TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/28 W246 2234289-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2021
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Entscheidungsdatum

28.09.2021

Norm

BDG 1979 §14
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W246 2234289-1/32E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Heinz VERDINO als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerhard MADER sowie Ing. Mag. Peter DITRICH als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Peterpaul SUNTINGER, gegen den Bescheid des Personalamtes XXXX der Österreichischen Post AG vom 02.07.2020, Zl. PAK-015163/18-A07, betreffend amtswegige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 14 BDG 1979 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 24.08.2018 teilte das Personalamt XXXX der Österreichischen Post AG (in der Folge: die Behörde) der Beschwerdeführerin, einer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehenden Beamtin der Behörde, mit, dass die Pensionsversicherungsanstalt (in der Folge: PVA) zur Befunderhebung und Gutachtenserstellung hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Verfassung beauftragt worden sei und die Beschwerdeführerin damit zusammenhängenden Untersuchungseinladungen Folge zu leisten habe.

2. Aus dem in der Folge nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellten orthopädischen Gutachten einer Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie ( XXXX ) vom 25.10.2018 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin an einem Zustand nach einer Hüft-TEP links, einer zunehmenden Abnützung des Hüftgelenks rechts, chronischen Rückenschmerzen bei deutlichen Verschleißerscheinungen und Fingergelenksarthrosen leiden würde. Demnach sollten schwere Hebe- und Tragebelastungen (Anheben von Gegenständen über 25kg bzw. Tragen von Gegenständen über 15kg) nicht mehr durchgeführt werden.

3. Im Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie ( XXXX ) vom 25.10.2018 wurde nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin festgestellt, dass bei dieser keine psychiatrischen Leiden vorliegen würden.

4. Die Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der PVA ( XXXX ) vom 06.11.2018 führte nach Wiedergabe der Diagnosen des o.a. orthopädischen Gutachtens vom 25.10.2018 aus, dass der Beschwerdeführerin schwere Hebe- und Trageleistungen (Anheben von Gegenständen über 25kg bzw. Tragen von Gegenständen über 15kg) auch nicht mehr „fallweise“ möglich seien und dass eine leistungskalkülrelevante Besserung der Hauptursachen der Minderung ihrer Dienstfähigkeit nicht möglich sei.

5. Mit Schreiben vom 26.11.2018 übermittelte die Behörde der Beschwerdeführerin die Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes vom 06.11.2018 und teilte ihr mit, dass ein Ruhestandsversetzungsverfahren ihre Person betreffend eingeleitet worden sei. Aus der genannten Stellungnahme ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin die dienstlichen Aufgaben des ihr auf Dauer zugewiesenen Arbeitsplatzes („Universalschalterdienst“, Code 5050) nicht mehr erfüllen könne, dies u.a., weil die Beschwerdeführerin schwere Hebe- und Trageleistungen nicht mehr erfüllen könne. Ein gleichwertiger Arbeitsplatz, dessen Aufgaben sie bei ihrem Gesundheitszustand zu erfüllen im Stande wäre, stünde im Bereich der Behörde nicht zur Verfügung. Es werde daher ihre Ruhestandsversetzung nach § 14 BDG 1979 zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgrund dauernder Dienstunfähigkeit in Aussicht genommen.

6. Aus dem von der Beschwerdeführerin in der Folge vorgelegten Arztbrief eines Facharztes für Unfallchirurgie, Sporttraumatologie und Allgemeinmedizin ( XXXX ) vom 03.12.2018 geht insbesondere hervor, dass bei der Beschwerdeführerin zwar äußerlich Athrosen der Fingergelenke erkennbar seien, die Beweglichkeit sämtlicher Fingergelenke jedoch normal und nicht eingeschränkt sei, weshalb eine normale Belastbarkeit vorliege und auch die Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigt sei. Auch im Hinblick auf die operierte Hüftgelenksabnützung rechts bestünden keinerlei Probleme und sei die Hüfte belastbar.

7. Der chefärztliche Dienst der PVA ( XXXX ) hielt nach Einbeziehung des unter Pkt. I.6. angeführten Arztbriefes seine in der Stellungnahme vom 06.11.2018 getroffene Beurteilung aufrecht.

8. Der von der Beschwerdeführerin in der Folge vorgelegte Arztbrief einer Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie ( XXXX ) vom 25.02.2019 hielt fest, dass bei der Beschwerdeführerin ein Zustand nach einer Hüft-TEP links, eine Abnützung des Hüftgelenks rechts, chronische Rückenschmerzen ohne Radikulärsymptomatik und beidseitige Heberdenarthrosen vorliegen würden. Die Beschwerdeführerin sei von Seiten des operierten Hüftgelenks links subjektiv beschwerdefrei und zeige eine ausreichende Beweglichkeit. Die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin sei aufgrund der getroffenen Diagnosen nicht beeinträchtigt.

9. Aus dem Arztbrief eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie sowie Rheumatologie ( XXXX ) vom 18.03.2019 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin völlig beschwerdefrei sei sowie ein unauffälliges Gangbild habe, dass Einbeinstand bei ihr möglich sei und dass ihre linke Hüfte völlig frei beweglich sei. Die Beschwerdeführerin sei durch die Implantation einer Hüftprothese in keiner Weise arbeitsmäßig eingeschränkt und voll belastbar. Sie könne sämtliche Tätigkeiten, die sie bisher durchgeführt habe, weiterhin ausüben.

10. Das in weiterer Folge durch die Behörde in Auftrag gegebene orthopädische Gutachten eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie ( XXXX ) vom 27.06.2019 führte nach Wiedergabe der getroffenen Diagnosen („Kunstgelenk linke Hüfte“, „Gelenksabnützung rechte Hüfte“, „Abnützung der Fingerendgelenke beidseits“ und „degenerative Wirbelsäulenveränderungen“) im Ergebnis aus, dass die Beschwerdeführerin auf dem Arbeitsplatz „Universalschalterdienst“ zwar „im Prinzip arbeitsfähig“ sei, ihr aber das Heben und Tragen von Lasten über 25kg nicht zumutbar sei.

11. Die Behörde gab der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31.07.2019 bekannt, dass sie die dienstlichen Aufgaben ihres Arbeitsplatzes „Universalschalterdienst“ nach dem eingeholten orthopädischen Gutachten vom 27.06.2019 nicht erfüllen könne, weil ihr Hebe- und Trageleistungen von über 25kg nicht mehr zumutbar seien. Ein anderer gleichwertiger Arbeitsplatz, dessen Aufgaben sie mit ihrem Gesundheitszustand zu erfüllen im Stande wäre, stünde im Bereich der Behörde nicht zur Verfügung. Es werde daher ihre Ruhestandsversetzung nach § 14 BDG 1979 aufgrund von dauernder Dienstunfähigkeit zum nächstmöglichen Zeitpunkt in Aussicht genommen.

12. Die Beschwerdeführerin nahm hierzu mit Schreiben vom 09.08.2019 Stellung und führte aus, dass sie ihrer Ruhestandsversetzung nicht zustimme. Aus dem orthopädischen Gutachten vom 27.06.2019 gehe als einzige echte Einschränkung hervor, dass sie Hebe- und Trageleistungen über 25kg nicht verrichten könne. Durchschnittlich komme es an einem Arbeitstag höchstens einmal zu einem Paket über 25kg, welches sie bisher selbst bewerkstelligen habe können. Es stünde für diese einmalige Hebe- und Trageleistung jederzeit auch eine Arbeitskollegin/ein Arbeitskollege zur Verfügung, die/der ihr behilflich sein könne, wobei diese Kollegen dadurch auch in ihrer Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt seien.

13. Mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 13.11.2019 hielt die Beschwerdeführerin fest, arbeitsfähig und arbeitsbereit zu sein. Dabei forderte sie die Behörde zur Nachzahlung der zu Unrecht erfolgten Gehaltskürzungen auf.

14. Mit dem im Spruch genannten Bescheid versetzte die Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 von Amts wegen in den Ruhestand.

Dem von der Behörde eingeholten orthopädischen Gutachten vom 27.06.2019 sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführerin das fallweise Heben und Tragen von Lasten über 25kg nicht mehr möglich und zumutbar sei. Laut einer von der Behörde intern getätigten Rückfrage beim zuständigen Geschäftsfeld würden auf ihrem Arbeitsplatz im „Universalschalterdienst“ durchschnittlich ca. zehn Pakete über 25kg/Monat anfallen, wobei eine dahingehende Hilfestellung durch Arbeitskollegen auf Dauer unzumutbar sei. Der Beschwerdeführerin sei es daher nicht mehr möglich, die dienstlichen Aufgaben des ihr zuletzt wirksam zugewiesenen Arbeitsplatzes „Universalschalterdienst“ zu erfüllen.

Nach den durchgeführten Erhebungen sei ein anderer, der dienstrechtlichen Stellung der Beschwerdeführerin entsprechender Arbeitsplatz, dessen Aufgaben sie zu erfüllen im Stande wäre, nicht vorhanden.

15. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid im Wege ihres Rechtsvertreters fristgerecht Beschwerde und beantragte, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

16. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben der Behörde vom 20.08.2020 vorgelegt und sind am 24.08.2020 eingelangt.

17. Mit Beschluss vom 28.08.2020 wies das Bundesverwaltungsgericht den von der Beschwerdeführerin erhobenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zurück. Dabei führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG ex lege aufschiebende Wirkung zukomme und ein Ausschluss der aufschiebenden Wirkung iSd § 13 Abs. 2 leg.cit. von der Behörde im angefochtenen Bescheid nicht getroffen worden sei. Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, sei daher zurückzuweisen.

18. Die Beschwerdeführerin legte mit Schreiben vom 28.01.2021 im Wege ihres Rechtsvertreters einen weiteren Arztbrief eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie sowie Rheumatologie ( XXXX ) vom 27.01.2021 vor. Dieser führte aus, dass die Beschwerdeführerin ohne Probleme acht Stunden ununterbrochen stehen könne, was nicht zu einem vorzeitigen Verschleiß der Hüfttotalendoprothese links führen würde. Die Beschwerdeführerin sei sehr kräftig und sei ihr der Einbeinstand möglich, weshalb sie auch ohne Probleme Gewichte bis 35/40kg heben könne.

19. Mit Schreiben vom 29.01.2021 forderte das Bundesverwaltungsgericht die Behörde zur Bekanntgabe innerhalb gesetzter Frist auf, ob sich im Hinblick auf die im erstinstanzlichen Verwaltungsakt einliegende unternehmensinterne Anfrage zur Anzahl der am Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin durchschnittlich monatlich einlangenden Pakete über 25 kg sowie zur Verfügbarkeit von Mitarbeitern zur Hilfestellung bei Hebetätigkeiten und zu den diesbezüglichen Anfragebeantwortungen mittlerweile irgendwelche Änderungen ergeben hätten, oder ob die darin getroffenen Ausführungen aktuell weiterhin zutreffen würden. Weiters ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Behörde zur Bekanntgabe, ob aus Ihrer Sicht für die Beschwerdeführerin bei (vorerst hypothetischer) Annahme ihrer Dienstunfähigkeit im Hinblick auf die an ihrem Arbeitsplatz bestehenden Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Dienstbehörde aktuell mindestens gleichwertige Arbeitsplätze vorhanden seien, deren Aufgaben sie zu erfüllen im Stande sei.

20. Die Behörde nahm mit Schreiben vom 25.03.2021 dazu Stellung und hielt zunächst fest, dass nach den aktuellen Erhebungen am Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 01.05.2020 bis 28.02.2021 monatlich im Durchschnitt 6,9 Pakete mit einem Gewicht von über 25kg angefallen seien. Zudem führte die Behörde unter Vorlage der durchgeführten Ermittlungstätigkeiten näher aus, warum aus ihrer Sicht kein adäquater Verweisungsarbeitsplatz für die Beschwerdeführerin zur Verfügung stünde.

21. Mit Schreiben vom 21.04.2021 zog das Bundesverwaltungsgericht die bereits erstinstanzlich tätig gewordene Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie ( XXXX ) aufgrund Ihrer fachlichen Eignung gemäß § 14 BVwGG iVm § 14 Abs. 3 BDG 1979 dem Beschwerdeverfahren als Amtssachverständige für das Fachgebiet Orthopädie bei. Dabei beauftragte das Bundesverwaltungsgericht die Amtssachverständige, ausgehend von ihrem orthopädischen Gutachten vom 25.10.2018 nach neuerlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin ein aktuelles Gutachten zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zu erstellen und hierbei insbesondere zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin aktuell (und in Zukunft) dazu in der Lage sei (sein werde), die ihr nach dem Anforderungsprofil für ihren Arbeitsplatz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen.

22. Die Beschwerdeführerin beantragte in der im Wege ihres Rechtsvertreters erhobenen Stellungnahme vom 06.05.2021, dem Beschwerdeverfahren eine andere Amtssachverständige als XXXX beizuziehen. Die Ausführungen der beigezogenen Amtssachverständigen in ihrem erstinstanzlich erstatteten Gutachten vom 25.10.2018 seien unrichtig sowie nicht nachvollziehbar und zudem mit den von der Beschwerdeführerin vorgelegten übrigen Arztbriefen nicht in Einklang zu bringen. Die Amtssachverständige habe zudem an der Erlassung des angefochtenen Bescheides insofern mitgewirkt, als ihre Ausführungen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt worden seien. Es werde daher sowohl die Unbefangenheit als auch die Fachkunde der Amtssachverständigen in Zweifel gezogen. Weiters hielt die Beschwerdeführerin fest, es sei nicht nachvollziehbar, warum bei der Prüfung der Verweisungsarbeitsplätze von der belangten Behörde lediglich solche in XXXX und nicht auch in XXXX geprüft worden seien, wo die Beschwerdeführer von 1981 bis 2013 immer zugeteilt gewesen sei.

23. Mit Schreiben vom 25.05.2021 wiederholte die Beschwerdeführerin den o.a. Antrag auf Beiziehung einer anderen Amtssachverständigen als XXXX . Weiters beantragte die Beschwerdeführerin die Beiziehung einer Fachärztin/eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (gemeint wohl: die Beiziehung einer nichtamtlichen Sachverständigen/eines nichtamtlichen Sachverständigen).

24. Mit Beschluss vom 26.05.2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die o.a. Anträge der Beschwerdeführerin vom 06.05.2021 und 25.05.2021 unter Hinweis auf die diesbezügliche höchstgerichtliche Judikatur als unbegründet ab.

25. Mit Schreiben vom 15.06.2021 brachte die PVA das nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellte orthopädische Gutachten der dem Beschwerdeverfahren beigezogenen Amtssachverständigen ( XXXX ) vom 10.06.2021 und die chefärztliche Stellungnahme der PVA ( XXXX ) vom 11.06.2021 in Vorlage.

Aus diesem orthopädischen Gutachten der Amtssachverständigen geht hervor, dass die Beschwerdeführerin an einem Zustand nach einer Hüft-TEP links, einer Abnützung des Hüftgelenks rechts und beidseitigen Fingergelenksarthrosen leiden würde. Die Beschwerdeführerin sei nach ihrem künstlichen Hüftgelenksersatz links vollkommen beschwerdefrei. Es würden sich bei ihr eine zufriedenstellende Beweglichkeit und eine ausgeglichene muskuläre Situation zeigen. Die Beschwerdeführerin sei im Alltag selbstständig und in der Ausübung ihrer sportlichen Aktivitäten nicht eingeschränkt. Über Kreuzschmerzen werde seitens der Beschwerdeführerin nicht mehr berichtet, ebenso würden von ihr keine Beschwerden von Seiten der rechten Hüfte oder der Fingergelenke angegeben. Das rechte Hüftgelenk zeige eine mäßige Bewegungseinschränkung ohne Schmerzen. Die Feinmotorik sei bei bestehenden Fingergelenksarthrosen noch nicht gestört. Gelegentlich schwere Hebe- und Tragebelastungen (bis zu 15 Mal/Monat) würden aus heutiger Sicht zumutbar scheinen. Ebenso würden ständige Stehbelastungen aus heutiger Sicht zumutbar scheinen.

Die chefärztliche Stellungnahme der PVA hält nach Wiedergabe der im orthopädischen Gutachten getroffenen Diagnosen fest, dass eine leistungskalkülsrelevante Besserung im Hinblick auf die Dienstfähigkeit ausgeschlossen sei.

26. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte mit Schreiben vom jeweils 25.06.2021 den Parteien das orthopädische Gutachten der Amtssachverständigen ( XXXX ) vom 10.06.2021 und die chefärztliche Stellungnahme der PVA ( XXXX ) vom 11.06.2021 zur Stellungnahme innerhalb gesetzter Frist. Dabei hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Erörterung des orthopädischen Gutachtens vom 10.06.2021 mit der Amtssachverständigen im Rahmen einer erst anzuberaumenden mündlichen Verhandlung von den Parteien innerhalb der gesetzten Frist zu beantragen sei, sollten die Parteien dies für notwendig erachten.

27. Die Beschwerdeführerin nahm mit Schreiben vom 13.07.2021 im Wege ihres Rechtsvertreters hierzu Stellung. Dabei hielt die Beschwerdeführerin nach Wiedergabe der Ausführungen der Amtssachverständigen in ihrem Gutachten fest, dass die Beschwerdeführerin demnach jedenfalls dazu in der Lage sei, den Universalschalterdienst als volle Arbeitskraft auszuüben.

28. Mit Schreiben vom 09.08.2021 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die beigezogene Amtssachverständige ( XXXX ) im Hinblick auf das von ihr erstellte Gutachten vom 10.06.2021 um Konkretisierung, was mit den für die Beschwerdeführerin zumutbaren „gelegentlich schweren Hebe- und Tragebelastungen (bis zu 15 Mal pro Monat)“ (S. 5 des Gutachtens) genau gemeint sei und ob sich die Amtssachverständige dabei auf die im Ermittlungsverfahren als Maßstab herangezogenen 25kg-Pakete beziehen würde.

29. Die Amtssachverständige ( XXXX ) ergänzte mit Schreiben vom 13.08.2021 ihr Gutachten dahingehend, dass gelegentlich schwere Hebe- und Tragebelastungen bis 25kg (bis zu 15 Mal/Monat) und ständige Stehbelastungen aus heutiger Sicht zumutbar seien.

30. Mit Schreiben vom 16.08.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der Behörde die o.a. Gutachtensergänzung vom 13.08.2021 und gab ihr Gelegenheit, dazu innerhalb gesetzter Frist Stellung zu nehmen. Die Behörde gab hierzu keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin steht als Beamtin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung und dem Arbeitsplatz „Universalschalterdienst“ (Code 5050) im Wirkungsbereich der Behörde zugewiesen.

1.2. An diesen Arbeitsplatz werden folgende Anforderungen gestellt:

?        körperliche Beanspruchung: mittel

?        Arbeitshaltung:

Sitzen: nein

Stehen: ständig

Gehen: nein

?        Hebe- und Trageleistungen: leicht/mittelschwer/schwer: jeweils fallweise; im Durchschnitt fallen im Monat am Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin ca. sieben Pakete mit einem Gewicht von über 25kg an

(Anmerkung: „schwer“ bedeutet in diesem Zusammenhang das Anheben von Gegenständen über 25kg und/oder das Tragen von Gegenständen über 15kg)

?        erforderliche Arm- und Handbeweglichkeit: normales Ausmaß

?        Bücken/Strecken: gelegentlich

?        Treppensteigen: nicht erforderlich

?        Besteigen von Leitern/Masten: nicht erforderlich

?        erforderliche Seh- und Gehörleistung: normal

?        Arbeitsauslastung/Arbeitsrhythmus/Zeitdruck: unter überdurchschnittlichem Zeitdruck

?        intellektuelle Ansprüche/geistiges Leistungsvermögen: verantwortungsvoll

?        Auffassungsgabe: durchschnittlich

?        Konzentrationsfähigkeit: sehr gut

?        Diensteinteilung: nur Tagdienst

?        örtliche Ausübung der Tätigkeit: in geschlossenen Räumen

?        Computerarbeit: überwiegend

?        erforderliche Sprechkontakte: häufig

?        soziale Anforderungen: viel Kundenverkehr

1.3. Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende Diagnosen vor:

?        Zustand nach Hüft-TEP links

?        Abnützung des Hüftgelenks rechts

?        Fingergelenksarthrosen beidseitig

Eine dahingehende Besserung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin ist auszuschließen. Der Beschwerdeführerin ist die Ausübung der auf ihrem Arbeitsplatz geforderten Tätigkeiten dauerhaft möglich und zumutbar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die unter Pkt. II.1.1. getroffenen Feststellungen ergeben sich u.a. aus dem dahingehend übereinstimmenden Vorbringen der Behörde und der Beschwerdeführerin (s. hierzu insbesondere S. 1 des angefochtenen Bescheides).

2.2. Die unter Pkt. II.1.2. getroffenen Feststellungen zu den Anforderungen an den Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin folgen aus dem im erstinstanzlichen Verwaltungsakt einliegenden „Anforderungsprofil“ zu diesem Arbeitsplatz, dem die Beschwerdeführerin und die Behörde im Verfahren inhaltlich nicht entgegengetreten sind. Dass am Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin monatlich im Durchschnitt ca. sieben Pakete mit einem Gewicht über 25kg anfallen, ergibt sich aus den von der Behörde mit ihrer Stellungnahme vom 25.03.2021 diesbezüglich vorgelegten Erhebungen.

2.3. Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Diagnosen, dem Ausschluss einer Besserung ihres diesbezüglichen Gesundheitszustandes und der Fähigkeit der Ausübung der auf ihrem Arbeitsplatz geforderten Tätigkeiten (Pkt. II.1.3.) ergeben sich neben den im erstinstanzlichen Verwaltungsakt und im Beschwerdeakt einliegenden Arztbriefen, medizinischen Stellungnahmen und Gutachten (s. oben unter Pkt. I.) insbesondere aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten orthopädischen Gutachten der im erstinstanzlichen Verfahren sowie im Beschwerdeverfahren beigezogenen Amtssachverständigen ( XXXX ) vom 10.06.2021 (samt Ergänzungsgutachten vom 13.08.2021):

2.3.1. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass an der fachlichen Qualifikation der beigezogenen Amtssachverständigen, einer Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie mit langjähriger Erfahrung in der Erstellung von Gutachten zur Beurteilung der Dienstfähigkeit von Beamten und Beamtinnen, aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 06.05.2021 keine Zweifel bestehen.

2.3.2. Die Amtssachverständige führte im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin in ihrem aktuellen Gutachten vom 10.06.2021 in nachvollziehbarer und nicht zu beanstandender Weise aus, dass seit der Erstellung ihres ersten Gutachtens vom 25.10.2018 eine wesentliche Besserung des Zustandes der Beschwerdeführerin eingetreten sei, zumal die Beschwerdeführerin keine Beschwerden mehr anführen würde, dies auch nicht von Seiten der Wirbelsäule. Das Implantat der Beschwerdeführerin zeige keine Lockerungszeichen, wobei laut Operateur eine Vollbelastung möglich sei. Das Restleistungskalkül der Beschwerdeführerin habe sich daher verbessert (s. S. 5 des Gutachtens). Weiters hielt die Amtssachverständige in ihrem Gutachten in nachvollziehbarer Weise fest, dass sich bei der Beschwerdeführerin nunmehr eine zufriedenstellende Beweglichkeit und eine ausgeglichene muskuläre Situation zeigen würden, das rechte Hüftgelenk zeige lediglich eine mäßige Bewegungseinschränkung ohne Schmerzen. Vor diesem Hintergrund würden hinsichtlich der Beschwerdeführerin aus heutiger Sicht auch schwere Hebe- und Tragebelastungen von 25kg-Paketen bis zu 15 Mal/Monat zumutbar scheinen; ebenso würden ständige Stehbelastungen aus heutiger Sicht zumutbar scheinen (vgl. S. 4 f. des Gutachtens vom 10.06.2021).

Die Amtssachverständige legte somit nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes in nachvollziehbarer, schlüssiger und vollständiger Weise dar, warum es nunmehr zu einer Änderung ihrer im Gutachten vom 25.10.2018 getroffenen Annahme (die sich auch mit jener im von der Behörde weiters eingeholten orthopädischen Gutachten vom 27.06.2019 getroffenen Einschätzung deckte), dass der Beschwerdeführerin überhaupt keine schweren Hebe- und Trageleistungen mehr zumutbar seien, gekommen ist.

2.3.3. Diese Ausführungen der Amtssachverständigen stehen auch im Einklang mit den von der Beschwerdeführerin vorgelegten und aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht zu beanstandenden Arztbriefen vom 27.01.2021 (wonach die Beschwerdeführerin, die sehr kräftig sei und der Einbeinstand möglich sei, auch Pakete bis 35/40kg ohne Weiteres heben dürfe), vom 18.03.2019 (wonach die Beschwerdeführerin sämtliche Tätigkeiten auf ihrem Arbeitsplatz, die sie bisher ausgeübt habe, weiterhin ausüben könne und wonach sie voll belastbar sei) und vom 03.12.2018 (wonach die operierte Hüfte der Beschwerdeführerin gut belastbar sei und sie die Tätigkeiten auf ihrem Arbeitsplatz ausüben könne) (s. hierzu oben unter Pkt. I.6., I.9. und I.18.). Dem von der Behörde weiters eingeholten orthopädischen Gutachten vom 27.06.2019 liegt eine – im Vergleich zum o.a. Gutachten vom 10.06.2021 – schon mehrere Jahre zurückliegende Untersuchung der Beschwerdeführerin zugrunde und führte dieses zudem lediglich aus, dass der Beschwerdeführerin das Heben und Tragen von Lasten über 25kg nicht mehr zumutbar sein werde, ohne dies in irgendeiner Weise näher zu begründen, weshalb aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes den o.a. Ausführungen der Amtssachverständigen in ihrem Gutachten von 10.06.2021 (samt Ergänzungsgutachten vom 13.08.2021) zu folgen ist.

2.3.4. Vor diesem Hintergrund ist der Beschwerdeführerin nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Ausübung der an ihrem Arbeitsplatz erforderlichen Tätigkeiten und insbesondere auch der monatlich anfallenden schweren Hebe- und Trageleistungen (s. Pkt. II.1.2.: im Durchschnitt ca. sieben Pakete/Monat mit einem Gewicht von mehr als 25kg) auf Dauer zumutbar. Der Behörde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Gelegenheit gegeben, zu dem Gutachten der Amtssachverständigen vom 10.06.2021 (und dem Ergänzungsgutachten vom 13.08.2021) sowie der Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der PVA vom 11.06.2021 und in weiterer Folge zu der hierzu erhobenen Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 13.07.2021 Stellung zu nehmen. Die Behörde hat von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht und ist insbesondere den Ausführungen der Amtssachverständigen in ihrem Gutachten vom 10.06.2021 (samt Ergänzungsgutachten vom 13.08.2021) nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 87/2021, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Nach § 135a Abs. 2 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 idF BGBl. I Nr. 136/2021, (in der Folge: BDG 1979) liegt gegenständlich eine Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 109/2021, (in der Folge: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Stattgabe der – zulässigen – Beschwerde:

3.1. Die für den vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des BDG 1979 lautet auszugsweise wie folgt:

„Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

§ 14. (1) Die Beamtin oder der Beamte ist von Amts wegen oder auf ihren oder seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er dauernd dienstunfähig ist.

(2) Die Beamtin oder der Beamte ist dienstunfähig, wenn sie oder er infolge ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung ihre oder seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr oder ihm im Wirkungsbereich ihrer oder seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben sie oder er nach ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihr oder ihm mit Rücksicht auf ihre oder seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

(3) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 2 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter – ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamtinnen und Beamten – Befund und Gutachten einzuholen. Für die gemäß § 17 Abs. 1a PTSG zugewiesenen Beamtinnen und Beamten ist dafür die Pensionsversicherungsanstalt zuständig.

(4) Die Versetzung in den Ruhestand wird mit Ablauf jenes Monats wirksam, in dem sie rechtskräftig wird.

(5) – (6) […]

(7) Solange über eine zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen eine Versetzung in den Ruhestand nicht entschieden ist, gilt der Beamte als beurlaubt. Die Beurlaubung endet mit dem Antritt einer neuen Verwendung gemäß Abs. 5.

(8) […]“

3.2. Voraussetzung für eine amtswegige Ruhestandsversetzung ist gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 die dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten. Unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, ist alles zu verstehen, was seine Eignung, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtsfrage, über die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse und Erfahrungen – allenfalls unter Zuhilfenahme von Hilfsbefunden – Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten und die Auswirkungen, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben, trifft, wobei auch eine Prognose über den weiteren Verlauf des Gesundheitszustandes zu treffen ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung der Frage der „dauernden Dienstunfähigkeit“ zu ermöglichen. Das ärztliche Sachverständigengutachten muss ausreichend begründet, d.h. aus dem objektiven Befund schlüssig ableitbar sein. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (s. VwGH 12.11.2008, 2007/12/0115; 14.12.2005, 2002/12/0339, u.v.a.). Soweit die Beurteilung der Dienstunfähigkeit von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, sind gemäß § 14 Abs. 3 leg.cit. Befund und Gutachten einzuholen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der Beweiswert eines solchen, tauglichen Sachverständigengutachtens grundsätzlich nur mehr durch Vorbringen auf gleichem fachlichen Niveau oder durch ein fachlich fundiertes Gegengutachten erschüttert werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 52, Rz 65, mwN).

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft (auch) das Verwaltungsgericht die Verpflichtung, im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen, und ist das Verwaltungsgericht daher gehalten, sich im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung mit dem Gutachten auseinanderzusetzen und dieses entsprechend zu würdigen (vgl. etwa VwGH 03.10.2018, Ra 2017/12/0088; 18.02.2015, Ra 2014/03/0045). Im Fall des Vorliegens mehrerer Gutachten, die voneinander abweichende Schlussfolgerungen enthalten, ist das Verwaltungsgericht gehalten, sich mit den unterschiedlichen Ergebnissen der Gutachten der beteiligten Ärzte beweiswürdigend auseinanderzusetzen. Dabei ist die Schlüssigkeit eines Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (VwGH 03.10.2018, Ra 2017/12/0088; 09.05.2018, Ra 2017/12/0092; 30.05.2011, 2010/12/0136; 29.03.2012, 2011/12/0161).

Die Frage der Dienstunfähigkeit des Beamten ist zunächst in Ansehung seines aktuellen bzw. seines zuletzt inne gehabten Arbeitsplatzes zu prüfen. Maßgebend für eine Ruhestandsversetzung ist daher die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben an diesem Arbeitsplatz (Primärprüfung). Ergibt diese, dass der Beamte nicht mehr in der Lage ist, die konkreten dienstlichen Aufgaben seines Arbeitsplatzes idS zu erfüllen, ist zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Zuweisung eines tauglichen Verweisungsarbeitsplatzes nach § 14 Abs. 2 BDG 1979 in Betracht kommt (Sekundärprüfung) (vgl. VwGH 23.06.2014, 2010/12/0209; 14.10.2009, 2008/12/0212, mwN).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die frühere, mit der geltenden Rechtslage aber inhaltlich identen Bestimmung des § 14 Abs. 3 (nunmehr Abs. 2) BDG 1979 sind bei Vorhandensein einer Restarbeitsfähigkeit eines Beamten vorerst alle Tätigkeiten der in Betracht kommenden Verwendungsgruppe und deren Anforderungen in physischer und psychischer Hinsicht im Wirkungsbereich der Dienstbehörde anzuführen und dazu anzugeben, ob der Beamte auf Grund seiner festgestellten Restarbeitsfähigkeit imstande ist, diese Tätigkeiten auszuüben, wobei es vorerst nicht darauf ankommt, ob diese Arbeitsplätze frei sind (Prüfung der Verweisungstauglichkeit). Wenn sich herausstellt, dass der Beamte aufgrund seiner Restarbeitsfähigkeit überhaupt keine der Verwendungen der betreffenden Verwendungsgruppe wahrnehmen kann, so darf die Behörde vom Nichtvorliegen von Verweisungsarbeitsplätzen und der Unmöglichkeit eines Vorgehens nach § 14 Abs. 3 leg.cit. ausgehen. Ergibt die Prüfung hingegen, dass Verweisungsarbeitsplätze existieren, so ist weiter zu prüfen, ob diese in Frage kommenden Verweisungsarbeitsplätze zumindest gleichwertig sind und dem Beamten mit Rücksicht auf die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden können. Die solcherart ermittelten Verweisungsarbeitsplätze sind schließlich auf ihre Verfügbarkeit zu überprüfen. Erst wenn auch diese Prüfung ergibt, dass auf Dauer kein freier Verweisungsarbeitsplatz für den Beamten zur Verfügung steht, kann davon ausgegangen werden, dass die Zuweisung eines solchen nicht erfolgen und der Beamte nach § 14 Abs. 3 leg.cit. nicht als dienstfähig angesehen werden kann. Das Ergebnis dieser Prüfung ist dem Beamten mit einer nachvollziehbaren Begründung mitzuteilen (vgl. etwa VwGH 02.07.2007, 2006/12/0131; 09.04.2004, 2003/12/0229; 13.03.2001, 2001/12/0138, ua.).

Die Behörde – ebenso wie das Verwaltungsgericht – ist jedoch von der o.a. Verpflichtung entbunden, wenn entweder überhaupt keine Restarbeitsfähigkeit des Beamten besteht oder dargelegt wird, dass überhaupt keine Arbeitsplätze seiner Verwendungsgruppe frei sind bzw., dass sämtliche freien Arbeitsplätze seiner Verwendungsgruppe der bisherigen Verwendung nicht gleichwertig oder aber nicht iSd § 14 Abs. 2 BDG 1979 zumutbar sind (vgl. VwGH 31.07.2020, Ra 2019/12/0085; 30.05.2011, 2010/12/0136).

3.3. Die Beschwerdeführerin ist vor dem Hintergrund der bei ihr vorliegenden – oben unter Pkt. II.1.3. festgestellten – Diagnosen zu ihrem Gesundheitszustand v.a. nach dem vollständigen, schlüssigen und nachvollziehbaren orthopädischen Gutachten der Amtssachverständigen vom 10.06.2021 (samt Ergänzungsgutachten vom 13.08.2021) aktuell und auch in Zukunft dazu in der Lage, die – oben unter Pkt. II.1.2. festgestellten – Anforderungen ihres Arbeitsplatzes zu erfüllen, welche v.a. auch fallweise schwere Hebe- und Trageleistungen umfassen (s. hierzu oben unter Pkt. II.2.3.).

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

3.4. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der „civil rights“ im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen, insoweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. VwGH 13.09.2017, Ro 2016/12/0024, mwN). Demnach kann eine Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK nur dann entfallen, wenn die Ausnahmen für nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder hochtechnische Fragen Platz greifen (s. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0067).

Der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Akten, wobei zur gegenständlichen Frage einer möglichen dauernden Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht ein vollständiges, schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten einer Amtssachverständigen eingeholt wurde, dessen Erörterung mit der Amtssachverständigen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin und der Behörde – trotz dahingehender konkreter Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht – nicht beantragt wurde (s. Pkt. I.26.). Eine Erörterung des angeführten Gutachtens ist auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht notwendig. Da es sich zudem bei der vorliegenden Rechtsfrage um keine übermäßig komplexe handelt, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

3.5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Arbeitsplatz Bescheidbehebung dienstliche Aufgaben Dienstunfähigkeit ersatzlose Behebung Gesundheitszustand öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis Postbeamter Ruhestandsversetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W246.2234289.1.01

Im RIS seit

09.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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