TE Vwgh Erkenntnis 2014/8/21 Ra 2014/11/0007

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Veröffentlicht am 21.08.2014
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z11;
FSG 1997 §7 Abs4;
SMG 1997 §28a;
StGB §156c Abs1;
StGB §43 Abs1;
StGB §46 Abs1;
StGB §46;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2014/11/0012 E 21. August 2014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision des E R in B, vertreten durch Heinzle - Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 14. März 2014, Zl. LVwG-411-096/E14-2013, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Bludenz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis vom 14. März 2014 entzog das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer Verhandlung dem Revisionswerber, dessen Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 8. August 2013 teilweise Folge gebend, die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A, B, C1, C, EzB, EzC1, EzC und F für die Dauer von 10 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Erkenntnisses.

Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

1.1. Das FSG lautet (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

11. eine strafbare Handlung gemäß § 28a oder § 31a Abs. 2 bis 4 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997 in Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 begangen hat;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem (§ 30a) Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen auf Grund des § 7 Abs. 3 Z 14 und 15.

..."

1.2. Das StGB lautet (auszugsweise):

"Bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe

§ 46. (1) Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.

(2) Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

(3) Ist die Freiheitsstrafe wegen einer vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangenen Tat verhängt worden, so beträgt die mindestens zu verbüßende Strafzeit (Abs. 1) einen Monat.

(4) Bei Entscheidungen nach Abs. 1 ist auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzugs begonnene freiwillige Behandlung im Sinne von § 51 Abs. 3, die der Verurteilte in Freiheit fortzusetzen bereit ist, eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 erreicht werden kann.

..."

1.3. Das StVG lautet (auszugsweise):

"Bewilligung und Widerruf

§ 156c. (1) Der Vollzug einer zeitlichen Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests ist auf Antrag des Strafgefangenen oder auf Grund eines schon vor Strafantritt zulässigen Antrags des Verurteilten zu bewilligen, wenn

1. die zu verbüßende oder noch zu verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt oder nach sinngemäßer Anwendung des § 145 Abs. 2 voraussichtlich nicht übersteigen wird,

2. der Rechtsbrecher im Inland

a.

über eine geeignete Unterkunft verfügt,

b.

einer geeigneten Beschäftigung nachgeht,

c.

Einkommen bezieht, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann,

              d.       Kranken- und Unfallversicherungsschutz genießt,

              3.       die schriftliche Einwilligung der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen vorliegt, und

              4.       nach Prüfung der Wohnverhältnisse, des sozialen Umfelds und allfälliger Risikofaktoren sowie bei Einhaltung der Bedingungen (§ 156b Abs. 2) anzunehmen ist, dass der Rechtsbrecher diese Vollzugsform nicht missbrauchen wird.

...

(2) Die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest ist zu widerrufen, wenn

1. eine für ihre Anordnung notwendige Voraussetzung wegfällt, wobei § 145 Abs. 3 sinngemäß gilt,

2. der Strafgefangene eine Anordnung oder eine ihm auferlegte Bedingung entweder in schwerwiegender Weise oder trotz einer förmlicher Mahnung nicht einhält,

3. der Strafgefangene länger als einen Monat mit der Zahlung des Kostenbeitrags in Verzug ist, wobei eine neuerliche Bewilligung nicht in Betracht kommt, bevor der rückständige Kostenbeitrag entrichtet worden ist,

4. der Strafgefangene erklärt, die Bedingungen nicht mehr einhalten zu können, oder

5. gegen den Strafgefangenen der dringende Verdacht besteht, eine vorsätzliche gerichtlich strafbare Handlung während des elektronisch überwachten Hausarrests oder eine vorsätzliche oder fahrlässige gerichtlich strafbare Handlung, deren Aburteilung nach Abs. 1 Z 4 einer Bewilligung des Strafvollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest entgegenstehen würde, begangen zu haben oder sich dem weiteren Strafvollzug entziehen zu wollen.

..."

2. Die Revision ist zulässig.

2.1. Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gemäß § 34 Abs. 1a VwGG der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden.

2.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes ist die Revision im vorliegenden Fall zulässig, weil das Verwaltungsgericht - wie im Folgenden zu zeigen - die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Einbeziehung der Gründe für eine bedingte Entlassung nach § 46 StGB in die Verkehrszuverlässigkeitsprognose nach dem FSG außer Acht gelassen hat. Überdies fehlt bisher Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob in die Verkehrszuverlässigkeitsprognose nach dem FSG allenfalls auch einzubeziehen ist, dass der Person, deren Verkehrszuverlässigkeit in Frage steht, der Vollzug einer zeitlichen Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests bewilligt wurde.

3. Die Revision ist auch begründet.

3.1.1. Das Verwaltungsgericht ist von folgenden Sachverhaltsannahmen ausgegangen:

Der Revisionswerber sei mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 24. April 2013 schuldig erkannt worden, er habe

I.1. Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge aus- und eingeführt, und zwar im Zeitraum 2005 bis Anfang 2009 insgesamt mindestens 100 g Kokain (mehr als 45 g reine Kokainbase) im Zuge regelmäßiger grenzüberschreitender Transporte nach Österreich geschmuggelt, wobei er an ein Suchtmittel gewöhnt gewesen sei und die Straftat vorwiegend deshalb begangen habe, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;

I.2. im Zeitraum 2009 bis September 2012 von Vorarlberg aus einen bislang unbekannten Drogenlieferanten in Bolivien dazu bestimmt, Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge aus- und einzuführen, nämlich mindestens 700g Kokain (mehr als 510 g reine Kokainbase) im Zuge von sieben Paketsendungen im Luft- und Postwege von Bolivien über Deutschland nach Österreich zu verschicken, indem er mit dem Drogenlieferanten in Bolivien die Kokainlieferungen vereinbart habe und das Kokain telefonisch bestellt habe, Geldüberweisungen für den Ankauf desselben getätigt habe bzw. durch Dritte veranlasst habe, sowie als Empfänger der Kokainpakete fungiert und teilweise den Empfänger der Pakete angeworben habe;

II. Im Zeitraum 2009 bis Oktober 2012 in Vorarlberg Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich mindestens 80 g Kokain (mehr als 45 g reine Kokainbase), sohin eine die Grenzmenge mehrfach übersteigende Menge Kokain, durch Verkäufe und Übergaben an verschiedene Drogenabnehmer anderen überlassen habe, wobei er an ein Suchtmittel gewöhnt gewesen sei und die Straftat vorwiegend deshalb begangen habe, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;

III. Suchtgift erworben und besessen, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen habe, und zwar in Vorarlberg im Zeitraum 1994 bis ca. 2006 unerhobene Mengen Cannabisprodukte konsumiert und im Zeitraum 1994 bis ca. 2005 unerhobene Mengen Kokain konsumiert habe.

Der Revisionswerber habe hiedurch begangen:

zu I.1. (3-fach) die Vergehen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1, zweiter und dritter Fall, und Abs. 3 SMG;

zu I.2. das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1, zweiter und dritter fall, und Abs. 4 Z. 3 SMG, als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB;

zu II. (3-fach) die Vergehen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1, fünfter Fall, und Abs. 3 SMG;

zu III. die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1, erster und zweiter Fall, und Abs. 2 SMG.

Der Revisionswerber sei hiefür in Anwendung des § 28 StGB nach § 28a Abs. 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. Dezember 2013 sei der Revisionswerber nach Verbüßung der Hälfte der Strafe aus dem Vollzug (elektronisch überwachter Hausarrest) mit Wirksamkeit vom 18. Jänner 2014 bedingt entlassen worden (Probezeit drei Jahre; Strafrest 15 Monate) und Bewährungshilfe angeordnet worden.

Der Revisionswerber sei "derzeit" im Besitz der Lenkberechtigung, da (gemeint: von der belangten Behörde) die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht ausgeschlossen worden sei, er habe daher in der bisher verstrichenen Zeit sein Wohlverhalten unter Beweis stellen können. Auch das Landesgericht Feldkirch sei im Beschluss über die bedingte Entlassung davon ausgegangen, dass die bedingte Entlassung nicht weniger als die weitere Verbüßung der Strafe geeignet sei, den Revisionswerber von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. In diesem Beschluss sei weiters ausgeführt worden, dass sich der Revisionswerber bisher ordentlich und ohne Ordnungswidrigkeit geführt habe. Aus einer vom Revisionswerber vorgelegten Bestätigung der Beratungsstelle C. vom 8. Oktober 2013 ergebe sich schließlich, dass der Revisionswerber die Beratung und Betreuung dieser Beratungsstelle seit 18. Dezember 2012 in Anspruch nehme und vier Harntests seine Abstinenz von allen illegalen Drogen bestätigt hätten.

3.1.2. Rechtlich würdigte das Verwaltungsgericht dies dahin, dass die vom Revisionswerber begangenen strafbaren Handlungen sehr verwerflich seien, dieser habe über einen sehr langen Tatzeitraum hinweg erhebliche Mengen Kokain im Zuge grenzüberschreitender Transporte nach Österreich geschmuggelt bzw. als Bestimmungstäter von Bolivien über Deutschland nach Österreich verschicken lassen. Dabei sei er an Suchtmittel gewöhnt gewesen.

Selbst unter der Annahme einer Entwöhnung des Revisionswerbers sei diese für die Frage der Verkehrszuverlässigkeit nicht von Bedeutung, weil im Falle des Revisionswerbers nicht der Konsum, sondern insbesondere das Inverkehrsetzen von Suchtmitteln die Verkehrsunzuverlässigkeit nach sich gezogen habe. Das Inverkehrbringen von Suchtmitteln werde typischerweise durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen wesentlich erleichtert. Vor dem Hintergrund der oben erwähnten Umstände sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber die Sinnesart gemäß § 7 Abs. 1 FSG, derentwegen die Verkehrsunzuverlässigkeit anzunehmen sei, erst in zehn Monaten überwunden haben werde.

3.2.1. Unstrittig ist im Revisionsfall einerseits, dass der Revisionswerber bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses über eine aufrechte Lenkberechtigung verfügte, weiters seine Verurteilung wegen einer Straftat gemäß § 28a SMG. Daraus folgt, dass der Revisionswerber eine bestimmte Tatsache iSd. § 7 Abs. 3 Z. 11 FSG verwirklicht hat.

Vom Verwaltungsgericht zu beantworten war daher die Frage, ob die nach § 7 Abs. 4 FSG durchzuführende Wertung der verwirklichten bestimmten Tatsache die (prognostische) Annahme rechtfertigt, dass der Revisionswerber im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses, mithin ca 17 Monate nach Beendigung der letzten strafbaren Handlung, noch verkehrsunzuverlässig, und zwar für mindestens drei Monate, verkehrsunzuverlässig ist.

3.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner mittlerweile ständigen Judikatur - auch im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten - wiederholt hervorgehoben, dass eine bedingte Strafnachsicht nach § 43 Abs. 1 StGB zwar für sich allein noch nicht zwingend dazu führe, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen wäre, weil sich die bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht zur Gänze mit jenen decken, die für das Strafgericht für die bedingte Strafnachsicht nach dem StGB von Bedeutung sind, dass aber nach diesen Bestimmungen des StGB die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen wären und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könne, welche für die in § 7 Abs. 4 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. November 2003, Zl. 2002/11/0124, vom 21. November 2006, Zl. 2005/11/0168, vom 14. Mai 2009, Zl. 2009/11/0048, und vom 23. November 2011, Zl. 2009/11/0263).

Auch dass - kommt es nicht zu einer bedingten Strafnachsicht -

Haftzeiten für die nach den Wertungskriterien zu erstellende Prognose nicht ohne Bedeutung sind, entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B., bezogen auf Suchtgiftdelikte, die hg. Erkenntnisse vom 21. Februar 2006, Zl. 2004/11/0129, vom 21. März 2006, Zl. 2005/11/0196, und vom 21. November 2006, Zl. 2005/11/0168).

Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur - ebenfalls zu Suchtgiftdelikten - betont, dass auch die Umstände, die für das Strafgericht bei der Entscheidung über eine bedingte Entlassung aus der Strafhaft nach § 46 StGB zu berücksichtigen sind, für die Wertungskriterien nach § 7 Abs. 4 FSG und damit für die Verkehrszuverlässigkeitsprognose von Bedeutung sein können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/11/0159, vom 21. Februar 2006, Zl. 2003/11/0025, und vom 21. März 2006, Zl. 2005/11/0153). Ist es zu einer bedingten Entlassung aus der Strafhaft gekommen, so sind die Überlegungen, die das Strafgericht zur bedingten Entlassung bewogen haben, von Bedeutung auch für die Verkehrszuverlässigkeitsprognose, weil der Bestrafte gemäß § 46 Abs. 1 StGB nur dann zu entlassen ist, wenn im Ergebnis anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Die Prognose nach § 7 Abs. 4 FSG, ob ausreichende Gründe für die Annahme bestehen, jemand werde sich wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, ist zwar nicht identisch mit der des Strafgerichtes, in beiden Fällen geht es aber um das Vorliegen oder Nichtvorliegen hinreichender Gründe für eine Annahme, die zu beurteilende Person werde sich schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen. Die vom Strafgericht angestellten Überlegungen werden aus diesen Erwägungen insbesondere dann von besonderer Bedeutung für die Vollziehung des FSG sein, wenn die gerichtliche Entscheidung über die bedingte Entlassung im Zeitpunkt der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit noch nicht länger zurückliegt, weil dann die vom Strafgericht verwertbaren Umstände des Einzelfalles im Wesentlichen auch noch den nach FSG zu beurteilenden Fall kennzeichnen werden.

3.2.3. Für den Revisionsfall ergibt sich daraus Folgendes:

Laut dem vom Verwaltungsgericht selbst erwähnten Entlassungsbeschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. Dezember 2013 wurde der Revisionswerber im elektronisch überwachten Hausarrest angehalten - laut seinen Angaben in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht seit 14. August 2013 - und habe sich bisher ordentlich und ohne Ordnungswidrigkeiten geführt. Er verfüge über eine Wohnmöglichkeit und eine Arbeitsstelle, mit Ausnahme der im Vollzug stehenden Verurteilung habe er keine weiteren Vorstrafen, besondere generalpräventive Erfordernisse eines weiteren Vollzugs im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB lägen nicht vor.

Der Revisionsfall ist also dadurch gekennzeichnet, dass der Revisionswerber zunächst zu einer relativ hohen (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilt wurde und etwa ein Drittel der verhängten Strafe in Strafhaft verbüßt hat. Sodann hat der Revisionswerber mehrere Monate seiner Haft im elektronisch überwachten Hausarrest verbüßt. Die Entscheidung des Strafgerichtes, den Vollzug einer zeitlichen Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests gemäß § 156c Abs. 1 StGB zu bewilligen, ist, nicht zuletzt dann, wenn es im Anschluss an diesen Hausarrest zu einer bedingten Entlassung aus der Strafhaft kommt, für die Verkehrszuverlässigkeitsprognose zwar nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ist aber immerhin ein Indiz dafür, dass der Betroffene, wie die Kriterien des § 156c StGB zeigen, bereits Anzeichen für eine Reintegration aufweist.

Zieht man in Betracht, dass der Revisionswerber nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe (zuletzt im elektronisch überwachten Hausarrest) am 17. Jänner 2014 bedingt entlassen wurde und das Strafgericht, das die günstigen Umstände des Umfelds betone, annahm, der Revisionswerber würde auch durch die unter einer Probezeit ausgesprochene Entlassung hinreichend von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten, zieht man weiters in Betracht, dass der Revisionswerber schon ab seiner Entlassung bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses von der ihm bis dahin nicht wirksam entzogenen Lenkberechtigung Gebrauch machen konnte, so hätte es schon der Feststellung besonderer Umstände durch das Verwaltungsgericht bedurft, um eine Verkehrsunzuverlässigkeitsprognose zu rechtfertigen, derzufolge vom Revisionswerber trotz der gegenteiligen Erwägungen des Strafgerichtes noch ca. 17 Monate nach dem Ende der strafbaren Handlungen für wenigstens drei Monate iSd. § 25 Abs. 3 FSG (oder gar, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, für 10 Monate) anzunehmen wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Februar 2006, Zl. 2003/11/0025, und vom 14. Mai 2009, Zl. 2009/11/0048), er werde sich im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen. Solche Umstände, die eine die Prognose des Strafgerichtes entgegengesetzte Prognose stützen könnten, hat das Verwaltungsgericht jedoch nicht festgestellt.

3.3. Das angefochtene Erkenntnis, das wie aufgezeigt auf einer Verkennung der einschlägigen Rechtslage beruht, war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF. BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 21. August 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:RA2014110007.L00

Im RIS seit

29.08.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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