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10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht;Norm
VerbotsG 1947 §3g;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des A.H.T. in Wien, vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburger Kai 47, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Oktober 1997, Zl. SD 636/96, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. April 1996 entzog die Bundespolizeidirektion Wien, Administrationsbüro, dem 1970 geborenen Beschwerdeführer die ihm im Oktober 1991 ausgestellte Waffenbesitzkarte. Diese Entscheidung stützte sich im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer "am 14. September 1995 vom Obersten Gerichtshof wegen § 3 g Verbotsgesetz zu 18 Monaten bedingt auf drei Jahre Probezeit rechtskräftig verurteilt" worden sei. Bei dieser Verurteilung handle es sich um einen Tatbestand, der sich gegen die staatlichen Interessen bzw. gegen die Rechtsgüter der Republik Österreich richte, weshalb der Beschwerdeführer nicht mehr die in § 6 Abs. 1 WaffG 1986 geforderte waffenrechtliche Verlässlichkeit besitze. Die Verurteilung werde frühestens am 14. Dezember 2005 getilgt sein. Bei der Beurteilung einer Person als verlässlich im Sinne des Waffengesetzes sei ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart zu bewerten. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person rechtfertigten bereits die Annahme, dass die geforderte waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht mehr gewährleistet sei, wobei es nicht erforderlich sei, dass tatsächlich eine missbräuchliche Verwendung einer Waffe jemals stattgefunden habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen diese Entscheidung ab. Sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass die Entziehung der Waffenbesitzkarte auf § 25 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 des inzwischen in Kraft getretenen Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997, gestützt werde, und ergänzte die Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz im Wesentlichen um folgende Ausführungen:
"Unbestritten ist, dass sich der Beschwerdeführer nationalsozialistisch wiederbetätigt hat. Diese Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bedeutet, dass die Interessen der Republik Österreich durch das Verhalten des Beschwerdeführers stark gefährdet waren, sowohl was die innere Ordnung und Sicherheit und Stabilität der Republik Österreich als auch das Ansehen Österreichs auf internationaler Ebene betrifft. Bei einer Person mit dieser Gesinnung und Geisteshaltung ist auch die Annahme gerechtfertigt, dass ihm auch sonstige Rechtsnormen und Sicherheitsvorschriften der Republik gleichgültig sind. Die Verhaltensweise und die Gesinnung des Beschwerdeführers rechtfertigen die Annahme, dass er die oben dargestellten Vorschriften in Bezug auf die Verlässlichkeit nicht beachten wird. Diese Annahme ist umso mehr gerechtfertigt, als bei einer Hausdurchsuchung auf einer Ferienfarm, wo der Beschwerdeführer, der sich größtenteils in Wien aufhält, ein Zimmer als Zweitunterkunft unterhält, am 20.10.1994 unter seinem Bett ein Scharfschützengewehr und dazugehörige Munition aufgefunden worden war. Die Waffe befand sich in einer Schachtel und war in keiner Weise vor dem Zugriff durch Dritte gesichert, da das Zimmer nicht abgeschlossen war und dadurch den Gästen sowie dem Personal des Feriendorfes 'Agathenhof' der ungehinderte Zugang zu den Räumlichkeiten möglich war. Von einer sorgfältigen Verwahrung der Waffe kann daher keine Rede sein. Dass der Ort, wo sich die Waffe befand, 'nur' der Großmutter des Beschwerdeführers bekannt war, vermag daran nichts zu ändern."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
§ 8 Abs. 1 bis 4 WaffG 1996 lauten:
"Verlässlichkeit
§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er
1.
Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.
(2) Ein Mensch ist keinesfalls verlässlich, wenn er
1.
alkohol- oder suchtkrank ist oder
2.
psychisch krank oder geistesschwach ist oder
3.
durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen.
(3) Als nicht verlässlich gilt ein Mensch im Falle einer Verurteilung
1. wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden oder wegen Zuhälterei, Menschenhandels, Schlepperei oder Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder
2. wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels oder
3. wegen einer durch fahrlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Menschen oder
4. wegen einer in Z 1 genannten strafbaren Handlung, sofern er bereits zwei Mal wegen einer solchen verurteilt worden ist.
(4) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Trotz einer nicht getilgten Verurteilung im Sinne des Abs. 3 kann ein Mensch verlässlich sein, wenn das Gericht vom Ausspruch der Strafe abgesehen hat (§ 12 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 - JGG, BGBl. Nr. 599); Gleiches gilt, wenn das Gericht sich den Ausspruch der Strafe vorbehalten hat (§ 13 JGG) oder die Strafe - außer bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten - ganz oder teilweise bedingt nachgesehen hat, sofern kein nachträglicher Strafausspruch oder kein Widerruf der bedingten Strafnachsicht erfolgte."
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von den Behörden des Verwaltungsverfahrens aus seiner Verurteilung nach dem Verbotsgesetz gezogenen Schlüsse, wobei er für sich ins Treffen führt, es handle sich um ein "politisches Urteil" und die Verurteilung bedeute nicht, dass die Interessen der Republik Österreich durch sein Verhalten stark gefährdet worden seien. Verstöße gegen das Verbotsgesetz, welches nicht zur Wahrung österreichischer Interessen, sondern unter dem Druck ausländischer Regierungen erlassen worden sei, könnten sogar "dem Bestreben entspringen, im Sinne der eigentlichen österreichischen Verfassung zu handeln". Die "Beachtung des VG" möge "zwar das Wohlwollen der interessierten ausländischen Regierungen hervorrufen", steigere "aber selbst bei diesen nicht das Ansehen Österreichs". Das "Nachgeben gegenüber dem Druck" steigere "auch bei den Druckausübenden nicht das Ansehen des Genötigten" und umgekehrt sei "ein Verstoß gegen die aufgezwungene Maßnahme nicht geeignet, das Ansehen zu mindern". Dem Beschwerdeführer seien "die sonstigen Rechtsnormen und Sicherheitsvorschriften der Republik Österreich", die "wie dargelegt im Widerspruch zum VG" stünden, keineswegs gleichgültig, sondern "ganz im Gegenteil wichtiger als das VG", weshalb der Schluss aus der Verurteilung des Beschwerdeführers nach dem Verbotsgesetz auf eine geringere Verlässlichkeit nicht richtig sei.
Der ergänzenden, auf die Ergebnisse der Hausdurchsuchung am 20. Oktober 1994 bezogenen Begründung der belangten Behörde hält der Beschwerdeführer entgegen, die belangte Behörde sei bei ihren Feststellungen hierüber von der Richtigkeit eines Schreibens der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan ausgegangen, dessen inhaltliche Richtigkeit "im Verfahren selbst nicht hervorgekommen
... bzw. nie überprüft" worden sei, während die "Stellungnahmen des Beschwerdeführers" gänzlich außer Acht gelassen worden seien. Die "erweiterten Feststellungen" der belangten Behörde seien in der von ihr getroffenen Form daher rechtswidrig und "irreführend, soweit denselben nicht klar zu entnehmen ist, ob die Waffe getrennt von der zugehörigen Munition aufbewahrt gewesen ist, wie dies tatsächlich - vom Beschwerdeführer auch durchgehend vorgebracht - der Fall gewesen ist". Die belangte Behörde habe sich über die Beweisanträge des Beschwerdeführers in der Berufung und über dessen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung hinweggesetzt und dem Bescheid rechtswidrig einen erweiterten Sachverhalt zugrunde gelegt, "während in Abführung lediglich der Einvernahme des Beschwerdeführers bereits zweifelsfrei hervorgekommen wäre, dass dieser die Waffe ordnungsgemäß und getrennt (gemeint: von) der Munition verwahrt hatte".
Zur Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bringt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang noch vor, die von ihm - erfolglos - beantragte Beischaffung des Strafaktes hätte ergeben, dass sein Verhalten völlig gewaltfrei gewesen sei und sich "auf die Wiedergabe von Meinungen" beschränkt habe. Die "Gesinnung und Verhaltensweisen des Beschwerdeführers" seien "gänzlich dem demokratischen Gefüge unserer Gesellschaft angepasst".
Der zuletzt wiedergegebenen Ansicht des Beschwerdeführers ist schon mit Rücksicht auf den Gegenstand seiner rechtskräftigen Verurteilung nicht zu folgen. Wer sich im Sinne des § 3 g Verbotsgesetz "im nationalsozialistischen Sinn betätigt" und deshalb - wie der Beschwerdeführer - zu einer die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr nicht unerheblich übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt wird, bei dem liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes eine "Tatsache" vor, die die Annahme rechtfertigt, dass er sich auch in einer der in § 8 Abs. 1 Z. 1 bis 3 WaffG 1996 umschriebenen Weisen rechtswidrig verhalten wird.
Dies folgt auch aus einem Vergleich mit § 8 Abs. 3 Z. 1 WaffG 1996, wonach unter anderem als nicht verlässlich gilt, wer wegen eines Angriffes gegen den Staat, also etwa Teilnahme an einer staatsfeindlichen Verbindung (§ 246 Abs. 3 StGB) oder Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole (§ 248 StGB), oder wegen eines Angriffes gegen den öffentlichen Frieden, also etwa Verhetzung (§ 283 StGB), zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen verurteilt worden ist. Die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe ändert daran nichts, wenn ihr Ausmaß sechs Monate übersteigt (§ 8 Abs. 4 WaffG 1996). Vor dem Hintergrund dieser von den geschützten Rechtsgütern her vergleichbaren Beispielsfälle von Verurteilungen, die der Annahme waffenrechtlicher Verlässlichkeit nach der Wertung des Gesetzgebers auch bei Verhängung erheblich niedrigerer Strafen zwingend entgegenstehen, kann die Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten wegen des Verbrechens nach § 3 g Verbotsgesetz schon für sich genommen als "Tatsache" im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG 1996 angesehen werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne dass auf die von der belangten Behörde noch zusätzlich herangezogenen Ergebnisse der Hausdurchsuchung vom 20. Oktober 1994 eingegangen werden müsste. Der belangten Behörde ist in diesem Zusammenhang allerdings auch Recht zu geben, wenn sie darauf verweist, dass die vom Beschwerdeführer zur Darlegung der Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel - in ausreichend konkreter Form - lediglich erhobene Behauptung, er habe die Waffe getrennt von der zugehörigen Munition aufbewahrt, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung wäre (vgl. dazu die bei Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996, 53, erwähnten Entscheidungen).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997200752.X00Im RIS seit
09.02.2001