TE Bvwg Beschluss 2018/9/4 W124 2204685-1

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Veröffentlicht am 04.09.2018
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Entscheidungsdatum

04.09.2018

Norm

AsylG 2005 §12a
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs9
B-VG Art.135 Abs4
B-VG Art.140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art.89 Abs2
VwGG §25a Abs3

Spruch

W124 2204685-1/5Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Rainer FELSEISEN als Einzelrichter im Verfahren zur amtswegigen Überprüfung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 28.08.2018, Zl. 751148104-180790965, der am 28.08.2018 im Verfahren über den Antrag vom 21.08.2018 von XXXX geb. XXXX , StA Indien, auf internationalen Schutz mündlich verkündet wurde, beschlossen:

A)

Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG (in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 B-VG) werden an den Verfassungsgerichtshof die Anträge gestellt, folgende gesetzliche Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben:

1. § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005- AsylG 2005), BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013,

in eventu

2. § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, und § 22 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013,

in eventu

3. § 22 Abs. 10 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, und § 22 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013,

in eventu

4. § 12a Abs. 2 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 70/2015, § 22 Abs. 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, und § 22 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013,

in eventu

5. § 12a AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, § 22 Abs. 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, und § 22 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 9 B-VG in Verbindung mit § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Beim Bundesverwaltungsgericht ist ein Verfahren zur amtswegigen Überprüfung eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) reiste erstmals am 20.05.2005 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte beim Bundesasylamt, Aussenstelle Graz, einen Asylantrag unter der Geltung des AsylG 1997 (2003), BGBl. I Nr. 76/1997, BGBl I Nr. 101/2003.

In der mit dem BF am XXXX vor dem BAA aufgenommenen Niederschrift führte dieser als Fluchtgrund im Wesentlichen aus, dass sein Vater und dessen Bruder wegen der Erbschaft Streit gehabt hätten. Der Onkel des BF habe alles haben wollen. Deswegen habe der Onkel des BF einen Bruder von diesem umgebracht. Selbst der BF sei dabei von seinem Onkel an den Beinen verletzt worden. Auf Vorhalt, dass der BF bei der Einvernahme vor der Grenze angegeben habe, dass dieser ein großes politisches Problem haben würde, behauptet dieser ein solches nicht zu haben und ihn der Dolmetscher an der Grenze falsch verstanden habe.

Im Jahr 2003 sei der Bruder des BF umgebracht worden und der BF bis April 2004 von seinem Onkel immer wieder verprügelt worden. Sein Vater hätte seinem Onkel alles geben sollen, ansonsten er sie alle umbringen würde. Von Seiten der Polizei habe er diesbezüglich keinen Schutz, als diese sich immer wieder bestechen lassen würde.

Der BF tauchte während des Verfahrens unter und wurde vom Bundesasylamt am XXXX eingestellt.

Der BF hielt sich in der Folge fünf Jahre lang unerkannt im Vereinigten Königreich auf. Dort wurde vom BF kein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Das im Jahr 2005 eingestellte Verfahren des BF auf Grund von Fristablauf konnte nicht wieder aufgenommen werden und stellte der BF nach der Landung am Flughafen Wien/Schwechat am XXXX vor Beamten der Grenzpolizeiinspektion einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der mit dem BF am XXXX aufgenommen Niederschrift gab dieser im Wesentlichen an, dass der Vater des BF mit seinem Bruder einen Erbschaftsstreit gehabt habe. Im Zuge dessen sei auch der Bruder des BF umgebracht worden. Er habe nicht woanders in Indien leben können, da dies sehr schwierig gewesen sei und seine Eltern gemeint hätten, er solle lieber weggehen.

Der Bruder des BF sei im Jahr 2003 getötet worden. Man habe ihn in einem Fluss geworfen und hätte man davon 4 Tage später erfahren. Der Streit habe mit allen bestanden. Ob sein Bruder getötet worden sei, wisse der BF nicht genau. Ob es sich beim Tod des Bruders um Selbstmord gehandelt habe könne er nicht sagen, würden aber die Leute so reden. Eine Untersuchung von Seiten der Polizei habe es gegeben, doch habe diese gemeint, dass es sich dabei um einen Selbstmord gehandelt habe. Ein Rechtsanwalt sei nicht zu Rate gezogen worden, doch seien die Eltern des BF einige Mal bei Gericht gewesen.

Die Angehörigen des BF würden sich an verschiedenen Orten aufhalten. Die Mutter des BF würde sich bei ihrer Schwester aufhalten, die Schwester des BF würde in K. bei ihrem Ehemann leben und sich sein Bruder irgendwo in Indien aufhalten.

In der mit dem BF am XXXX aufgenommenen Niederschrift gab dieser im Wesentlichen an nichts neues vorbringen zu wollen.

Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Antrag des BF auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat des BF gem. § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gem. § 10 Abs. 1 leg. cit. wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Zur Begründung führte das BAA im Wesentlichen aus, dass dem BF im Herkunftsstaat Indien keine asylrelevante Verfolgung drohe. Das Vorbringen des BF im Hinblick auf eine frühere Verfolgung durch seinen Onkel wegen eines Grundstückstreites sei unglaubwürdig und würde jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen (Spruchpunkt I.).

Ebenso würden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der BF bei einer Rückkehr nach Indien Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder gar der Todesstrafe ausgesetzt zu sein. Es lägen auch keine Hinweise auf Erkrankungen vor (Spruchpunkt II.).

Eine Ausweisung aus Österreich sei, da kein Recht auf internationalen Schutz bestehe, gesetzlich indiziert und verletzte auch nicht die Rechte des BF aus Art. 8 EMRK. Es liege nämlich kein Familienleben zu in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Personen vor und sei ein Eingriff in das Privatleben des BF gerechtfertigt. (Spruchpunkt III.).

3. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des AsylGH vom XXXX , C 16 420.2999-1/2011/8E gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 sowie 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. Nr. 38/2011, abgewiesen.

Dabei wurde u.a. festgestellt, dass der BF im Heimatland von seinem Onkel oder dessen Familie wegen eines Grundstreites nicht verfolgt werden würde. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der BF lediglich unsubstantiiert vorgebracht habe, dass er und seine Familie von dem Onkel, der ein Grundstück der Familie des BF beanspruche, verfolgt worden sei. Er habe jedoch trotz mehrfacher deutlicher Befragung in insgesamt drei Einvernahmen in keiner Weise erklärt, worin genau diese Verfolgung bestanden haben solle. Der BF habe sich vielmehr darauf beschränkt wiederholt zu behaupten, seine Familie sei belästigt worden, ohne je einen konkreten Vorfall zu nennen.

Dies gelte auch für die vom BF einzig konkret vorgebrachte Tötung eines seiner Brüder. Allerdings habe der BF dazu zunächst vorgebracht, er könne sich nicht erinnern, wann der Bruder ermordet worden sei, um erst in späteren Einvernahmen anzugeben, dass dies im Jahr 2003 vorgefallen sei. Dies sei dem AsylGH unglaubwürdig erschienen, da derart einschneidende Ereignisse, zumal wenn sie-wie der BF behauptet habe-dass auch er Gefahr laufe, getötet zu werden, im Allgemeinen gut in Erinnerung bleiben würde. Außerdem habe er BF erst in der letzten Einvernahme Details zum Tod seines Bruders angegeben, die jedoch auch auf einen Suizid des Bruders des BF hindeuten könnten. Der BF habe jedenfalls in einer Weise darlegen können, worauf er die Annahme gestützt habe, dass der Onkel und dessen Familie für den Tod verantwortlich seien.

Des weiteren habe er auch keine Verfolgungshandlungen gegen seine in Indien verbliebenen Angehörigen behauptet, was jedoch zu erwarten gewesen wäre, zumal der Vater des BF als eigentlicher Erbe mittlerweile (krankheitsbedingt) verstorben sei und der BF mit seiner Familie die ganze Zeit über in Kontakt gestanden sei. Hätte es Vorfälle in Bezug auf die Grundstücksansprüche gegeben, wäre dies dem BF sicherlich bekannt geworden.

Schließlich sei das Vorbringen des BF im Hinblick auf eine Verfolgungsgefahr in Indien schon allein deshalb unglaubwürdig, weil der BF während seines fünfjährigen Aufenthaltes in Großbritannien keinen Versuch unternommen habe, dort um internationalen Schutz anzusuchen und deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er einen solchen Antrag gestellt hätte (oder hat), wenn er aufgrund einer fremdenrechtlichen Kontrolle Gefahr gelaufen wäre, mangels eines anderen als des asylrechtlichen Aufenthaltstitels des Landes verwiesen zu werden. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass bei dem Antrag in Österreich derselbe Zweck im Vordergrund stehen würde.

Rechtlich wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der BF schon zum für seine Flucht maßgeblichen Zeitpunkt keiner ernsthaften Verfolgung durch einen Onkel oder dessen Familie wegen eines Grundstücksstreits des ausgesetzt gewesen wäre. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der BF nunmehr einer Verfolgung aus den behaupteten Gründen ausgesetzt sein könnte. Zudem würde darauf hingewiesen werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Indien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit behördlichen Übergriffen alleine aus dem Grunde ausgesetzt sei, dass er im Ausland erfolglos Asyl gesucht habe.

Das BAA habe zu Recht erkannt, dass der BF kein Recht auf subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zustehe.

Im Falle der Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat bei dieser weder Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) noch Art. 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlichen Behandlung) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt werde. Es bestünden nämlich keine Hinweise auf Umstände, die eine Abschiebung aus den genannten Gründen unzulässig lassen werden könnten.

Dazu sei zum einen festzustellen, dass, auch wenn die Menschenrechtslage in Indien, insbesondere was die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden betreffe, weiterhin vom Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet sei, sich daraus keine den BF konkret betreffende Gefahr herleiten lasse.

Es sei zum anderen auch nicht davon auszugehen, dass der BF nach seiner in sein Heimatland in eine ausweglose Lebenssituation geraten könne, dass dies einer unmenschlichen Behandlung gleichkommen würde oder sein Leben aus irgendeinen sonstigen Grunde gefährdet sei. Der BF sei bereits vor seiner Ausreise aus Indien keiner systematischen Verfolgung ausgesetzt gewesen und bei dieser weiter als gesund anzusehen, sodass er nach seiner Rückkehr nach Indien grundsätzlich einer Beschäftigung nachgehen könne, die ihm seinen Lebensunterhalt würde.

Am XXXX erwuchs das Erkenntnis des AsylGH in Rechtskraft.

Am XXXX wurde gegen den BF mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Zahl: 13314723/FRB/12 gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 46 FPG verhängt.

In der Folge wurde der BF am 17.01.2013 aus Schubhaft entlassen, nachdem kein Heimreiszertifikat ausgestellt wurde.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Zl. XXXX , vom XXXX , wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 3 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum erlassen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der BF bereits zweimal von inländischen Gerichten zu rechtskräftigen Freiheitsstrafen verurteilt worden sei.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX wurde der BF wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.03.2013, Zl. 051 Hv 77/2012 h wurde der BF wegen §§ 127, 129 Z 1, 130 1. Fall StGB, § 229 Abs. 1 StGB und § 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt.

Außerdem würde dieser weder über familiäre noch berufliche Bindungen zum Bundesgebiet verfügen und würde der BF behördlich nicht gemeldet sein. Er verfüge derzeit über keine Barmittel und bestehe die Gefahr, dass der BF durch seine Ausreise bzw. seinen Lebensunterhalt durch die Begehung weiterer strafbarer Handlungen finanzieren würde.

Aus diesen Gründen sowie der Gefahr der Vereitelung der weiteren fremdenpolizeilichen Maßnahmen sei seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich dringend erforderlich, weshalb einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen sei.

Am XXXX stellte der BF einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz. In der mit dem BF vor den Organen der Landespolizeidirektion Niederösterreich aufgenommenen Niederschrift, gab dieser an, dass seine alten Fluchtgründe weiterhin aufrecht bestehen würden, weshalb er nach Indien nicht zurückkehren können. Er würde auf der Straße leben und nichts zu essen haben.

Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Antrag des BF vom XXXX auf Erteilung des internationalen Schutzes gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.).

Am 21.08.2018 brachte der BF den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein, zu welchen der BF noch am selbigen Tag der Antragstellung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde.

Der BF gab anlässlich jener Befragung in Bezug auf die Gründe seiner neuerlichen Antragstellung im Wesentlichen zu Protokoll, Österreich seit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung in seinem vorangegangenen Verfahren nicht verlassen zu haben.

Er sei mit seiner Familie zerstritten und habe ihm sein Bruder bedroht, dass er ihn im Falle einer Rückkehr nach Indien umbringen würde. Der BF und dessen Bruder hätten in England gemeinsam gearbeitet und würden das Geld nach Indien zu ihren Familien schicken. Mit diesem Geld habe sich sein Bruder in Indien ein Haus gekauft. Er wolle dem BF seinen Anteil am Geld bzw. Haus nicht geben. Deshalb würde er den BF bedrohen. Der BF wolle nach Indien zu seiner Frau und seinem Kind. Auf Grund dieser Bedrohungslage sei ihm dies aber verwehrt. Diese Änderung der Situation seiner Fluchtgründe sei dem BF seit ca. drei Monaten bekannt.

Am XXXX wurde der BF von der belangten Behörde im Beisein einer Dolmetscherin sowie eines Rechtsberaters niederschriftlich einvernommen.

Der BF führte anlässlich seiner Einvernahme zusammengefasst aus (im Detail vgl. den seine Person betreffenden Verwaltungsakt, Seiten 351 ff), im Jahr 2005 nach Österreich eingereist zu sein, im Jahr 2006 habe er Österreich verlassen und sei nach Großbritannien gereist. Im Jahr 2011 sei er dann nach Österreich zurückgekommen.

Zu seinen Fluchtgründen aus dem Vorverfahren gab der BF an, dass diese noch bestehen würden. Seine Eltern seien verstorben und wolle der BF nach Indien nicht zurück.

Auf Vorhalt hinsichtlich der Ausführungen vom XXXX , gab dieser an, dass diese der Wahrheit entsprechen würden und er mit seiner Familie Probleme haben würde. Diese bestünden seit dem Jahr 2013 und würde es um die Erbschaft wegen seines Onkels gehen. Außerdem habe er auch Probleme mit seinem nach Indien zurückgekehrten Bruder. Nach Indien würde der BF keine Kontakte haben.

Er habe selbst versucht über die indische Botschaft ein Heimreiszertifikat zu bekommen. Dies habe nicht geklappt. Mit seinem Bruder habe er keinen Kontakt. Seine Mutter sei verstorben und wolle der BF in Österreich bleiben. Sein Bruder habe dem BF mitgeteilt, dass er ihn umbringen würde, wenn er nach Indien zurückkehren würde.

Mit dem mündlich verkündeten Bescheid vom XXXX wurde dem BF gem. § 12a Abs. 2 AsylG der faktische Abschiebeschutz gem. § 12 AsylG 2005 aufgehoben. Die belangte Behörde traf erneut umfangreiche Feststellungen zum Herkunftsstaat und gab den Verfahrensgang wieder. Der BF hätte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechtes des Asylverfahrens verfügt. In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 12a Abs. 2 AsylG und begründete die Entscheidung damit, dass im gegenständlichen Fall ein Folgeantrag vorliegen würde, welcher am 08.12.2016 rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung bzw. Ausweisung würde nach wie vor aufrecht sein.

Der BF verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da sich der BF keinen neuen Sachverhalt vorgebracht habe und sich auf seine schon behandelten Fluchtgründe bezogen bzw. das Vorbringen jeglicher Glaubwürdigkeit entbehren würde. Die Erlangung der faktischen Notwendigkeiten für eine Abschiebung z.B. Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei bereits gegeben und stehe unmittelbar bevor.

Auch habe sich die allgemeine Lage im Herkunftsland nicht entscheidungswesentlich geändert.

Bereits im Vorverfahren des BF sei festgestellt worden, dass ihm bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohen würde.

Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des BF seien ebenfalls keine Änderungen seit der rechtskräftigen Entscheidung eingetreten.

Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Auf Grund der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsland in Verbindung mit seinem Vorbringen könne davon ausgegangen werden, dass keine Verletzungen wie in § 12a Abs. 2 Z 3 beschrieben, drohe.

Es würden somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebschutzes vorliegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen wäre.

Der BF gab im Anschluss an die mündliche Verkündung der dargestellten Bescheide zu Protokoll, Beschwerde gegen jene Entscheidung zu erheben.

In der Folge legte das BFA den Verwaltungsakt mit einem als "Beschwerdevorlage" bezeichneten Schreiben vom XXXX dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo er am XXXX einlangte.

II. Rechtslage

Abs. 10 des unter der Überschrift "Entscheidungen" stehenden § 22 AsylG 2005 lautet:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

§ 22 BFA-VG steht unter der Überschrift "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" und lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Die §§ 12 und 12a AsylG 2005 lauten:

"Faktischer Abschiebeschutz

§ 12. (1) Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt.

(2) Der Aufenthalt eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dem kein Aufenthaltsrecht zukommt, ist für die Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt lediglich im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde, in dem sich sein Aufenthaltsort im Sinne des § 15 Abs. 1 Z 4 befindet, zulässig. Darüber hinaus ist sein Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet zulässig, wenn und solange dies

1. zur Erfüllung von gesetzlichen Pflichten notwendig ist;

2. notwendig ist, um Ladungen von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden Folge zu leisten oder

3. für die Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung und Behandlung notwendig ist.

Nach Abschluss des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt ist der Aufenthalt des Fremden, solange ihm faktischer Abschiebeschutz zukommt, im gesamten Bundesgebiet zulässig.

(3) Der Aufenthalt gemäß Abs. 1 und 2 stellt kein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 dar."

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

III. Zur Zulässigkeit des Antrags:

Zur Antragstellung gemäß Art. 139 und 140 B-VG ist jener Spruchkörper eines Gerichtes berechtigt, der die anzufechtende Norm bei der Entscheidung in der Sache anzuwenden hat (vgl. z.B. VfSlg. 12.381/1990 und 18.097/2007, VfGH 14.10.2016, G 45/2016, jeweils mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hätte über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes als Einzelrichter zu entscheiden. Der antragstellende Richter ist für die (amtswegige) Überprüfung des Anlassverfahrens nach der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständig, daher hat eine Anfechtung der anzuwendenden Rechtsnormen durch diesen Spruchkörper stattzufinden.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht die vorgelegte Entscheidung des BFA, nämlich den mündlich verkündeten Bescheid vom 28.08.2018, "unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen". Dabei hat es die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen anzuwenden, da diese festlegen, dass aufgrund der Übermittlung der Verwaltungsakten das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht in Gang gesetzt wird und es allein schon deswegen eine Entscheidung zu fällen hat.

Dass der vorgelegte Verwaltungsakt auch eine Beschwerde des Antragstellers enthält, ändert daran nichts.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Begründung seiner Anfechtung (s. Pkt. V.) bereits darauf hingewiesen hat, dass die Übermittlung der Verwaltungsakten an das Bundesverwaltungsgericht nach Erlassung des Bescheides über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 22 Abs. 10 AsylG 2005 (allein) als Beschwerde gelte. Das Vorliegen einer vom Betroffenen erhobenen Beschwerde sei nach dem Gesetz für die Einleitung des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht als Voraussetzung festgelegt. Vielmehr sei aus der gesetzlichen Anordnung ableitbar, dass eine Beschwerdeerhebung durch den vom Bescheid Betroffenen sogar unzulässig sei.

Bei der Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes hätte das Bundesverwaltungsgericht somit die angefochtenen Gesetzesstellen anzuwenden, sie sind daher präjudiziell.

IV. Anfechtungsumfang:

Der Verwaltungsgerichtshof hat am 03.05.2018 beschlossen, die auch mit diesem Antrag angefochtenen Bestimmungen (Hauptantrag und Eventualanträge) beim Verfassungsgerichtshof anzufechten (A 2018/0003-1). Zum Anfechtungsumfang führte der Verwaltungsgerichtshof dort aus:

"Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dient ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat, notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf. Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit - sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen - beseitigt werden kann. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach § 62 Abs. 1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll. Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies - wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen - im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern wäre der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig. Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher - vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln - über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat (vgl. zum Ganzen VfGH 7.3.2018, G 136/2017 ua.).

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass zur Herstellung eines verfassungskonformen Zustandes damit das Auslangen gefunden kann, den dritten und vierten Satz des § 22 Abs. 10 AsylG 2005 aus dem Rechtsbestand zu beseitigen. Allerdings stellt es sich - mit Blick auf die unten angestellten Überlegungen - als denkbar dar, dass vom Sitz der Verfassungswidrigkeit auch weitere Bestimmungen erfasst sind und sich zudem - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum § 41a AsylG 2005 (alt) betreffend die vor dem 1. Jänner 2014 maßgebliche Rechtslage -derart untrennbare Zusammenhänge ergeben, die es erforderlich machen, den Anfechtungsumfang - hier im Besonderen auch auf § 12a AsylG 2005 - zu erweitern. Es erscheint nämlich nicht ausgeschlossen, dass bei Wegfall der vorderhand als präjudiziell anzusehenden Normen auch Bestimmungen aufzuheben sein werden, die zwar hinsichtlich der Festlegung der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgericht[s] nicht unmittelbar präjudiziell sind, aber mit den präjudiziellen Bestimmungen in einem solchen untrennbaren konkreten Regelungszusammenhang stehen, sodass im Fall des Zutreffens der Bedenken auch ihre Aufhebung erforderlich sein könnte. Dem soll mit den Eventualanträgen Rechnung getragen werden."

Das Bundesverwaltungsgericht orientiert sich bei der Festlegung des Anfechtungsumfangs am Anfechtungsumfang, der dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde liegt.

IV. Bedenken

In seinem Antrag umschrieb der Verwaltungsgerichtshof seine Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen wie folgt:

"Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde und gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit, sowie weiters über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde und über Beschwerden gegen Weisungen. Nach Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG können durch Bundes- oder Landesgesetz sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze vorgesehen werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung - anlässlich eines Verfahrens zu den Bestimmungen betreffend die ‚Schubhaftbeschwerde' - bereits mit dem Regelungsgehalt des Art. 130 Abs. 1 B-VG näher auseinandergesetzt. In seinem - im Erkenntnis vom 12. März 2015, G 151/2014 ua., wörtlich wiedergegebenen - Prüfbeschluss hat er wie folgt ausgeführt:

‚Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Ansicht, dass aus Art. 130 B-VG abzuleiten sein dürfte, dass den Verwaltungsgerichten nur Zuständigkeiten hinsichtlich der Entscheidung über ‚Beschwerden' übertragen werden können. Das dürfte einerseits ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichtes ausschließen und andererseits ein entsprechendes Kontrollobjekt verlangen; erstinstanzliche Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichtes dürften daher nicht begründet werden können [...]'.

Wenngleich der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12. März 2015, G 151/2014 ua., hinsichtlich der geprüften Bestimmungen seine dort auf das Vorliegen einer möglichen erstinstanzlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Bezug nehmenden Bedenken nicht aufrechterhalten hat, ging er im Rahmen seiner weiteren Beurteilung doch unmissverständlich davon aus, dass bei der Beurteilung, ob die geprüften Regelungen dem Art. 130 B-VG widersprechen, die im Prüfbeschluss genannten Maßstäbe heranzuziehen seien.

Aus dieser Entscheidung ergibt sich somit, dass Art. 130 B-VG festlegt, dass einem Verwaltungsgericht nur Zuständigkeiten hinsichtlich der Entscheidung über ‚Beschwerden' übertragen werden dürfen. Insoweit hat der einfache Gesetzgeber bei der Festlegung einer Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichts zu beachten, dass

1. Art. 130 B-VG ein amtswegiges Tätigwerden des Verwaltungsgerichtes ausschließt,

2. ein entsprechendes Kontrollobjekt vorliegt, und

3. eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes nicht

begründet werden darf.

In diesem Sinn geht auch der Verfassungsgesetzgeber im Rahmen eines rezenten Gesetzgebungsprozesses davon aus, dass es für die Schaffung einer (erstinstanzlichen) Zuständigkeit (ua. auch) des Verwaltungsgerichts einer eigenen verfassungsrechtlichen Bestimmung bedarf (vgl. den Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses vom 11. April 2018 über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert werden, der der Einführung eines spezifischen datenschutzrechtlichen Rechtsschutzes, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der mit 25. Mai 2018 in Kraft tretenden DSGVO, auch vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Rahmen ihrer sonstigen Zuständigkeiten in gerichtlicher Funktion Angelegenheiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit [nicht der Justizverwaltung] besorgen, dienen soll; BUA 100 BlgNR 26. GP, 2).

Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Bestimmungen des § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und des § 22 Abs. 1 BFA-VG besteht zunächst das Bedenken, dass der Gesetzgeber ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichts angeordnet hat.

Der Bestimmung des Art. 130 B-VG, wonach die Verwaltungsgerichte ‚über Beschwerden' zu entscheiden haben, liegt zweifellos der Gedanke - eben in Abgrenzung zu einem amtswegigen Vorgehen - zugrunde, dass nur dann von einem Verwaltungsgericht über Streitigkeiten betreffend die Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde zu entscheiden ist, wenn solche von jemandem, der rechtliche Interessen verfolgt (seien sie eigene oder - wie etwa im Fall von Organparteien - öffentliche), an das Verwaltungsgericht herangetragen werden.

Dies ergibt sich - abgesehen vom allgemeinen Verständnis des Begriffes der ‚Beschwerde' - nicht zuletzt auch aus Art. 132 B-VG, der festlegt, wer berechtigt ist, wegen Rechtswidrigkeit ua. eines Bescheides Beschwerde zu erheben.

Es vermag aber auch Art. 132 Abs. 5 B-VG die hier in Rede stehende Beschwerdefiktion nicht zu decken. Art. 132 Abs. 5 B-VG ermächtigt den einfachen Gesetzgeber nämlich nur - sei es zur Geltendmachung subjektiver Rechte oder im Fall von Organ- bzw. Amtsparteien zur Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit - zur Erweiterung des Kreises der Beschwerdeberechtigten (vgl. Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Art. 132 B-VG, Rn. 19f.). Die die Akten übermittelnde Verwaltungsbehörde behauptet aber (naturgemäß) gerade nicht, dass ihr Bescheid an irgendeiner vom Verwaltungsgericht zu berücksichtigenden Rechtswidrigkeit leiden würde, sodass es schon an der nach Art. 132 Abs. 5 B-VG notwendigen Erfüllung des Tatbestands einer Beschwerdeerhebung ‚wegen Rechtswidrigkeit' mangelt.

Entsprechend diesem Verständnis sieht auch § 9 Abs. 1 VwGVG vor, dass eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Z 3) und das Begehren (Z 4) zu enthalten hat.

Nach den hier in Rede stehenden Bestimmungen wird das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht aber gerade nicht durch einen vom Verfahren vor der Verwaltungsbehörde Betroffenen - im hier maßgeblichen Verfahren käme insoweit ausschließlich der Asylwerber, in dessen Rechtssphäre mittels Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes eingegriffen wird, in Betracht - initiiert. Vielmehr ordnet der Gesetzgeber in § 22 Abs. 10 AsylG 2005 an, dass die Verwaltungsakten unverzüglich nach Erlassung des Bescheides über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung nach § 22 BFA-VG zu übermitteln sind. Diese Übermittlung gilt (allein) als Beschwerde. Das Vorliegen einer vom Betroffenen erhobenen Beschwerde ist somit nach dem Gesetz für die Einleitung des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht als Voraussetzung festgelegt. Vielmehr ist aus der gesetzlichen Anordnung ableitbar, dass eine Beschwerdeerhebung durch den vom Bescheid Betroffenen sogar unzulässig ist.

Ein solches Verständnis wollte der Gesetzgeber diesen Bestimmungen auch erklärtermaßen beigelegt wissen, indem er dies auch in den Erläuterungen zur Änderung des § 22 BFA-VG (RV 2144 BlgNR 24. GP, 15) mit dem FNG-Anpassungsgesetz (BGBl. I Nr. 68/2013) zum Ausdruck brachte und zudem ausführte, die neue Regelung entspreche der bisherigen (bis zum 31. Dezember 2013 geltenden) Regelung des § 41a AsylG 2005 (alt):

‚§ 22 entspricht dem geltenden § 41a AsylG 2005 und legt Sondernomen für das Verfahren betreffend die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes von Folgeanträgen nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest.

Gemäß § 12a Abs. 2 kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz eines Asylwerbers, der einen Folgeantrag gestellt hat, unter bestimmten Voraussetzungen aufheben (siehe dazu § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und die bezughabenden Erläuterungen). Wird der faktische Abschiebeschutz vom Bundesamt mit Bescheid aufgehoben, so ist dagegen keine Beschwerde des Asylwerbers an das Bundesverwaltungsgericht zulässig oder erforderlich. Vielmehr wird diese Entscheidung ‚automatisch' dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt und gilt dies als Beschwerde (siehe dazu auch § 22 Abs. 10 AsylG 2005). [...]'

Dass der Gesetzgeber offenbar versucht, dem Art. 130 Abs. 1 B-VG Genüge zu tun, indem er in § 22 Abs. 10 AsylG 2005 festlegt, die von Amts wegen erfolgte Übermittlung der Verwaltungsakten gelte als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, vermag nichts daran zu ändern, dass mit den Bestimmungen des § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und des § 22 BFA-VG in Wahrheit ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichts angeordnet wird. Stünde es nämlich dem einfachen Gesetzgeber frei, nach Belieben festzulegen, dass irgendein näher beschriebenes Verwaltungshandeln (hier: die Übermittlung von Akten) als ‚Beschwerde' eingestuft werden könnte, würde dem Art. 130 B-VG (und dann auch Art. 132 B-VG) ein Inhalt unterstellt, der dazu führt, dass die dortige Einschränkung, dem Verwaltungsgericht nur Entscheidungen ‚über Beschwerden' übertragen zu dürfen, bedeutungslos wäre. Derartiges kann dem Verfassungsgesetzgeber aber nicht zugesonnen werden.

Dies wird auch durch einen Vergleich mit der vor dem 1. Jänner 2014 geltenden Rechtslage des B-VG erhärtet. Daraus ergibt sich zudem, dass die nunmehrige Rechtslage auch nicht mit dem Hinweis auf die Vorgängerbestimmung und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gerechtfertigt werden kann.

Art. 129a und Art. 129c B-VG (alt) sahen (auszugsweise) in ihrer bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung vor:

‚A. Unabhängige Verwaltungssenate in den Ländern

Artikel 129a. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern erkennen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt,

1. in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes,

2. über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes,

3. in sonstigen Angelegenheiten, die ihnen durch die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze zugewiesen werden,

4. über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten der Z 1, soweit es sich um Privatanklagesachen oder um das landesgesetzliche Abgabenstrafrecht handelt, und der Z 3.

[...]

Asylgerichtshof

Artikel 129c. Der Asylgerichtshof erkennt nach Erschöpfung des Instanzenzuges

1. über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen,

2. über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Asylsachen.'

Bereits Art. 129a und Art. 129c B-VG (alt) enthielten demnach hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten eine Einschränkung der Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate und des Asylgerichtshofes auf Verfahren ‚über Beschwerden'. Anders als die nunmehrige Rechtslage war eine solche Einschränkung aber nicht umfassend, sondern nur in Art. 129a Abs. 1 Z 2 und Z 4 und Art. 129c Z 2 B-VG (alt) vorgesehen. Gerade in Bezug auf Art. 129c B-VG ist festzuhalten, dass die unterschiedlichen Formulierungen in dessen Z 1 und Z 2 nur den Schluss zulassen, dass die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes nach Art. 129c Z 1 B-VG (alt) zwar auf Entscheidungen über Bescheide in Asylsachen eingeschränkt werden sollte, aber damit nicht eine Einschränkung auf Entscheidungen über Beschwerden gegen Bescheide einherging. Dies schloss es aus dem Blickwinkel des Art. 129c Z 1 B-VG (alt) dann nicht aus, den Asylgerichtshof (unter der Voraussetzung, dass Prüfgegenstand ein in Asylsachen ergangener letztinstanzlicher Bescheid war) auch zu einem amtswegigen Vorgehen zu berufen (demgegenüber sprach der den damaligen unabhängigen Bundesasylsenat betreffende und mit Ablauf des 30. Juni 2008 außer Kraft getretene Art. 129c Abs. 1 Z 1 B-VG noch ausdrücklich von ‚Beschwerden in Asylsachen').

In seinem Erkenntnis vom 9. Oktober 2010, U 1046/10, musste sich der Verfassungsgerichtshof mit dieser Frage nicht ausdrücklich näher befassen. In Pkt. II.2.2.3. der Entscheidungsgründe führte er jedoch aus:

‚Die - durch die Übermittlung der Verwaltungsakten an den Asylgerichtshof ausgelöste - ‚automatische' Überprüfung der Entscheidung des Bundesasylamtes gemäß § 41a AsylG 2005 gewährleistet die rasche Überprüfung durch den Asylgerichtshof (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP). Der Überprüfung durch den Asylgerichtshof kommt an sich keine aufschiebende Wirkung zu. Jedoch hat der Gesetzgeber mit der - a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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