TE Vfgh Erkenntnis 2022/2/28 V614/2020 ua (V614/2020-11, V616/2020-11)

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Veröffentlicht am 28.02.2022
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
GeschwindigkeitsbeschränkungsV der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 14.12.2017 §1
SperrflächenV der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 24.08.2016 §10 litb
BodenmarkierungsV §21
StVO 1960 §9, §34, §43, §44, §55, §94d, §94f
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Aufhebung einer GeschwindigkeitsbegrenzungsV der Bezirkshauptmannschaft Landeck betreffend die B188 Paznauntalstraße mangels Anhörung der betroffenen Gemeinde; Aufhebung einer SperrflächenV der Bezirkshauptmannschaft Landeck betreffend die B188 Paznauntalstraße mangels ordnungsgemäßer Kundmachung durch eine mit Schraffen markierte und in wesentlichen Teilen nicht unterbrochene Linie der Bodenmarkierung

Spruch

I. Der Hauptantrag auf Aufhebung der Verordnung vom 14. Dezember 2017, Z LA-VK-STVO-B188/1/6-2017, wird zurückgewiesen.

II. In §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 14. Dezember 2017, Z LA-VK-STVO-B188/1/6-2017, wird die letzte Zeile der Tabelle mit den Wort- bzw Zeichenfolgen "11,800 + 70 m", "13,000 + 58 m", "beide", "60 km/h" und "§52 lita Z10a" als gesetzwidrig aufgehoben.

III. In §10 litb der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 24. August 2016, Z LA-VK-STVO-B188/1/3-2016, wird die siebente Zeile der Tabelle mit den Zeichenfolgen "12,800" und "12,800 + 60 m" als gesetzwidrig aufgehoben.

IV. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebungen im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, der Verfassungsgerichtshof möge

"1. die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 14.12.2017, Zahl LA-VK-STVO-B188/1/6-2017, als gesetzwidrig auf[…]heben, weil vor ihrer Erlassung kein Anhörungsverfahren gemäß §94f Abs1 lita StVO durchgeführt wurde;

in eventu die Wortfolge

'11,800 + 70 m

13,000 + 58 m

beide

60 km/h

§52 lita Z10a'

des §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 14.12.2017, Zahl LA-VK-STVO-B188/1/6-2017, mangels gesetzmäßiger Kundmachung bei der Einmündung der von 'Platti' kommenden Gemeindestraße zwischen Strkm 12,400 und 12,200 als gesetzwidrig auf[…]heben;

in eventu fest[…]stellen, dass die Wortfolge

'11,800 + 70 m

13,000 + 58 m

beide

60 km/h

§52 lita Z10a'

des §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 14.12.2017, Zahl LA-VK-STV0-8188/1/6-2017, mangels gesetzmäßiger Kundmachung bei Strkm 11,870 gesetzwidrig war;

2. die Wortfolge

'12,800

12,800 + 60 m'

des §10 litb der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 24.08.2016, Zahl LA-VK-STVO-B188/1/3-2016, mangels gesetzmäßiger Kundmachung als gesetzwidrig auf[…]heben."

II. Rechtslage

1. §10 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 24. August 2016, Z LA-VK-STVO-B188/1/3-2016, (im Folgenden: Verordnung vom 24. August 2016) lautet wie folgt (die angefochtenen Zeichenfolgen sind hervorgehoben):

"§10 Bodenmarkierungen

a) Auf den nachgenannten Abschnitten der B 188 Paznauntalstraße ist das Befahren und Überfahren der angebrachten Bodenmarkierungen (Sperrlinien) in beiden Fahrtrichtungen verboten:

[…]

b) An den nachgenannten Bereichen der B 188 Paznauntalstraße ist das Befahren und Überfahren der angebrachten Bodenmarkierungen (Sperrflächen) in beiden Fahrtrichtungen verboten:

von Str.-km

bis Str.-km

2,400 + 50 m

2,400 + 98 m

8,400

8,400 + 83 m

10,400

10,400 + 26 m

12,200 + 89 m

12,200 + 120 m

12,400 + 23 m

12,400 + 86 m

12,800

12,800 + 60 m

13,800 + 53 m

13,800 + 92 m

17,200 + 182 m

17,400 + 36 m

22,600 + 10 m

22,600 + 80 m

22,600 + 176 m

22,800 + 4 m

22,800 + 54 m

22,800 + 69 m

23,200 + 150 m

23,200 + 221 m

23,400 + 186 m

23,600 + 34 m

Die Kundmachung erfolgt gemäß §21 BoMaVO 'Sperrflächen'.

c) An den nachgenannten Standorten der B 188 Paznauntalstraße hat sich der Verkehr beim Abbiegen nach links entsprechend den Richtungspfeilen mit Abbiegespur einzuordnen:

[…]"

2. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 14. Dezember 2017, Z LA-VK-STVO-B188/1/6-2017, (im Folgenden: Verordnung vom 14. Dezember 2017) lautet wie folgt:

"B 188 Paznauntalstraße;

Verordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung (Gemeinde Kappl […])

[…]

[…] Verordnungsänderung

Mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 24.08.2016, Zl LA-VK-STVO-B188/1/3-2016, wurden mehrere verkehrsregelnde Maßnahmen auf der B 188 Paznauntalstraße verfügt.

Unter §2 (Geschwindigkeitsbeschränkungen) der genannten Verordnung wurde ein 80 km/h-Tempolimit von km 11,200 + 144 m bis km 12,000 und eine 60 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung von km 12,000 bis km 13,000 + 58 m verfügt.

Mit Antrag des Baubezirksamtes Imst wird zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im gegenständlichen Bereich um Verlängerung der 60 km/h-Beschränkung talauswärts ersucht.

Die Bezirkshauptmannschaft Landeck verfügt gemäß den §§43 Abs1 litb und 94b StVO 1960 in der Fassung BGBl I Nr 68/2017 zur Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf der B 188 Paznauntalstraße folgende Verkehrsregelung:

§1 Geschwindigkeitsbeschränkung

Für den nachgenannten Abschnitt der B 188 Paznauntalstraße wird folgende Geschwindigkeitsbeschränkung verfügt:

von Str.-km

bis Str.-km

Fahrtrichtung

Beschränkung

Kundmachung

gem. StVO 1960

11,200 + 144 m

11,800 + 70 m

beide

80 km/h

§52 lita Z10a

11,800 + 70 m

13,000 + 58 m

beide

60 km/h

§52 lita Z10a

Die Kundmachung dieser Verkehrsregelungen erfolgt an den angeführten Straßenkilometerstandorten durch die Anbringung der Vorschriftszeichen gemäß §52 lita Z10a StVO 1960 'Geschwindigkeitsbeschränkung'.

Die Verkehrszeichen 'Geschwindigkeitsbeschränkung' sind gemäß §48 Abs2 StVO 1960 rechtsseitig anzubringen. Die Zeichen 'Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung' und 'Ende von Überholverboten und Geschwindigkeitsbeschränkungen' können links bzw auf der Rückseite des für die Gegenrichtung geltenden Zeichens angebracht werden.

§2 Inkrafttreten

Diese Verordnung ist gemäß §44 Abs1 StVO 1960 durch die verfügten Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen. Der Zeitpunkt und Ort (Bereich) der Anbringung (Sichtbarmachung) sämtlicher verkehrsregelnder Maßnahmen sind in einem Aktenvermerk (§16 AVG 1950) festzuhalten. Mit dem Tag der Kundmachung tritt die Verordnung in Kraft.

Grundsätzlich sind sämtliche Verkehrszeichen gemäß §48 Abs.[ ]2 StVO 1960 anzubringen.

Allfällige dieser Verordnung entgegenstehende frühere andere Verfügungen werden hiermit aufgehoben.

[…]

Für den Bezirkshauptmann:

[…]"

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159/1960, idF BGBl I 42/2018 lauten wie folgt:

"§9. Verhalten bei Bodenmarkierungen.

(1) Sperrlinien (§55 Abs2) dürfen nicht überfahren, Sperrflächen (§55 Abs4) nicht befahren werden. […]

(2) – (8) […]

§34. Ausstattung der Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs.

(1) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat, soweit dies erforderlich oder zweckmäßig ist, unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der Sicherheit des Straßenverkehrs durch Verordnung die näheren Vorschriften über die Ausführung der Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (§31 Abs1) zu erlassen und insbesondere die Abmessungen (§48) und die Farben sowie die Beschaffenheit und Ausstattung der Straßenverkehrszeichen und Verkehrsleiteinrichtungen (§§55 ff.) zu bestimmen.

(2) – (5) […]

§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a) […]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;

c) – d) […].

(1a) – (11) […]

§44. Kundmachung der Verordnungen.

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. […] Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

(1a) – (5) […]

§55. Bodenmarkierungen auf der Straße.

(1) Zur Sicherung, Leitung und Ordnung des fließenden und des ruhenden Verkehrs können auf der Straße Bodenmarkierungen angebracht werden; sie können als Längsmarkierungen, Quermarkierungen, Richtungspfeile, Schraffen, Schriftzeichen, Symbole u. dgl. ausgeführt werden.

(2) – (3) […]

(4) Sperrflächen sind als schräge, parallele Linien (Schraffen), die durch nichtunterbrochene Linien begrenzt sind, auszuführen. […]

(5) […]

(6) Bodenmarkierungen, ausgenommen die Darstellung von Verkehrszeichen, sind in weißer Farbe auszuführen; […]. […]

(7) Bodenmarkierungen können dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik entsprechend durch Beschichten der Fahrbahn, durch Aufbringen von Belägen, durch den Einbau von Kunst- oder Natursteinen oder von Formstücken, durch Aufbringen von Fahrstreifenbegrenzern u. dgl. dargestellt werden.

(8) […]

§94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde

(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder – im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist – der Landespolizeidirektion ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde

a) […]

b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden […]

c) – h) […].

(2) […]

§94f. Mitwirkung

(1) Vor Erlassung einer Verordnung ist, außer bei Gefahr im Verzuge und bei Verordnungen gemäß §43 Abs1a, die Autobahnen betreffen, anzuhören:

a) von der Landesregierung und von der Bezirksverwaltungsbehörde:

1. die betroffene Gemeinde,

2. wenn sich der Geltungsbereich einer Verordnung auch auf das Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, erstrecken soll, diese Behörde,

3. wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden, die gesetzliche Interessenvertretung dieser Berufsgruppe;

b) […]

(2) […]

(3) Die Anhörung der Gemeinde nach den Abs1 und 2 hat zu entfallen, wenn die Gemeinde Straßenerhalter ist. In diesem Falle gilt §98 Abs1."

4. Die Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über Bodenmarkierungen (Bodenmarkierungsverordnung), BGBl 848/1995, idF BGBl II 370/2002 lautet auszugsweise wie folgt:

"§21. Sperrflächen

(1) Sperrflächen sind in weißer Farbe auszuführen. Sie dürfen nur durch schräge, parallele Linien (Schraffen) gekennzeichnet werden und sind mit nicht unterbrochenen Linien zu begrenzen. Die Breiten der Schraffen und der Zwischenräume zwischen den Schraffen haben in der Regel entweder 25 cm und 50 cm oder 50 cm und 200 cm zu betragen. Die Breite der Umrandung hat auf Autobahnen und Autostraßen mit baulich getrennten Richtungsfahrbahnen mindestens 15 cm, im übrigen mindestens 10 cm zu betragen. Sofern die örtlichen Gegebenheiten oder die Verkehrsverhältnisse keine andere Regelung erfordern, sind die Schraffen bezogen auf eine gedachte, parallel zur Achse des angrenzenden Fahrstreifens verlaufende Linie aus der Sicht des ankommenden Verkehrs in einem Winkel von annähernd 45 Grad anzubringen.

(2) Sofern die Verkehrssicherheit dadurch nicht beeinträchtigt wird und das Markierungsbild eindeutig als Sperrfläche erkennbar bleibt, können innerhalb der Sperrfläche auch Schraffen entfallen. Soweit eine Abgrenzung durch bauliche Einrichtungen wie etwa Gehsteigkanten[…] gegeben ist, kann auch die Umrandung der Sperrfläche durch eine nicht unterbrochene Linie entfallen."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim Landesverwaltungsgericht Tirol ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen die Spruchpunkte 1. und 2. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 5. August 2019, Z VK-8959-2018, anhängig, mit welchen dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurde, am 14. September 2018 um 14.55 Uhr im Gemeindegebiet von Kappl auf der B 188 Paznauntalstraße in Fahrtrichtung Landeck bei Straßenkilometer 12,735 die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 37 km/h überschritten sowie bei Straßenkilometer 12,820 die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrfläche befahren zu haben und damit gegen §52 lita Z10a StVO 1960 bzw §9 Abs1 StVO 1960 verstoßen zu haben.

2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Tirol nach Art139 Abs1 Z1 B-VG den Antrag auf Aufhebung der Verordnung vom 14. Dezember 2017 und die unter Pkt. I angeführten Eventualanträge sowie den Antrag auf Aufhebung näher bezeichneter Zeichenfolgen in §10 litb der Verordnung vom 24. August 2016.

2.1. Zur Präjudizialität führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass sich die von ihm zu prüfenden Tatvorwürfe auf die von der Bezirkshauptmannschaft Landeck mit §1 der Verordnung vom 14. Dezember 2017 auf der B188 Paznauntalstraße zwischen Straßenkilometer 13,058 und Straßenkilometer 11,870 verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h und die mit §10 litb der Verordnung vom 24. August 2016 auf der B188 Paznauntalstraße zwischen Straßenkilometer 12,860 und Straßenkilometer 12,800 verordnete Sperrfläche bezögen. Die beiden Verordnungen seien daher präjudiziell.

2.2. Seine Bedenken hinsichtlich des Anhörungsverfahrens, dessen Durchführung vor Erlassung der Verordnung vom 14. Dezember 2017 gemäß §94f Abs1 lita StVO 1960 geboten gewesen sei, legt das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen wie folgt dar:

"Seitens der Bezirkshauptmannschaft Landeck wurde gegenüber dem Landesverwaltungsgericht Tirol mitgeteilt, dass im Zuge der Erlassung der Verordnung vom 14.12.2017, Zahl LA-VK-STVO-B188/1/6-2017, keine Anhörung iSd §94f StVO durchgeführt wurde. Auch wenn mit der Verordnung vom 14.12.2017 lediglich die Kilometrierung der Geschwindigkeitsbeschränkung der Verordnung vom 24.08.2016 abgeändert wurde, ist ein Anhörungsverfahren durchzuführen (vgl VfGH 08.10.2014, V[ ]33/2014). Es ist daher von einer Verletzung der in §94f StVO normierten Anhörungsrechte auszugehen, was eine Gesetzwidrigkeit der Gesamtverordnung vom 14.12.2017 nach sich zieht."

2.3. Seine Bedenken hinsichtlich der ordnungsgemäßen Kundmachung der Verordnung vom 14. Dezember 2017 legt das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen wie folgt dar:

"Nachdem im Tatzeitpunkt am 14.09.2018 zumindest am Beginn der mit §1 der Verordnung vom 14.12.2017 auf der B 188 Paznauntalstraße in Fahrtrichtung Landeck zwischen Strkm 13,058 und Strkm 11,870 verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung ein Vorschriftszeichen nach §52 lita Zif 10a StVO aufgestellt war, erlangte die Verordnung vom 14.12.2017 ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.

Allerdings war das Ende dieser Geschwindigkeitsbeschränkung in Fahrtrichtung Landeck nicht wie verordnet bei Strkm 11,870, sondern bereits bei Strkm 12,000 kundgemacht. An dieser Stelle stand nämlich das Vorschriftszeichen nach §52 lita Zif 10a StVO für die anschließende Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h. Das kundgemachte Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung wich somit im Tatzeitpunkt um 130 m vom verordneten Geltungsbereich ab.

[…]

Im vorliegenden Fall mündet die vom Ortsteil Platti kommende Gemeindestraße zwischen Strkm 12,400 und 12,200 in die B 188 Paznauntalstraße. Über diese Gemeindestraße kann in den mit §1 der Verordnung vom 14.12.2017 zwischen Strkm 13,058 und Strkm 11,870 verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h eingefahren werden, ohne ein diesbezügliches Vorschriftszeichen passiert zu haben. Es mag sein, dass es sich dabei nur um eine einspurige, nicht asphaltierte und nicht regelmäßig benützte Zufahrt zum Ortsteil Platti handelt. […] Eine Abschrankung oder ein Hinweis, dass die Benutzung der Gemeindestraße der Allgemeinheit verboten sei, fehlt im vorliegenden Fall. Es handelt sich somit um eine Straße mit öffentlichem Verkehr (vgl VwGH 21.11.2014, 2013/02/0168) und somit um eine legale Zufahrt zur B 188 Paznauntalstraße und die dort verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung.

Dementsprechend wäre die Geschwindigkeitsbeschränkung auch bei dieser Zufahrt kundzumachen gewesen. Wie sich beim Lokalaugenschein am 03.12.2020 herausgestellt hat, fehlt diese Kundmachung nach wie vor. §1 der Verordnung vom 14.12.2017 ist daher hinsichtlich der zwischen Strkm 13,058 und Strkm 11,870 verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung nicht gesetzlich kundgemacht und daher gesetzwidrig."

2.4. Seine Bedenken hinsichtlich der ordnungsgemäßen Kundmachung der im Antrag näher bezeichneten Zeichenfolgen in §10 litb der Verordnung vom 24. August 2016 legt das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen wie folgt dar:

"Sperrfläche[n] sind gemäß §55 Abs4 StVO durch schräge, parallele Linien (Schraffen), die durch nichtunterbrochene Linien begrenzt sind, auszuführen. Gemäß §21 Abs1 der Bodenmarkierungsverordnung sind Sperrflächen in weißer Farbe auszuführen. Sie dürfen nur durch Schraffen gekennzeichnet werden und sind mit nicht unterbrochenen Linien zu begrenzen. […] Sofern die Verkehrssicherheit dadurch nicht beeinträchtigt wird und das Markierungsbild eindeutig als Sperrfläche erkennbar bleibt, können gemäß Abs2 innerhalb der Sperrfläche auch Schraffen entfallen. Soweit eine Abgrenzung durch bauliche Einrichtungen wie etwa Gehsteigkanten gegeben ist, kann auch die Umrandung der Sperrfläche durch eine nicht unterbrochene Linie entfallen.

Wie sich beim Lokalaugenschein am 03.12.2020 herausgestellt hat, ist die mit §10 litb der Verordnung vom 24.08.2016 auf der B 188 Paznauntalstraße zwischen Strkm 12.860 und Strkm 12.800 verordnete Sperrfläche nicht mit Schraffen und nicht mit einer durchgehenden, ununterbrochenen Umrandung kundgemacht. Die Sperrfläche ist auch nicht durch bauliche Einrichtungen abgegrenzt und ist nicht eindeutig als Sperrfläche erkennbar. §10 litb der Verordnung vom 24.08.2016 ist daher hinsichtlich der zwischen Strkm 12.860 und Strkm 12.800 verordneten Sperrfläche nicht gesetzlich kundgemacht und daher gesetzwidrig."

3. Die verordnungserlassende Behörde hat die auf die angefochtene Verordnung Bezug habenden Akten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in welcher den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"1. Anhörungsverfahren:

Mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 24.08.2016, GZ LA-VK-STVO-B188/1/3-2016, wurden auf der B 188 Paznauntalstraße mehrere verkehrsregelnde Maßnahmen verfügt.

Unter anderem wurde eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h im Streckenabschnitt von km 12,000 bis km 13,000 + 58m verfügt. Im Zuge der Erlassung wurde ein Anhörungsverfahren durchgeführt[…] (siehe dazu Schreiben Anhörungsverfahren vom 02.08.2016). Stellungnahmen wurden diesbezüglich nicht eingebracht.

Mit Verordnung vom 14.12.2017, [GZ.] LA-VK-STVO-B188/1/6-2017, wurde diese Geschwindigkeit von km 11,8 + 70 m bis km 13,000 + 58m ausgedehnt. Es handelt sich dabei um eine Verordnungsänderung. Der Antrag wurde aufgrund der verkehrstechnischen Notwendigkeit von der Landesstraßenverwaltung eingebracht. In diesem Verordnungs-Verfahren wurde keine gesonderte Anhörung durchgeführt. Aus Sicht der Behörde wurden im gegenständlichen Verordnungsverfahren lediglich zwei Geschwindigkeitsbeschränkungen im Freilandbereich angepasst und somit ist kein gesondertes Anhörungsverfahren erforderlich.

Anmerkung: Den gesetzlichen Interessenvertretungen kommt nur dann ein Anhörungsrecht zu, wenn die Interessen einer […] Berufsgruppe berührt werden. Dies ist in der vorliegenden Verkehrsregelung nicht der Fall.

2. Kundmachung:

Die Kundmachung der Verordnung vom 14.12.2017, [GZ.] LA-VK-STVO-B188/1/6-2017[,] in Fahrtrichtung Landeck erfolgte erst am 16.01.2020. Somit war zum Tatzeitpunkt die Verordnung vom 24.08.2016, GZ LA-VK-STVO-B188/1/3-2016[,] in Fahrtrichtung Landeck noch in Geltung.

3. Zusatztafeln:

Die Notwendigkeit zur Anbringung von Zusatztafeln aufgrund der Verkehrssicherheit[…] wurde von den verkehrstechnischen Sachverständigen nicht festgestellt und wurde in der Verordnung auch nicht vorgesehen.

4. Einmündung:

Laut Bürgermeister der Gemeinde Kappl handelt es sich beim Verbindungsweg zw. dem Ortsteil Platti (Gemeinde Kappl) und der B 188 Paznauntalstraße um keine offizielle Zufahrtstraße. Die Straßenanlage ist nicht befestigt (Schotterstraße), im oberen Teil sehr steil und durchgehend sehr schmal. Es findet dort kein regelmäßiger Verkehr statt, sondern die Straße wird nur gelegentlich befahren. Grundsätzlich dient der Weg als Spazierweg. Im Winter wird die Straße nicht geräumt und dient als Winterwanderweg (siehe dazu auch Foto im Antrag des LVwG).

Aus Sicht der Behörde stellt der gegenständliche Verbindungsweg eine 'untergeordnete' Verkehrsfläche und somit eine benachrangte Verkehrsfläche im Sinne des §19 Abs6 StVO dar. Die Straße weist eine wesentlich geringere Verkehrsfrequenz [auf] und unterscheidet sich deutlich im Vergleich zu sonstigen öffentlichen Gemeindestraßen. Damit ist der gegenständliche Verbindungsweg keine einmündende Straße im Sinne des §51 Abs5 StVO.

5. Sperrfläche:

Die gegenständliche Sperrfläche ist nicht mit 'Schraffen' ausgeführt. Trotz Unterbrechung aufgrund einer Einfahrt ist die Sperrfläche – aus Sicht der Behörde – eindeutig als Sperrfläche erkennbar."

4. Die Tiroler Landesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht beginnend mit VfSlg 20.182/2017 davon aus, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 12.382/1990, 16.875/2003, 19.058/2010, 19.072/2010, 19.230/2010 uva.; s. auch VfGH 18.9.2015, V96/2015, sowie die Rechtsprechung zu nicht ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzen VfSlg 16.152/2001, 16.848/2003 und die darin zitierte Vorjudikatur). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich.

1.2. Die Verordnung vom 14. Dezember 2017 wurde durch die im Akt dokumentierte Aufstellung von Vorschriftszeichen nach §52 lita Z10a StVO 1960 kundgemacht, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.

1.3. Die Verordnung vom 24. August 2016 hat jedenfalls durch die – im Akt dokumentierte – Übermittlung an die in ihren örtlichen Geltungsbereich fallenden "Gemeinden 6551 Pians, 6552 Tobadill, 6553 See, 6555 Kappl, 6561 Ischgl und 6563 Galtür" sowie an die "Polizeiinspektionen 6555 Kappl und 6561 Ischgl" das zur Erlangung rechtlicher Existenz nötige Mindestmaß an Publizität erlangt.

1.4. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Normenprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil der Bestimmung nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.5. Dem Beschwerdeführer im Anlassverfahren wird zur Last gelegt, er habe im Gemeindegebiet von Kappl auf der B 188 Paznauntalstraße in Fahrtrichtung Landeck bei Straßenkilometer 12,735 die mit §1 der Verordnung vom 14. Dezember 2017 für den Streckenabschnitt von Straßenkilometer 11,870 bis Straßenkilometer 13,058 der B 188 Paznauntalstraße in beide Fahrtrichtungen verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h um 37 km/h überschritten und damit gegen §52 lita Z10a StVO 1960 verstoßen. Es ist daher offenkundig, dass das antragstellende Verwaltungsgericht §1 der Verordnung vom 14. Dezember 2017 anzuwenden hat, soweit sich diese Verordnungsbestimmung auf den Abschnitt von Straßenkilometer 11,870 bis Straßenkilometer 13,058 der B 188 Paznauntalstraße bezieht. Da der Hauptantrag auf Aufhebung der Verordnung vom 14. Dezember 2017 darüber hinaus die Aufhebung auch jener nicht präjudiziellen Wort- bzw Zeichenfolgen in §1 dieser Verordnung begehrt, mit denen für einen weiteren Streckenabschnitt der B 188 Paznauntalstraße eine Geschwindigkeitsbeschränkung erlassen wird, ist er jedoch zu weit gefasst (vgl VfSlg 5111/1965, 18.118/2007; VfGH 8.10.2014, V33/2014) und daher insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.

Zulässig ist hingegen der erste Eventualantrag auf Aufhebung jener Wort- bzw Zeichenfolgen in §1 der Verordnung vom 14. Dezember 2017, mit welchen für den präjudiziellen Streckenabschnitt von Straßenkilometer 11,870 bis Straßenkilometer 13,058 der B 188 Paznauntalstraße eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h erlassen wird.

1.6. Soweit dem Beschwerdeführer im Anlassverfahren weiters zur Last gelegt wird, er habe im Gemeindegebiet von Kappl auf der B 188 Paznauntalstraße in Fahrtrichtung Landeck bei Straßenkilometer 12,820 die mit der siebenten Zeile der Tabelle in §10 litb der Verordnung vom 24. August 2016 verordnete Sperrfläche befahren und damit gegen §9 Abs1 StVO 1960 verstoßen, hat sich im Verfahren nichts ergeben, was an der Präjudizialität der angefochtenen Zeichenfolgen zweifeln ließe.

1.7. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich der erste Eventualantrag auf Aufhebung der letzten Zeile der Tabelle in §1 der Verordnung vom 14. Dezember 2017 und der Antrag auf Aufhebung der siebenten Zeile der Tabelle in §10 litb der Verordnung vom 24. August 2016 als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Zur behaupteten Gesetzwidrigkeit der Verordnung vom 14. Dezember 2017:

2.2.1. Das Landesverwaltungsgericht äußert das Bedenken, dass die angefochtene Verordnung vom 14. Dezember 2017 gesetzwidrig sei, weil die Bezirkshauptmannschaft Landeck als verordnungserlassende Behörde die vor deren Erlassung gemäß §94f Abs1 lita StVO 1960 gebotene Durchführung eines Anhörungsverfahrens unterlassen habe.

2.2.2. Damit ist das Landesverwaltungsgericht im Recht:

2.2.3. Ge

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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