TE OGH 2011/7/6 3Ob120/11k

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Veröffentlicht am 06.07.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D***** und 2. Dr. G*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Gerald Griebler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwalt GmbH in Wien, und 2. L***** OHG, *****, vertreten durch Held, Berdnik, Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 45.022,65 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. März 2011, GZ 7 R 166/10y-19, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 23. September 2010, GZ 409 C 108/10s-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Zweitkläger ist Eigentümer und die Erstklägerin ist Fruchtgenussberechtigte einer Liegenschaft mit einem Haus, in dem die erstbeklagte Partei Geschäftsräumlichkeiten gemietet hat.

Am 1. März 1998 begann der Zweitkläger mit dem Bau einer Tiefgarage auf der Hoffläche; die zweitbeklagte Partei ist die das Tiefgaragenprojekt finanzierende Bauführerin. Im Zusammenhang mit dem Bau der Tiefgarage kam es aufgrund gegensätzlicher Rechtsauffassungen zwischen den Streitteilen zu einer Vielzahl von Verfahren vor Gericht. Im Jahr 2002 schlossen die Streitteile einen (mit 19. April 2002 datierten) Vergleich, in dem die erstbeklagte Partei der Tiefgaragenerrichtung zustimmte. Der Zweitkläger verpflichtete sich zur Abgeltung aller Schadenersatzansprüche zur Zahlung eines Pauschalbetrags in Höhe von 360.000 EUR an die erstbeklagte Partei; die Erstklägerin und der Zweitkläger verzichteten außerdem für den Zeitraum von 1. Juli 2002 bis einschließlich 30. Juni 2012 auf den Hauptmietzins für das gesamte Mietobjekt. Auch die zweitbeklagte Partei verpflichtete sich zur Zahlung eines pauschalen Schadenersatzbetrags von 510.000 EUR an die erstbeklagte Partei. Im Übrigen verzichteten alle Vertragsparteien auf Vergleichsanfechtung; für den Fall einer Anfechtung verpflichteten sich die anderen Parteien zur ungeteilten Hand, die erstbeklagte Partei schadlos zu halten.

Mehrere in der Folge von den Klägern eingeleitete Zivilprozesse zielten im Wesentlichen darauf ab, den Vergleich als unwirksam zu bekämpfen und doch zumindest einen Teil des Mietzinses von der erstbeklagten Partei zu erlangen.

In zwei - nur gegen die erstbeklagte Partei gerichteten - Verfahren gelangte der Oberste Gerichtshof zu 7 Ob 160/08t und 9 Ob 10/10a unter Berufung auf den Rechtssatz RIS-Justiz RS0083003 zum Ergebnis, dass alle am Vergleich aus dem Jahre 2002 beteiligten Parteien im Zusammenhang mit einer Vergleichsanfechtung eine notwendige Streitgenossenschaft nach § 14 ZPO bildeten und an den entsprechenden Verfahren als Partei zu beteiligen seien. Eine Aufhebung des Vergleichs würde nämlich auch die Rechtsposition der zweitbeklagten Partei berühren, zumal von der Aufhebung auch die von der erstbeklagten Partei gegen die zweitbeklagte Partei als Bauführerin erhobenen Schadenersatzansprüche betroffen wären und sich die zweitbeklagte Partei überdies im Punkt 12. des Vergleichs verpflichtet habe, die erstbeklagte Partei im Fall einer Anfechtung schadlos zu halten.

Im vorliegenden Verfahren stellten die Kläger zuletzt folgendes Begehren:

„1. Die Erstbeklagte ist schuldig, den Klägern den Betrag von EUR 45.022,65 ... zu zahlen und die Verfahrenskosten … zu ersetzen.

2. Für den Fall der Klagsstattgebung nach Punkt 1. dieses Urteils wird festgestellt, dass die Erstbeklagte keine wie immer gearteten Regressansprüche aus dem Vergleich vom 19. 4. 2002 hinsichtlich des bis 30. 6. 2012 vereinbarten Bruttohauptmietzinsverzichts, abgeschlossen zwischen …, gegen die in diesem Vergleich beteiligten Personen hat;

dies alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution,

in eventu für den Fall der Nichtklagsstattgebung von Punkt 1. und 2. des Urteilsbegehrens.

3. Der Vergleich, abgeschlossen zwischen den klagenden Parteien und den beklagten Parteien, datiert mit 19. 4. 2002, wird im Umfang der Hauptmietzinsverzichtsvereinbarung hinsichtlich der Klagebegehren Punkt 1. und Punkt 2. aufgehoben und ist die erstbeklagte Partei schuldig, den Klägern den Betrag von EUR 45.022,65 … zu zahlen und die Verfahrenskosten … zu ersetzen.“

(Der die Vergleichsaufhebung betreffende erste Teil von Punkt 3. des Klagebegehrens wird im Folgenden als Punkt 3.1. bezeichnet, der das Zahlungsbegehren betreffende zweite Teil als Punkt 3.2.)

Das Erstgericht wies die Klage gegen die zweitbeklagte Partei zur Gänze zurück (Punkt I.). Das Hauptbegehren gegen die erstbeklagte Partei auf Zahlung von 45.022,65 EUR sA wurde abgewiesen (Punkt II.), das Eventualbegehren auf Aufhebung des zwischen den Streitteilen geschlossenen Vergleichs zurückgewiesen (Punkt III.1. des Urteils bzw 3.1. des Klagebegehrens) und das Eventualbegehren auf Zahlung von 45.022,65 EUR durch die erstbeklagte Partei abgewiesen (Punkt III.2. des Urteils bzw 3.2. des Klagebegehrens).

Das Erstgericht begründete die Zurückweisung zu Punkt I. seiner Entscheidung damit, dass sich das Leistungsbegehren (1.) bewusst nur gegen die erstbeklagte Partei richte, sodass es an einem gegen die zweitbeklagte Partei gerichteten Begehren fehle. Zu Punkt II. führte es - neben weiteren materiellrechtlichen Argumenten - aus, dass Voraussetzung für das Leistungsbegehren die Rechtsunwirksamkeit des Vergleichs sei. Ein allfälliges Rechtsgestaltungsbegehren bzw ein Leistungsbegehren hätte aber - wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen habe - gegen beide beklagte Parteien gerichtet werden müssen. Diese Argumente würden auch für das auf Zahlung gerichtete Eventualbegehren gelten (Punkt III.2.). Zu Punkt III.1. (Aufhebung des Vergleichs) argumentierte das Erstgericht, dass dieses Eventualbegehren als Klagsänderung anzusehen sei; dieses sei jedoch nicht zulässig, weil das Erstgericht für die Entscheidung darüber weder sachlich noch örtlich zuständig sei.

Das Berufungsgericht teilte im Wesentlichen die Rechtsausführungen des Erstgerichts. Die Zurückweisung zu Punkt I. sei zu Recht erfolgt, weil die ZPO kein „Mitklagen einer Partei“ ohne einen gegen diese gerichteten Urteilsantrag kenne. Richtigerweise sei das Erstgericht auch nicht in die Prüfung der Rechtswirksamkeit des Vergleichs eingestiegen, weil diese Vorfrageprüfung das Mitklagen der zweitbeklagten Partei erfordert hätte. Zutreffend sei das Erstgericht schließlich auch davon ausgegangen, dass das Erstgericht für Streitigkeiten aus dem Vergleich vom 19. April 2002 nicht zuständig gewesen wäre.

Die Revision sei im Hinblick auf das Vorhandensein höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den maßgeblichen Rechtsfragen und die Einzelfallbezogenheit nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revision der Kläger ist nicht zulässig.

Die Kläger führen zur Zulässigkeit aus, dass das Berufungsgericht von Rechtsprechung und Lehre zu den Fragen, inwieweit bei Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei ein Leistungsbegehren gegen sämtliche Streitgenossen zu richten sei und inwieweit bei Bekämpfung eines auf einem Bestandverhältnis beruhenden Vergleichs die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts nach § 49 Abs 2 Z 5 JN gegeben sei, abgewichen sei.

Das Klagebegehren sei unter Bedacht auf die Entscheidung 7 Ob 160/08t gefasst worden; „Punkt 1) und 2) des Urteilsbegehrens“ seien als Einheit zu sehen. Auch Streitigkeiten aus einem Vergleich, der wechselseitige Streitigkeiten aus einem Bestandverhältnis regle, würden unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallen. Im Übrigen reiche es, wenn § 93 JN für die erstbeklagte Partei zutreffe.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 und § 528 Abs 1 ZPO) dargestellt.

1. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des gegen die zweitbeklagte Partei erhobenen Klagebegehrens richtet, ist es als außerordentlicher Revisionsrekurs zu qualifizieren. Da die Entscheidungen der Vorinstanzen in der Zurückweisung des Klagebegehrens übereinstimmen, ist das Rechtsmittel nicht jedenfalls unzulässig im Sinne des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO; die Zulässigkeit hängt vom Vorhandensein einer erheblichen Rechtsfrage (§ 528 Abs 1 ZPO) ab.

1.1. Die Kläger haben in Punkt 1. des Klagebegehrens ein Zahlungsbegehren nur gegen die erstbeklagte Partei gestellt und in Punkt 2. ein Feststellungsbegehren für den Fall, dass dem Begehren zu Punkt 1. stattgegeben wird (zur Zulässigkeit eines solchen zusätzlichen bedingten Begehrens siehe Fasching, Zivilprozeßrecht2 [1990] Rz 1133). Der Punkt 3. des Klagebegehrens ist als „normales“ Eventualbegehren formuliert („für den Fall der Nichtklagsstattgebung von Punkt 1. und 2. des Urteilsbegehrens“). Somit liegt im Verhältnis der Kläger zur zweitbeklagten Partei überhaupt nur ein Eventualbegehren vor, zumal Punkt 2. des Begehrens nur im Fall einer stattgebenden Entscheidung über das Hauptbegehren zu Punkt 1. zum Tragen kommen sollte, im Fall einer Stattgebung des Hauptbegehrens (Punkt 1.) andererseits jedoch keine Notwendigkeit mehr besteht, über Punkt 3. des Klagebegehrens zu entscheiden.

1.2. Eine Eventualklagenhäufung und ein Eventualbegehren sind aber nur gegen dieselbe(n) Person(en) zulässig (8 Ob 139/64 = EvBl 1964/476; RIS-Justiz RS0037606). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Kläger hätten gegenüber der zweitbeklagten Partei ein unzulässiges Klagebegehren erhoben, indem sie kein Hauptbegehren, sondern nur das Eventualbegehren gegen sie gerichtet haben, ist daher nicht zu beanstanden.

2.1. Der Entscheidung des Berufungsgerichts liegt zugrunde, dass der Vergleich vom 19. April 2002 in erster Linie der Beendigung von unzähligen Gerichtsverfahren zwischen den Streitteilen und ganz wesentlich der Zustimmung der erstbeklagten Partei zur Errichtung der Tiefgarage sowie der Festlegung von Schadenersatzzahlungen der Kläger und der zweitbeklagten Partei an die erstbeklagte Partei gedient habe. Das Berufungsgericht schloss, dass diese Punkte primär nicht das Geschäftsräum-Mietverhältnis betroffen hätten; auf dieses sei nur durch den befristeten Hauptmietzinsverzicht zur teilweisen Schadensabgeltung Bezug genommen worden. In den Vergleich sei überdies maßgeblich auch die zweitbeklagte Partei als Bauführerin der Tiefgarage eingebunden worden, sodass insgesamt weder § 49 Abs 2 Z 5 JN noch § 83 JN anwendbar seien.

2.2. Auch diese Schlussfolgerung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden; die Entscheidung 5 Ob 35/05s (= RIS-Justiz RS0046440 [T4]) steht ihr nicht entgegen, ging es doch in der genannten Entscheidung ausschließlich um einen zwischen Vermieter und Mieter geschlossenen Vergleich, der der Bereinigung mietrechtlicher Außerstreitverfahren und des vom Mieter geltend gemachten Anspruchs auf Herausgabe eines Kautionssparbuchs diente. Demgegenüber sind hier wesentlicher Gegenstand des Vergleichs Schadenersatzverpflichtungen des Zweitklägers und der zweitbeklagten Partei als Bauführerin. Deren im Vergleich übernommene Verpflichtung hat ihre Wurzel nicht in einem zwischen der Erstklägerin als Fruchtgenussberechtigter und der erstbeklagten Partei bestehenden Mietverhältnis. Der Zweitkläger als Liegenschaftseigentümer war bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Jahr 2002 nicht Vermieter, zumal das Fruchtgenussrecht im Jahr 1999 eingeräumt worden war (vgl RIS-Justiz RS0011849 [T2]; Iro in KBB³ § 1120 ABGB Rz 3 mwN). Von den vier Vergleichsparteien sind somit nur zwei durch einen Mietvertrag verbunden. Darin liegt der wesentliche Unterschied zu dem zu 5 Ob 35/05s entschiedenen Fall; in diesem Sinn ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts jedenfalls vertretbar.

3. Schließlich zeigen die Kläger auch keine erhebliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Bestätigung der Abweisung des Zahlungsbegehrens gegen die erstbeklagte Partei (Punkt 1.) auf. Die Vorinstanzen haben sich an die bereits in den Vorentscheidungen 7 Ob 160/08t und 9 Ob 10/10a angeführten Grundsätze gehalten.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist daher die Revision der klagenden Partei zurückzuweisen.

Textnummer

E97938

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00120.11K.0706.000

Im RIS seit

17.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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