TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/12 VGW-031/074/576/2019

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Veröffentlicht am 12.03.2019
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Entscheidungsdatum

12.03.2019

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §5 Abs2
StVO 1960 §99 Abs1 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Mandl über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, ... PK C., vom 12.11.2018, GZ: ..., wegen Übertretung des 1. § 52 lit. b Z 15 Straßenverkehrsordnung (StVO), 2. § 11 Abs. 2 StVO, 3. § 52 lit. a Z 2 StVO, 4. § 99 Abs. 1 lit. b StVO iVm § 5 Abs. 2 StVO,

zu Recht e r k a n n t :

I.     Gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG wird das Beschwerdeverfahren betreffend der Punkte 1.-3. im angefochtenen Straferkenntnis eingestellt.

II.    Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde betreffend Punkt 4. im angefochtenen Straferkenntnis als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Umfang bestätigt.

III.   Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer daher einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 640 (das sind 20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

VI.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Gegen den Beschwerdeführer (BF) erging das angefochtene Straferkenntnis mit folgendem Wortlaut:

„1.  Datum/Zeit:                    29.08.2018, 01:13 Uhr

     Ort:                             Wien, ... Gürtel, ... Gürtel/E.-gasse

     Betroffenes Fahrzeug:        PKW, Kennzeichen: W-... (A)

     Sie haben das deutlich sichtbar aufgestellte Gebotszeichens „Vorgeschriebene Fahrtrichtung“ nicht beachtet und haben die Fahrt nicht im Sinne des Gebotszeichens fortgesetzt.

2.   Datum/Zeit:                    29.08.2018, 01:13 Uhr (2x) und

                                      29.08.2018, 01:14 Uhr (1x)

     Ort:                             Wien, ... Gürtel, ... Gürtel/E.-gasse (29.08.2018, 01:13 Uhr) sowie

                                      Wien, ... Gürtel Kreuzung F.-straße (29.08.2018, 01:13 Uhr) sowie

                                       Wien, ... Gürtel Kreuzung G.-straße (29.08.2018, 01:14 Uhr)

     Betroffenes Fahrzeug:        PKW, Kennzeichen: W-... (A)

     Sie haben die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt, wodurch sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen konnten.

3.   Datum/Zeit:                    29.08.2018, 01:13 Uhr

     Ort:                              Wien, ... Gürtel, ... Gürtel/E.-gasse

     Betroffenes Fahrzeug:        PKW, Kennzeichen: W-... (A)

     Sie haben das deutlich sichtbar aufgestellte Verbotszeichen „Einfahrt verboten“, ausgenommen Radfahrer, nicht beachtet.

4.   Datum/Zeit:                    29.08.2018, 01:41 Uhr

     Ort:                             Wien, G.-straße, G.-straße/H.-gasse

     Betroffenes Fahrzeug:        PKW, Kennzeichen: W-... (A)

     Sie haben sich am 29.08.2018 um 01:41 Uhr in …, G.-straße nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei geweigert, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass Sie am 29.08.2018, um 01:13 Uhr während Ihrer Fahrt unter anderem von Wien, ... Gürtel bis Wien, ... Gürtel, das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   § 52 lit. b Z. 15 StVO

2.   § 11 Abs. 2 StVO

3.   § 52 lit. a Z. 2 StVO

4.   § 99 Abs. 1 lit b StVO i.V.m. § 5 Abs. 2 StvO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

 

 

 

 

1.        € 100,00

1 Tage(n) 22 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 99 Abs. 3 lit. a StVO

2.        € 120,00

2 Tage(n) 7 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 99 Abs. 3 lit. a StVO

3.        € 140,00

2 Tage(n) 16 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 99 Abs. 3 lit. a StVO

4.      € 3.200,00

24 Tage(n) 10 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 99 Abs. 1 StVO

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 356,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 3.916,00“

Dagegen erhob der BF Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien und bestritt die im Straferkenntnis angeführten Verwaltungsübertretung. Entgegen den Ausführungen im Straferkenntnis habe der BF fristgerecht eine Rechtfertigung eingebracht und werde diese in Kopie beigelegt. Wie bereits in der Rechtfertigung ausgeführt, habe der BF die Vorfälle 1.-3. nicht zu vertreten, da das Fahrzeug im Zeitraum 1:13 Uhr bis 1:14 Uhr vom Bruder des Einschreiters gelenkt worden sei. Richtig sei, dass der BF am 29.8.2018 um 1:41 Uhr als Lenker angehalten worden sei; nicht richtig sei, dass er sich geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, vielmehr sei eine entsprechende Überprüfung durchgeführt worden.

Es werde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung samt Zeugeneinvernahmen beantragt, sowie beantragt, das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Am 4.3.2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien die beantragte öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher der BF mit seinem Rechtsvertreter sowie die geladenen Zeugen gekommen sind.

Der BF gab an:

Beruf: Selbstständig

Einkommen: monatlich ca. EUR 1.200,--

Vermögen: Haus auf Kredit

Sorgepflichten: verheiratet, zwei minderjährige Kinder

„Wir waren an diesem Abend zu dritt unterwegs und zwar eine Bekannte, mein Bruder und ich. Wir waren zu dritt im Auto unterwegs. Wir haben die Bekannte um ca. 20:00 Uhr von zu Hause abgeholt und sind dann ab ca. 20:30 Uhr an der I.-bar gewesen. Dort habe ich zwei Gläser Weißwein getrunken, gegessen habe ich nichts. Danach sind wir zur Eröffnung von einem Club in die G.-straße gefahren und waren dort ca. 2 Stunden lang, d.h. wir waren um ca. 23:00 Uhr in der G.-straße. Dort habe ich auch zwei Gläser Weißwein getrunken.

Bei der Abholung der Bekannten, der Fahrt zu I.-bar und in die G.-straße ist immer mein Bruder gefahren. Vom Club in der G.-straße ist auch noch mein Bruder gefahren. Das Auto war dann vor dem Klub geparkt und beim Ausparken ist mein Bruder an ein anderes geparktes Auto angestoßen, wir haben das alle mitbekommen, er ist weiter gefahren und wir haben im Auto deswegen diskutiert. Ich habe ihm gesagt, er soll zurück fahren. Mein Bruder ist schließlich ausgestiegen und weggegangen. Ich bin dann mit dem Auto zum Club zurückgefahren, um den Unfall zu klären. Ich habe keinen Selbstbehalt. Es hat sich um ein Serviceauto gehandelt.

Nachdem mein Bruder ausgestiegen war, bin ich über den im Akt beschrieben Weg ... Gürtel, E.-gasse etc. zum Club in die G.-straße bzw. Ecke G.-straße zurückgefahren.

Auf Vorhalt „Nachfahrt unter Verwendung des Blaulichts“: Ja, das stimmt, da handelte es sich um ca. 200 m.

Die Amtshandlung hat sich dann vor dem Club abgespielt. Das Auto war auffällig und laut.

Bei der Anhaltung habe ich gleich zu Beginn gesagt, dass ich was getrunken habe. Nach der Fahrzeugkontrolle ist es zur Alkoholkontrolle gekommen. Es wurde ein Alkovortest gemacht und dann wurde mit dem großen Gerät gemessen. Ich habe am Gehsteig Liegestütz gemacht, weil ich damit ein besseres Ergebnis herbeiführen wollte. Ich wurde aufgefordert von einem Uniformierten damit aufzuhören, weil das nichts bringe. Ich habe dann aufgehört. Vor der Atemluftkontrolle habe ich die Luft angehalten, weil mir ein Freund gesagt hat, dass Luftschlucken zu einem geringeren Alkoholwert führt.

Mein Verhalten war aus heutiger Sicht provokant. Die Unterschrift auf dem Messstreifen habe ich nicht verweigert, es wurde mir nicht gesagt, dass ich unterschreiben soll. Ich habe einen Messwert von 0,0 in Erinnerung und habe mich darüber gefreut und das für erledigt angesehen. Ich wollte zum Auto und mir wurde gesagt, dass ich nicht mehr fahren darf. Ein Beamter hat dann mit mir am Beifahrersitz ordnungsgemäß abgestellt.

Mein Führerschein wurde mir abgenommen, die Bescheinigung wurde mir ausgehändigt.

Auf Vorhalt der Beschwerde: Diese Übertretungen im Erkenntnis 1. – 3. hat nicht mein Bruder zu vertreten, das war ich.

Der als Zeuge vernommene Meldungsleger gab nach Wahrheitserinnerung und Belehrung an:

„Ich kann mich an den Vorfall erinnern. Ich habe mir die Anzeige auch noch ein Mal angesehen. Ich war damals mit einem Kollegen auf Streife, für uns ist das ein bekanntes Gebiet. Auf dem ... Gürtel ist uns ein großer J., der ist abgebogen, links gegen die Einbahn. Wir haben das Blaulicht aufgedreht und sind dem Auto nachgefahren, es wurde dann von dem ... auf den ... Gürtel gewechselt und in der G.-straße, nur 150 m hinein, hat das Auto angehalten. Es wurde eine Fahrzeugkontrolle und gefragt, was das nun für ein Manöver gewesen ist. Der Lenker hat gleich sinngemäß, dass er etwas getrunken hat. Der Lenker hat auch betrunken gewirkt. Es sind dann Kollegen vom .... Bezirk dazu gekommen, wegen eines Unfalls, der sich beim Ausparken ereignet haben soll und ich wurde auch darauf angesprochen vom Besitzer des beschädigten Autos. Es waren sehr viele Leute.

Am Lenkrad des J. ist der BF gesessen und außerdem war noch die blonde Frau, die vor dem Verhandlungssaal wartet, im Auto.

Ich habe einen Alkovortest mit dem BF gemacht, der Wert über 1,6 Promille, weshalb eine Atemluftkontrolle angezeigt war. Wir haben das Gerät dabei. Es wurde 15 Minuten gewartet und der BF belehrt, dass er nichts tun soll, was zu einer Änderung seiner Atemluft führt. Der BF hat Liegestütze am Gehsteig gemacht, dagegen hatten wir nichts. Es wurde ihm sodann der Alkotest erklärt. Der BF hat dann begonnen Luft zu schlucken. Wir haben dann zwei Messvorgänge durchgeführt und es war jeweils eine zu große Differenz bei den Messwerten. Der BF wurde über die Folgen einer Verweigerung belehrt und ein weiterer Messversuch unternommen. Vor dem zweiten Messen hat der BF wieder mit dem Luftschlucken begonnen und so war auch dieser Durchgang unbrauchbar. Es haben insgesamt zwei Messungen stattgefunden.

Auf Vorhalt der Messstreifen, Akt Seite 20 und 21: Es handelt sich genau um diese Streifen nach den Messvorgängen. Es ist meine Unterschrift drauf. Die Luft zu schlucken hat der BF immer erst vor dem zweiten Messdurchgang begonnen.

Ich kann mich an den BF, jetzt wo ich ihn wieder sehe, erinnern.

Der BF hat sich mit seinem Führerschein ausgewiesen und dieser wurde ihm abgenommen.

Den BF habe ich als eher teilnahmslos bei der Amtshandlung in Erinnerung, seine Bekannte hingegeben hat sich recht aufgeregt und war sichtlich unzufrieden. So hat die Bekannte mit dem BF schon diskutiert, als ich die Fahrzeugpapiere verlangte. Sie war immer dabei, hat sich beruhigt und dann wieder aufgeregt, wie wir es von Betrunkenen kennen.

Befragt vom BFV gibt der Zeuge weiters an:

Der BF hat die Messstreifen nicht unterschrieben, er hat angegeben, dass ihn das nicht interessiert und ich habe nicht weiter insistiert.

Auf Befragen der Richterin gibt der Zeuge an:

Die Alkomesswerte hat der BF jedenfalls so weit mitbekommen, dass er über 1,6 Promille war. Die Werte der Messungen vom Alkomat wurden dem BF auch mitgeteilt.“

Die als Zeugin vernommene Bekannte des BF gab nach Wahrheitserinnerung und Belehrung an:

„Der BF und sein Bruder haben mich mit diesem Auto von zu Hause abgeholt, es war ca. 20:00 Uhr, wir sind zur I.-bar gefahren und dann zu einer Eröffnung vom K. in die G.-straße, das war so ca. 23:00 Uhr, oder Mitternacht. Wir waren zu dritt.

Wir haben nur Wein getrunken. Ich habe ca. 4 – 5 Gläser auf jeden Fall getrunken, wieviel Weine die Begleiter getrunken haben, weiß ich nicht mehr.

Beim Ausparken hat der Bruder des BF ein Auto angestoßen, er ist panisch gewesen und ist weiter gefahren. Der ältere Bruder, das ist der BF, und er haben diskutiert, dass er umkehren soll. Ende G.-straße ist der Bruder dann ausgestiegen und weggegangen. Wir, also der BF und ich, sind mit dem Auto in der Runde über den Gürtel, E.-gasse zurück in die G.-straße zurück zum Club, um das mit dem Unfall in Ordnung zu bringen.

Ich habe selbst den Führerschein und fahre auch mit dem Auto, ich habe nicht extra geachtet, ob der BF geblinkt hat. Gegen die Einbahn ist er nicht gefahren. Ob er die vorgeschriebene Fahrtrichtung beachtet hat, dazu gibt es deutliche Schilder und habe ich das nicht bemerkt.

Auf Vorhalt „Das Verbotszeichen Einfahrt verboten, ausgenommen Radfahrer“: Weiß ich jetzt nicht, wo das sein soll.

Ich war auf jedenfalls angeheitert, ganz betrunken war ich nicht.

In der G.-straße habe ich das Blaulicht hinter dem Fahrzeug bemerkt. Wir haben während dieser Fahrt über den Vorfall mit dem Anstoßen beim Ausparken gesprochen. Ich war schon aufgeregt. Wir haben debattiert was richtig und falsch ist, und waren nicht sicher, was uns dort erwartet.

Die Polizeikontrolle hat gleich ein Mal sehr unfreundlich und unhöflich begonnen, deshalb bin ich auch laut geworden, wir haben ja nichts Böses getan. Der BF wurde aufgefordert auszusteigen. Der Polizist hatte einen aggressiven Eindruck gemacht. Der BF hat dann zwei oder drei Mal wegen Alkohol gepustet und es ist immer 0,0 rausgekommen. Das habe ich gesehen, weil ich nebenbei gestanden bin. Ich habe das auch auf diesen Messstreifen gesehen. Ich habe mit dem Polizisten in einem lauteren Ton gesprochen, der BF ist hingegen recht ruhig geblieben und hat mich auch zur Ruhe gerufen.

Der Bf hat vor dem Pusten ganz normal geatmet.

Ob dem BF der Messstreifen zur Unterschrift hingehalten wurde, habe ich nicht gesehen. Die Messstreifen haben wir nicht mitbekommen, eine andere Bestätigung hat der BF bekommen.

Für mich hat sich diese Amtshandlung wie zwei Stunden angefühlt. Ich war sehr aufgeregt.“

Der Beschwerdeführervertreter gab bekannt, die Beschwerde betreffend die Vorfälle 1.-3. zurückzuziehen sowie auf die Einvernahme des Bruders des BF als Zeugen zu verzichten.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Aufgrund des Akteninhaltes und des Ergebnisses der durchgeführten mündlichen Verhandlung wird nachfolgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Der BF wurde am 29.8.2018 um 1:41 Uhr in Wien, G.-straße als Lenker eines J. mit dem polizeilichen Kennzeichen W-... (A) angehalten. Der BF hat bei der Anhaltung sofort angegeben, etwas getrunken zu haben. Nach dem Alkovortest, der einen Wert über 1,6 Promille ergeben hat, wurde der BF zur Atemluftkontrolle auf Alkohol aufgefordert. Es wurde 15 Minuten lang gewartet und der BF wurde vom Meldungsleger zum Alkotest belehrt. Der BF hat vor der Atemluftuntersuchung am Gehsteig Liegestütze gemacht. Er wollte damit ein für ihn günstigeres Ergebnis herbeiführen. Vor der Atemluftkontrolle hat der BF die Luft angehalten und zum Luftschlucken begonnen. Er wollte damit ein Ergebnis mit geringerem Alkoholwert herbeiführen und hat ihm ein Freund gesagt, dass Luftschlucken vor der Atemluftkontrolle zu einem geringeren Alkoholwert führt.

Es wurden sodann zwei Messdurchgänge durchgeführt. Jeweils vor der zweiten Messung hat der BF begonnen, Luft zu schlucken. Der BF wurde über die Folgen einer Verweigerung belehrt und wurde ein weiterer Messdurchgang gestartet. Die Messergebnisse waren jeweils wegen der Probendifferenz nicht verwertbar. Die Messwerte wurden dem BF stets mitgeteilt. Der BF hat den Messstreifen nicht unterschrieben, da er meinte, dass bei der Messung 0,0 Promille herausgekommen sei, und hielt die Angelegenheit für erledigt.

Dem BF wurde der Führerschein abgenommen, eine Bestätigung wurde ausgegeben. Das Fahrzeug wurde von einem Polizeiorgan ordnungsgemäß abgestellt.

Der BF hat nicht bestritten, bei der Anhaltung angegeben zu haben, etwas getrunken zu haben und Liegestütze am Gehsteig gemacht zu haben; er hat auch nicht bestritten, vor der Alkomatmessung Luft geschluckt zu haben, um ein günstigeres Messergebnis zu erzielen.

Die Messstreifen (AS 20 und AS 21) tragen jeweils die Seriennummer des Gerätes, die Proben- und Kalibriernummer. Die Messstreifen enthalten Angaben zu Datum, Start- und Endezeit, Name und Geburtsdatum des BF, sowie den handschriftlichen Verweis im Feld „Unterschrift, Proband:“ „verweigert“. Des Weiteren enthalten die Messstreifen die Werte zum Blasvolumen, zu Blaszeit und Uhrzeit.

Den beiden in den Streifen dokumentierten Messdurchgängen zu Folge hat der BF beim ersten Durchgang um 1:35 Uhr einen Messwert von 0,90 mg/l und um 1:37 Uhr von 0,79 mg/l, was eine zu große Probendifferenz ergab und die Messung war daher nicht verwertbar. Beim zweiten Durchgang um 1:40 Uhr einen Messwert von 0,78 mg/l und um 1:41 Uhr von 0,88 mg/l, was wiederum eine zu große Probendifferenz ergab und die Messung war daher nicht verwertbar. Zudem gab es beim zweiten Durchgang den Fehlversuch Blaszeit zu kurz. Der BF hat die Messstreifen nicht unterschrieben.

Die zeugenschaftliche Aussage des Meldungslegers konnte den Feststellungen zugrunde gelegt werden, so weit der BF in der mündlichen Verhandlung die Vorfälle nicht ohnehin zugestanden hat. Der Meldungsleger konnte sich an den Vorfall erinnern und glaubhaft Details schildern.

Feststellungen zu den Spruchpunkten 1. – 3. des angefochtenen Straferkenntnisses konnten entfallen, da die Beschwerde in diesen Punkten in der mündlichen Verhandlung zurückgezogen wurde.

Rechtlich folgt daraus:

§ 5 Abs. 2 StVO lautet:

Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und – soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt – von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,

1.

die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder

2.

bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

§ 99 Abs. 1 lit b StVO lautet:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

b)

wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.

Als Weigerung, sich dem Atemalkoholtest zu unterziehen, gilt auch ein Verhalten des Untersuchten, das das Zustandekommen des vorgesehenen Tests verhindert. Ein solches ist auch darin zu erblicken, dass der Proband – trotz vorheriger Belehrung – ein Verhalten setzt, das zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen kann (im gegenständlichen Fall zwei Zigaretten geraucht, obwohl er zuvor über die Unzulässigkeit des Rauchens aufgeklärt worden war). (VwGH 25.11.2005, 2005/02/0254 ZVR 2006/112)

In der – trotz entsprechender Belehrung des BF durch das Straßenaufsichtsorgan – wiederholt durch Hyperventilation (Hechelatmung) herbeigeführten 2-maligen Ungültigkeit der Messergebnisse des Atemalkoholmessgerätes (zu weit auseinander liegende Messwerte) ist die mangelnde Bereitschaft des BF zu erblicken, den Alkoholtest ordnungsgemäß durchzuführen. (VwGH 8.9.1995, 95/02/0320; 5.11.1997, 97/09/0104)

Nach der stRsp des VwGH ist eine Untersuchung mit dem „Alkomaten“ erst dann abgeschlossen, wenn zwei gültige Messergebnisse vorliegen. Es reicht daher die Vornahme einer einzigen (gültigen) Atemprobe nicht aus. Bei der zweiten (erforderlichen) Atemprobe handelt es sich nicht um eine zweite Untersuchung der Atemluft nach Alkoholgehalt, sondern um eine Maßnahme im Rahmen der noch laufenden (ersten) Untersuchung. Wird dabei (auch nach ordnungsgemäßer Durchführung der ersten Atemprobe) nicht entsprechend mitgewirkt, gilt dies als Verweigerung der Atemluftprobe (richtig: Atemluftuntersuchung). (VwGH 30. 5. 1997, 96/02/0021)

Eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung ist dann gegeben, wenn mehrere Versuche zu keiner gültigen Messung geführt haben und das Zustandekommen eines entsprechenden Messergebnisses durch das Verhalten des Probanden verhindert wurde. (VwGH 11. 10.2002, 2001/02/0220; 20. 4.2001, 2001/02/0003; 11. 10.2000, 2000/03/0083; 26. 4.2002, 99/02/0212; 19. 11.2004, 2004/02/0196; 27. 1.2005, 2004/11/0118; 27. 2.2007, 2007/02/0019 ZVR 2007/190; 26. 1.2010, 2009/02/0326 ZVR 2010/124; ähnlich auch VwGH 24. 2.2012, 2011/02/0102; ZVR 2012/165 mit dem Zusatz, dass dies auch dann gilt, wenn Messergebnisse zwar vorhanden, aber wegen zu großer Probendifferenzen nicht verwertbar sind.

Der die Atemluftuntersuchung durchführende Beamte muss – bei Vorliegen eines entsprechenden Verhaltens des Probanden – jedenfalls nicht mehr als vier Versuche zulassen, da auch weniger als vier Fehlversuche als Verweigerung gewertet werden können, wenn diese zu ungültigen Messergebnissen geführt haben. (VwGH 11. 10.2002, 2001/02/0220; 26. 4.2002, 99/02/0212; 11. 10.2000, 2000/03/0083; 19. 10.2004, 2002/02/0031; 19. 11.2004, 2004/02/0196; 27. 1.2005, 2004/11/0118).

Der BF hat nach den getroffenen Feststellungen in beiden Messdurchgängen (vier Messungen) vor der zweiten Messung jeweils begonnen, Luft zu schlucken. Er hat selbst zugestanden, Luft geschluckt zu haben, um ein günstigeres Messergebnis zu erreichen. Die Messergebnisse waren wegen zu großer Probendifferenz nicht verwertbar. Damit hat der BF den objektiven Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO erfüllt.

Zur Strafbemessung wird ausgeführt:

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist die Grundlage der Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Ausmaße das öffentliche Interesse an der Sicherheit im Straßenverkehr. Der Unrechtsgehalt der Tat war daher nicht gering.

Gegenständlich liegt ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt vor, bei welchem schon die Nichtbefolgung des Gebotes die Strafe nach sich zieht, falls der Täter nicht beweist, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist.

Der BF hat nicht bewiesen, dass ihm die Abgabe eines ordnungsgemäßen Alkoholtestes unmöglich gewesen sei. Der BF hat zugestanden, gegenüber dem Polizeiorgan provokant aufgetreten zu sein und versucht zu haben, ein günstigeres Messergebnis mit verschiedenen Maßnahmen herbeizuführen.

Es war von jedenfalls fahrlässiger Begehung auszugehen.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt dem BF nicht zu Gute. Der BF weist zahlreiche verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf, wovon eine einschlägig ist und einen Erschwerungsgrund darstellt. Andere Milderungsgründe sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen.

Auf die Angaben des BF, wieviel er getrunken habe, war gegenständlich nicht näher einzugehen und ist dazu ebenso auf Judikatur zu verweisen, wonach es auf der Hand liegt, dass die (bloß) „geringfügige“ Alkoholisierung bei der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 keinen Milderungsgrund darstellen kann. (VwGH 11.5.2004, 2004/02/0005)

Zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen und etwaigen Sorgepflichten machte der BF im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die oben angeführten Angaben. Der diesbezüglichen behördlichen Einschätzung seiner Verhältnisse als durchschnittlich ist somit nicht entgegenzutreten.

Nach der Rechtsprechung sind Übertretungen nach lit. b, aufgrund welcher die Feststellung des Grades der Alkoholisierung wegen der rechtswidrigen Weigerung des Lenkers nicht möglich war, nicht weniger verwerflich als das Lenken von Kraftfahrzeugen in einem durch Alkohol (in Ausmaß der lit. a) beeinträchtigten Zustand. (VwGH 25.2.2003, 2003/11/0017)

Angesichts der dargestellten Strafbemessungsgründe erscheint die von der Behörde verhängte Geldstrafe, welche sich im unteren Bereich des von € 1.600 bis zu € 5.900,- reichenden Strafrahmens befindet, als durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, weshalb eine Herabsetzung nicht in Betracht kam. Generalpräventive Überlegungen gerade auch in Hinblick auf die (anfängliche) Lenkereigenschaft des Bruders des BF sowie spezialpräventive Überlegungen hinsichtlich des provokanten Auftretens des BF während der Amtshandlung sowie die bereits einmal erfolgte Bestrafung wegen § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 lit. a StVO mit der Mindeststrafe waren hierbei ebenso zu berücksichtigen.

Zu Punkt I.) Hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung zurückgezogenen Beschwerde betreffend Punkte 1.-3. im angefochtenen Straferkenntnis war das Verfahren spruchgemäß einzustellen.

Zu Punkt III.) Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG.

Zu Punkt IV.) Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Atemluftuntersuchung; Atemluftprobe; Atemalkoholmessgerät; Alkomat; Probendifferenz; Weigerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.074.576.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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