TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/8 W250 2219871-1

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Veröffentlicht am 08.01.2020
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Entscheidungsdatum

08.01.2020

Norm

AVG §57 Abs1
BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z9

Spruch

W250 2219871-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem.GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2019, Zl. XXXX , und die Anhaltung in Schubhaft von 15.05.2019 bis XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von ? 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 04.11.2015 nach unrechtmäßiger Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 07.09.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem BF jedoch gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.09.2018 erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF minderjährig sei und ihm als Minderjährigem die Wiederansiedelung mangels familiärer Anknüpfungspunkte und mangels Selbsterhaltungsfähigkeit nicht zumutbar sei.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.09.2018 wurde das Asylverfahren gemäß § 69 Abs. 1 und 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG von Amts wegen wiederaufgenommen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF im Zuge eines strafgerichtlichen Verfahrens einer Altersfeststellung unterzogen worden sei und laut ärztlichem Gutachten beim BF das tatsächliche Alter von 23,15 Jahren festgestellt worden sei. Der BF sei somit zum Zeitpunkt der Antragstellung im November 2015 nicht wie von ihm behauptet 15 Jahre sondern 20 Jahre alt gewesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.10.2018 als unbegründet abgewiesen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.01.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 04.11.2015 vollinhaltlich abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht eingeräumt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Unter einem wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 29.01.2019 persönlich zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

4. Am 07.05.2019 wurde der BF von seinem bisherigen Grundversorgungsquartier abgemeldet.

5. Am 14.05.2019 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei einem Zufallsaufgriff auf Grund eines vom Bundesamt am 12.04.2019 gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen und dem Bundesamt vorgeführt.

6. Am 15.05.2019 wurde der BF vom Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er sich weder in ärztlicher noch in medikamentöser Behandlung befinde und an keinen aktuellen Erkrankungen leide. Er halte sich rechtmäßig in Österreich auf, da er positive Bescheide erhalten habe. Er verfüge derzeit über keine aufrechte Meldeadresse, da er beabsichtigt habe, sich an einer neuen Adresse anzumelden, könne dies jedoch nicht, da er keinen Ausweis habe. Seiner Ausreiseverpflichtung sei er nicht nachgekommen, da er in Afghanistan niemanden habe und Afghanistan nicht sicher sei. Er sei seit seinem zweiten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan gewesen. An Barmittel verfüge er über EUR 315,-- und habe keinen Wohnsitz. Er habe viele Kollegen, bei denen er übernachten könne, Namen könne er keine nennen, da es so viele seien. So lange er einen Ausweis gehabt habe habe er in XXXX in der XXXX gewohnt, danach sei er in die XXXX verlegt worden. Dort wolle er aber nicht wohnen. An Verwandten befänden sich in Österreich ein Cousin seines Vaters sowie ein Onkel, beide habe er aber bis jetzt nicht gefunden. Im Falle seiner Freilassung werde er in Österreich bleiben, wenn er hier eine Zukunft habe oder er reise in ein anderes Land. Nach Afghanistan könne er nicht zurückkehren, da er dort niemanden kenne. Er kenne auch die Kultur nicht, da er im Iran aufgewachsen sei. Im Zuge der Einvernahme gab der BF seine Telefonnummer bekannt.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.05.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass entsprechend der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1 und Z. 9 FPG Fluchtgefahr vorliege, da der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und auf Grund der vom BF im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme gemachten Angaben Zweifel darüber aufkämen, ob er tatsächlich gewillt sei, nach Afghanistan zurückzukehren. Er sei untergetaucht, da er seit 07.05.2019 über keinen Hauptwohnsitz verfüge und habe verabsäumt, der Behörde seinen Aufenthaltsort mitzuteilen. Der BF habe in Österreich weder familiäre noch soziale Beziehungen und verfüge über unzureichende Barmittel, um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.

Der BF sei bereits drei Mal wegen Straftaten im Zusammenhang mit Suchtgift, Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt worden. Die Anordnung der Schubhaft sei daher verhältnismäßig.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels komme auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF nicht in Frage.

Auf Grund des Gesundheitszustandes des BF sei davon auszugehen, dass er haftfähig sei, da während der Einvernahme am 15.05.2019 keine psychischen, physischen oder lebensbedrohlichen Erkrankungen festgestellt worden seien.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 15.05.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt.

8. Am 31.05.2019 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag. Mit Aktenvermerk des Bundesamtes vom 31.05.2019 wurde gemäß § 76 Abs. 6 FPG festgehalten, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 31.05.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt.

9. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 04.06.2019 hob das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz auf Grund des Folgeantrages vom 31.05.2019 auf. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2019 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist.

10. Am 07.06.2019 wurde der BF darüber informiert, dass er am XXXX abgeschoben wird.

11. Am 07.06.2019 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 15.05.2019 und brachte im Wesentlichen vor, dass der Bescheid an wesentlichen Begründungsmängeln leide und insbesondere die Fluchtgefahr nicht nachvollziehbar dargelegt werde. Zum Vorliegen der Voraussetzung des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG werde festgestellt, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei jedoch die Nicht-Befolgung des Ausreisebefehls für sich genommen nicht geeignet, das Vorliegen von Fluchtgefahr zu begründen. Auch dass der BF keine sozialen Bindungen in Österreich habe sei unzutreffend, da er sich seit 03.11.2015 in Österreich aufhalte, die deutsche Sprache sehr gut beherrsche und über einen Freundes- und Bekanntenkreis verfüge. Der BF habe die Möglichkeit, bei einem namentlich genannten Freund unentgeltlich Unterkunft zu nehmen. Dass der BF über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfüge sei ebenfalls unrichtig, da vom BF ein Betrag von EUR 255,-- durch einstweilige Verfügung einer Landespolizeidirektion zur Sicherung für die noch vorzuschreibenden Kosten die bei der Zurückschiebung, der Vollziehung der Schub- oder Verwaltungsverwahrungshaft oder für die Heranziehung eines Dolmetschers bereits entstanden sind bzw. noch entstehen einbehalten wurde. Soweit die Behörde weiters anführe, dass der BF untergetaucht sei, so werde dabei nicht berücksichtigt, dass es sich beim Zeitraum zwischen 07.05.2019 und 14.05.2019 um einen in Relation zur gesamten Aufenthaltsdauer vergleichsweise sehr kurzen Zeitraum handle. Der BF habe sich in allen bisherigen Einvernahmen kooperationsbereit gezeigt, weshalb maßgebliche Gründe für eine Fluchtgefahr nicht ersichtlich seien. Gegen die Annahme, der BF werde nicht mit der Behörde kooperieren, spreche auch die Tatsache, dass der BF der Behörde seine Telefonnummer bekannt gegeben habe.

Es werde auch nicht nachvollziehbar dargelegt, warum im Fall des BF kein gelinderes Mittel zur Anwendung komme. Insbesondere habe der BF in der Einvernahme angegeben, bei Freunden Unterkunft nehmen zu können.

Auf Grund seines Gesundheitszustandes treffe die gegenständliche Schubhaft den BF unverhältnismäßig hart. Der BF habe Heroin und Subotex konsumiert, weshalb er an Opiatabhängigkeit und einer Anpassungsstörung leide. Zur Behandlung erhalte er die Medikamente Seroquel, Tramadolor und Trittico. Der BF sei auch auf dem linken Auge beinahe komplett blind. Im angefochtenen Bescheid werde auch ausgeführt, dass der BF während seiner Strafhaft für haftfähig befunden worden sei, aus den Feststellungen ergebe sich jedoch, dass gegenüber dem BF lediglich eine bedingte Freiheitsstrafe sowie Geldstrafen verhängt worden seien. Zur Feststellung, dass die Haft den BF auf Grund seines Gesundheitszustandes stärker treffe als andere Häftlinge werde die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens durch einen Facharzt oder eine Fachärztin aus dem Gebiet der Psychiatrie beantragt.

Die Schubhaft stelle sich ab dem Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vom 31.05.2019 als rechtswidrig dar. Die Behörde stelle zwar mit Aktenvermerk vom 31.05.2019 gemäß § 76 Abs. 6 FPG fest, dass die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz des gestellten Antrages auf internationalen Schutz vorlägen. Diesem Aktenvermerk sei jedoch keine auf den individuellen Fall bezogene Begründung zu entnehmen. Darüber hinaus sei Art. 8 Abs. 3 lit. d der Aufnahme-Richtlinie durch § 76 Abs. 6 FPG nicht richtlinienkonform umgesetzt worden, weshalb die Aufrechterhaltung der Schubhaft nach der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz rechtswidrig sei.

Der BF beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme des BF, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt seien, auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft nicht vorliegen und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß der Verwaltungsgerichts-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, aufzuerlegen.

12. Das Bundesamt legte am 11.06.2019 den Verwaltungsakt vor und gab dazu am 12.06.2019 eine Stellungnahme ab, in der beantragt wurde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen und den BF zum Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes zu verpflichten.

13. Am XXXX wurde der BF nach Afghanistan abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I. 13. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

2.2.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 28.11.2017 wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 und 269 Abs. 1 erster Fall Strafgesetzbuch sowie wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Körperverletzung nach §§ 88 Abs. 1 und 88 Abs. 3 erster Fall Strafgesetzbuch zu einer Geldstrafe von EUR 1.600,-- verurteilt.

2.2.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 04.09.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 und 269 Abs. 1 erster Fall Strafgesetzbuch zur einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, sowie zu einer Geldstrafe von EUR 1.440,-- verurteilt.

2.2.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 08.01.2019 wurde der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 Suchtmittelgesetz sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 4 Z. 1 Suchtmittelgesetz zu einer Geldstrafe von EUR 2.880,-- verurteilt. Dieser Verurteilung lagen Straftaten zu Grunde, die der BF im Zeitraum von November 2016 bis 25.11.2018 begangen hat. Erschwerend wurde vom Gericht insbesondere gewertet, dass der BF die Straftaten während anhängiger strafgerichtlicher Verfahren begangen hat.

2.2.4. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 02.04.2019 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall Suchtmittelgesetz, wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 4 Z. 1 Suchtmittelgesetz, wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall Suchtmittelgesetz, wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 zweiter Fall Suchtmittelgesetz und wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 08.01.2019 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung liegen Taten zu Grunde, die der BF im Zeitraum von November 2018 bis Jänner 2019 begangen hat. Insbesondere wurde er dabei auch deshalb bestraft, da er einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht hat. Obwohl der BF die Ladung zur Hauptverhandlung am 12.03.2019 persönlich übernommen hat, ist er unentschuldigt nicht erschienen.

2.3. Der BF nahm während seiner Anhaltung in Schubhaft Medikamente zur Hintanhaltung von Entzugserscheinungen auf Grund seiner Opiatabhängigkeit ein. Die Entzugssymptome hatten eine eher moderate Ausprägung. An Krankheiten litt er nicht. Der BF war haftfähig.

2.4. Der BF wurde seit 15.05.2019 in Schubhaft angehalten, am XXXX wurde er abgeschoben.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Der BF stellte am 03.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und gab an, dass er am XXXX geboren sei. Er behauptete im gesamten Asylverfahren, minderjährig zu sein. Tatsächlich war der BF im Zeitpunkt der Antragstellung jedoch 20 Jahre alt und volljährig. Seine Minderjährigkeit hat der BF im Asylverfahren vorgetäuscht.

3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.01.2019 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 29.01.2019 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen. Seit 29.01.2019 lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.3. Der BF tauchte im Bundesgebiet unter, verfügte ab 29.03.2019 über keine Meldeadresse und wurde am 07.05.2019 von seinem bisherigen Grundversorgungsquartier wegen unbekannten Aufenthaltes abgemeldet.

3.4. Am 31.05.2019 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag. Er brachte keine neuen Fluchtgründe vor sondern bezog sich lediglich auf Gründe, die er bereits in seinem Erstantrag genannt hatte. Der BF stellte den Asylfolgeantrag ausschließlich zu dem Zweck, seine Außerlandesbringung zu verzögern.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.06.2019 wurde der faktische Abschiebeschutz auf Grund dieses Asylfolgeantrages aufgehoben, mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2019 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu Recht erfolgt ist.

4. Familiäre und soziale Komponente

4.1. In Österreich lebten keine Familienangehörigen des BF, er verfügte über kein nennenswertes soziales Netz.

4.2. Der BF ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügte weder über ein Einkommen noch über ein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen noch über einen gesicherten Wohnsitz.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.09.2018 betreffend, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.09.2018 betreffend und in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes betreffend. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Dass der BF ein afghanischer Staatsangehöriger ist steht insofern fest, als die afghanische Vertretungsbehörde am 12.04.2019 der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zugestimmt hat. Dass der BF volljährig ist, ergibt sich aus dem im Zuge eines strafgerichtlichen Verfahrens erstellten ärztlichen Gutachtens vom 05.09.2017. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Verwaltungsakt ebensowenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde abgewiesen.

2.2. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie die im Verwaltungsakt einliegenden Urteilsausfertigungen.

2.3. Dass der BF bis auf Entzugserscheinungen auf Grund seiner Opiatabhängigkeit an keinen Erkrankungen litt, ergibt sich einerseits aus seinen Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt am 15.05.2019, in der er angab, dass er sich weder in ärztlicher oder medikamentöser Behandlung befinde noch an irgendwelchen Erkrankungen leide. Aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Ambulanzbefund einer Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 23.05.2019 ergibt sich, dass der BF Entzugssymptome eher moderater Ausprägung aufweise, aus dem ebenfalls im Verwaltungsakt einliegenden amtsärztlichen Gutachten vom 05.06.2019 ergibt sich, dass der BF medikamentös behandelt werde, um die Entzugserscheinungen hintanzuhalten. Eine die Haftfähigkeit ausschließende Erkrankung lässt sich auf Grund der Entzugserscheinungen nicht ableiten.

2.4. Dass der BF seit 15.05.2019 in Schubhaft angehalten wurde ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei. Dass der BF am XXXX nach Afghanistan abgeschoben wurde ergibt sich aus den diesbezüglichen Eintragungen in der Anhaltedatei.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Dass der BF am 03.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte und angab, dass er am XXXX geboren sei ergibt sich aus dem vom Bundesamt vorgelegten Protokoll über die Erstbefragung vom 04.11.2015. Dass er im gesamten Verfahren behauptete, minderjährig zu sein, ergibt sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.09.2018 betreffend. Dass der BF tatsächlich im Zeitpunkt der Antragstellung jedoch 20 Jahre alt und volljährig war ergibt sich aus dem im Zuge eines strafgerichtlichen Verfahrens erstellten ärztlichen Gutachten vom 05.09.2017. Insgesamt konnte daher festgestellt werden, dass der BF seine Minderjährigkeit im Asylverfahren vorgetäuscht hat.

3.2. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.01.2019 gegen den BF getroffenen Rückkehrentscheidung beruhen auf der im Verwaltungsakt einliegenden Bescheidausfertigung.

3.3. Dass der BF im Bundesgebiet untergetaucht ist ergibt sich daraus, dass er entsprechend den Eintragungen im Zentralen Melderegister ab 29.03.2019 über keine Meldeadresse verfügte und laut Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem am 07.05.2019 von seinem bisherigen Grundversorgungsquartier abgemeldet wurde. In seiner Einvernahme am 15.05.2019 gab der BF vom Bundesamt dazu befragt an, dass er - nachdem ihm sein Ausweis abgenommen worden sei - in ein anderes Grundversorgungsquartier verlegt worden sei, in welchem er nicht habe wohnen wollen. Er habe viele Kollegen, bei denen er übernachten könne, könne jedoch keine Namen nennen, da es so viele seien. Der BF machte beim Bundesamt somit keinerlei Angaben darüber, wo er sich nach Verlassen des Grundversorgungsquartieres aufgehalten hat bzw. wo er beabsichtigt hat eine Unterkunft zu nehmen. Insofern gehen auch die Ausführungen des BF, wonach der Zeitraum, in dem der BF über keine Meldeadresse verfügt habe, mit ca. einer Woche sehr kurz sei und deshalb nicht von einem Untertauchen ausgegangen werden könne, ins Leere. Der BF gab selbst an, dass er das ihm zugewiesene Grundversorgungsquartier verlassen hat und machte keinerlei Angaben zu seinem weiteren Aufenthalt. Es steht daher fest, dass er nach dem Verlassen des Grundversorgungsquartieres untergetaucht ist.

3.4. Die Feststellungen zum Asylfolgeantrag beruhen auf einer Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend. Insbesondere ergibt sich daraus, dass der BF keine neuen Fluchtgründe vorbrachte, sondern sich lediglich auf Gründe bezog, die er bereits in seinem Erstantrag genannt hatte. Insofern konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF den Asylfolgeantrag ausschließlich zu dem Zweck stellte, seine Außerlandesbringung zu verzögern.

4. Zur familiären und sozialen Komponente

4.1. Dass der BF über keine Familienangehörigen in Österreich verfügt, ergibt sich aus seinen darin übereinstimmenden Angaben im Asylverfahren und in der Einvernahme durch das Bundesamt am 15.05.2019. Anhaltspunkte dafür, dass der BF in Österreich über ein nennenswertes soziales Netz verfügt, lassen sich dem Verwaltungsakt und der Beschwerde nicht entnehmen. Der BF gab am 15.05.2019 zwar an, dass er viele Kollegen habe, bei denen er übernachten könne, er war jedoch nicht in der Lage, konkrete Namen zu nennen.

4.2. Im Verwaltungsakt finden sich keinerlei Hinweise darauf, dass der BF einer legalen Erwerbstätigkeit nachging und ein Einkommen erzielte. Auch die am 15.05.2019 an ihn gerichtete Frage, wie er seinen Lebensunterhalt in Österreich bestreite, beantwortete er lediglich damit, über EUR 315,-- zu verfügen. Einen konkreten Wohnsitz nannte er in der angegebenen Einvernahme nicht, weshalb die Feststellung getroffen werden konnte, dass der BF über keinen gesicherten Wohnsitz verfügte.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich war. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war insofern zu rechnen, als eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung vorlag und die afghanische Vertretungsbehörde der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zugestimmt hatte.

3.1.5. Das Bundesamt ging auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat seine Abschiebung insofern behindert, als er untergetaucht ist und nur durch einen Zufallsaufgriff von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen werden konnte. Damit hat der BF den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. In Österreich befanden sich keine Familienangehörigen des BF, ein nennenswertes soziales Netz lag nicht vor. Der BF ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügte weder über finanzielle Mittel noch über einen eigenen gesicherten Wohnsitz. Es lagen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF auf Grund des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hatte um nicht neuerlich unterzutauchen. Insbesondere gab der BF selbst in seiner Einvernahme durch das Bundesamt an, dass er in Österreich bleibe, wenn er hier eine Zukunft habe, ansonsten werde er in ein anderes Land weiterreisen.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG auch zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er seine Abschiebung durch Untertauchen erschwert hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Das Bundesamt ist daher zu Recht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr ausgegangen. Dem diesbezüglichen Vorbringen in der Beschwerde, es liege keine Fluchtgefahr vor, war daher nicht zu folgen.

3.1.6. Auch was den Sicherungsbedarf betrifft, ist dem Bundesamt zuzustimmen, dass ein solcher gegeben ist.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF hat bereits in seinem Asylverfahren nicht mitgewirkt indem er beharrlich behauptet hat minderjährig zu sein, obwohl ein ärztliches Gutachten ergeben hat, dass er bereits im Zeitpunkt seiner Antragstellung volljährig war. Zuletzt ist der BF untergetaucht und konnte erst durch einen Zufallsaufgriff von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen werden. Der BF war im Bundesgebiet auch nicht familiär, beruflich oder sozial verankert und verfügte über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Es war daher im Fall des BF auch von Sicherungsbedarf auszugehen.

Das Bundesamt ist daher zu Recht vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von Fluchtgefahr ausgegangen.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF hielt sich unrechtmäßig in Österreich auf und versuchte bereits in seinem Asylverfahren durch falsche Angaben sein tatsächliches Alter betreffend ein Aufenthaltsrecht zu erwirken. Zuletzt ist er untergetaucht und hat dadurch seine Abschiebung erschwert. Der BF verfügte in Österreich über keine Angehörigen und war weder sozial noch beruflich verankert. Über eigene Mittel zu Existenzsicherung verfügte er ebensowenig wie über einen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist insbesondere Vorstrafen nach dem Suchtmittelgesetz auf. Bemerkenswert ist, dass der BF die seinen Verurteilungen zu Grunde liegenden Taten über einen Zeitraum von November 2016 bis Jänner 2019 begangen hat und nicht einmal dadurch von der Begehung von Straftaten abgehalten werden konnte, dass bereits gerichtliche Strafverfahren anhängig waren. Dass der BF diesen Verfahren wenig Bedeutung beigemessen hat ergibt sich insbesondere auch durch den Umstand, dass er zuletzt trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Hauptverhandlung dieser unentschuldigt fernblieb. Zu berücksichtigen ist auch, dass der BF einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht hat und Suchtgift gewinnbringend an andere verkauft hat. Es war daher davon auszugehen, dass der BF auch künftig Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz begehen werde, sodass der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdete und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF bestand. Verstärkt wurde dieses öffentliche Interesse noch dadurch, dass der BF mehrfach wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt bestraft wurde. Dadurch zeigte er, dass er sein Verhalten auch gegen Personen richtete, denen gegenüber eine besonders hohe Hemmschwelle vorhanden sein müsste.

Insgesamt kam den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Auch der Gesundheitszustand des BF lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen. Der BF gab selbst im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 15.05.2019 an, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Auch aus dem Ambulanzbefund vom 23.05.2019 ergibt sich, dass der BF zwar an Entzugserscheinungen auf Grund seiner Opiatabhängigkeit litt, dass die Symptome jedoch als schwach ausgeprägt zu bewerten seien. Für das erkennende Gericht ergibt sich daher - entgegen dem Beschwerdevorbringen - kein Gesundheitszustand, der die Anordnung von Schubhaft als unverhältnismäßig erscheinen lässt.

Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.1.8. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere der Tatsache, dass er im Asylverfahren seine Minderjährigkeit vorgetäuscht hat und nach Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung untergetaucht ist - konnte ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen. Noch in seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 15.05.2019 gab der BF an, dass er nicht nach Afghanistan ausreisen, sondern vielmehr in ein anderes Land weiterreisen werde, sollte er nicht in Österreich bleiben können. Dass der BF seine gesetzlichen Verpflichtungen nicht einhielt, stellte er insofern unter Beweis, als er mehrfach strafrechtlich relevante Handlungen setzte und nicht einmal durch anhängige strafgerichtliche Verfahren zu rechtskonformem Verhalten zu bewegen war. Es war daher insgesamt nicht anzunehmen, dass die Sicherung der Abschiebung durch die Anordnung eines gelinderen Mittels erreicht werden konnte. Die Anordnung eines gelinderen Mittels wurde daher zu Recht ausgeschlossen. Auch aus dem Gesundheitszustand des BF ergab sich kein Umstand, der es zugelassen hätte zu erwarten, dass er nicht untertauchen werde.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellte eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorlagen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die darauf gestützte Anhaltung in Schubhaft war daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

3.1.10. Hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG nach Stellung des Asylantrages am 31.05.2019 wird folgendes festgehalten:

Der BF bringt in seiner Beschwerde im wesentlichen vor, dass § 76 Abs. 6 FPG nicht richtlinienkonform umgesetzt worden sei, weshalb die Aufrechterhaltung der Schubhaft nach der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz rechtswidrig sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19.09.2019, Ra 2019/21/0204, festgehalten, dass hinsichtlich § 76 Abs. 6 FPG eine unionsrechtskonforme korrigierende Auslegung vorzunehmen ist, wonach es für die Zulässigkeit der Fortsetzung der Haft nach der Stellung eines Asylantrages während aufrechter Schubhaft erforderlich ist, dass dieser Antrag einzig und allein zu dem Zweck gestellt wurde, den Vollzug der Rückführungsentscheidung zu verzögern oder zu gefährden. Der BF hat seinen Asylfolgeantrag ausschließlich auf Gründe gestützt, die er bereits in seinem Erstverfahren vorgebracht hat. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser Antrag lediglich zu dem Zweck erfolgt ist, seine Außerlandesbringung zu verzögern. Da somit die Voraussetzungen des § 76 Abs. 6 FPG erfüllt waren, konnte die Schubhaft auch nach Stellung des Antrages auf internationalen Schutz aufrechterhalten werden.

Die Beschwerde gegen die Aufrechterhaltung der Schubhaft nach der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz war daher gemäß § 76 Abs. 6 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.3. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkte II. und III. - Kostenersatz

3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.3.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der BF als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt.

3.3.3. Die belangte Behörde ist auf Grund der Abweisung der Beschwerde obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat. Dem BF gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

3.4. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufwandersatz Fluchtgefahr Interessenabwägung Kostenersatz öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W250.2219871.1.00

Im RIS seit

04.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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