TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/26 W145 2216498-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2020
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Entscheidungsdatum

26.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4
GSVG §25

Spruch


W145 2216498-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid der (vormals:) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr: Sozialversicherung der Selbständigen) vom 04.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 04.03.2019 stellte die (vormals:) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Niederösterreich, (nunmehr: Sozialversicherung der Selbständigen, im Folgenden: belangte Behörde) gemäß § 194 GSVG iVm §§ 409 und 410 GSVG fest, dass Herr XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer), SVNR XXXX , im Zeitraum von 01.01.2017 bis 31.12.2017 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege und die monatliche Beitragsgrundlage gemäß § 25 GSVG für die Pensionsversicherung € 5.810 ,-- und für die Krankenversicherung € 2.388,91 ,-- betrage.

2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.03.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Mit Schreiben vom 10.04.2019 wurde die verfahrensgegenständliche Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

4. Am 15.10.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Abteilung W145 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war seit 16.02.2017 Kommanditist der XXXX & XXXX GmbH & CoKG. Die Gesellschaft wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 01.03.2017 aufgelöst, beim Firmenbuch wurde der Antrag auf Änderung am 02.03.2017 und der Antrag auf Löschung der Gesellschaft am 05.04.2018 eingebracht. Die Löschung wurde am 10.04.2018 eingetragen.

Unbeschränkt haftender Gesellschafter der KG war die XXXX & XXXX GmbH. Der Beschwerdeführer war seit 16.02.2017 90% Gesellschafter der Komplementär GmbH. Mit Gesellschafterbeschluss vom 01.03.2017 wurde die Gesellschaft aufgelöst. Am 05.04.2018 wurde der Antrag auf Löschung der GmbH im Firmenbuch gestellt. Die Löschung wurde am 10.04.2018 im Firmenbuch eingetragen.

Aus der Kommanditbeteiligung wurde ein Verlust in Höhe von € 93.769,29 erzielt.

Durch die Auflösung der Gesellschaft ist ein negatives Kapitalkonto in Höhe von € 418.628,88 entstanden, das nicht aufgefüllt werden musste, wodurch ein Veräußerungsgewinn gemäß § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG entstanden ist.

Der rechtskräftige Einkommenssteuerbescheid 2017 vom 17.10.2018 weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 324.859,59 aus. Diese ergeben sich wie folgt:

Veräußerungsgewinn aus der Nachversteuerung des Mitunternehmeranteils  € 418.628,88

minus Verlust aus der Kommanditbeteiligung      - € 93.769,29
€ 324.859,59

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb stammen aus der Nachversteuerung eines negativen mitunternehmerischen Kapitalkontos, der gemäß 24 Abs. 2 letzter Satz EStG als Veräußerungsgewinn zu erfassen ist nach Saldierung mit den Verlusten als Kommanditist aus der XXXX & XXXX GmbH & CoKG.

Des Weiteren weist der Einkommenssteuerbescheid 2017 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 8.300,69 aus. Diese Einkünfte stammen aus der Mitgliedschaft als Vorstandsmitglied der XXXX Privatstiftung (siehe Firmenbuch).

Die Gesellschaft war bis 30.11.2017 betrieblich tätig; Mietverträge und Dienstverhältnisse waren bis dahin noch zu kündigen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zu der Liquidation und Beendigung der Gesellschaft ergeben sich aus den diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde und wurden diese auch nicht vom Beschwerdeführer bestritten.

Die Feststellungen zu der Höhe des Veräußerungsgewinns und des Verlustes aus der Kommanditbeteiligung ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Beilage zum Formular E 6a. Die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie die Einkünfte aus der Mitgliedschaft als Vorstandsmitglied ergeben sich aus dem im Akt liegenden Einkommenssteuerbescheid 2017.

2.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtsfertigen (vgl. EGMR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahme der Parteien als angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller, Appl. 55.853/00).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages – den der Beschwerdeführer nicht stellte – von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechts und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1985, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. 83 vom 30.03.2010, S. 389 entgegenstehen. Im gegenständliche Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache mehr zu erwarten war und sich der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte. Die belange Behörde führte ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren durch. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Es wurden keine Rechts- und Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VwGH 18.06-2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist).

Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stehen weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsbehörden über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die (vormals:) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichts mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anders bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl Fister/ XXXX /Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Die zentrale Regelung der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

„28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist“

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

3.4. Zu A) Abweisung der Beschwerde

Den Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet im Kern die Frage, ob ein nicht aufzufüllendes negative Kapitalkonto nach Liquidation der Gesellschaft, das im Abgabenrecht als Veräußerungsgewinn gesehen wird, für die Ermittlung der Beitragsgrundlage nach § 25 GSVG herangezogen werden kann und, ob in diesem Fall eine betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vorliegt.

Festzuhalten ist, dass die gegenständliche Rechtssache vom erkennenden Gericht rein aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht zu beurteilen ist.

Zunächst ist zu beurteilen, ob es sich beim Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG um eine selbständig erwerbstätige Person, die aufgrund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Abs. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des EStG1988 erzielt, handelt:

Wie von der belangten Behörde korrekt ausgeführt und vom Beschwerdeführer in der Beschwerde auch nicht bestritten, unterliegen gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 11.09.2008, Zl. 2006/08/0041) Einkünfte eines Kommanditisten, der zu 100% Gesellschafter der Komplementär GmbH ist, der Pflichtversicherung. Der Beschwerdeführer besaß einen 83,06%-igen Kommanditanteil an der XXXX & XXXX GmbH und CoKG sowie einen 90%-igen Anteil an der XXXX & XXXX GmbH, die als Komplementärin die restlichen 16,94% Anteile der Gesellschaft gehalten hat. Daraus ergab sich ein Anteil des Beschwerdeführers an der GmbH & CoKG von 98,31%. Nachdem dem Beschwerdeführer mit einem 98,31%-igen Anteil ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäfte der KG zugestanden haben, ist das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes auf den vorliegenden Beschwerdefall anzuwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof führt zur Frage, ob ein Kommanditist „selbständig erwerbstätig“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ist, aus, dass es bei der Beurteilung dieser Frage darauf ankommt, ob dem Kommanditisten durch den Gesellschaftsvertrag eine über die bloße Kommanditistenstellung hinausgehende Rechtsposition – im Sinne eines Mitspracherechts bei der Unternehmensführung - eingeräumt wird, die jener eines Komplementärs gleichkommt. Der Kommanditist ist daher als selbständig erwerbstätig anzusehen, wenn ihm auf Grund rechtlicher Gegebenheiten Geschäftsführungsbefugnisse über die gesetzlich zustehenden Mitwirkungsrechte hinauszukommen und er damit auch einen maßgeblichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung nehmen kann (VwGH 12.09.2018, Zl. Ra 2015/08/0032). Wie bereits ausgeführt, hatte der Beschwerdeführer aufgrund seines 98,31%igen Anteils an der GmbH § Co KG eine über die bloße Kommanditistenstellung hinausgehende Rechtsposition inne, weshalb seine Tätigkeit als Kommanditist als selbständig erwerbstätig iSd § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG anzusehen war.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sind selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommenssteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr 400, erzielen (…), auf Grund dieses Bundesgesetzes in der Kranken- und Pensionsversicherung pflichtversichert.

Wie in unzähligen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes bereits judiziert wurde, lässt der Gesetzgeber mit der unmittelbaren Anknüpfung an die steuerrechtlichen Tatbestände keinen Raum dafür, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht eine eigenständige Beurteilung des Vorliegens einer selbständigen betrieblichen Tätigkeit vorzunehmen und damit materiell die im Fall des Vorliegens eines rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheides von den Finanzbehörden im Hinblick auf die Zuordnung der Einkünfte zu den Einkunftsarten entschieden Rechtsfrage erneut zu prüfen. Die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG richtet sich daher nach der Einkommensteuerpflicht, sodass bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheides, aus dem die die Versicherungsgrenzen übersteigenden Einkünfte des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, Versicherungspflicht nach der zuletzt genannten Bestimmung besteht, sofern aufgrund dieser Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist (ua VwGH 24.01.2006, Zl. 2003/08/0231, VwGH 11.09.2008, Zl. 2006/08/0041, VwGH 14.11.2012, Zl. 2010/08/0215).

In diesem Zusammenhang ist auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.02.2000, Zl. 97/08/0046, hinzuweisen, in dem die Beschwerdeführerin in einer Stellungnahme – ähnlich das Vorbringen im gegenständlichen Verfahren - vorbrachte, es handle sich beim Veräußerungsgewinn „um keine echten Einkünfte, sondern lediglich um eine steuerliche Vorgangsweise, die mangels tatsächlichen Geldflusses keinerlei Auswirkungen auf die sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlage habe“. Der Verwaltungsgerichtshof führte in seiner Begründung hierzu folgendes aus: „In der Beschwerde hält die Beschwerdeführerin – mit Recht – nicht mehr an der Auffassung fest, der Veräußerungsgewinn sei schon deshalb nicht in die Beitragsgrundlage einzubeziehen, weil es sich „um keine echten Einkünfte“ handle. Einer solchen Betrachtungsweise steht die in § 25 Abs. 1 GSVG angeordnete Bindung an das Einkommenssteuerrecht (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 25. September 1990, Zl. 88/08/0296, vom 24. November 1992, Zl. 88/08/0284, und vom 8. April 1997, Zl. 96/08/0318) von vornherein entgegen.“

Wie in den Feststellungen ausgeführt, hat der Beschwerdeführer in seinem rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheid 2017 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 324.859,59 geltend gemacht. In der Beilage zum Formular E 6a gibt der Beschwerdeführer unter Veräußerungsgewinn € 425.928,88 an. Dieser als in der Steuererklärung titulierter Veräußerungsgewinn, ergab sich durch das bestandene negative Kapitalkonto nach Liquidation der GmbH und CoKG des Beschwerdeführers.

Steuerrechtlich ist diese wie folgt zu erfassen gewesen:

Gemäß § 22 Z 5 EStG 1988 sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit Veräußerungsgewinne im Sinne des § 24.

Gemäß § 24 EStG Abs. 1 Z 2 1988 sind Veräußerungsgewinne, Gewinne, die erzielt werden bei der Aufgabe des Betriebes (Teilbetriebes).

Gemäß Abs. 2 ist Veräußerungsgewinn im Sinne des Abs. 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Dieser Gewinn ist für den Zeitpunkt der Veräußerung oder der Aufgabe nach § 4 Abs. 1 oder § 5 zu ermitteln. Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, ist als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen muss.

Wie bereits ausgeführt, richtet sich die verfahrensgegenständliche sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nach dem rechtskräftigen Steuerbescheid. Nachdem dieser Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorsieht, darf die Sozialversicherungsanstalt und damit auch das erkennende Gericht keine Neubewertung der Einkunftsart vornehmen und hat sich am Einkommenssteuerbescheid zu orientieren.

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.03.2018, Zl. Ra 2017/08/0116, verweist neuerlich auf die Bindung an den Einkommenssteuerbescheid bei Bestimmung der Versicherungspflicht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde.

Zu prüfen ist nunmehr, ob aufgrund des negativen Kapitalkontos entstandene Veräußerungsgewinn aufgrund einer betrieblichen Tätigkeit entstanden ist.

Scheiber in Sonntag (Hrsg), GSVG9 (2020) § 2 Rz 61 schreibt zur betrieblichen Tätigkeit folgendes: Der Begriff „betriebliche Tätigkeit“ knüpft an den Betriebsbegriff im Sinn einkommenssteuerrechtlicher Regelungen an. Dies ergibt sich insbesondere aus der tatbestandsmäßigen Verbindung dieses Begriffes mit den Einkommenstatbeständen gemäß den §§ 22 und 23 EStG 1988. Beginn und Ende der betrieblichen Tätigkeit sind für die zeitliche Abgrenzung der Versicherungspflicht von Bedeutung. Als Betrieb ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Einkommenssteuergesetz die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Produktionsmittel zu einer organisatorischen Einheit zu verstehen (VwGH Zl. 91/14/0217). Der Betrieb wird mit der Herstellung der entsprechenden Strukturen begründet und besteht beim Versicherten so lange, bis die wesentlichen Grundlagen dieser Struktur entweder entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werden oder dieser Strukturen zerschlagen werden (Betriebsaufgabe, Liquidation; zB VwGH Zl. 91/13/0152). (…) Mit dem Begriff „betriebliche Tätigkeit“ wird zunächst die betriebliche/berufliche Tätigkeit gegenüber der privaten Tätigkeit abgegrenzt. Die Versicherungspflicht der „neuen Selbständigen“ soll demnach für jedes Erwerbseinkommen bestehen, das nicht der Privatsphäre zuzurechnen ist.

Weiters wird in RZ 61a ausgeführt, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 unmittelbar an den Betriebsbegriff des Einkommenssteuerrechts anzuknüpfen hat. Mit dieser unmittelbaren Anknüpfung an die steuerrechtlichen Tatbestände lässt der Gesetzgeber aber keinen Raum dafür, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht eine eigenständige Beurteilung des Vorliegens einer selbständigen betrieblichen Tätigkeit vorzunehmen. Die Anknüpfung an steuerrechtliche Tatbestände über die Art der Einkünfte und den Betriebsbegriff ist im vorliegenden Gesamtzusammenhang eng mit der Frage, ob weiterhin ein aufrechter Betrieb gegeben war, verknüpft. Dies muss zur Konsequenz führen, dass auch die steuerrechtliche Beurteilung der Frage, ob eine betriebliche Tätigkeit weiter ausgeübt wurde, die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung binden muss (siehe auch BVwG W156 2008218-1/5E, G312 2004430-1/4E).

Die GmbH & CoKG befand sich ab März 2017 in Liquidation. Wie Jabornegg/Artmann in Unternehmensgesetzbuch: Kommentar – Band 1 zu § 145 UGB zu schreiben, ändert der Eintritt der Liquidation an der Identität der Gesellschaft und insbesondere auch an ihrer Rechtsfähigkeit nichts. Sofern die Gesellschaft ein Unternehmen betreibt, ist sie auch weiterhin Unternehmerin iSd § 1 UGB. Die Gesellschaft erlischt erst mit ihrer (Voll-)Beendigung und nicht schon mit dem Eintritt der Liquidation. Wie Jabornegg/Artmann in Unternehmensgesetzbuch: Kommentar – Band 1 zu § 131 UGB RZ 6 weiters ausführen, ist aus den §§1 45 ff abzuleiten, dass Auflösung und eigentliche Beendigung der Gesellschaft keineswegs gleichbedeutend ist, sondern dass ganz grundsätzlich zwischen der Auflösung und der Vollbeendigung der Gesellschaft unterschieden werden muss. Ob Vollbeendigung bereits mit Vermögenslosigkeit eintritt (sodass die Löschung im Firmenbuch nur noch deklarative Wirkung) hat oder ob – wie im Kapitalgesellschaftsrecht – vom Doppeltatbestand auszugehen ist, sodass Vermögenslosigkeit und Löschung im Firmenbuch als konstitutive Elemente vorliegen müssen, ist derzeit nicht restlos geklärt. Die Rechtsprechung ist schwankend. Die GmbH & CoKG stellte ihren Antrag auf Löschung am 05.04.2018 und die Löschung wurde am 10.04.2018 eingetragen. Wie vom Beschwerdeführer angegeben, war die Gesellschaft bis 30.11.2017 betrieblich tätig, da sie bis zu diesem Zeitraum Dienst- und Mietrechtsverhältnisse kündigen und Vermögensgegenstände veräußern musste, weshalb ab 30.11.2017 die Gesellschaft vermögenslos war und daher ihre betriebliche Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt endete. Die Eintragung im Firmenbuch hatte nur mehr deklarative Wirkung. Bei dem entstandenen negativen Kapitalkonto handelt es sich jedoch um eine direkte Folge der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit. Das bedeutet, dass wenn die Tätigkeit, die eine betriebliche war, nicht beendet worden wäre, wäre das negative Kapitalkonto nicht entstanden. Das entstandene negative Kapitalkonto, kann daher als zur betrieblichen Tätigkeit zugehörig angesehen werden. Weshalb der durch das negative Kapitalkonto entstandene Veräußerungsgewinn als Beitragsgrundlage gemäß § 25 GSVG herangezogen werden kann.

Gemäß § 25 GSVG sind für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuergesetzes 1988. Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Gemäß § 25 Abs. 2 Z 3 GSVG ist Beitragsgrundlage der gemäß Abs. 1 ermittelte Betrag vermindert um die auf einen Sanierungsgewinn oder auf Veräußerungsgewinne nach den Vorschriften des EStG 1988 entfallenden Beträge im Durchschnitt der Monate der Erwerbstätigkeit; diese Minderung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Versicherte es beantragte und bezüglich der Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen überdies nur soweit, als der auf derartige Gewinne entfallende Betrag dem Sachanlagevermögen eines Betriebes des Versicherten oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der der Versicherte mit mehr als 25% beteiligt ist, zugeführt worden ist; diese Minderung ist bei der Feststellung der Ausnahme von der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 nicht zu berücksichtigen; ein Antrag auf Minderung ist binnen einem Jahr ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit des ersten Teilbetrages (§ 35 Abs. 3) der endgültigen Beiträge für jenen Zeitraum, für den eine Verminderung um den Veräußerungsgewinn oder Sanierungsgewinn begehrt wird, zu stellen. Die Voraussetzunten für § 25 Abs. 2 Z 3 GSVG liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer übte im gesamten Jahr 2017 eine selbständige betriebliche Tätigkeit aus, weshalb eine Trennung der Höhe der Beitragsgrundlage in Einkünfte aus der Kommanditistenbeteiligung bzw. Einkünfte aus der Vorstandstätigkeit nicht möglich sind.

Die Berechnung der Beitragsgrundlage in der Kranken-und Pensionsversicherung war dem Grund nach richtig. Die Berechnung der belangten Behörde war demnach richtig.

Die Beschwerde war daher aus den oben genannten Gründen abzuweisen.

3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragsgrundlagen betriebliche Tätigkeit Einkommenssteuerbescheid Gesellschaft Pflichtversicherung selbstständig Erwerbstätiger Veräußerungsgewinn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W145.2216498.2.00

Im RIS seit

28.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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