TE Lvwg Erkenntnis 2020/4/24 VGW-031/055/3384/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.04.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

VStG §44a Z1
VStG §45 Abs1 Z2
KFG §103 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Dr. Forster über die Beschwerde des Herrn A. B., vom 17. Februar 2010 gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 7. Februar 2020, Zl. …, wegen einer Übertretung des § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz (KFG),

zu Recht:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensgang

1. Aufgrund einer Anzeige vom 29. Juli 2019, in der eine Übertretung des § 52 lit. a Z 1 StVO festgehalten wurde, erging zunächst eine Anonymverfügung (vom 29. Juli 2019) und sodann eine Lenkererhebung (vom 10. September 2019) an die D. GmbH als Zulassungsbesitzerin des in der Anzeige vom 29. Juli 2019 beanstandeten Kraftfahrzeuges.

2. Mit der Lenkererhebung vom 10. September 2019 wurde die D. GmbH gemäß § 103 Abs. 2 KFG als Zulassungsbesitzerin des genannten Kraftfahrzeuges aufgefordert, binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich bekanntzugeben, wer das Fahrzeug am 28. Juli 2019, um 15:19 Uhr, in Wien, E.-straße 47, verwendet habe und hierbei den vollen Namen und die vollständige Anschrift der betreffenden Person anzuführen. Mit demselben Schreiben wurde die genannte Gesellschaft darauf hingewiesen, dass sie, sollte sie die Auskunft nicht erteilen können, eine Person benennen müsse, die dies könne, diese dann die Auskunftspflicht treffe, und das Nichterteilen bzw. die unrichtige, unvollständige oder nicht fristgerechte Erteilung der Auskunft eine Verwaltungsübertretung bilde. Dieses Schreiben wurde der D. GmbH am 16. September 2019 zugestellt.

3. Mit Eingabe vom 19. September 2019 gab die D. GmbH der Behörde Name und Adresse des Beschwerdeführers bekannt. Im dabei verwendeten Formular ist folgende Passage ausgewählt: „Ich gebe bekannt, dass zum angeführten Zeitpunkt folgende Person das Fahrzeug abgestellt bzw. gelenkt hat.“

4. Mit Strafverfügung vom 20. September 2019 legte die Landespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer daraufhin zur Last, am 28. Juli 2019, um 15:19 Uhr, in Wien, E.-straße 47, eine Übertretung des § 52 lit. a Z 1 StVO begangen zu haben, zumal er den Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens „Fahrverbot“ (in beide Richtungen), ausgenommen Anrainer und Ausgleichsfahrzeuge, befahren habe, obwohl er nicht unter die genannten Ausnahmen gefallen sei. Mit dieser Strafverfügung, dem Beschwerdeführer zugestellt am 26. September 2019, verhängte die Landespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe iHv EUR 76,– (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 11 Stunden).

5. Mit E-Mail vom 4. Oktober 2019 erhob der Beschwerdeführer Einspruch gegen die Strafverfügung vom 20. September 2019. In diesem Einspruch brachte der Beschwerdeführer vor, das Fahrzeug zum maßgeblichen Zeitpunkt an eine andere, im Einspruch durch Name und Adresse näher bezeichnete Person, überlassen zu haben.

6. Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2019 forderte die Landespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer daraufhin gemäß § 103 Abs. 2 KFG auf, „als vom Zulassungsbesitzer genannter Lenker“ des beanstandeten Kraftfahrzeuges binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich bekanntzugeben, wer das Fahrzeug am 28. Juli 2019, um 15:19 Uhr, in Wien, E.-straße 47, verwendet habe und hierbei den vollen Namen und die vollständige Anschrift der betreffenden Person anzuführen. Mit demselben Schreiben wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass das Nichterteilen bzw. die unrichtige, unvollständige oder nicht fristgerechte Erteilung der Auskunft eine Verwaltungsübertretung bilde. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer am 16. Oktober 2019 zugestellt.

7. In der Folge legte die Landespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 16. Dezember 2019, zugestellt an den Beschwerdeführer am 20. Dezember 2019, eine Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG zur Last, wozu die Behörde Folgendes ausführte: „Sie wurden als Auskunftsperson für Lenkererhebungen des Kfz mit dem Kennzeichen [...] mit Schreiben der Wien LPD vom 09.10.2019 aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das angeführte Kraftfahrzeug mit dem angeführten Kennzeichen am 28.07.2019, 15:19 Uhr in Wien, E.-strafe 47 verwendet hat. Sie haben diese Auskunft, welche am 16.10.2019 zugestellt wurde, nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt.“ Als „Datum/Zeit“ wird in dieser Strafverfügung der 28. Juli 2019, 15:19 Uhr, als „Ort“ Wien, E.-straße 47, angeführt. Im Hinblick auf die genannte Übertretung verhängte die Landespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe iHv EUR 176,– (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 11 Stunden).

8. Der am 27. Dezember 2020 erhobene Einspruch des Beschwerdeführers gegen diese Strafverfügung vom 16. Dezember 2019 ist zunächst ident mit seinem Einspruch vom 4. Oktober 2019. Zusätzlich ist darauf allerdings handschriftlich vermerkt, dass der Beschwerdeführer den Lenker bekannt gegeben habe und darum ersuche, das Verfahren einzustellen.

9. Mit Straferkenntnis vom 7. Februar 2020, zugestellt am 13. Februar 2020, erkannte die Landespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer sodann für schuldig, eine Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG begangen zu haben. Beinahe ident wie in der Strafverfügung vom 16. Dezember 2019 lastete die Behörde dem Beschwerdeführer darin an: „Sie wurden als Auskunftsperson für Lenkererhebungen des Kfz mit dem Kennzeichen [...] mit Schreiben der Wien LPD vom 09.10.2019 aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das angeführte Kraftfahrzeug mit dem angeführten Kennzeichen am 28.07.2019, 15:19 Uhr in Wien, E.-strafe 47 vor dem angegebenen Zeitpunkt abgestellt hat. Sie haben diese Auskunft, welche am 16.10.2019 zugestellt wurde, nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt.“ Wiederum ist als „Datum/Zeit“ der 28. Juli 2019, 15:19 Uhr, und als „Ort“ Wien, E.-straße 47, angeführt. Im Hinblick auf die genannte Übertretung verhängte die Landespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe iHv EUR 176,– (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 11 Stunden) und verpflichtete ihn gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages iHv EUR 17,–. In der Begründung dieses Straferkenntnisses gibt die Behörde an, dass der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 4. Oktober 2019 lediglich den Familien- und Vornamen sowie die Wohnadresse eines Lenkers bekannt gegeben habe, nicht aber dessen Geburtsdatum und Daten zum Führerschein. Daraufhin sei die Lenkererhebung vom 9. Oktober 2019 ergangen, welche der Beschwerdeführer nicht fristgerecht ausgefüllt habe. In diesem Sinn sei die Lenkerbekanntgabe „nicht korrekt und lediglich unvollständig erteilt“ worden.

10. Gegen dieses Straferkenntnis wendet sich die vorliegende Beschwerde vom 17. Februar 2020, in welcher der Beschwerdeführer abermals die schon im E-Mail vom 4. Oktober 2019 und im Einspruch vom 27. Dezember 2020 genannte Person als Lenker bekannt gibt.

11. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde sowie den Akt des Verwaltungsverfahrens vor, wobei sie auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und für den Fall einer Durchführung auf eine Teilnahme daran verzichtete. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 11. März 2020 beim Verwaltungsgericht Wien ein.

12. Mit Schriftsatz vom 23. März 2020 forderte das Verwaltungsgericht Wien die Landespolizeidirektion Wien auf, binnen einer Woche bekannt zu geben, wann der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung vom 16. Dezember 2019, Zl. …, bei der Behörde eingelangt ist bzw. auf welche Art dieser erstattet wurde. Außerdem ersuchte das Verwaltungsgericht Wien mit dem genannten Schreiben (vor dem Hintergrund des nicht lesbaren Eingangsstempels auf diesem Einspruch) allfällige Belege der Rechtzeitigkeit des Einspruchs vorzulegen.

13. Mit Schreiben vom 27. März 2020 gab die Landespolizeidirektion Wien bekannt, dass der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 16. Dezember 2019 seitens des Beschwerdeführers in der Kanzlei des Polizeikommissariats C. persönlich abgegeben worden sei, was durch die handschriftliche Notiz auf dem Einspruch (pers. abg.) erkennbar sei. Der Eingangsstempel am Einspruch habe mit dem Datum 27. Dezember 2019 entziffert werden können. Des Weiteren scheine im VStV unter „Notizen“ ein – dem Schreiben vom 27. März 2020 beigelegter – Eintrag der Urlaubsvertretung der Referentin auf, welcher am 27. Dezember 2019 vorgenommen worden sei.

II. Sachverhalt

Für das Verwaltungsgericht Wien steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

1. Die D. GmbH war von 24. September 2018 (Anmeldedatum) bis zum 31. Oktober 2019 (Abmeldedatum) Zulassungsbesitzerin des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges und wurde in dieser Eigenschaft mit Schreiben der belangten Behörde vom 10. September 2019 aufgefordert, binnen zwei Wochen bekannt zu geben, wer das Fahrzeug am 28. Juli 2019, um 15:19 Uhr, an dem im angefochtenen Straferkenntnis bezeichneten Ort gelenkt hat.

Die Zulassungsbesitzerin gab der Behörde in Beantwortung dieser Lenkererhebung mit Eingabe vom 19. September 2019 den Namen und die Adresse des Beschwerdeführers bekannt. Dabei bezeichnete sie den Beschwerdeführer als Lenker des Fahrzeuges.

2. Mit Strafverfügung vom 20. September 2019 legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last, zur angeführten Tatzeit und am angeführten Tatort eine Übertretung des § 52 lit. a Z 1 StVO begangen zu haben. Der Beschwerdeführer erhob am 4. Oktober 2019 Einspruch gegen diese Strafverfügung. Darin gab der Beschwerdeführer bekannt, dass das Fahrzeug zum maßgeblichen Zeitpunkt von einer anderen Person gelenkt worden sei und führte gleichzeitig Namen und Adresse dieser Person an.

3. Am 9. Oktober 2019 erging eine Lenkererhebung gemäß § 103 Abs. 2 KFG an den Beschwerdeführer als vom Zulassungsbesitzer genannter Lenker. Er wurde darin aufgefordert schriftlich bekanntzugeben, wer das Fahrzeug zum näher bezeichneten Zeitpunkt am näher bezeichneten Ort gelenkt hat und hierbei den vollen Namen und die vollständige Anschrift dieser Person anzuführen. Die Bekanntgabe des Geburtsortes und der Führerscheindaten des Lenkers wurden seitens der belangten Behörde in diesem Schreiben nicht explizit verlangt. Diese Lenkererhebung wurde vom Beschwerdeführer nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist beantwortet.

4. Mit Straferkenntnis vom 7. Februar 2020 erkannte die belangte Behörde den Beschwerdeführer für schuldig, eine Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG begangen zu haben. Sowohl im Straferkenntnis als auch in der vorangegangenen Strafverfügung vom 16. Dezember 2019 wurde der Beschwerdeführer als „Auskunftsperson für Lenkererhebungen des Kfz mit dem Kennzeichen […]“ bezeichnet.

III. Beweiswürdigung

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, Würdigung des Beschwerdevorbringens und Einholung einer Stellungnahme der Landespolizeidirektion Wien.

1. Die Auskunft der Zulassungsbesitzerin in Beantwortung der an sie gerichteten Lenkererhebung ist der im Behördenakt inliegenden Lenkerauskunft zu entnehmen (AS 10). Daraus ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Lenker und nicht als Auskunftspflichtiger bekannt gegeben wurde. Die Eigenschaft der D. GmbH als Zulassungsbesitzerin des genannten Kraftfahrzeuges im maßgeblichen Zeitraum fußt auf einer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Abfrage aus dem Kraftfahrzeug Zentralregister (vom 23. April 2020).

2. Die Feststellungen zur Strafverfügung vom 20. September 2019 und dem Einspruch des Beschwerdeführers mitsamt der Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers sind dem Verwaltungsakt der belangten Behörde zu entnehmen, insbesondere dem E-Mail des Beschwerdeführers vom 4. Oktober 2019 (AS 17). Ebenso gründen sich die Feststellungen zur an den Beschwerdeführer gerichteten Lenkererhebung sowie zum daraufhin eingeleitetem Strafverfahren auf den Inhalt des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und sind unstrittig.

IV. Rechtsgrundlagen

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1967 über das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967), BGBl. 267/1967 idF BGBl. I 19/2019, lauten:

„§ 103. Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers

(1) […]

(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

(3) […]

[…]

§ 134. Strafbestimmungen

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

(1a) […]

(2) Eine Zuwiderhandlung gegen die im Abs. 1 angeführten Vorschriften gilt nicht als Verwaltungsübertretung, wenn

1. bei einem Verkehrsunfall durch die Tat nur Sachschaden entstanden ist und

a) die nächste Polizeiinspektion ohne Aufschub von Personen, deren Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, vom Verkehrsunfall verständigt wurde oder

b) die in lit. a genannten Personen und jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Identität nachgewiesen haben, oder

2. die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

(3) […]“

V. Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 103 Abs. 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht. Die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Gemäß § 134 Abs. 1 KFG bilden Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschrift eine Verwaltungsübertretung und sind mit einer Geldstrafe bis zu EUR 5.000,–, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

Mit dem Begriff „Zulassungsbesitzer“ iSd § 103 Abs. 2 KFG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jene Person gemeint, der diese Eigenschaft zu jenem Zeitpunkt zukam, auf welchen sich die behördliche Anfrage bezog. Die Verpflichtung dieses Zulassungsbesitzers kann durch eine nachfolgende Änderung der Zulassung nicht erlöschen, was sich – wie der Verwaltungsgerichtshof weiter ausführt – schon daraus ergibt, dass in einem Fall, wo etwa die Zulassung eines Kraftfahrzeuges durch Abmeldung bei der Behörde erlischt und auch keine neue Zulassung erfolgt, die Ausforschung eines Lenkers im Wege des § 103 Abs. 2 KFG nicht mehr möglich wäre (VwGH 16.11.2012, 2012/02/0193).

Der Zulassungsbesitzer hat in seiner Auskunft die Eigenschaft der benannten Person zu präzisieren: Die Namhaftmachung einer Person sowohl als Lenker als auch als Auskunftspflichtigen wäre gemäß § 103 Abs. 2 KFG als unrichtige Beantwortung einer Lenkeranfrage zu werten (VwGH 30.9.1999, 98/02/0128). Im Gegensatz dazu wird dem vom Zulassungsbesitzer benannten Auskunftspflichtigen vom Gesetz nicht die Möglichkeit eröffnet, seinerseits wieder einen weiteren Auskunftspflichtigen anzugeben. Die vom Zulassungsbesitzer benannte Auskunftsperson ist vielmehr verpflichtet, der Behörde den tatsächlichen Lenker oder denjenigen, der das Fahrzeug abgestellt hat, bekannt zu geben (VwSlg 15.335 A/2000).

Der Fall, dass der Zulassungsbesitzer die Auskunft nicht selbst erteilen kann, wird – wie der Verwaltungsgerichtshof ausführt – in der Regel dann vorliegen, wenn dieser die Gewahrsame am Kraftfahrzeug an eine andere Person weitergegeben hat. Liegt eine derartige Übergabe an eine vom Zulassungsbesitzer nach Name und Anschrift genannte Person vor – was die Behörde allenfalls nach dem in § 103 Abs. 2 KFG an sie gerichteten Auftrag zu überprüfen hat –, treffen den Zulassungsbesitzer hinsichtlich des weiteren Verhaltens dieser Person gegenüber der Behörde keine weiteren Auskunftspflichten, mag diese Person nun eine richtige oder falsche Auskunft erteilen oder diese verweigern. Das gleiche gilt auch für eine von der ersten Person allenfalls benannte weitere Person, sofern eine Übergabe der Gewahrsame am Kraftfahrzeug an diese weitere Person feststeht (VwGH 11.5.1990, 89/18/0178; 28.6.1991, 91/18/0071). Bestreitet die vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachte Auskunftsperson, dass ihr selbst das Fahrzeug überlassen worden sei, hat die Behörde amtliche Ermittlungen darüber einzuleiten, zumal diese Tatsache Voraussetzung für eine Bestrafung nach § 103 Abs. 2 KFG ist (VwGH 28.6.1991, 91/18/0071).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet es ein wesentliches Tatbestandselement des § 103 Abs. 2 KFG, wenn einem Beschuldigten die Verletzung der dort normierten Auskunftspflicht „als Zulassungsbesitzer“ zur Last gelegt wird, sodass es einen Verstoß gegen § 44a Z 1 VStG darstellt, wenn diese Eigenschaft nicht im Spruch des Straferkenntnisses aufscheint. Eine Verfolgungshandlung im Zusammenhang mit einer Übertretung gemäß § 103 Abs. 2 KFG muss insofern den Vorwurf an den Beschuldigten umfassen, diese Übertretung in seiner Eigenschaft als „Zulassungsbesitzer“ des Kraftfahrzeuges verantworten zu müssen. Diese Überlegungen gelten – so der Verwaltungsgerichtshof weiter – auch in einem allfälligen Strafverfahren gegen jene Person, welche nach Benennung durch den Zulassungsbesitzer (weil dieser die verlangte Auskunft nicht erteilen kann) die Auskunftspflicht trifft, sodass die Eigenschaft als „Auskunftspflichtiger“ nicht nur im Sinne des § 44a Z 1 VStG im Spruch zum Ausdruck kommen muss, sondern auch Gegenstand einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung zu sein hat. In diesem Zusammenhang ist auch klarzustellen, dass die Person des „Auskunftspflichtigen“ mit dem „Zulassungsbesitzer“ nicht gleichzusetzen ist (dh., dass der „Auskunftspflichtige“ nicht etwa als Vertreter des „Zulassungsbesitzers“ anzusehen ist), zumal sich der Zulassungsbesitzer in einem solchen Fall durch die Benennung jener Person, welche die Auskunft erteilen kann, von der ihn primär treffenden Auskunftspflicht befreit hat (VwGH 27.6.1997, 97/02/0249; 9.3.2001, 97/02/0067).

Dem Gesetzeswortlaut des § 103 Abs. 2 KFG zufolge trifft die Auskunftspflicht sohin primär den Zulassungsbesitzer, im Fall, dass dieser eine „Person [benennt], die die Auskunft erteilen kann“, ist aber auch diese zur Auskunft verpflichtet (vgl. dazu ua. VwGH 18.1.1989, 88/03/0067). Vor dem Hintergrund dieser Regelung traf die Auskunftspflicht auch im vorliegenden Fall zunächst die Zulassungsbesitzerin, welche in Erfüllung ihrer Verpflichtung den Beschwerdeführer als Lenker bekannt gab. Da die Zulassungsbesitzerin den Beschwerdeführer hierbei allerdings explizit als „Lenker“ und nicht als weiteren Auskunftspflichtigen bezeichnete, kann vor dem klaren Gesetzeswortlaut des § 103 Abs. 2 KFG nicht davon ausgegangen werden, dass in der Folge auch der Beschwerdeführer verpflichtet war, seinerseits Auskunft über einen möglichen anderen Lenker zu geben. Diese Auffassung wird auch durch eine verfassungssystematische Interpretation gestützt: Da § 103 Abs. 2 KFG als Verfassungsbestimmung eine begrenzte Ausnahme zum verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbot (Art. 90 Abs. 2 B-VG, Art. 6 EMRK) darstellt, sind die in § 103 Abs. 2 KFG enthaltenen Ermächtigungen restriktiv und keinesfalls über den klaren Wortlaut (welcher nur den Zulassungsbesitzer und die vom Zulassungsbesitzer bekanntgegebene Auskunftsperson verpflichtet) hinausgehend zu interpretieren.

Im Ergebnis war der Beschwerdeführer damit nicht zur Beantwortung der an ihn übermittelten Lenkererhebung verpflichtet und seine Bestrafung wegen Verletzung der Auskunftspflicht erweist sich schon aus diesem Grund als rechtswidrig. Die Bestrafung des Beschwerdeführers ist allerdings auch noch aus einem weiteren Grund als rechtswidrig zu qualifizieren:

Die Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG schützt das Interesse an einer jederzeit und ohne unnötige Verzögerung möglichen Ermittlung von Personen, die im Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben, mithin das Interesse an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen, wobei die Lenkeranfrage auch einem anderen Zweck als dem der Ausforschung eines Straßenverkehrstäters dienen kann. Hierbei darf die Lenkeranfrage seitens der Behörde aber nicht grundlos und somit willkürlich erfolgen (VwGH 14.11.1990, 89/03/0308; 20.12.1996, 96/02/0475; 19.12.2014, Ra 2014/02/0081 mwN).

Im gegebenen Fall hatte der Beschwerdeführer bereits in seinem Einspruch vom 4. Oktober 2019 Name und Anschrift des Lenkers bezeichnet, weshalb nicht zu erwarten war, dass die Lenkeranfrage der belangten Behörde mehr Informationen hervorbringen würde, als die vom Beschwerdeführer bereits bekannt gegebenen. Da die Lenkererhebung an den Beschwerdeführer insofern ohne ersichtlichen Grund – mithin willkürlich – erfolgte, erweist sich die Bestrafung wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft auch in dieser Hinsicht als rechtwidrig (vgl. auch VwGH 12.12.1986, 86/18/0224, wonach es keiner Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG bedarf, wenn der Beschuldigte als Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges auch ohne eine derartige Anfrage im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens von sich aus die erforderlichen Angaben macht).

In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, dass Auskünfte gemäß § 103 Abs. 2 KFG nur den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen. Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses darauf verweist, dass die Auskunft des Beschwerdeführers ebenso das Geburtsdatum und die Führerscheindaten zu enthalten gehabt hätte, so ist mit Blick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf hinzuweisen, dass die Angabe der Führerscheindaten in einer Auskunft nach § 103 Abs. 2 KFG nicht erforderlich sind. Die Angabe des Geburtsdatums ist hingegen nur dann notwendig, wenn die Behörde ohne dieses nicht in der Lage ist, die genannte Person ohne großen Aufwand zu eruieren (vgl. VwGH 25.11.1985, 85/02/0174 mwN; vgl. auch VwGH 19.19.1984, 83/03/0380). Hinweise dafür ergaben sich dem Akteninhalt nach jedoch keine.

Das Verfahren war somit gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen, da der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder ist diese als uneinheitlich anzusehen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Lenkerauskunft; Aufforderung; Zulassungsbesitzer; Verfolgungshandlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.055.3384.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten