TE Lvwg Erkenntnis 2019/10/3 LVwG-2019/32/1935-1

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Veröffentlicht am 03.10.2019
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Entscheidungsdatum

03.10.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L82007 Bauordnung Tirol

Norm

AVG §8
AVG §42
BauO Tir 2018 §33 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von Frau AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 19.11.2018, Zahl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 08.02.2018 hat der Bauwerber den Neubau eines Zweifamilienwohnhauses samt angebauter Stellplatzüberdachung auf dem Grundstück **1, KG Y, für zwei PKWs bei der belangten Behörde beantragt.

Mit der Eingabe vom 09.02.2018 hat der einschreitende Rechtsvertreter angezeigt, dass er die nunmehrige Beschwerdeführerin im Bauverfahren vertritt.

Mit der Bekanntmachung vom 05.06.2018 wurde durch die belangte Behörde in der gegenständlichen Angelegenheit die Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den 25.06.2018 um ca 15:30 Uhr vor Ort anberaumt.

In dieser Bekanntmachung ist ausgeführt, dass Beteiligte ihre Parteistellung verlieren, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erheben. Außerhalb der Verhandlung schriftlich erhobene Einwendungen müssen spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bis zum Ende der Amtsstunden bei der Behörde eingelangt sein.

Die Bekanntmachung war an der Amtstafel der belangten Behörde vom 06.06.2018 bis zum 27.06.2018 angeschlagen.

Die Bekanntmachung wurde der Beschwerdeführerin als Nachbarin zH ihres Rechtsvertreters übermittelt.

Bei der mündlichen Verhandlung hat die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin vorgebracht, dass die über das baugegenständliche Grundstück und das Grundstück **2 verlaufende Trinkwasserleitung, welche das im Eigentum der nunmehrigen Beschwerdeführerin befindliche Grundstück **3 versorgt, vor Beginn der Bauarbeiten auf Kosten des Bauwerbers so verlegt werden muss, dass die Wasserversorgung auf dem Grundstück **3 ohne Unterbrechungen und Beeinträchtigungen gewährleistet werden kann.

Auch wurde eine Vereinbarung getroffen und protokolliert. Diesbezüglich wird auf die Begründung in dem hier angefochtenen Bescheid verwiesen.

In der Folge wurde mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 19.07.2018, Zahl ***, die nachgesuchte Baubewilligung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.

Der Baubescheid wurde der Beschwerdeführerin nicht zugestellt.

Mit der Eingabe vom 14.11.2018 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Zustellung des vorgenannten Baubescheides eingebracht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.11.2018, Zahl ***, wurde dieser Antrag mangels Parteistellung infolge Präklusion als unzulässig zurückgewiesen.

Zudem wurde die Beschwerdeführerin zur Entrichtung einer Verwaltungsabgabe in Höhe von Euro 15,00 verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid vom 19.11.2018 wurde von ihr zulässig und rechtzeitig die Beschwerde vom 26.11.2018 eingebracht und darin wie folgt ausgeführt:

„Beschwerde

Gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 iVm Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG und den §§ 7 ff VwGVG wegen Verletzung des Rechts auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides ua gemäß § 8 AVG.

I. Sachverhalt

Mit Bauansuchen vom 30.1.2018 hat CC beim Bürgermeister der Gemeinde Y um baubehördliche Bewilligung für den Neubau eines Zweifamilienwohnhauses angesucht. Die Beschwerdeführerin ist unstrittig Nachbarin iSd § 33 Abs 3 TBO und wurde zur mündlichen Bauverhandlung am 25.6.2018 geladen.

In dieser Bauverhandlung erhob die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Vertreter die Einwendung, dass die Trinkwasserleitung, welche das im Eigentum der Nachbarin befindliche Grundstück versorgt, vor Beginn der Bauarbeiten auf Kosten des Bauwerbers so verlegt werden muss, dass die Wasserversorgung ohne Unterbrechung und Beeinträchtigung gewährleistet ist.

Der Beschwerdeführerin wurde im Herbst 2018 bekannt, dass gegenüber dem Bauwerber ein Baubewilligungsbescheid erlassen wurde. Ihr wurde dieser Bescheid allerdings nicht zugestellt. Am 14.11.2018 beantragte die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Vertreter die Zustellung des Baubewilligungsbescheides.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag mit der Begründung zurück, die Beschwerdeführerin sei mangels Erhebung zulässiger Einwendungen im Rahmen der mündlichen Bauverhandlung gemäß § 42 Abs 1 AVG präkludiert, folglich nicht mehr Partei des Baubewilligungsverfahrens und daher nicht berechtigt, die Zustellung des Baubewilligungsbescheides zu beantragen.

II. Anträge

Da der angefochtene Berufungsbescheid die Beschwerdeführerin im Recht auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides verletzt, erhebt diese in offener Frist durch ihren bevollmächtigten Vertreter gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG Beschwerde und stellt die

Anträge,

das Landesverwaltungsgericht Tirol möge der Beschwerde Folge geben, gemäß § 28 Abs 2 VwGVG den angefochtenen Bescheid aufheben und die belangte Behörde verpflichten, den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 19.7.2018, Gz ***, bezüglich des Bauvorhabens des CC der Beschwerdeführerin zuzustellen.

III. Begründung

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 21.11.2018 zugestellt. Die Beschwerde erfolgt somit in offener Frist. Die Beschwerde ist daher zulässig.

2. Inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides

Die Beschwerdeführerin hat im Baubewilligungsverfahren sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Einwendungen erhoben, wobei hinsichtlich der privatrechtlichen Einwendungen eine Einigung iSd § 33 Abs 8 TBO zustande gekommen ist.

Die Baubehörde hat im Baubewilligungsbescheid zwingend über die öffentlich-rechtlichen Einwendungen abzusprechen. Im gegenständlichen Fall dürfte die belangte Behörde über die öffentlich-rechtliche Einwendung der Beschwerdeführerin als Nachbarin dahingehend entschieden haben, dass diese als unzulässig zurückgewiesen wird. Mangels Zustellung des Baubewilligungsbescheides ist ihr näheres nicht bekannt.

Zwar ist richtig, dass die Geltendmachung bloß unzulässiger Einwendungen durch Nachbarn gemäß § 42 Abs 1 AVG grundsätzlich zur Folge hat, dass Nachbarn damit ihre Partei Stellung verlieren. Allerdings gebietet es das rechtsstaatliche Prinzip, dass die behördliche Entscheidung, nämlich konkret dass die von der Beschwerdeführerin im Baubewilligungsverfahren erhobene Einwendung unzulässig ist, von ihr im Rechtsweg mittels Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol überprüft werden kann. Die Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde setzt allerdings voraus, dass der Beschwerdeführerin der Baubewilligungsbescheid, der offenbar die Zurückweisung ihrer Einwendung beinhaltet bzw wohl über diese abspricht, zugestellt wird, weil das Rechtsschutzsystem des B-VG am Bescheid anknüpft (Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG) und die Beschwerdeführerin daher - da sie vom Bescheid auch sonst keine Kenntnis erlangt hat - auf die Zustellung des Bescheides angewiesen ist. Träfe die Rechtsauffassung der belangten Behörde zu, wonach der Bescheid einer nach Auffassung der belangten Behörde präkludierten Partei nicht zuzustellen ist, wäre die Entscheidung der Baubehörde, ob eine Einwendung zulässig oder unzulässig iSd TBO ist, von einer Überprüfung im Rechtsweg gänzlich ausgeschlossen. Eine solche Auslegung des § 42 Abs 1 AVG widerspräche der verfassungsrechtlichen Anordnung des Art 132 Abs 1 Z 1 BVG, wonach gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben kann, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Das Recht, öffentlich-rechtliche Einwendungen im Baubewilligungsverfahren zu erheben, steht Nachbarn nach dem Gesetz zu! Es muss daher unabhängig davon, ob die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen als zulässig oder unzulässig qualifiziert, der Beschwerdeführerin durch die Zustellung des Baubewilligungsbescheides die Möglichkeit eingeräumt werden, gegen die rechtliche Beurteilung der Einwendung durch die belangte Behörde eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist ihr daher der Baubewilligungsbescheid gänzlich unabhängig von der Beurteilung der erhobenen Einwendung als zulässig oder unzulässig durch die Behörde oder auch durch das Landesverwaltungsgericht Tirol zuzustellen. Ob die Einwendung zulässig oder unzulässig ist, wäre erst in einer gegen den Baubewilligungsbescheid erhobenen Beschwerde zu überprüfen, weshalb sich Ausführungen dazu in der gegenständlichen Beschwerde erübrigen.“

Mit dem Schreiben vom 5.12.2018, eingegangen beim Landesverwaltungsgericht Tirol am 24.09.2019, wurde die Beschwerde samt Akt zur Entscheidung vorgelegt.

II.      Beweiswürdigung:

Der vorerwähnte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aufgrund der dem behördlichen Akt einliegenden Schriftstücke.

Im Übrigen wird in der Beschwerde das oben angeführte Vorbringen der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde ausdrücklich bestätigt.

Einem Entfall der mündlichen Verhandlung standen daher weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

III.     Rechtslage:

Tiroler Bauordnung 2018 – TBO 2018, LGBl Nr 28/2018:

„§ 33Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a)

die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b)

deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a)

der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

b)

der Bestimmungen über den Brandschutz,

c)

der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

d)

der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

e)

der Abstandsbestimmungen des § 6,

f)

das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

[…]“

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGLB Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 33/2013:

„§ 42

(1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.

[…]

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

[…]“

Im Übrigen wird auf die Internetseite ris.bka.gv.at (Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes) verwiesen.

IV.      Erwägungen:

Grundsätzlich ist zunächst anzumerken, dass nach § 27 VwGVG das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen hat und sohin der Prüfumfang grundsätzlich auf das Beschwerdevorbringen, soweit diesbezüglich ein Mitspracherecht besteht, beschränkt ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt. Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in denen die Nachbarn solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht haben (VwGH 27.06.2006, 2006/06/0015, 27.11.2003, 2002/06/0062).

Das im Eigentum der Nachbarin stehende Grundstück **3 grenzt unmittelbar an den Bauplatz an. Auch liegen die sonstigen Voraussetzungen für die Nachbarstellung vor (vgl § 33 Abs 2 TBO 2018). Die Beschwerdeführerin war daher unbestritten berechtigt, die Nichteinhaltung der in § 33 Abs 3 lit a bis f TBO 2018 normierten Nachbarrechte geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

Allerdings verliert der Nachbar gemäß § 42 AVG seine Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren, soweit er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung solche Einwendungen erhebt.

Dabei kommt es auch dann zum Verlust der Parteistellung, wenn von einem Nachbar nur unzulässige Einwendungen erhoben werden, worunter solche Einwendungen zu verstehen sind, mit welchen Umstände geltend gemacht werden, die nach der abschließenden Aufzählung des § 33 Abs 3 TBO 2018 kein Nachbarrecht begründen (vgl VwGH 27.11.2003, 2002/06/0084; VwGH 31.03.2008, 2007/05/0021).

Wie sich im gegenständlichen Fall aus der Verhandlungsschrift vom 25.06.2018 ergibt, wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nur vorgebracht, dass eine Trinkwasserleitung zu verlegen und die Wasserversorgung zu gewährleisten sei.

Werden nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Nachbareinwendungen iSd § 33 Abs 3 lit a bis f TBO 2018 erhoben, verliert der Nachbar gemäß § 42 AVG seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren (vgl VwGH 31.03.2008, 2007/05/0021, ua) auch, wenn dieser von der mündlichen Verhandlung rechtzeitig persönlich im Sinne des § 41 AVG verständigt wurde, was gegenständlich auch erfolgt ist.

Die Verständigung (Bekanntmachung) vom 05.06.2018 zur Bauverhandlung am 25.06.2018 hat jeweils die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben, einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 AVG eintretenden Folgen (Präklusion) enthalten.

Die Beschwerdeführerin hat sich bei der mündlichen Verhandlung durch ihren Rechtsanwalt vertreten lassen. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde durch die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin ein Vorbringen im Zusammenhang mit der bestehenden Trinkwasserleitung erstattet. Ein derartiges Vorbringen ist jedoch vom Mitspracherecht nach § 33 Abs 3 TBO 2018 nicht umfasst, weshalb das Vorbringen unzulässig ist.

Aus der Anordnung in § 42 Abs 1 AVG, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, wenn sie nicht rechtzeitig bei der Behörde zulässige Einwendungen erhebt, geht zweierlei hervor:

Erstens hat der Eintritt der Präklusion ausdrücklich den Verlust der Parteistellung ex nunc zur Folge, nicht den Verlust der Rechtsansprüche oder der rechtlichen Interessen an der Sache. Dh dass die Säumnis (das Verschweigen) gemäß § 42 Abs 1 AVG zu einer formellen, nicht zu einer materiellrechtlichen Präklusion führt (Pallitsch, Präklusion 58ff; zu den mit einer materiellrechtlichen Präklusionsvariante verknüpften Problemen siehe die bei Pallitsch, Präklusion 59 FN 247 angeführten Stellungnahmen, abgedruckt als Beilage 4 im AB 1998).

Zweitens können nur jene Parteien von der Präklusion betroffen sein, denen von Rechts wegen die Möglichkeit eingeräumt ist, gegen das bewilligungspflichtige Vorhaben, das den Verfahrensgegenstand bildet, Einwendungen zu erheben (Thienel3 155), also nur jene Personen, deren rechtlich geschützte Interessen durch die Verwirklichung des Projekts oder – genauer gesagt – durch die Genehmigung des von einer anderen Partei (der Hauptpartei) gestellten Antrags berührt sind (VwSlg 1704 A/1950; VwGH 29.10.1980, 2377/79). Diese auch als Nebenparteien bezeichneten Personen (Thienel3 86) verlieren die ihnen durch das materielle Recht iVm § 8 AVG verliehene Parteistellung wieder, wenn sie sich nicht rechtzeitig durch zulässige Einwendungen selbst aktiv am Verfahren beteiligen (Wiederin, Neuregelung 35). Verabsäumen sie dies, gleichgültig aus welchen Gründen (VwGH 24.03.1992, 88/05/0135; 30.05.1996, 93/06/0155; 18.12.2003, 2001/06/0032; zur objektiven Fassung des § 42 Abs 1 AVG vgl auch Pallitsch, Präklusion 62f), verlieren sie alle Parteienrechte (vgl Hengstschläger2 Rz 89) und damit die Möglichkeit, ihren subjektiven Rechten und rechtlichen Interessen zum Durchbruch zu verhelfen. Sie scheiden am Ende der mündlichen Verhandlung aus dem Verfahren ex nunc wieder aus (vereinzelt sind auch weiter gehende Rechtsfolgen an die Nichterhebung von Einwendungen geknüpft, wie zB in Art XXXVII EGZPO der Verlust des Rechts zur Erhebung einer Bauverbotsklage; vgl Thienel3 157; Walter/Mayer Rz 294).

(vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 42 Rz 25 (Stand 01.07.2005, rdb.at)).

Als rechtliche Folge der verlorenen Parteistellung hat die Beschwerdeführerin damit aber auch keinen Anspruch mehr auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 Rz 1 (Stand 01.01.2014, rdb.at))

Insofern ist der Behörde beizupflichten, wenn Sie den Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides mangels Parteistellung zurückgewiesen hat. Folglich ist daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Was das Rechtsschutzdefizit anlangt, welches in der Beschwerde angesprochen wird, ist festzuhalten, dass mit dem nunmehr im Instanzenzug bestätigten Bescheid vom 19.11.2018 feststeht, dass die Beschwerdeführerin im Baubewilligungsverfahren lediglich unzulässige Einwendungen erhoben hat.

Die Beschwerde richtet sich gegen den gesamten Bescheid, sohin auch gegen den Spruchpunkt II., dessen Anfechtung jedoch nicht begründet wurde.

Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol ist die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe nach der bezogenen Gesetzesstelle begründet, da mit dem Antrag auf Zustellung des Bescheides eine Entscheidung begehrt wurde, die wesentlich im Privatinteresse der Beschwerdeführerin liegt.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Ing. Mag. Peinstingl

(Richter)

Schlagworte

Präklusion;
Bescheidzustellung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.32.1935.1

Zuletzt aktualisiert am

17.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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