TE Bvwg Beschluss 2020/9/18 G311 2203204-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2020
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Entscheidungsdatum

18.09.2020

Norm

AVG §71
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs4

Spruch

G311 2203204-2/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über den Antrag auf Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand vom 20.08.2020 sowie über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Florian KREINER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2018, Zahl XXXX , betreffend Aufenthaltsverbot:

A)

I.       Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 09.07.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen auf die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Suchtmitteldelikten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 22 Monaten verwiesen.

Der Bescheid enthält nachfolgende Rechtsmittelbelehrung:

„Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben.

Die Beschwerde ist innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich bei uns einzubringen.

Sie hat den Bescheid, gegen den sie sich richtet, und die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, zu bezeichnen. Weiters hat die Beschwerde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, das Begehren und die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist, zu erhalten.

Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, das heißt, der Bescheid kann bis zur abschließenden Entscheidung nicht vollstreckt werden.

Die Beschwerde kann in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs sind auf folgender Internetseite bekanntgemacht: http://ww.bfa.gv.at

Bitte beachten Sie, dass der Absender/die Absenderin die mit jeder Übermittlungsart verbundenen Risiken (zB Übertragungsverlust, Verlust des Schriftstückes) trägt.“

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach einem erfolglosen Zustellversuch durch Hinterlegung beim Zustellpostamt am 13.07.2018 zugestellt, die Beschwerdefrist endete somit mit Ablauf des 10.08.2018.

Mit persönlichem Schreiben des Beschwerdeführers vom 30.07.2018, per E-Mail direkt beim Bundesverwaltungsgericht am 09.08.2018 um 22:16 Uhr einlangend, erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes. Der Beschwerdeeingang wurde mit 10.08.2018 zur Zahl G314 2203204-1 protokolliert. Zusätzlich versendete der Beschwerdeführer seine Beschwerde am 10.08.2018 (Datum des Poststempels) per Post ebenfalls direkt an das Bundesverwaltungsgericht. Der Eingang wurde mit 14.08.2018 protokolliert.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.08.2018, übermittelt und zugestellt am 16.08.2018, wurde die Beschwerde an das für die Einbringung zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG weitergeleitet.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden daraufhin dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten am 17.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, wo sie zur Zahl G311 2203204-2 protokolliert wurde.

Per E-Mail vom 20.08.2018 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht um neuerliche (vollständige) Vorlage des angefochtenen Bescheides, welche am selben Tag dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde.

Infolge des schriftlichen Ersuchens des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.07.2020 übermittelte des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 16.07.2020 den Beschluss über die bedingte Strafnachsicht der über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe von 22 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und der Weisung, sich während der Probezeit einer ambulanten Behandlung zu unterziehen.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.08.2020, dem Beschwerdeführer eigenhändig am 11.08.2020 zugestellt, wurde ihm die verspätete Einbringung seiner Beschwerde vorgehalten und ihm eine Frist zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer nahm mit Schriftsatz seines nunmehrigen bevollmächtigten Rechtsvertreters vom 20.08.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 21.08.2020 einlangend, zum Verspätungsvorhalt Stellung und beantragte unter einem die Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und erhob neuerlich Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid aufheben; in eventu den Bescheid aufheben oder allenfalls die Dauer des Aufenthaltsverbotes in Anbetracht des Familienlebens auf eine angemessene Dauer reduzieren; in eventu das Verfahren zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt zurückverweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) I.): Zur Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

Der Antragsteller beantragte im gegenständlichen Fall die Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und führte dazu im Wesentlichen einerseits an, das Bundesverwaltungsgericht habe zum Nachteil des Antragstellers eine unverzügliche Weiterleitung seiner fälschlicherweise direkt beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachten Beschwerde schuldhaft unterlassen, sodass ihm die Versäumung der Frist nicht zuzurechnen sei. Andererseits habe der damals unvertretene und rechtsunkundige Antragsteller zwar die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides gelesen, diese aber offenkundig falsch interpretiert. Es handle sich dabei um einen minderen Grad des Versehens.

Der mit „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ betitelte § 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

„§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1.         nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2.         nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen
1.         nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2.         nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“

Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG 2014 die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG 2014 geregelte Beschwerde handelt (vgl. VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013). Der VwGH hat allerdings in seiner Rechtsprechung auch bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG 2014 übertragbar sind (vgl. betreffend § 33 Abs. 1 VwGVG 2014 VwGH 25.11.2015, Ra 2015/06/0113; 08.06.2015, Ra 2015/08/0005, VwGH 17.03.2015, Ra 2014/01/0134).

Der mit „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ betitelte § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) lautet:

„§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1.         die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2.         die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134).

Um die Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, muss das Ereignis für den Wiedereinsetzungswerber entweder unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ("oder") genügt das Vorliegen eines der beiden Momente, um den Wiedereinsetzungsanspruch zu begründen (Hengstschläger3 Rz 605 FN 1188). Die Partei (der Antragsteller) muss an der zeitgerechten Vornahme einer befristeten Prozesshandlung durch ein Ereignis verhindert gewesen sein, das sie (er) nicht vorhergesehen hat oder dessen Eintritt sie (er) nicht abwenden konnte (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 37 [Stand 1.4.2009, rdb.at]).

Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020). Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134; VfGH 27.02.1985, G 53/83-13 u.a.).

Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des
§ 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber (oder sein Vertreter) dürfen also nicht auffallend sorglos gehandelt haben (VwGH 01.06.2017, Ra 2017/06/0040). Da es auf die persönlichen Fähigkeiten des Antragstellers ankommt, fallen seine Rechtskundigkeit und seine Erfahrung im Umgang mit Behörden besonders ins Gewicht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 40 [Stand 1.4.2009, rdb.at]).

Im konkreten Fall ergibt sich daraus:

Der angefochtene Bescheid wurde dem Antragsteller nach einem erfolglosen Zustellversuch durch Hinterlegung beim Zustellpostamt am 13.07.2018 zugestellt, die Beschwerdefrist endete somit mit Ablauf des 10.08.2018. Mit persönlichem Schreiben des Antragstellers vom 30.07.2018, per E-Mail direkt beim Bundesverwaltungsgericht am 09.08.2018 um 22:16 Uhr einlangend, erhob er das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes. Der Beschwerdeeingang wurde mit 10.08.2018 zur Zahl G314 2203204-1 protokolliert. Zusätzlich versendete der Antragsteller seine Beschwerde am 10.08.2018 (Datum des Poststempels) per Post ebenfalls direkt an das Bundesverwaltungsgericht. Der Eingang wurde mit 14.08.2018 protokolliert. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.08.2018, zugestellt am 16.08.2018, wurde die Beschwerde an das für die Einbringung zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG weitergeleitet.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seinem Erkenntnis vom 12.11.2019, Ra 2019/16/0110, ausgesprochen:

„Gemäß § 6 AVG hat die Behörde, bei welcher Anbringen einlangen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen. Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht die bei ihm einlangende Eingabe dem Verwaltungsgerichtshof nicht innerhalb der noch offenen Frist weitergeleitet oder die Antragstellerin an diesen verwiesen hat, könnte einen Wiedereinsetzungsgrund dann darstellen, wenn die Antragstellerin durch ein „krasses Fehlverhalten“ der zur Weiterleitung verpflichteten Stelle an der Einhaltung der Frist gehindert worden wäre. Im vorliegenden Fall wäre dem Bundesverwaltungsgericht aber ein Zeitraum von rund einer Woche zur Verfügung gestanden, um die Eingabe innerhalb der offenen Mängelbehebungsfrist dem Verwaltungsgerichtshof weiterzuleiten oder die Antragstellerin an diesen zu verweisen. Schon angesichts des dem Gericht zuzugestehenden Zeitraums für eine geschäftsordnungsgemäße Behandlung der Eingabe kann jedenfalls nicht von einer „extremen Verzögerung“ oder von einem „krassen Fehlverhalten“ in diesem Sinn gesprochen werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass eine Weiterleitung auch nach Ablauf der Mängelbehebungsfrist (zwei Wochen) nicht erfolgte (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0331). Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung der der Revision anhaftenden Mängel war daher abzuweisen (Hier: der verbesserte Schriftsatz langte beim Bundesverwaltungsgericht statt beim Verwaltungsgerichtshof ein).“

Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerde des Antragstellers am letzten Tag der Beschwerdefrist, nämlich am Freitag, dem 10.08.2018, protokolliert. Die Weiterleitung gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG wurde am 13.08.2018 unterzeichnet und am 16.08.2018 per elektronischem Rechtsverkehr an das Bundesamt versendet, wo diese am selben Tag einlangte. In Anbetracht der Protokollierung der Beschwerde am letzten Tag der Beschwerdefrist, dem 10.08.2018, und dem nötigen Zeitraum zur gerichtsinternen, geschäftsordnungsgemäßen Behandlung kann vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des VwGH nicht erkannt werden, dass der Antragsteller durch ein krasses Fehlverhalten des Bundesverwaltungsgerichts an der Einhaltung der Frist gehindert worden wäre. Dieser Wiedereinsetzungsgrund liegt daher gegenständlich nicht vor.

Zum weiteren Vorbringen, dem Antragsteller wäre als Rechtsunkundigen und, im Verfahren zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung, nicht rechtsfreundlich Vertretenen ein Irrtum bei der Interpretation der Rechtsmittelbelehrung insofern unterlaufen, als er „bei uns“ mit „beim Bundesverwaltungsgericht“ interpretiert habe, wobei es sich dabei um einen minderen Grad des Versehens handle, ist er darauf zu verweisen, dass jegliches Geschehen, also auch sogenannte psychologische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, sich irren usw., als "Ereignis" im Sinne dieser Bestimmung gewertet werden kann (zu § 71 Abs. 1 AVG VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020). Auch ein Rechtsirrtum (Unkenntnis von Rechtsvorschriften) kann einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen (VwGH 11.05.2017, Ra 2017/04/0045). Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei (oder ihren Vertreter) an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (VwGH 16.09.1999, 99/20/364; 30.04.2001, 2001/03/0183; 25.05.2007, 2006/12/0219). Eine der Wiedereinsetzung entgegen stehende auffallende Sorglosigkeit nahm der VwGH beispielsweise an, wenn die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum hätte vermieden werden können durch die aufmerksame Lektüre des Bescheides (VwGH 31.07.2007, 2006/05/0089), und zwar nicht nur des Spruchs, sondern insbesondere auch seiner Rechtsmittelbelehrung (VwGH 26.02.2003, 2002/17/0279; 09.06.2004, 2004/16/0096) und seiner Begründung (VwGH 08.05.1998, 97/19/1271; 24.02.2006, 2005/12/0237; 01.06.2006, 2005/07/0044), die Einholung von Informationen bei der Behörde (VwGH 08. 05.1998, 97/19/1271) oder bei einem Rechtskundigen (VwGH 24.02.1992, 91/10/0291; 02.07.1998, 97/06/0056; 24.02.2006, 2005/12/0237; Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 68, 69 [Stand 1.4.2009, rdb.at]).

Der Antragsteller bringt zwar vor, die Rechtsmittelbelehrung aufmerksam gelesen zu haben, jedoch hat er weder ergänzende Informationen bei der Behörde oder bei einem Rechtskundigen eingeholt. Die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum hätten somit jedenfalls vermieden werden können.

Enthält der Bescheid in der Rechtsmittelbelehrung zudem den Hinweis, dass die Beschwerde „schriftlich bei uns einzubringen ist“, ist damit die Einbringungsstelle ausreichend klar bezeichnet (vgl. RS1 VwGH vom 03.10.2018, Ra 2018/07/0428, mit Verweis auf Stammrechtssatz VwGH vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0075).

Insgesamt macht der Antragsteller gegenständlich keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund geltend.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit gemäß § 33 Abs. 1 iVm Abs. 4 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchteil A) II.): Zurückweisung der Beschwerde als verspätet:

§ 61 AVG lautet:

„§ 61. (1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechtsmittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist.

(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, dass kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.

(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig.

(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 158/1998)“

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung (Z 1).

Gemäß § 3 Abs. 2 BFA-VG obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

1.       die Zuerkennung und die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich gemäß dem AsylG 2005,

2.       die Gewährung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß dem AsylG 2005,

3.       die Anordnung der Abschiebung, die Feststellung der Duldung und die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten gemäß dem 7. Hauptstück des FPG,

4.       die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG,

5.       die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

6.       die Vorschreibung von Kosten gemäß § 53 und

7.       die Führung von Verfahren nach dem Grundversorgungsgesetz - Bund 2005 (GVG-B 2005), BGBl. Nr. 405/1991, mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren.

§ 16 Abs. 1 BFA-VG lautet:

„§ 16. (1) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes in den Fällen des Abs. 2 und des § 7 Abs. 2 AsylG 2005, sofern der Status des Asylberechtigten aberkannt und die Aberkennung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde, beträgt abweichend von § 7 Abs. 4 erster Satz des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, zwei Wochen. Dies gilt nicht, wenn es sich bei dem Fremden im Zeitpunkt der Bescheiderlassung um einen unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17 NAG) handelt oder die aufenthaltsbeendende Maßnahme mit der Feststellung verbunden ist, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden unzulässig ist.“

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes wurde unstrittig am 10.08.2018, somit am letzten Tag der Beschwerdefrist, beim Bundesverwaltungsgericht, daher ebenso unstrittig einer unzuständigen Behörde, eingebracht. Nach Weiterleitung gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG durch das Bundesverwaltungsgericht langte die Beschwerde am 16.08.2018, somit nach Ablauf der Beschwerdefrist, beim Bundesamt ein.

Die verspätete Einbringung infolge der nötigen Weiterleitung blieb seitens des Beschwerdeführers unbestritten.

Wie bereits oben ausgeführt, lagen keine tauglichen Wiedereinsetzungsgründe vor, sodass sich die Beschwerde als verspätet erweist und als solche zurückzuweisen war.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Fristablauf Fristversäumung Verfristung Verspätung Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2203204.2.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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