TE UVS Tirol 2006/05/15 2006/26/2427-5

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Veröffentlicht am 15.05.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Franz Schett über die Berufung des Herrn Ing. J. L., K., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. M. E. und Dr. G. E., XY-Straße, K., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 08.08.2005, Zl SB-38-2004, betreffend eine Übertretung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

?Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Fa Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co, K., und sohin als betreffend diese Gesellschaft verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 370 Gewerbeordnung zu vertreten, dass die genannte Gesellschaft im Zeitraum zwischen September 1977 und 30.06.2005 die Stanzen und Pressen im Betriebsgelände nicht mit schallisolierenden Unterlagen ausgestattet hat, obwohl dies mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 30.08.1977, Zahl I-2009/4-77, unter Spruchpunkt 11. vorgeschrieben wurde, wobei der Tatvorwurf auf den Zeitraum zwischen 01. Mai 1990 und 30.06.2005 eingeschränkt ist.?

 

Dadurch habe der Berufungswerber gegen § 367 Z 25 GewO 1994 verstoßen. Über diesen wurde daher gemäß § 367 leg cit eine Geldstrafe von Euro 1.800,00, bei Uneinbringlichkeit 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden gemäß § 64 VStG mit 10 Prozent der verhängten Geldstrafe bestimmt.

 

Gegen diesen Bescheid hat Herr Ing. J. L., nunmehr rechtsfreundlich vertreten durch Dr. M. E. und Dr. G. E., Rechtsanwälte in K., fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhoben und darin Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung und materielle Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Begründend hat er ausgeführt wie folgt:

 

?1. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

a) Obwohl der Beschuldigte in seiner Rechtfertigung vom 02.08.2005 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass im Jahr 1977 Schwingungs-Isolierplatten als schallisolierende Unterlagen anerkannt Stand der Technik waren und als solche verwendet worden sind, hat sich die Erstbehörde mit dieser Frage nur scheinbar auseinandergesetzt und zitiert allgemeine Aussagen des Amtssachverständigen Ing. K., der aber keineswegs zur Frage Stellung genommen hat, ob die verwendeten Schwingungs-Isolierplatten im Jahr 1977, also bei Bescheiderlassung, Stand der Technik waren. Zur konkreten Frage des Standes der Technik im Jahre 1977 gibt es keine gutachterliche Äußerung.

Unzulässig ist jedenfalls der von der Erstbehörde gezogene Schluss in der rechtlichen Beurteilung zu Punkt 3. des angefochtenen Erkenntnisses, dass die vom Amtssachverständigen aufgezeigte Komplexität der Schallisolierung bereits damals bekannt und mathematisch erfasst gewesen sei und dass bereits damals wirkungsvolle Systeme der Schallisolierung existiert haben, um damit zu begründen, dass die verwendeten Schwingungs-Isolierplatten im Jahr 1977 nicht Stand der Technik gewesen seien.

 

Tatsache ist - dies ergibt sich aus dem Verfahrensakt - dass keine Messungen über die tatsächliche schallisolierende Wirkung der verwendeten Schwingungs-Isolierplatten vorliegen. Es erfolgte auch keine messtechnische Erfassung von Schallemissionen von Stanzen und Pressen bei starrer Aufstellung ohne jeglicher Schwingungsdämmung einerseits und Aufstellung auf AirLoc-Platten andererseits. Nur aufgrund solcher durchgeführter Messungen und deren Ergebnisse ist eine fundierte Aussage über die schallisolierende Wirkung in der verwendeten Schwingungs-Isolierplatten möglich.

 

Die Erstbehörde wäre sohin verpflichtet gewesen, zur entscheidungswesentlichen Frage des Standes der Technik im Jahr 1977 hinsichtlich der Verwendung von schallisolierenden Unterlagen fachkompetente Erhebungen im Detail durchzuführen und gutachterliche Äußerungen hiezu einzuholen.

 

b) In der Rechtfertigung des Beschuldigten vom 02.08.2005 wurde auch auf die Ausführungen in der Berufung mit Anfechtung der Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co vom 26.07.2005 verwiesen.

 

In dieser angesprochenen Berufung ist unter Verweis auf die Beilagen 1 und 2 auf die Chronologie der Lärmbeschwerde sowie Maßnahmen zur Lärmreduzierung eingegangen worden, aus denen sich ergibt, dass die Firma Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co über Veranlassung des Beschuldigten auf Beschwerden stets sofort mit hohen Investitionen reagiert hat.

 

Im Sinne einer ausgewogenen Beurteilung der Sachlage wäre die Erstbehörde verpflichtet gewesen, auch hiezu Feststellungen zu treffen, die jedenfalls als Milderungsgründe zu berücksichtigen gewesen wären.

 

Mit dieser Berufung werden gelegt die Urkunden und zwar:

Chronologie Lärmbeschwerden 1991 - 2005, Beilage 1

Maßnahmen zur Lärmreduzierung, Beilage 2

 

2. Zur unrichtigen Tatsachenfeststellung:

a) Die Erstbehörde führt in der Begründung des Bescheides zu Punkt 1. ?entscheidungswesentlicher Sachverhalt? aus, dass der Beschuldigte handelsrechtlicher Geschäftsführer der Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH sei. Diese Feststellung ist unrichtig, weil es keine Firma ?Ö. Blechwarenfabrik GmbH? gibt.

 

b) Ausdrücklich bekämpft wird die Feststellung im angefochtenen Erkenntnis auf Seite 3, 1 Abs , dass diese Vorschreibung (gemeint Spruchpunkt 11. des Bescheides aus dem Jahr 1977) mit den an die Behörde heran getragenen Beschwerden der Nachbarn über Lärmbelastungen durch den Betrieb der Stanzerei begründet worden sei. Diese Feststellung ist unrichtig und zu Lasten des Beschuldigten getroffen worden.

 

In der Begründung des Bescheides der BH Kufstein vom 30.08.1977 zu I-2009/4-77 ist wörtlich angeführt: ?Anlässlich der mündlichen Verhandlung wurden von den erschienenen Nachbarn wegen der zu erwartenden Lärmbelästigungen die Vorschreibung von Auflagen zur Reduzierung des Lärms gefordert. Dieser Forderung hat die Gewerbebehörde insofern Rechnung getragen, als vorgeschrieben wurde, dass die Maschinen auf schallisolierende Unterlagen zu stellen sind.?

 

Aus der Textierung der Begründung des Bescheides ergibt sich zweifelsohne, dass die Auflage 11 über die Aufstellung sämtlicher Maschinen auf schallisolierenden Unterlagen im Hinblick auf zu erwartenden, also künftigen Lärmbelästigungen in den Bescheid aufgenommen worden ist, nicht aber aufgrund von Beschwerden der Nachbarn über - bereits bestehende - Lärmbelastungen durch den Betrieb der Stanzerei.

 

Zu verweisen ist auch darauf, dass im Bescheid vom 30.08.1977 die Einwendungen der Nachbarn bezüglich unzumutbarer Belästigungen durch Lärm, Gase, Rauch, usw als unbegründet abgewiesen wurden.

 

Richtigerweise wäre festzustellen gewesen, dass die Vorschreibung der Auflage im Spruchpunkt 11. des Bescheides vom 30.08.1977 mit der Reduzierung des Lärms im Hinblick auf Bedenken von Nachbarn über zu erwartende (künftige) Lärmbelästigungen begründet worden ist. Diese Feststellung ergibt sich zweifelsfrei aus dem Zusammenhang des ersten Absatzes der Begründung des Bescheides vom 30.08.1977.

 

c) Im Rahmen der Feststellung auf Seite 3, 2 Abs des bekämpften Erkenntnisses wäre aufgrund des Akteninhaltes (insbesondere Aktenvermerk des gewerbetechnischen Amtssachverständigen Ing. G. vom 17.07.2002) - und zwar zugunsten des Beschuldigten - festzustellen gewesen, dass der damalige Beschwerdeführer Herr G. (richtig G.) ausdrücklich erklärt habe, dass bei Einhaltung der Betriebszeit von 05.00 - 21.00 Uhr keine Beschwerden bzw Belästigungen vorlägen; auf diese erste Beschwerde von einem Nachbarn im Jahr 2002, also 25 Jahre nach Bescheiderlassung, hat die Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co auf Veranlassung des Beschuldigten unverzüglich umfangreiche Maßnahmen gesetzt.

 

Diese ergänzende zu treffende Feststellung ergibt sich eindeutig aus dem Akteninhalt.

 

d) Bekämpft wird die weitere Feststellung der Erstbehörde auf Seite 3, letzter Absatz des Straferkenntnisses, wonach aufgrund des ergangenen Gutachtens des Amtssachverständigen Ing. K. feststehe, dass die großteils verwendeten Unterlagen für Stanzen und Pressen keine schallisolierende Wirkung aufweisen. In diesem Zusammenhang werden auch die weiteren von der Erstbehörde getroffenen Feststellungen im Straferkenntnis zur mangelnden schallisolierenden Wirkung der verwendeten Schwingungs-Isolierplatten bekämpft.

 

Die Erstbehörde stützt diese Feststellung der mangelnden schallisolierenden Wirkung auf die Ausführungen des Amtssachverständigen Ing. K. in seinem Schreiben vom 15.06.2005, wo er auf Seite 2 ausführt: Als Schall isolierend, entsprechend Auflage 11 des zitierten Bescheides, kann eine Dämmung erst dann bezeichnet werden, wenn keine Schallimmissionen mehr auftreten oder die vorhandenen Immissionen unter der Hörschwelle liegen. Da bei beiden Messungen eindeutig mess- und zuordenbare Körperschallimmissionen ermittelt wurden, ist die in Auflage 11 geforderte schallisolierende Wirkung der bestehenden Unterlagen offensichtlich nicht gegeben.

 

Bei der Auslegung des Begriffes schallisolierend handelt es sich um eine Rechtsfrage, die von der Behörde zu beurteilen ist, und nicht um eine Sachverständigenfrage.

Im übrigen begründet der Amtssachverständige in seiner gutachterlichen Stellungnahme nicht, warum bzw dass schallisolierend im Bezug auf die Auflage im Spruchpunkt 11. dahingehend auszulegen sei, dass keine Schallimmissionen mehr auftreten oder die vorhandenen Immissionen unter der Hörschwelle liegen.

 

Bei der Auslegung des Begriffes ?schallisolierend?, nimmt der Amtssachverständige Ing. K. ausdrücklich Bezug auf den zitierten Bescheid der BH Kufstein vom 30.08.1977 und unterstellt, dass eine Dämmung als schallisolierend im Sinne dieser Auflage 11 erst dann bezeichnet werden könne, wenn keine Schallimmissionen mehr auftreten oder die vorhandenen Immissionen unter der Hörschwelle liegen. Diese Auslegung steht im Widerspruch zur Begründung des Bescheides der BH Kufstein vom 30.08.1977, zumal die Auflage der Verwendung schallisolierender Unterlagen ausdrücklich im Zusammenhang mit der Reduzierung des Lärms und nicht mit der gänzlichen Unterbindung des Lärms erlassen worden ist. Im übrigen wird auf die unten stehenden Ausführungen zu Punkt 3. b) verwiesen.

 

Ferner hat der Amtssachverständige Ing. K. keinerlei Messungen über die tatsächliche Dämmung bzw Auswirkungen der verwendeten Schwingungs-Isolierplatten der Marke AirLoc vorgenommen, sondern die mangelnde schallisolierende Wirkung dieser verwendeten Platten unterstellt mit der Begründung, dass bei Messungen eindeutige Mess- und zuordenbare Körperschallimmissionen ermittelt worden seien. Der Amtssachverständige legt dieser Einschätzung die unzutreffende, weil der Bescheidbegründung widersprechende Bedeutung von ?schallisolierend? im Sinne von ?keine (hörbaren) Schallimmissionen? zugrunde. Für eine Feststellung zur schallisolierenden Wirkung von Platten hätte es aber jedenfalls einer konkreten Messung bedurft. Im übrigen wird in diesem Zusammenhang auf die obigen Ausführungen zu Punkt 1. verwiesen.

 

e) Unzutreffend ist die Feststellung der Erstbehörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung zu Punkt 3., es sei unbestritten, dass die Firma Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co bis vor wenigen Jahren lediglich bis 17.00 Uhr, später bis 21.00 Uhr und erst in den letzten Jahren in die Nachtstunden produziert hätte.

 

Da keine Begrenzung der Betriebszeiten festgesetzt war, wurde natürlich auch früher je nach Auftragslage länger gearbeitet und gab es keine fixen Betriebszeiten.

 

3. Zur materiellen Rechtswidrigkeit:

a) Dem Beschuldigten wird die Nichteinhaltung einer Auflage vorgeworfen, ohne den Stand der Technik zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Jahr 1977 hinsichtlich dieser Auflage erhoben zu haben. Der Amtssachverständige, dessen Ausführungen die Erstbehörde unkritisch und ohne zu hinterfragen übernimmt, führt in seiner Stellungnahme vom 15.06.2005 (beispielhaft) zwei Methoden der Schwingungsisolierung an, ohne darzulegen, ob es auch noch weitere Methoden gibt.

 

Nach den Ausführungen des Amtssachverständigen Ing. K. stellt eine ?schallisolierende Unterlage? auch die Verwendung von Gummi- bzw EIastomer-Elementen dar. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich nicht, ob die Gummi- bzw Elastomer-Elemente vergleichbar mit Air-Loc-Platten sind.

 

Im Übrigen wird auch auf die Ausführung zu Punkt 1 . verwiesen.

 

Zum Vorwurf der Nichteinhaltung der Auflage im Spruchpunkt 11. des Bescheides aus dem Jahr 1977 wäre die Erstbehörde sohin verpflichtet gewesen, eine konkrete fachkundige Stellungnahme zum Stand der Technik zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Jahr 1977 über schallisolierende Unterlagen einzuholen.

 

b) Die erstbehördliche Auslegung des Begriffes ?schallisolierend? ist mangelhaft und unzutreffend, dies aus folgenden Überlegungen:

?Schallisolierend? lt Duden heißt nicht Unterbindung jedweder wahrnehmbarer Schallimmission, also 100prozentige Schalldämmung!

 

Richtiger Weise müsste eine historische Interpretation insofern vorgenommen werden, wie Mitte der 70-iger Jahre ?schallisolierend? definiert wurde. Ein neuzeitlicher Duden gibt darüber keine Auskunft.

 

Allein die Duden-Ausgaben 20 (aus 1991) und 21 (aus 1996) beinhalten hier bereits unterschiedliche Beschreibungen des Begriffes ?isolieren?. Da selbst in neueren Auflagen das Wort ?schallisolierend? nicht enthalten ist, dürfte dies auch in älteren Ausgaben nicht der Fall sein. Eine Definition für dieses Wort gibt es nicht, lediglich für die Wörter, aus denen es zusammengesetzt wurde.

 

Die Auslegung mit Hilfe der Wortinterpretation müsste richtiger Weise zum Ergebnis kommen, dass die Wortschöpfung ?schallisolierend? weder im Duden noch in anderen Quellen je definiert wurde. Mit dem Verbinden der Wörter ?Schall? und ?isolieren? wurde tatsächlich eine neue Wortkreation geschaffen, die auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, ja sogar kontraproduktiv ist. Schall isolieren bedeutet im technischen Sinn lediglich, den Schall als solchen ?zur Insel machen?, nicht aber, ihn zu vermeiden. Richtiger Weise hätte die Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass der von der Betriebsanlage ausgehende Schall gedämmt, sohin eingeschränkt wird.

 

Die Auslegung des Begriffes ?schallisolierend? der Erstbehörde für die gegenständliche Auflage ist technisch nicht erfüllbar, sodass diese Auflage mit diesem unterstellten Begriffsinhalt überschießend und sohin rechtswidrig wäre.

 

Aber auch der Amtssachverständige Ing. K. verwendet in seiner Stellungnahme vom 15.06.2005 im Rahmen des Themenkomplexes ?schallisolierende Unterlage? das Wort Dämmung ohne nähere Verifizierung.

Letztlich ist aber bei der Auslegung des Wortes ?schallisolierend? auf den inhaltlichen Zusammenhang im bezughabenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 30.08.1977 zu I-2009/4-77 abzustellen:

Im ersten Absatz der Bescheidbegründung wird wörtlich ausgeführt:

?Anlässlich der mündlichen Verhandlung wurden von den erschienenen Nachbarn wegen der zu erwartenden Lärmbelästigungen die Vorschreibung von Auflagen zur Reduzierung des Lärms gefordert. Dieser Forderung hat die Gewerbebehörde insofern Rechnung getragen, als vorgeschrieben wurde, dass die Maschinen auf schallisolierende Unterlagen zu stellen sind.?

 

Aus dem inhaltlichen Zusammenhang - und eben dieser ist der Auslegung zugrunde zulegen - ergibt sich, dass die Gewerbebehörde eben dieser Forderung der Nachbarn Rechnung getragen hat, wegen der zu erwartenden Lärmbelästigungen Auflagen zur Reduzierung des Lärms durch Aufstellung der Maschinen auf schallisolierende Unterlagen vorzuschreiben.

 

Im Bescheid aus dem Jahr 1977 wird also die Verwendung schallisolierender Unterlagen im Zusammenhang mit der Reduzierung des Lärms und nicht mit der gänzlichen Unterbindung des Lärms bzw Schalls begründet.

Entgegen der irrigen Auslegung der Erstbehörde im bekämpften Erkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft Kufstein in ihrem Bescheid aus dem Jahre 1977 nicht beabsichtigt, die von den Nachbarn beanstandeten Lärmemissionen abzustellen, sondern vielmehr zu erwartende Lärmbelästigungen zu reduzieren.

 

Zu den im Jahr 1977 von den Nachbarn im damaligen Verfahren vorgebrachten Geruchs- und Lärmbelästigungen wird im zweiten Absatz der Bescheidbegründung Stellung genommen, wobei in diesem Zusammenhang schallisolierende Unterlagen keine Erwähnung finden, sodass hinsichtlich der schallisolierenden Unterlagen ausschließlich auf den ersten Absatz der Bescheidbegründung abzustellen ist.

 

Aus dem inhaltlichen Zusammenhang der Begründung des Bescheides vom 30.08.1977 ergibt sich zweifelsfrei, dass die Verwendung schallisolierender Unterlagen der Lärmreduzierung und nicht der gänzlichen Lärmunterbindung dienen sollten.

 

c) Nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung müssen Auflagen so klar gefasst sein, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen.

 

Die Formulierung einer Auflage, die eine Interpretation in verschiedene Richtungen zulässt, wie eben ?schallisolierend?, erfüllt diese Anforderung der Rechtsprechung nicht.

 

Es ist jedenfalls unzulässig, die Auslegung der Anordnung in einer Auflage zu Lasten des Beschuldigten damit zu begründen, dass andernfalls eine Schalldämmung unbestimmten Ausmaßes vorgeschrieben worden sei, wie dies die Erstbehörde argumentiert.

 

In diesem Zusammenhang führt die Erstbehörde in ihrer rechtlichen Beurteilung zu Punkt 1. auf Seite 5 des angefochtenen Erkenntnisses aus, im Zweifel sei eine Regelung verfassungskonform auszulegen, wenn eine solche Auslegung aufgrund des Wortsinns möglich ist. Die Erstbehörde übersieht jedoch bezeichnenderweise wiederum zu Lasten des Beschuldigten, dass die Auslegung einer Auflage im inhaltlichen Zusammenhang mit der Anordnung zu sehen ist; im gegenständlichen Fall ist also der Inhalt des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 30.08.1977 heranzuziehen, in dessen Begründung die Reduzierung des Lärms angesprochen wird, nicht jedoch die gänzliche Unterbindung wahrnehmbarer Schallimmissionen beim Nachbarn.

 

d) Unzulässig sind ferner die von der Erstbehörde getroffenen, aus dem Amtssachverständigengutachten kommentarlos und undifferenziert übernommenen Feststellungen: Einerseits stellt die Erstbehörde auf Seite 3, 4 Abs des bekämpften Erkenntnisses fest, dass bei Betrieb in der derzeitigen Form eine Gesundheitsgefährdung bei den nächstgelegenen Nachbarn aufgrund der Schalleinwirkungen nicht ausgeschlossen werden könne; andererseits wirft die Erstbehörde bei der Strafbemessung auf Seite 7 letzter Abs dem Beschuldigten als erschwerend vor, dass die vom Beschuldigten begangene Verwaltungsübertretung allgemein, im besonderen jedoch während der Nachtzeit, zu einer Gesundheitsgefährdung für die nächstgelegenen Nachbarn geführt hat.

 

Im übrigen ist die wiederum zu Lasten des Beschuldigten getroffene Feststellung aktenwidrig, dass die vorgeworfene Nichteinhaltung der Auflage im Spruchpunkt 11. des Bescheides aus dem Jahr 1977 zu einer Gesundheitsgefährdung für die nächstgelegenen Nachbarn geführt hat!

 

e) Der Beschuldigte hat in seiner Rechtfertigung dargelegt, dass die von der Firma Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co bereits vor 1977 verwendeten Schwingungs-Isolierplatten als schallisolierende Unterlagen für Maschinen im Rahmen des seinerzeitigen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens im Jahr 1977 für den Zweck der Schallisolierung als geeignet bezeichnet worden sind. In der Verantwortung des Beschuldigten ergibt sich jedoch kein Hinweis darauf, dass vor 1977 bereits sämtliche Maschinen auf diesen Schwingungs-Isolierplatten gestellt waren.

 

Die Erstbehörde stellt offensichtlich unter Bezugnahme auf die Rechtfertigung des Beschuldigten verallgemeinernd fest, dass bereits vor 1977 im Betrieb Schwingungs-Isolierplatten verwendet worden seien und es trotzdem zu Lärmbeschwerden der Nachbarn gekommen sei. Wiederum zu Lasten des Beschuldigten folgert die Erstbehörde daraus, dass keine Notwendigkeit zur Vorschreibung der gegenständlichen Auflage bestanden hätte, wären die bereits in Verwendung stehenden Unterlagen als ausreichend angesehen worden.

 

Tatsache ist, dass vor 1977 lediglich ein Teil der Maschinen auf Schwingungs-Isolierplatten standen, weshalb in Auflage 11. dieses Bescheides aus dem Jahr 1977 aufgenommen worden ist, dass sämtliche Maschinen auf schallisolierenden Unterlagen aufzustellen sind. Allgemeiner Wissensstand war damals, dass die verwendeten Schwingungs-Isolierplatten schallisolierende Unterlagen darstellen.

 

f) Die Erstbehörde führt zwar im angefochtenen Erkenntnis die Rechtfertigung des Beschuldigten dahingehend aus, dass im Rahmen mehrerer gewerberechtlicher Überprüfungen (durch die Gewerbebehörde) keinerlei Beanstandungen hinsichtlich der Einhaltung dieser Auflage erhoben worden sind, geht aber darauf nicht näher ein.

 

Offensichtlich sind also nicht nur dem Beschuldigten sondern vielmehr auch der Gewerbebehörde Schallimmissionen nicht aufgefallen.

 

Im übrigen ist einem Gewerbebetrieb wohl zuzugestehen, dass man sich auf die Produktbeschreibung eines Markenherstellers über die Eigenschaften und Qualitäten der Produkte, im gegenständlichen Fall der Schwingungs-Isolierplatten verlassen kann und darf insbesondere dann, wenn keine Beanstandungen über Jahrzehnte erhoben werden.

 

Wie sich aus dem Ermittlungsverfahren ergibt, ist die Überprüfung der Auflage im Spruchpunkt 11. des Bescheides aus dem Jahr 1977 eher zufällig im Rahmen des Verfahrens erfolgt. Hiezu ist aber nochmals darauf hinzuweisen, dass diese Auflage interpretationsbedürftig ist und offensichtlich nicht dem Bestimmtheitsgebot entspricht.

 

4. Bekämpft wird auch die Höhe der verhängten Strafe:

a) Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von Euro 1.800,00 (zuzüglich 10 Prozent als Kostenbeitrag), also geringfügig unter der Höchststrafe von Euro 2.180,00 ist weder schuld- noch tatangemessen.

 

Die Erstbehörde führt unter anderem als Erschwerungsgrund aus, dass die vom Beschuldigten begangene Verwaltungsübertretung zu einer Gesundheitsgefährdung für die nächstgelegenen Nachbarn geführt habe, während der Amtssachverständige lediglich ausführte, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen sei.

 

Der weitere Erschwerungsgrund, wonach die Auflage über einen Zeitraum von 28 Jahren nicht eingehalten worden sei, ist - abgesehen von den in der Berufung angeführten Gründen - insofern zu relativieren, also Schallemissionen offensichtlich über einen Zeitraum von 25 Jahren niemandem aufgefallen sind.

 

Im übrigen ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass über Veranlassung des Beschuldigten mit enormem Kostenaufwand umfangreiche und weitreichende Maßnahmen zur Lärmreduzierung von der Ö. Blechwarenfabrik P. GesmbH und Co getätigt worden sind und stets rasch auf Beschwerden reagiert wurde. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen zu Punkt 1 lit. b) dieser Berufung sowie auf die Beilagen 1 und 2.

 

Schließlich hat die Erstbehörde die Unbescholtenheit des Beschuldigten gänzlich unberücksichtigt gelassen.

Selbst unter Zugrundelegung des von der Erstbehörde festgestellten Sachverhaltes und deren rechtlichen Beurteilung hätte sich die Strafe im untersten Bereich des Strafrahmens bewegen müssen.?

 

Der Berufungswerber hat daher die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:

A) Sachverhalt:

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Strafakt, den Betriebsanlagenakt mit der GZl. I-2009/2-77 und den Akt der Bezirkshauptmannschaft Kufstein mit der GZl 3.1-1789/B. Weiters wurden der Berufungswerber und Herr Ing. M. K. als gewerbetechnischer Amtssachverständiger in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 21.11.2005 zum Sachverhalt befragt.

 

Sachverhaltsfeststellungen:

Die Österreichische Blechwarenfabrik Pirlo GmbH & Co betreibt im Standort XY-Straße, K., eine Blechwarenfabrik.

 

Für die betreffende Betriebsanlage wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 30.08.1977, Zl I-2009/4-77, gemäß §§ 74, 77 und 81 GewO 1973 und § 27 Abs 2 Arbeitnehmerschutzgesetz eine gewerbebehördliche Änderungsgenehmigung erteilt. Genehmigt wurde dabei eine Erweiterung der bestehenden Stanzerei. Die Bewilligung wurde an diverse Auflagen gebunden. Ua wurde dabei festgelegt:

?11. Sämtliche Maschinen sind auf schallisolierenden Unterlagen aufzustellen.?

 

Im Juli 2002 wurden Beschwerden der Nachbarn an die Bezirkshauptmannschaft Kufstein herangetragen, wonach es durch den vom Betrieb der Stanzerei ausgehenden Lärm zu unzumutbaren Belästigungen, insbesondere während der Nachtzeit, komme. Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein hat daraufhin zu GZl 3.1-1789/B ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Zuge dieses Verfahrens wurde ein schalltechnisches Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen Ing. M. K. eingeholt. Der Amtssachverständige hat dabei als Ergebnis der von ihm durchgeführten Messungen eindeutig dem Betrieb der Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co zuordenbare Körperschallimmissionen bei den Nachbarn im Gebäude XY-Straße, K., festgestellt.

Die Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co hat daraufhin schwingungs- und schalltechnische Untersuchungen durch die Firma M. und Partner (Beratende Ingenieure für Schallschutz und Bauphysik) veranlasst. Als Ergebnis dieser schalltechnischen Untersuchungen wurden die vorhandenen Unterlagen durch ?Sylodyn-Dämmmaterial? der Firma G. ersetzt. Bei einer in weiterer Folge durchgeführten behördlichen Kontrolle am 27.09.2005 hat der gewerbetechnische Amtssachverständige bei ?Maximalbetrieb? festgestellt, dass keine eindeutig zuordenbaren Schallimmissionen hör- oder messbar sind.

 

Herr Ing. J. L. ist seit 01.05.1990 gewerberechtlicher Geschäftsführer der Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co.

 

Beweiswürdigung:

Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich in unzweifelhafter Weise aus den eingesehenen Verwaltungsakten. Dass es durch den Betrieb der Anlage der Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co zu wahrnehmbaren Körperschallimmissionen im Gebäude XY-Straße 14, K., gekommen ist, ergibt sich aufgrund des Gutachtens des gewerbetechnischen Amtssachverständigen Ing. M. K. vom 17.02.2004, Zl VIe1-U-922/42-03. Der Amtssachverständige verfügt aufgrund seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit zweifelsfrei über jene Fachkunde, die ihm eine richtige Feststellung der Schallimmissionen und deren Zuordnung zum Betrieb der Blechwarenfabrik ermöglicht hat. An der inhaltlichen Richtigkeit dieses Gutachtens ergeben sich sohin keine Zweifel. Hier ist zudem auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zu verweisen, wonach die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens - vom Nachweis, dass es mit  den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens im Widerspruch steht, abgesehen - nur durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen, das dem Gutachten auf gleichem fachlichem Niveau entgegentritt, erschüttert werden kann. Einen entsprechenden Gegenbeweis hat der Berufungswerber nicht erbracht. Im Gegenteil wurden die Ausführungen des Amtssachverständigen durch die schwingungs- und schalltechnischen Untersuchungen des von der Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co befassten Ingenieurbüros M. und Partner bestätigt, wenn es im Bericht vom 23.06.2005 auf Seite 6 heißt, dass die Höhe der Körperschallimmissionen im Gebäude XY-Straße 14 ursächlich den Schwingungsemissionen der Maschinen in der Blechwarenfabrik zuzuordnen ist.

Dass nach Aufbringen der neuen Schwingungsdämmmatten beim Lokalaugenschein am 27.09.2005 im Gebäude XY-Straße, K., keine zuordenbaren Schallimmissionen aus dem Werk der Ö. Bleckwarenfabrik P. und Co mehr feststellbar waren, ergibt sich aus der Stellungnahme des gewerbetechnischen Amtssachverständigen Ing. M. K. vom 28.09.2005, Zl VIe1-U-922/58-06. Auch an der Richtigkeit dieser Messungen bzw Feststellungen ergeben sich für die Berufungsbehörde aus vorstehenden Erwägungen keine Zweifel.

Dass der Berufungswerber im Anlastungszeitraum gewerberechtlicher Geschäftsführer der Ö. Blechwarenfabrik P. GmbH und Co war, ergibt sich aus dem Gewerberegister.

 

B) Rechtsgrundlagen:

?1. Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194/1994, in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes BGBl I Nr 151/2004:

 

§ 77

(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, dass bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen bestehen.

....

 

§ 81

(1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

....

 

§ 367

Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu Euro 2.180,00

zu bestrafen ist, begeht, wer

....

25. Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs 1 oder § 84d Abs 7 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält;

....

 

§ 370

(1) Wurde die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt, so sind Geldstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen.

....

 

2. Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 42/1991, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 117/2002:

 

§ 5

(1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

 

§ 45

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

....?

 

C) Rechtliche Beurteilung:

Dem Berufungswerber wird die Nichtbeachtung einer Bescheidauflage angelastet. Dieser bringt nun ua vor, dass die durch die Erstinstanz angezogene Auflage nicht dem gesetzlichen Bestimmtheitserfordernis entspreche.

 

Wie sich aus § 77 Abs 1 GewO 1994 ergibt, müssen Auflagen den Erfordernissen der Erforderlichkeit, Bestimmtheit und Geeignetheit entsprechen. Was nun das Bestimmtheitserfordernis anlangt, führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus, dass Auflagen so klar gefasst sein müssen, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (vgl VwGH 14.04.1999, Zl 98/04/0225, ua). Die Anforderungen an die Umschreibung von Auflagen dürfen dabei jedoch nicht überspannt werden. Eine Auflage ist nicht schon dann zu unbestimmt, wenn ihr Inhalt nicht für jedermann unmittelbar eindeutig erkennbar ist. Die ausreichende Bestimmtheit einer Auflage ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn ihr Inhalt für den Bescheidadressaten objektiv eindeutig erkennbar ist. Gleiches gilt, wenn die Umsetzung des Bescheides unter Zuziehung von Fachleuten zu erfolgen hat und der Inhalt der Auflage für diese Fachleute objektiv eindeutig erkennbar ist. Die Frage der ausreichenden Bestimmtheit einer Auflage ist daher nicht allein eine Rechtsfrage, sondern auch eine Fachfrage (vgl VwGH 26.09.2000, Zl 2000/07/0014, ua).

 

Die Nichteinhaltung einer behördlichen Auflage unterliegt nur dann einer verwaltungsstrafrechtlichen Sanktion, wenn sie so klar formuliert ist, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit behördlicher Auflagen genügt. Nach § 367 Z 25 GewO 1994 besteht nämlich die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt wurde, aus der Strafbestimmung des § 367 Z 25 GewO 1994 iVm der konkret bezeichneten Untergliederung jenes Bescheides, in dem sich die betreffende (nicht beachtete) Auflage befindet (vgl VwGH 11.11.1998, Zl 98/04/0034 ua). Damit nun eine Auflage als Übertretungsnorm in Betracht kommt, muss sie dem Normadressaten ein ausreichend genau umschriebenes Verhalten verbieten oder gebieten. Aus der Auflage, auf die in § 367 Z 25 GewO 1994 Bezug genommen wird, muss also eine Verpflichtung zu einem bestimmten Handeln (ein Gebot) oder zur Unterlassung einer Tätigkeit (ein Verbot) in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ablesbar sein (vgl die hg Rechtsprechung zu den Blankettstrafnormen, wie zB VwGH 19.03.1996, Zl 94/11/0223).

 

Zur Frage der ausreichenden Bestimmtheit der in Rede stehenden Auflage Nr 11 des gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheides vom 30.08.1977, Zl I-2009/4-77, hat der gewerbetechnische Amtssachverständige Ing. M. K. in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 21.11.2005 ua Folgendes ausgeführt:

?Über weitere Frage gebe ich an, dass es auch im Jahr 1977 bereits die Begriffe ?Schalldämmung? und ?Dämmmaß? gegeben hat. Wenn der Sachverständige damals den Begriff ?schallisolierend? verwendet hat, habe ich daraus gefolgert, dass er entsprechend den bereits erwähnten ärztlichen ?Richtlinien? mehr als eine bloße Dämmung erreichen wollte. Heute wird der Begriff ?Schallisolierung? nicht verwendet. Heute würde man eine solche Auflage nicht mehr in den Bescheid aufnehmen. Man geht eher davon aus, dass derartige Dinge in das Projekt aufzunehmen sind. Man würde bei der Formulierung der Auflage auch ein Schalldämmmaß festlegen. Für mich wäre ?schallisolierend? zu wenig konkret, weil nicht eindeutig feststeht, ob damit die Hörbarkeit oder allenfalls sogar die Messbarkeit ausgeschlossen werden soll.?

 

Aufgrund dieser Sachverständigenausführungen und unter der Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist die Berufungsbehörde nun zur Auffassung gelangt, dass die verfahrensgegenständlich relevante Bescheidauflage jedenfalls nicht jene Bestimmtheit aufweist, um die rechtliche Grundlage für eine Bestrafung zu bilden, und zwar aus nachstehenden Erwägungen:

In der betreffenden Auflage wird ? wie erwähnt ? angeordnet, dass die im Betriebsgebäude verwendeten Maschinen auf ?schallisolierende? Unterlagen zu stellen sind. Wie nun der gewerbetechnische Amtssachverständige ausführt, ist bereits dieser Begriff inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Zwar kann im Zusammenhalt geschlossen werden, dass sich die betreffende Auflage nicht auf Luftschallimmissionen, sondern auf Körperschallimmissionen bezieht, es bleibt aber laut Aussage des gewerbetechnischen Amtssachverständigen unklar, ob damit von den Nachbarn wahrnehmbare oder aber sogar messtechnisch erfassbare Körperschallimmissionen ausgeschlossen werden sollen. Auch im Zusammenhalt mit der Bescheidbegründung ist kein klares Auslegungsergebnis erzielbar. Aus dieser ergibt sich nämlich, dass die betreffende Auflage in den Bescheid aufgenommen wurde, weil die Nachbarn, welche Lärmbelästigungen befürchtet haben, die Vorschreibung von Auflagen zur Reduzierung des Lärm gefordert haben. Daraus könnte man allerdings wiederum folgern, dass die Gewerbebehörde bloß belästigende Lärmimmissionen ausschließen wollte, ohne dass sie diesbezüglich aber einen Immissionsgrenzwert festgelegt hat, weshalb auch bei dieser Auslegung keine ausreichende Bestimmtheit der Auflage gegeben wäre.

Mit der betreffenden Auflage wurden außerdem offenkundig ?immissionsseitige? Festlegungen bezüglich des von der Betriebsanlage ausgehenden Lärms getroffen. Dass mit der betreffenden Auflage nämlich gemeint sein konnte, dass Körperschallemissionen überhaupt nicht auftreten dürfen, es also auch im unmittelbarsten Nahbereich der Maschinen zu keinen entsprechenden Immissionen kommen darf, ist bei verständiger Betrachtung auszuschließen und geht davon offenkundig auch die Erstinstanz nicht aus. Bei einer derartigen Festlegung müsste nun aber nach Ansicht der Berufungsbehörde auch festgelegt werden, in welchem Punkt die ?schallisolierende? Wirkung erzielt werden muss. Dies gilt umso mehr, als laut Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen vom 17.02.2004 bei Körperschallimmissionen nicht davon ausgegangen werden kann, dass bei den der Quelle zugewandten Räume mit höheren Immissionen zu rechnen ist als bei den abgewandten und damit abgeschirmten, gegenüberliegenden Räumen. Bei Körperschallimmissionen muss also offenkundig nicht der der Quelle nächstgelegene Punkt der ungünstigste sein, weil die Schallimmission erst im jeweiligen Empfangsraum durch schwingende Raumbauteile des Gebäudes (Wände, Decken, Boden) erfolgt, sodass auch in Räumen, die von der Quelle abgewandt sind, Schallimmissionen auftreten können. Ohne entsprechende Festlegung eines Bezugspunktes ist daher nach Ansicht der Berufungsbehörde weder für den Bewilligungsinhaber das gebotene Verhalten hinreichend klar erkennbar noch ist eine ausreichende Kontrollmöglichkeit (jederzeitige und aktuelle Überprüfbarkeit) hinsichtlich der Zuhaltung der betreffenden Auflage gewährleistet.

Im Ergebnis war daher der Berufung bereits aus diesem Grund Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Schlagworte
Die, Nichteinhaltung, einer, behördlichen, Auflage, unterliegt, nur, dann, einer, verwaltungsstrafrechtlichen, Sanktion, wenn, sie, so, klar, fortmuliert, ist, dass, sie, den, rechtsstaatlichen, Anforderungen, an, die, Bestimmtheit, behördlicher, Auflagen, genügt
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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