Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schaller und Dr. Rassi in der Rechtssache der widerklagenden Partei B***** S.p.A., ***** 2, I-17047 Vado Ligure, vertreten durch Schmidtmayr/Sorgo/Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die widerbeklagte Partei S***** s.r.o., *****, CZ-31600 Pilsen, vertreten durch Dr. Friedrich Schwank, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 450.000,-- sA, über den Rekurs der widerbeklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 12.04.2011, 23 Cg 106/06y-48, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die Rekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
B e g r ü n d u n g :
Text
Mit ihrer Widerklage begehrt die Widerklägerin, die Widerbeklagte zur Zahlung von EUR 450.000,-- sA zu verurteilen. Im Ausgangsverfahren zu 23 Cg 235/05t des HG Wien mache die Widerbeklagte einen Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von EUR 200.000,-- sA geltend. Tatsächlich schulde die Widerbeklagte aus dem abgeschlossenen Lizenzvertrag eine weitere Rate an vereinbartem Kostenersatz sowie die vereinbarte Mindestpauschallizenz für 2003. Mit Schriftsatz vom 03.05.2007 (ON 36) dehnte die Widerklägerin das Klagebegehren um die Mindestpauschallizenz für das Jahr 2004 um EUR 100.000,-- auf EUR 550.000,-- sA aus.
Die Widerklage samt Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung wurde der Widerbeklagten am 14.09.2006 zugestellt (ON 20). Da die Widerbeklagte innerhalb der gesetzten Frist keine Klagebeantwortung einbrachte, erließ das Erstgericht am 16.03.2007 über Antrag der Widerklägerin ein Versäumungsurteil über EUR 450.000,-- sA (ON 30).
Mit Schriftsatz vom 05.04.2007 (ON 31) erhob die Widerbeklagte fristgerecht Widerspruch gegen das Versäumungsurteil und beantragte, dieses aufzuheben. Gleichzeitig bestritt sie das Vorbringen der Widerklägerin und beantragte die Abweisung der Widerklage.
Mit ihrem am 12.04.2011 beim Erstgericht eingelangten Antrag stellte die Widerklägerin den Antrag, ihr aufgrund des Versäumungsurteils zur Sicherung ihrer Geldforderung von EUR 450.000,-- sA die Exekution zur Sicherstellung durch Pfändung und Verwahrung der sich im Gewahrsam der verpflichteten Partei „in Wien oder sonst wo immer im Inland befindlichen beweglichen Sachen aller Art, einschließlich Schienen- und Kraftfahrzeuge, insbesondere einer Lokomotive 190E, wie auf den Fotos in der integrierenden Anlage ./1 dargestellt“ sowie der in § 296 EO angeführten Papiere und Einlagenbücher zu bewilligen. Gleichzeitig beantragte die Widerklägerin die Überstellung und Verwahrung von Schienen- und Kraftfahrzeugen und die Bestellung der W***** GmbH als Verwahrer.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht den Antrag antragsgemäß (Stampiglie braun) bewilligt.
Die angefochtene Entscheidung wurde der Widerbeklagten anlässlich des Vollzugs der Sicherstellungsexekution durch das Exekutionsgericht (BG Fünfhaus) am 19.05.2011 zugestellt (vgl den Vollzugsbericht ON 5 im Akt 20 E 1309/11h bzw den AV in ON 52).
Gegen die Exekutionsbewilligung richtet sich der Rekurs der Widerbeklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Die Widerbeklagte beantragt, die angefochtene Entscheidung als nichtig aufzuheben und das gesamte Exekutionsverfahren für nichtig zu erklären. Gleichzeitig stellt die Widerbeklagte einen Aufschiebungsantrag und einen Antrag auf Aufhebung der bereits vollzogenen Pfändung der Lokomotive 190E/Cd 230.
Mit Beschluss vom 25.05.2011 (ON 53) überwies das Erstgericht den Aufschiebungsantrag und den Antrag auf Aufhebung bereits vollzogener Pfändung nach § 44 Abs 1 JN dem Exekutionsgericht (Bezirksgericht Fünfhaus).
Die Widerklägerin erstattete eine Rekursbeantwortung, die mangels Zweiseitigkeit des Exekutionsbewilligungsverfahrens allerdings zurückzuweisen war. § 521a ZPO ist im Exekutionsverfahren nicht anzuwenden (§ 65 Abs 3 EO).
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs richtet sich ausschließlich gegen die Exekutionsbewilligung. Nach § 259 Abs 2 EO kann der Antrag auf Einleitung einer Verwahrung bereits mit dem Antrag auf Bewilligung der Pfändung verbunden werden. Das ist hier geschehen; das Erstgericht hat neben der eigentlichen Exekutionsbewilligung auch die Verwahrung bewilligt und einen Verwahrer bestellt. Aus dem Rekurs ist nicht ersichtlich, dass sich dieser auch dagegen richtet, zumal gegen Beschlüsse, durch die die Verwahrung bewilligt wird, ohnedies kein Rekurs zulässig ist (§ 289 EO).
Die Rekurswerberin rügt, dass die Voraussetzungen für eine Exekution zur Sicherstellung mangels versäumter Tagsatzung nicht vorliegen. Entgegen der Rechtsansicht der Rekurswerberin kann die Exekution zur Sicherstellung allerdings auch aufgrund eines mangels rechtzeitiger Erstattung einer Klagebeantwortung nach § 396 Abs 1 ZPO gefällten Versäumungsurteils bewilligt werden. § 371 Z 1 EO bezieht sich auf § 396 ZPO. Der weitere Verweis in § 371 Z 1 EO auf § 442 ZPO soll klarstellen, dass auch aufgrund bezirksgerichtlicher Versäumungsurteile die Sicherstellungsexekution beantragt werden kann. Keinesfalls ist daraus ein Ausschluss für Versäumungsurteile der Gerichtshöfe erster Instanz nach § 396 Abs 1 abzuleiten, zumal in § 371 EO auch ausdrücklich § 397a erwähnt ist. Diese Bestimmung regelt den Widerspruch gegen das im Gerichtshofverfahren wegen nicht rechtzeitig erstatteter Klagebeantwortung gefällte Versäumungsurteil. Die Rechtsansicht der Rekurswerberin hätte zur Folge, dass aufgrund landesgerichtlicher Versäumungsurteile keine Sicherstellungsexekution bewilligt werden dürfte, weil im Gerichtshofverfahren ausschließlich gegen Versäumungsurteile wegen nicht rechtzeitiger Erstattung der Klagebeantwortung ein Widerspruch zulässig ist (Rechberger in Rechberger3 § 397a ZPO Rz 2), der aber Voraussetzung für eine Sicherstellungsexekution ist.
Ins Leere geht auch der Vorwurf der entschiedenen Rechtssache (res iudicata) hinsichtlich des erstgerichtlichen Beschlusses vom 18.04.2007 (ON 33). Diese vom Rekursgericht (vgl ON 43) bestätigte Entscheidung hatte den Antrag der Widerklägerin auf Ausstellung einer Bestätigung des Versäumungsurteils als europäischer Vollstreckungstitel nach der EuVTVO zum Gegenstand. Es war dabei ausschließlich zu klären, ob aufgrund des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil (noch) eine unbestrittene Forderung vorliegt, was sowohl vom Erst- als auch vom Rekursgericht verneint wurde. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Sicherstellungsexekution stehen damit in keinem Zusammenhang. Die Bewilligung einer Sicherstellungsexekution ist davon unabhängig, ob eine unbestrittene Forderungen iSd (hier nicht anzuwendenden) EuVTVO vorliegt, sodass res iudicata zu verneinen ist.
Unerheblich für die Voraussetzungen der Sicherstellungsexekution sind auch die von der Rekurswerberin aufgeworfenen Fragen zur Pfändung der Lokomotive. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Pfändung (der angeblich „falschen“ Lokomotive) naturgemäß erst nach Exekutionsbewilligung (hier: 12.04.2011) durch das Exekutionsgericht erfolgen kann (hier 19.05.2011). Der Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung hat sich jedoch auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung zu beschränken (RIS-Justiz RS0000019). Bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag ist nicht zu prüfen, ob die in Exekution zu ziehenden Vermögensobjekte vorhanden sind und im Eigentum des Verpflichteten stehen (vgl SZ 55/33; Mohr in Angst2 § 249 Rz 9).
Der Rekurs richtet sich gegen konkrete Maßnahmen im Exekutionsvollzug durch den zuständigen Gerichtsvollzieher (=Pfändung der „falschen“ Lokomotive), die allerdings nicht durch einen Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung bekämpft werden können (vgl Jakusch in Angst2 § 65 EO Rz 1a). Handlungen des Vollstreckers im Rahmen der Pfändung (Pfändungsvornahme, Beschreibung im Pfändungsregister, vgl JBl 1960, 390) sind nicht mit Rekurs, sondern nur mit Vollstreckungsbeschwerde bekämpfbar (vgl Rassi in Burgstaller/Deixler, § 68 EO Rz 2). Die Klägerin hat die Pfändung sämtlicher sich im Inland befindender Fahrnisse der Widerbeklagten beantragt, wobei die angeführte Lokomotive lediglich beispielhaft erwähnt wurde. Der angefochtene Exekutionsbewilligungsbeschluss hat sich – dazu korrespondierend – nicht auf eine bestimmte Lokomotive beschränkt.
Daran anknüpfend war auch nicht zu prüfen, ob die Pfändung der Lokomotive im krassen Missverhältnis zur Forderung steht. Die Bewilligung der Sicherstellungsexekution verstößt gegen keine exekutionsrechtlichen Schuldnerschutzbestimmungen (etwa § 14 EO), sodass der globale Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit oder der Hinweis auf gelindere Mittel ins Leere geht. Zudem ist auszuschließen, dass eine andere Exekutionsart gegenüber der bewilligten Fahrnisexekution (zur Sicherstellung) ein gelinderes Mittel wäre. Eine allfällige Überdeckung durch die Pfändung der Lokomotive betrifft den Vollzug der bewilligten Exekution und wäre allenfalls im weiteren Exekutionsverfahren geltend zu machen (vgl etwa §§ 27 oder 264a EO).
Dem Rekurs war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO, § 78 EO).
Textnummer
EW0000505European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2011:00100R00127.11W.0614.000Im RIS seit
04.08.2011Zuletzt aktualisiert am
04.08.2011