverhalten des Beschwerdeführers. Zudem ist bei der Bewertung auch das Vertrauen nicht zu vernachlässigen, das ihm von Seiten der Geschäftspartner trotz Kenntnis um seine Verfehlungen entgegengebracht wird. Es ist davon auszugehen, dass die erlebten Konsequenzen, gemeinsam mit den persönlichen Anstrengungen und den daraus resultierenden finanziellen Bürden dem Beschwerdeführer noch einmal eindrucksvoll vor Augen geführt haben, welche Konsequenzen ihm im Falle einer neuerlichen Straftat drohen und welche Nachteile damit mittelbar seinen Familienangehörigen treffen können. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das erkennende Gericht den Eindruck gewonnen, dass der Beschwerdeführer aus seinen Fehlern gelernt hat. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes besteht eine in der Persönlichkeit des Beschwerdeführers begründete Befürchtung der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes nicht mehr.

Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich weist der Beschwerdeführer kein Persönlichkeitsbild auf, das die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei der Gewerbeausübung befürchten lässt. Die seit der letzten Tatbegehung verstrichene Zeit von ungefähr sieben Jahren (und ungefähr vier Jahren seit der strafgerichtlichen Verurteilung), in der sich der Beschwerdeführer – abgesehen von einer Übertretung der StVO 1960 – straffrei verhalten hat, ist durchaus geeignet, daraus die begründete Erwartung abzuleiten, dass sich die Einstellung des Beschwerdeführers zu den rechtlich geschützten Werten geändert hat. Speziell in Zusammenschau mit dem Umstand der fast vollständigen Schadenswiedergutmachtung und den nunmehr guten Beziehungen zu den ehemals Geschädigten ist dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall eine günstige Prognose beschieden und die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes aus Sicht des Gerichtes ausgeschlossen.

7.4.    Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (siehe die zitierten Entscheidungen). Insbesondere war der Entscheidung eine einzelfallbezogene Prognose zugrunde zu legen, weshalb der Entscheidung keine Bedeutung über den konkreten Anlassfall hinaus zukommt.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeberechtigung; Entziehung; Straftat; Prognose;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1267.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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