TE OGH 2011/6/7 12Os63/11y

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Veröffentlicht am 07.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Varga als Schriftführer in der Strafsache gegen Tomasz T***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Februar 2011, GZ 113 Hv 150/10x-170, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde Tomasz T***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er - zusammengefasst wiedergegeben - jeweils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

I./ in der Nacht zum 8. November 2009 in Wien mit Przemyslaw B*****, Jaroslaw K***** und Jaroslaw J***** der E***** AG Wertgegenstände und Bargeld im Gesamtwert von 10.947 Euro weggenommen;

II./ am 26. November 2009 in Linz mit Jaroslaw K***** der Büro Real Service Ka***** Wertgegenstände und Bargeld wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten (deren Anmeldung als „volle Berufung“ den umfassenden Anfechtungswillen zum Ausdruck brachte [vgl RIS-Justiz RS0100007]), die sich auf § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit a StPO stützt. Sie verfehlt ihr Ziel.

Entgegen der Verfahrensrüge wurden durch die Abweisung des Antrags auf „Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Mobiltelefonie“ (ON 169 S 43) Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Eine gegen die Missachtung von Beweisanträgen gerichtete Verfahrensrüge kann nämlich nur erfolgreich sein, wenn sie sich auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag bezieht, dem neben Beweismittel und Beweisthema zu entnehmen sein muss, warum die Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für Schuld- und Subsumtionsfrage (im Fall analoger Anwendung der Z 4 im Rahmen einer Sanktionsrüge: für die Sanktionsfrage) von Bedeutung ist, soweit dies nicht offensichtlich ist (§ 55 Abs 1 und Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0124908; RS0118444). Je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschritts im Licht der übrigen Beweisergebnisse ist, umso eingehender muss die Begründung des Antragstellers sein, warum das angestrebte Beweisergebnis erwartet werden kann (RIS-Justiz RS0099453, RS0107049; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327 ff, 342 ff).

Das Begehren um Klärung der Möglichkeit des Empfangs „nebeneinander gehender Mobiltelefone“ durch verschiedene Sendestationen ließ nicht erkennen, welche Relevanz dies für die Schuld- oder Subsumtionsfrage haben sollte. Der - die Richtigkeit der Auskünfte der Betreiber des Kommunikationsdienstes über Zeit und Ort der Einloggung des jeweiligen Mobiltelefons (ON 27 S 15 ff, ON 39 S 589 ff) offenbar bezweifelnde - Antrag legt auch nicht dar, woraus sich Bedenken gegen diese ergeben sollten, zumal überdies der Angeklagte einen zufälligen Aufenthalt im Sendebereich nicht ausschloss (ON 162 S 7). Aus welchem Grund ein Sachverständiger in der Lage sein sollte, nachträglich - unabhängig von zustande gekommenen Verbindungen - exakte Standortdaten eines Endgeräts innerhalb des Sendebereichs einer Funkzelle zu ermitteln, begründete der Antragsteller gleichfalls nicht. Im Übrigen ist eine rückwirkende Standortpeilung technisch und ein Abrufen der Daten (angesichts einer Speicherdauer bei Betreibern öffentlicher Telefondienste von bloß sechs Monaten) praktisch nicht durchführbar, sodass ein unmöglicher (§ 55 Abs 2 erster Satz StPO) Beweis angestrebt wird.

Die im Rechtsmittel nachgetragenen Argumente als Versuch einer Antragsfundierung sind prozessual verspätet und somit unzulässig (RIS-Justiz RS0099618).

Der im Sinn einer Aufklärungsrüge (Z 5a) erhobene Vorwurf, das Erstgericht hätte es unterlassen, „auch noch andere Beweise“ aufzunehmen, legt nicht dar, wodurch der Angeklagte an der Ausübung des Rechts, weitere Beweisaufnahmen zu beantragen, gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115823).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) lässt, soweit sie einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur Anwesenheit des Angeklagten an den Tatorten behauptet, die Konstatierungen des Erstgerichts außer Acht (US 6 f) und orientiert sich somit nicht an der Prozessordnung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605 ff).

Das weitere Vorbringen der Rechtsrüge stellt sich inhaltlich als Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) dar. Mit spekulativen Überlegungen zur Dauer der Anwesenheit im Sendebereich im Verhältnis zur erforderlichen Zeitspanne zur Begehung der Taten, zu Widersprüchlichkeiten in der Aussage des Zeugen K***** und dessen allfälliger Beeinträchtigung der Aussagefreiheit während seiner polizeilichen Vernehmung sowie der Hervorhebung der bestreitenden Verantwortung des Angeklagten und dem Hinweis, das „beantragte Sachverständigengutachten ... hätte zu dem Ergebnis geführt oder zumindest führen können ... “, dass er die Taten nicht begangen hätte, gelingt es weder, Begründungsdefizite des Urteils aufzuzeigen noch beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden Tatsachen zu erwecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97536

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00063.11Y.0607.000

Im RIS seit

22.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

22.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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