TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/24 98/19/0242

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Veröffentlicht am 24.11.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §23 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs1 Z2;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §7 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des 1972 geborenen D P, vertreten durch Dr. S, Dr. D und Dr. K, Rechtsanwälte in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 1998, Zl. 108.576/8-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte auf dem Postweg aus der Bundesrepublik Deutschland einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, der am 6. April 1998 beim Magistrat der Stadt Innsbruck einlangte. Als Aufenthaltszweck gab der Beschwerdeführer unselbstständige Erwerbstätigkeit bzw. Familiengemeinschaft mit Fremden, als Ort der Formularausfüllung "Istanbul" an. Am 16. April 1998 stellte der Beschwerdeführer beim österreichischen Generalkonsulat in Düsseldorf erneut einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, wobei er als derzeitigen Wohnsitz eine Adresse in Darmstadt und als Ort der Formularausfüllung "D.dorf" angab. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zuletzt über einen von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ausgestellten Sichtvermerk, gültig vom 30. Oktober 1991 bis zum 13. September 1994, verfügte. Aus dem Verwaltungsakt ist weiters ersichtlich, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. Juni 1993 wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB und des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe in Höhe von 300 Tagessätzen sowie einer Freiheitsstrafe in der Höhe von 10 Monaten verurteilt wurde. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Ausschlaggebend für die Verurteilung war, dass der Beschwerdeführer als Mittäter im Zeitraum zwischen Oktober 1986 und einem "unerhobenen Zeitpunkt im Jahre 1989/1990" mit einer am 25. Oktober 1976 geborenen Unmündigen den außerehelichen Beischlaf unternommen hatte, wobei er das Opfer hiezu durch gefährliche Drohung, nämlich die Äußerung, er werde erzählen, dass das Opfer mit den Tätern Geschlechtsverkehr gehabt habe bzw. er werde dieses schlagen bzw. den Vater des Opfers informieren, worauf dieser seine Tochter "umbringen" werde, zu den angeführten geschlechtlichen Handlungen nötigte.

Der Bürgermeister der Stadt Innsbruck wies namens des Landeshauptmannes von Tirol den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. April 1998 mit Bescheid vom 12. August 1998 als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Wesentlichen gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab.

Die dagegen erhobene Berufung, in der der Beschwerdeführer vorbrachte, sein Antrag sei als solcher auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zu behandeln, wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 29. September 1998 gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 1979 als Kind nach Österreich zu seinen Eltern eingereist, habe die Volks- und Hauptschule absolviert und sich in den Arbeitsmarkt integriert. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. Juni 1993 sei er wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, bedingt auf drei Jahre, sowie zu einer Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, nachdem er zusammen mit zwei türkischen Mittätern eine türkische Staatsangehörige, die zum Tatzeitpunkt "8 bis 13 Jahre" alt gewesen sei, von "Sommer 1984 bis zum Jahre 1989" geschlechtlich genötigt und mit ihr mehrfach den Geschlechtsverkehr durchgeführt habe. Auf Grund dieses Sachverhaltes sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 16. September 1994 ein bis zum 16. September 2004 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet erlassen worden. Die Berufung dagegen habe der Beschwerdeführer verspätet eingebracht, sie sei daher von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol zurückgewiesen worden. Einer daraufhin beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1995 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, sodass der Beschwerdeführer weiterhin im Bundesgebiet verbleiben habe können, um das Erkenntnis abzuwarten. Dieses sei am 22. Mai 1997 ergangen, wobei sämtliche Beschwerdepunkte "als unbegründet abgewiesen" worden seien. In der Folge sei gegen den Beschwerdeführer ein Festnahmeauftrag erlassen worden, dem er sich durch Ausreise in die Türkei entzogen habe. Seinem Ende 1997 eingebrachten Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei entsprochen und dasselbe mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 22. Jänner 1998 aufgehoben worden, dieses auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits 1979 als Kind nach Österreich gekommen sei und zum Zeitpunkt der gerichtlichen Verurteilung im Juni 1993 bereits über 10 Jahre im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung sowie der Schwere des Deliktes komme die erkennende Behörde zu dem Ergebnis, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich "allenfalls eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt". Allein schon aus generalpräventiven Aspekten sei eine neuerliche Zuwanderung in das österreichische Bundesgebiet hintanzuhalten. Dies deshalb, weil die durch ein ordentliches Gericht festgestellte Tat des Beschwerdeführers nicht nur ein Verbrechen im Sinne des § 17 Abs. 1 StGB darstelle, sondern weil der sexuelle Missbrauch von Unmündigen ein besonderes Verbrechen "dieser Art" darstelle. Diese unbestrittenen Tatsachen würden in der Berufungsschrift zwar nicht geleugnet, jedoch als irrelevant abgetan und irgnoriert und werde die Berufung allein auf die Frage reduziert, ob ein weiterer Antrag vorliege oder nicht. Dazu könne jedoch festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seine Niederlassungsabsicht schon allein deshalb erkennbar aufgegeben habe, weil er freiwillig ausgereist sei, um sich der Festnahme zu entziehen. Auch gebe er selbst an, "derzeit" in Deutschland zu leben und seinen Wohnsitz in Darmstadt zu haben. Aus den angeführten Gründen handle es sich bei seinem Antrag um einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung, sodass eine weitere Prüfung im Sinne der Bestimmungen des § 12 Abs. 3 und des § 15 Abs. 2 FrG 1997 nicht nur nicht erforderlich gewesen sei, zumal diese Bestimmungen auf die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels abzielten, sondern im eindeutigen Widerspruch zur "Lebenslage" des Beschwerdeführers stehe. Gemäß § 37 FrG 1997 habe auch eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen zu erfolgen. Diese Abwägung habe ergeben, dass insbesondere im Hinblick auf die Schwere des Deliktes und die rechtskräftige Verurteilung den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" eingeräumt werden müsse, wenngleich sich die Ehegattin des Beschwerdeführers und seine Tochter in Österreich aufhielten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 10.

...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

...

3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

§ 15. (1) Werden in einem Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels Versagungsgründe bekannt, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme - den Antragsteller vom Versagungsgrund in Kenntnis zu setzen, ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung (§ 33 ff) beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 37) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist, zu äußern.

(2) Nach Ablauf dieser Frist ist bei unverändertem Sachverhalt das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen; ... Sobald sich ergibt, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig ist, hat die Behörde den weiteren Aufenthaltstitel zu erteilen.

...

§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. ...

§ 30.

...

(3) Niedergelassene, sichtvermerkspflichtige Drittstaatsangehörige, die auf Grund eines Staatsvertrages, eines Bundesgesetzes oder eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union ein Bleiberecht genießen, haben nach Maßgabe dieses Staatsvertrages, Bundesgesetzes oder Rechtsaktes Anspruch auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. September 1999, Zl. 98/19/0291, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 23 Abs. 1 FrG 1997 nicht schon dann vor, wenn ein Fremder irgendwann über eine Berechtigung zur Niederlassung verfügte. Für die Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung ist vielmehr Voraussetzung, dass der Fremde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der ihm erteilten Niederlassungsbewilligung weiterhin - wenn auch unter Umständen unrechtmäßig - auf Dauer niedergelassen bleibt. Das Erfordernis der Fortsetzung einer ununterbrochenen Niederlassung im Anschluss an den Ablauf der zuletzt erteilten Berechtigung zur Niederlassung ergibt sich insbesondere deutlich aus den Erläuterungen zu § 23 FrG 1997, wonach es nicht mehr dazu kommen werde, "dass wegen einer Fristversäumung eine Antragstellung aus dem Ausland erforderlich ist, da der Fremde ununterbrochen niedergelassen war".

Davon, dass der Beschwerdeführer im Anschluss an den Ablauf seiner ihm zuletzt erteilten Bewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen geblieben ist, kann vorliegendenfalls aber keine Rede sein, hat der Beschwerdeführer doch das Bundesgebiet im Mai 1997 auf Grund des gegen ihn wirksam gewordenen Aufenthaltsverbotes verlassen. Aus diesem Grund ist der Fall des Beschwerdeführers nicht mit jenem vergleichbar, welcher dem hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0230, zu Grunde lag. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass eine Niederlassung auf Dauer dann nicht aufgegeben wurde, wenn ein Fremder sich mit Ausnahme "eines kurzen Heimaturlaubes" von 1977 bis 1998 im Bundesgebiet aufhielt. Ein solcher kurzer Heimaturlaub liegt aber im Falle des Beschwerdeführers, der sich nach seiner Ausreise nicht mehr im Inland aufgehalten hat, nicht vor. Entscheidend ist auch nicht, ob ein Fremder seinen Niederlassungswillen aufgibt, maßgebend ist vielmehr, ob er seine tatsächliche Niederlassung - sei es auch mit einer urlaubsbedingten kurzfristigen Unterbrechung - aufrecht erhalten hat oder nicht. Dies ist aber beim Beschwerdeführer nicht der Fall gewesen.

Die von ihm begehrte Anwendung des § 15 Abs. 2 FrG 1997 scheitert daran, dass sich diese Bestimmung lediglich auf das Bekanntwerden von Versagungsgründen in einem Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels (vgl. § 15 Abs. 1 FrG 1997) bezieht. Nach dem Vorgesagten handelt es sich aber bei dem Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Juli 1998 nicht um ein solches zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels. An diesem Ergebnis vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Aufhebung seines Aufenthaltsverbotes nichts zu ändern. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 10. September 1999 ausführte, bezweckt die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 114 Abs. 3 FrG 1997 nämlich nicht schlechthin, einem Fremden einen neuerlichen Aufenthaltstitel zu verschaffen, sie beseitigt vielmehr lediglich ein Hindernis dafür, nämlich den in § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG 1997 umschriebenen Versagungsgrund. Im Übrigen hat der Fremde aber auch alle sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu erfüllen. Ist er nach Ablauf der ihm zuletzt erteilten Berechtigung zur dauernden Niederlassung nicht niedergelassen geblieben, so kann ihm eine Niederlassungsbewilligung nur dann erteilt werden, wenn er sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung erbringt.

An der zutreffenden rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde, der Antrag des Beschwerdeführers sei als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten, ändert auch nichts das Vorbringen des Beschwerdeführers, er erfülle die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses (ARB) und sei demnach auf Grund unmittelbar anwendbaren Rechtes der Europäischen Union aufenthaltsberechtigt. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer, wie er meint, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB erfüllt.

§ 30 Abs. 3 FrG 1997 räumt einen Anspruch auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels nämlich nur niedergelassenen sichtvermerkspflichtigen Drittstaatsangehörigen ein, die auf Grund eines unmittelbar anwendbaren Rechtsakts der Europäischen Union ein Bleiberecht genießen. An der Voraussetzung der Niederlassung ermangelt es jedoch, wie ausführlich dargestellt, dem Beschwerdeführer, der im April 1998 auf dem Antragsformular selbst einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland angegeben hatte.

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) war für die Beurteilung, ob vom Aufenthalt einer Person eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit ausgeht, grundsätzlich nicht das Vorliegen von Bestrafungen maßgebend. Wesentlich war vielmehr, ob das Gesamtverhalten des Antragstellers Grund zur Annahme bot, sein Aufenthalt gefährde die (oder zumindest eines der) in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter. Dabei hatte die belangte Behörde eine Würdigung des Verhaltens des Antragstellers anhand der Art der gesetzten Tathandlung, der Anzahl und des zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen der Antragsteller strafrechtlich auffällig geworden ist, vorzunehmen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0177, und vom 16. Mai 1997, Zl. 95/19/1148). Bei der von den Verwaltungsbehörden zu treffenden Gefährlichkeitsprognose war auch auf das Verhalten des Beschwerdeführers seit der zu Grunde gelegten Straftat abzustellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Mai 1997, Zl. 95/19/1148, und vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0212). Da, wie die Erläuterungen zum FrG 1997 (RV 685 BlgNR 20. GP) zeigen, es beabsichtigt war, im § 10 Abs. 2 FrG 1997 die bisherigen Versagungsgründe wegen Gefährdung öffentlicher Interessen sprachlich adaptiert zusammenzufassen und § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 dem § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1993 entspricht, ist die zuvor wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch im vorliegenden Fall, in dem die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung auf den Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 stützt, maßgeblich.

Wie sich aus dem oben wiedergegebenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. Juni 1993 ergibt, hat der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen im Zeitraum zwischen Oktober 1986 und einem nicht näher ermittelten Zeitpunkt zwischen 1989 und 1990 begangen. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 15. Oktober 1998) lag dieser Zeitraum 12 Jahre bzw. knapp 8 Jahre zurück. Während des gesamten Zeitraumes war der Beschwerdeführer selbst noch minderjährig, wenngleich unbestritten einige Jahre älter als sein Opfer. Dass der Vollzug der zunächst bedingt für eine Probezeit von drei Jahren ausgesprochenen Freiheitsstrafe nicht endgültig nachgesehen worden wäre, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Im Hinblick auf den seit der Begehung der strafbaren Handlung vergangenen Zeitraum und den Umstand, dass der Beschwerdeführer bei Begehung der Straftaten selbst noch minderjährig war, steht eine ausschließlich auf das Vorliegen einer derartigen strafgerichtlichen Verurteilung abstellende, "schon aus generalpräventiven Aspekten" erfolgende Versagung einer Niederlassungsbewilligung mit § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 nicht im Einklang. Der Verwaltungsgerichtshof verkennt zwar nicht, dass auch bei einem Antragsteller, dessen strafbares Verhalten bereits mehr als 8 Jahre zurückliegt, auf Grund weiterer Umstände die Annahme gerechtfertigt sein kann, der Aufenthalt eines solchen Fremden in Österreich würde (künftig) eine Gefährdung für die Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Bundesgebiet darstellen, weshalb der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 verwirklicht ist. Eine derartige Gefährdungsprognose würde allerdings entsprechende Feststellungen über derartige besondere Umstände voraussetzen, aus denen sich das konkrete und aktuelle Gefährdungspotenzial des Fremden ergibt. Diesbezügliche Feststellungen, allenfalls gestützt auf ein entsprechendes Sachverständigengutachten, hat die belangte Behörde im Falle des Beschwerdeführers, der sich nach dem Beschwerdevorbringen seit seiner Verurteilung nichts mehr zu Schulden hat kommen lassen, nicht getroffen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998190242.X00

Im RIS seit

08.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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