TE OGH 2010/8/24 2Nc22/10y

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Veröffentlicht am 24.08.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Adolf E*****, 2. Daniel E*****, beide vertreten durch Dr. Thomas J. Ruza, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 11.890,90 EUR sA über den „Delegierungsantrag“ der beklagten Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Am 19. 3. 2007 ereignete sich in Gmünd im Liesertal auf der Tauernautobahn in Fahrtrichtung Villach ein Verkehrsunfall, an dem ein von dem in Deutschland (Nordrhein-Westfalen) wohnhaften Erstkläger gelenkter und gehaltener Pkw sowie ein von einem in Italien (Provinz Padua) wohnhaften Mann gelenkter Pkw mit einem italienischen polizeilichen Kennzeichen beteiligt waren. Nach dem Klagsvorbringen wurde beim Unfall der ebenfalls in Deutschland (Nordrhein-Westfalen) wohnhafte Zweitkläger verletzt.

Der Erstkläger begehrt ua den Ersatz des Sachschadens am Klagsfahrzeug sowie Verdienstentgang, der Zweitkläger ua Schmerzengeld. Das Alleinverschulden treffe den Lenker des Beklagtenfahrzeugs, der auf der schneeglatten Fahrbahn mit Sommerreifen unterwegs gewesen sei und weder auf das Pannendreieck noch auf die Signale des Erstklägers reagiert habe und so wegen Unaufmerksamkeit oder überhöhter Geschwindigkeit auf das - nach einem Schleudervorgang - mit der Front entgegen die Fahrtrichtung stehende Klagsfahrzeug aufgefahren sei. Die Kläger beantragten ihre Einvernahme als Parteien, einen Ortsaugenschein sowie ein Kfz-Sachverständigengutachten.

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren zur Gänze und bringt vor, ein Pannendreieck sei nicht vorhanden gewesen, der Beklagtenlenker habe unmittelbar reagiert, für ihn sei der Unfall unabwendbar iSd § 9 EKHG gewesen. Die Beklagte beantragt zum Beweis für ihr Vorbringen die Einvernahme des Lenkers des Beklagtenfahrzeugs sowie ein Kfz-Sachverständigengutachten.

Die Beklagte regt die Delegierung des Verfahrens an das Bezirksgericht Spittal an der Drau an, in dessen Sprengel sich der Unfall ereignet habe.

Die Kläger sprechen sich gegen die Delegierung aus. Ein Ortsaugenschein, auf den verzichtet werde, sei nicht sinnvoll, zumal das betreffende Autobahnstück im Unfallzeitpunkt ein Provisorium gewesen sei und davon auszugehen sei, dass die Bautätigkeit inzwischen abgeschlossen sei und sich die Unfallstelle nunmehr anders als im Unfallzeitpunkt darstelle.

Aus der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ergibt sich, dass im Unfallzeitpunkt an der Unfallstelle eine 80 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung „wegen Baustelle“ verordnet war. Die Lichtbilder zeigen im Unfallbereich zwei von Betonleitplanken begrenzte Fahrstreifen in Fahrtrichtung Villach in einem sehr lang gezogenen Rechtsbogen.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien spricht sich für die Delegierung aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden.

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, hat doch die beklagte Partei ausdrücklich die Delegierung nicht beantragt, sondern nur angeregt; der Oberste Gerichtshof kann daher über keinen Delegierungsantrag entscheiden, weshalb der Akt dem Erstgericht zurückzustellen war.

Überdies lägen die Voraussetzungen für eine Delegierung nach dieser Gesetzesstelle nicht vor: Wenngleich im Allgemeinen Gründe der Zweckmäßigkeit dafür sprechen, Schadenersatzprozesse aus einem Verkehrsunfall bei dem Gericht durchzuführen, in dessen Sprengel sich der Unfall ereignete (RIS-Justiz RS0046149), soll dennoch nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0046324; RS0046441; RS0046589) eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden.

Ein Ortsaugenschein ist nunmehr von keiner Partei mehr beantragt und wäre auf der Autobahn an sich und überdies wegen der höchstwahrscheinlich sich mittlerweile anders darstellenden Unfallstelle wohl auch nicht sinnvoll (2 Nd 4/98; 2 Nc 8/06h). Die zur Einvernahme beantragten Personen wohnen nicht im Sprengel des Bezirksgerichts des Unfallorts, sondern im Ausland (nicht grenznah), sodass dem Gerichtsort zwecks Ersparnis von Anreisekosten der Parteien und des Zeugen keine entscheidende Bedeutung zukommt (vgl 2 Nd 14/94). Dagegen wäre durch den von beiden in Wien ansässigen Parteienvertretern verrechneten doppelten Einheitssatz (§ 23 Abs 5 RATG) sogar eine Verteuerung des Verfahrens bei Durchführung vor dem Bezirksgericht Spittal an der Drau zu erwarten.

Textnummer

E95004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0020NC00022.10Y.0824.000

Im RIS seit

03.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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