TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/24 96/21/0591

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Veröffentlicht am 24.03.2000
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
FrG 1997 §114 Abs4;
StGB §105 Abs1;
StGB §107 Abs1;
StGB §127;
StGB §142 Abs1;
StGB §143;
StGB §201 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M in Garsten, geboren am 5. März 1966, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Ringstraße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 18. Juni 1996, Zl. St 294/96, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei bereits zweimal rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden, und zwar am 12. Dezember 1991 wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen a S 45,--, bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von drei Jahren, und am 7. Oktober 1992 wegen des Verbrechens des schweren Raubes, der Vergewaltigung, des Vergehens der gefährlichen Drohung und der Nötigung nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall, 201 Abs. 1, 107 Abs. 1, 105 Abs. 1 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren. In Anbetracht dieser rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Der seit 1976 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer sei seit 11 Jahren mit seiner in Österreich ansässigen Ehegattin verheiratet und habe mit ihr drei Kinder. Seine Ehegattin beziehe ein regelmäßiges Einkommen. Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde daher nicht unbeträchtlich in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen.

Jedoch sei durch die Schwere der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers und die dadurch bedingte Verurteilung zu einer relativ hohen Strafe (sechs Jahre Freiheitsstrafe unbedingt) nicht nur die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Lichte des § 19 FrG dringend geboten.

Die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten gehörten zu den schwersten Delikten und verlangten eine rigorose und konsequente Strafverfolgung und eine ebensolche Strafvollstreckung. "Gleiches" werde man wohl auf den Bereich des Fremdenrechts umlegen können und müssen. Bei Begehung derartiger Delikte müssten die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Nichterlassung des Aufenthaltsverbots hinter das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und der Verhinderung weiterer derartiger Straftaten zurücktreten. Im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose würde die Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiegen als die Auswirkung dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinn des § 20 Abs. 1 FrG zulässig.

Gemäß § 20 Abs. 2 FrG dürfe ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, hätte verliehen werden können, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre auf § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG zu gründen, weil der Fremde wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden sei. Demnach sei das Aufenthaltsverbot auch gemäß § 20 Abs. 2 FrG nicht rechtswidrig, weil der Beschwerdeführer wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden sei.

Das Aufenthaltsverbot sei unbefristet zu erlassen gewesen, "zumal" nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe (für dessen Erlassung), die auch in der charakterlichen Einstellung des Beschwerdeführers zu suchen seien, wegfallen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der dessen Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt wird.

Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid angesichts der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe offensichtlich in den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, eine Grundlage fände und somit nicht gemäß § 114 Abs. 4 leg. cit. außer Kraft getreten ist (vgl. den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere (u.a.) zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist somit die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen erheblich gefährdet.

§ 18 Abs. 1 FrG ordnet sohin an, dass bei Vorliegen einer der in Abs. 2 aufgezählten Tatbestände auf der Grundlage des entsprechenden Sachverhaltes eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob in concreto die umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Um diese Gefährlichkeitsprognose treffen zu können, ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl. 98/21/0160.)

Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde nicht, dass er im Jahr 1991 wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Geldstrafe und im Jahr 1992 wegen des Verbrechens des schweren Raubes, der Vergewaltigung, des Vergehens der gefährlichen Drohung und der Nötigung nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall, 201 Abs. 1, 107 Abs. 1, 105 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

Damit ist der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und es besteht angesichts seines gesamten Fehlverhaltens - dessen Berücksichtigung in der Beschwerde ausdrücklich gefordert wird - kein Zweifel an der Verwirklichung der in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme.

Gemäß § 19 FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Weiters darf gemäß § 20 Abs. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei der Abwägung nach der letztgenannten Gesetzesstelle ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Die belangte Behörde verkennt in ihren Ausführungen nicht, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich - in letzter Zeit allerdings in Strafhaft - im Bundesgebiet weitgehend integriert ist. Sie berücksichtigte auch die privaten und familiären Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere im Hinblick auf das Zusammenleben mit seiner Ehegattin und seinen Kindern.

Wenn die belangte Behörde dem öffentlichen Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht beimaß als den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers, so begegnet dies seitens des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken, weil angesichts der besonderen Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Straftaten (darunter schwerer Raub und Vergewaltigung) und des daraus abzuleitenden hohen Grades der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer dessen zweifellos ebenfalls gewichtigen privaten und familiären Interessen zurückzutreten haben. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer behauptetermaßen keine Bindungen in der Türkei hat, denn mit dem Aufenthaltsverbot wird nicht darüber abgesprochen, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 99/21/0215).

Letztlich vermag auch der Beschwerdehinweis auf die in einem Gutachten des Instituts für forensische Psychiatrie dem Beschwerdeführer zuerkannte günstige Prognose aus spezialpräventiver Sicht für eine bedingte Entlassung nicht zum Erfolg der Beschwerde zu verhelfen, weil die zur Vollziehung des Fremdengesetzes zuständige Behörde nicht an die bei einer gerichtlich ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht oder einer bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe vom Gericht angestellten Erwägungen gebunden ist, sondern vielmehr die im Grund des § 20 Abs. 1 FrG gebotene Interessenabwägung eigenständig und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu treffen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 96/21/0690).

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996210591.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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