TE Vfgh Erkenntnis 2021/12/6 G247/2021

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Veröffentlicht am 06.12.2021
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
EMRK Art8
EMRK Art14
ABGB §191 Abs2
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Neben Einzelpersonen, Ehegatten und eingetragenen Partnern sind auch Personen einer Lebensgemeinschaft zur Adoption berechtigt; verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung des ABGB gewährt das Recht der Annahme an Kindes statt, soweit sie dem Kindeswohl entspricht

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge

"unter Absehen von einer Frist für das Außerkrafttreten

A. den Absatz 2 des §191 ABGB JGS Nr 946/1811 idF BGBl I Nr 59/2017 als verfassungswidrig [aufheben],

B. in eventu

den Absatz 2 des §191 ABGB JGS Nr 946/1811 idF BGBl I Nr 121/2021 als verfassungswidrig [aufheben],

C. in eventu

die §§191 bis 203 ABGB JGS Nr 946/1811 idF BGBl I Nr 121/2021 zur Gänze sowie die §§86 bis 91d AußStrG BGBl I 111/2003 idF BGBl I Nr 38/2019 zur Gänze als verfassungswidrig [aufheben].

D. die Republik Österreich in den Kostenersatz zu verfällen, wobei iS des §27 letzter Satz VerfGG Kostenzuspruch für alle regelmäßig anfallenden Kosten zuzüglich USt begehrt wird."

II. Rechtslage

§191 und §194 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, JGS 946/1811, idF BGBl I 59/2017 lauten (die mit dem Hauptantrag angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Annahme an Kindesstatt

§191. (1) Eine Person kann ein Kind an Kindesstatt annehmen, wenn sie entscheidungsfähig ist. Sie kann dabei nicht vertreten werden. Durch die Annahme an Kindesstatt wird die Wahlkindschaft begründet.

(2) Ehegatten dürfen in der Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Entscheidungsfähigkeit oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen der Ehegatten rechtfertigen.

(3) Personen, denen die Sorge für das Vermögen des anzunehmenden Wahlkindes durch gerichtliche Verfügung anvertraut ist, können dieses so lange nicht annehmen, als sie nicht von dieser Pflicht entbunden sind. Sie müssen vorher Rechnung gelegt und die Bewahrung des anvertrauten Vermögens nachgewiesen haben.

[…]

Bewilligung

§194. (1) Die Annahme eines minderjährigen Kindes ist zu bewilligen, wenn sie dessen Wohl dient und eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Ist das Wahlkind volljährig, so ist die Annahme nur zu bewilligen, wenn die Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben.

(2) Die Bewilligung ist, außer bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs1, zu versagen, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre; im übrigen sind wirtschaftliche Belange nicht zu beachten, außer der Annehmende handelt in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen."

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Erstantragstellerin und der Drittantragsteller sind österreichische Staatsbürger, kinderlos und leben in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft.

2. Die minderjährige Zweitantragstellerin wurde von ihrer leiblichen Mutter zur Inkognitoadoption freigegeben und mit Zustimmung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft als Kinder- und Jugendhilfeträger der Erstantragstellerin und dem Drittantragsteller zunächst in unentgeltliche Pflege und Erziehung übergeben. Der Drittantragsteller schloss in weiterer Folge mit der zum damaligen Zeitpunkt allein obsorgeberechtigten Bezirkshauptmannschaft als Kinder- und Jugendhilfeträger am 19. Jänner 2021 einen Adoptionsvertrag, der mit Beschluss des Bezirksgerichtes Zell am See vom 9. Februar 2021 bewilligt wurde und rückwirkend mit 19. Jänner 2021 Wirksamkeit erlangte.

3. Die Erstantragstellerin und die Zweitantragstellerin, diese vertreten durch den Drittantragsteller als ihrem gesetzlichen Vertreter, schlossen am 27. Juni 2021 einen Adoptionsvertrag ab. Die Antragsteller beantragten beim Bezirksgericht Zell am See, die Zustimmung der leiblichen Mutter zur Adoption im Falle ihrer Verweigerung zu ersetzen, den Adoptionsvertrag gerichtlich zu genehmigen sowie festzustellen, dass mit Wirksamkeit der Adoption die Erstantragstellerin und der Drittantragsteller mit der Obsorge der Zweitantragstellerin betraut seien, in eventu eine Amtsbestätigung über die gemeinsame Betrauung mit der Obsorge auszustellen.

4. Das Bezirksgericht Zell am See wies alle Anträge mit Beschluss vom 7. Juli 2021 ab. Aus §191 Abs2 ABGB ergebe sich, dass nur Ehegatten oder eingetragene Partner gemeinsam adoptieren dürften und daher Lebensgefährten von einer Adoption ausgeschlossen seien. Eine "Stiefkindadoption" scheide ebenfalls aus, weil es sich nicht um die Adoption des leiblichen Kindes des Drittantragstellers, sondern um dessen Adoptivkind handle. Die Annahme eines Adoptivkindes durch eine Lebensgefährtin sei von der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehen.

5. Gegen diesen Beschluss erhoben die Antragsteller Rekurs und stellten aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG. Darin legen sie ihre verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt dar:

"V. Darlegung der Bedenken

1. Wie das BG Zell am See in seinem Beschluss vom 07.07.2021 (Blg. ./A) darlegt, bestimmt §191 Abs2 ABGB, dass die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person, sei es gleichzeitig (gemeinsame Adoption) oder nacheinander (Sukzessivadoption), nur Ehepaaren (und eingetragenen Paaren) vorbehalten ist, während nicht-eheliche Lebensgefährten sowohl von der gemeinsamen Adoption als auch von der Sukzessivadoption ausgeschlossen sind.

2. Dies ist grundrechtswidrig.

3. Die österreichische Rechtsordnung akzeptiert, dass ein Kind in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft aufwächst und geht davon aus, dass das für ein Kind nicht nachteilig ist.

4. Das gilt nicht nur für leibliche Kinder von Lebensgefährten, denen ihre Kinder heute nicht mehr wegen deren Unehelichkeit abgenommen oder unter pflegschaftsbehördliche Überwachung gestellt werden, sondern auch für Adoptionen.

5. So ist die Adoption eines Kindes durch eine Einzelperson, mit der Folge, dass das Kind in einer faktischen Familiengemeinschaft auch mit dem nicht-ehelichen Lebensgefährten oder der nicht-ehelichen Lebensgefährtin seines Adoptivelternteils aufwächst, möglich.

6. Auch die gemeinsame Elternschaft durch Adoption ist in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft möglich, nämlich wenn das leibliche Kind des Lebensgefährten adoptiert wird.

7. Die 1.A darf, obwohl sie in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft lebt, grundsätzlich jedes Kind dieser Welt adoptieren; nur just nicht jenes Kind, mit dem sie seit dessen Geburt in faktischer Familiengemeinschaft lebt und dessen faktische Mutter sie ist: die 2.A.. Und selbst dieses Kind dürfte sie adoptieren, wenn es das leibliche Kind ihres nicht-ehelichen Lebensgefährten, des 3.A, wäre. Sie darf ihr faktisches Kind lediglich deshalb nicht adoptieren, weil es Adoptivkind, und nicht leibliches Kind ihres Lebensgefährten ist.

8. Diese schwere Diskriminierung der Familie auf Grund der Geburt der 2.A verletzt die Antragsteller in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insb. in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK), auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung jedes Kindes sowie auf die Wahrung seiner Interessen und auf Primat des Kindeswohls bei allen Kindern betreffenden Maßnahmen (Art1 BVG über die Rechte von Kindern) und auf Freiheit von Diskriminierung und auf Gleichbehandlung (Art2 StGG, Art7 B-VG, Art14 EMRK iVm Art8 EMRK) (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014 Rz 40-43).

9. Während das angefochtene Verbot eine gemeinsame Adoptivelternschaft nicht-ehelicher Lebensgefährten auch dann ausschließt, wenn beide ein Kind in Pflege haben oder ein Partner das Kind bereits adoptiert hat, – ja sogar dann, wenn sie das Kind (wie just im Fall der A) seit seiner Geburt in Pflege haben und ein Partner das Kind bereits adoptiert hat – ermöglicht das Gesetz bei der Stiefkindadoption (Adoption des leiblichen Kindes des nicht-ehelichen Partners) durch Hinzutreten der vertraglichen Adoptionsbeziehung zum selben Kind die gleichzeitige rechtliche Elternschaft des leiblichen und des Adoptivelternteils. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlungen ist – insbesondere aus dem auch im Lichte des Art1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, BGBl I 4/2011, gebotenen Blickwinkel des Wohles des Kindes – nicht gegeben. Weder nach Art8 iVm Art14 EMRK noch nach Art7 Abs1 B-VG ist es sachlich gerechtfertigt, nicht-eheliche Lebensgefährten grundsätzlich von der gemeinsamen Adoption oder der Sukzessivadoption auszuschließen (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014 Rz 43).

10. Es ist nicht zu sehen, warum es im Interesse des Kindeswohls liegen soll, in derartigen Konstellationen nicht nur dem Kind von vorneherein die rechtliche Institutionalisierung des Verhältnisses zu einer (bestehenden oder künftigen) Bezugsperson (hier: zur faktischen Mutter seit Geburt des Kindes) durch Adoptionsvertrag zu verwehren, sondern auch auf diese Weise das Kind von vorneherein von Unterhalts- und Versorgungsansprüchen abzuschneiden (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014 Rz 48).

11. Der grundsätzliche gesetzliche Ausschluss nicht-ehelicher Lebensgefährten davon, gemeinsam als Vertragspartner eines Adoptionsvertrages ein Wahlkind anzunehmen, während die gemeinsame Elternschaft nicht-ehelicher Lebensgefährten in anderen Konstellationen rechtlich möglich ist, ist daher inkohärent (vgl EGMR, Fall X ua, Z144) und kann nicht mit der Wahrung des Kindeswohls gerechtfertigt werden (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014 Rz 49).

12. Ganz im Gegenteil verletzt dieser grundsätzliche Ausschluss der gemeinsamen Adoption und der Sukzessivadoption eines Kindes durch nicht-eheliche Lebensgefährten das Kindeswohl (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014 Rz 46).

13. Nach Art1 BVG über die Rechte von Kindern hat jedes Kind 'Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.' Die verfassungsrechtliche Vorgabe, bei Kinder betreffenden Maßnahmen das Kindeswohl als vorrangige Erwägung zu berücksichtigen, bindet auch den Gesetzgeber, wenn er die Grundlage für solche Maßnahmen normiert. Das im zweiten Satz des Art1 BVG über die Rechte von Kindern solcherart verankerte Kindeswohl wird maßgeblich bestimmt durch den im ersten Satz normierten Anspruch von Kindern auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung (VfGH 11.12.2014, G18/2014 Rz 40).

14. Eine ausnahmslose und generelle Anordnung des Vorliegens einer Ehe kann – wie just der Fall der Antragsteller anschaulich belegt – das Kindeswohl in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen, dann nämlich, wenn ein Wahlkind längere Zeit in Familienverhältnissen gelebt hat, die einer Eltern-Kind-Beziehung sehr ähnlich sind oder gar entsprechen, und eine Adoption alleine deshalb nicht bewilligt werden kann, weil die Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Eine solche Regelung schließt eine Adoption bei Vorliegen einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft auch dann aus, wenn das Kindeswohl die Bewilligung der Adoption geböte. In Fällen, in denen sich ein Kind bereits in einem Familienverband befindet, der durch Adoption rechtlich verfestigt werden soll, hat das grundrechtliche Schutzgut der bestmöglichen Entwicklung und Entfaltung des Kindes erhebliches Gewicht, welches durch das Gebot der Berücksichtigung des Kindeswohls als vorrangige Erwägung in Art1 letzter Satz BVG über die Rechte von Kindern verstärkt wird. Hinzu kommt, dass das gebot einer Ehe zwischen den für das konkrete Kind besten Eltern einem Heiratszwang gleichkommt, weil die Erfüllung des grundrechtlichen Anspruchs der faktischen Familie auf rechtliche Anerkennung von der Eheschließung der Eltern abhängig gemacht wird (VfGH 11.12.2014, G18/2014 Rz 49, 50).

15. Die Bestimmung des §191 Abs2 ABGB, die, ohne das konkrete Kindeswohl zu berücksichtigen, alleine auf das Erfordernis der Ehe abzielt, ohne die Möglichkeit eines Absehens von diesem Erfordernis (bei gemeinsamer oder Sukzessivadoption) vorzusehen, verstößt daher gegen Art1 BVG über die Rechte von Kindern (VfGH 11.12.2014, G18/2014 Rz 53; EGMR: ADVISORY OPINION concerning the recognition in domestic law of a legal parent-child realtionship between a child born through a gestational surrogacy arragement abroad and the intended mother, Requested by the French Court of Cassation, Request no. P16-2018-001, Grand Chamber 10.04.2019).

16. Die angefochtenen Gesetzesbestimmungen verletzen die Antragsteller sohin in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insb. in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK), auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung jedes Kindes sowie auf die Wahrung seiner Interessen und auf Primat des Kindeswohls bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen (Art1 BVG über die Rechte von Kindern) und auf Freiheit von Diskriminierung und auf Gleichbehandlung (Art2 StGG, Art7 B-VG, Art14 EMRK iVm Art8 EMRK)."

6. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den darin erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"3. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

3.1. Zur Entwicklung der Rechtslage:

3.1.1. §191 ABGB wurde mit dem Kindschafts- und Namensrechtsänderungsgesetz 2013 – KindNamRÄG 2013, BGBl I Nr 15/2013, neu nummeriert. Die Bestimmung entspricht im Wesentlichen dem §179 ABGB, der mit dem Bundesgesetz über die Neuordnung des Rechtes der Annahme an Kindesstatt, BGBl Nr 58/1960, eingeführt wurde.

3.1.2. §179 ABGB in der Fassung vor dem KindNamRÄG 2013 lautete wie folgt:

'1. Annahme an Kindesstatt

§179. (1) Eigenberechtigte Personen, die den ehelosen Stand nicht feierlich angelobt haben, können an Kindesstatt annehmen. Durch die Annahme an Kindesstatt wird die Wahlkindschaft begründet.

(2) Die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person, sei es gleichzeitig, sei es, solange die Wahlkindschaft besteht, nacheinander, ist nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. Ehegatten dürfen in der Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Eigenberechtigung oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen der Ehegatten rechtfertigen.

(3) Personen, denen die Sorge für das Vermögen des anzunehmenden Wahlkindes durch behördliche Verfügung anvertraut ist, können dieses so lange nicht annehmen, als sie nicht von dieser Pflicht entbunden sind. Sie müssen vorher Rechnung gelegt und die Bewahrung des anvertrauten Vermögens nachgewiesen haben.'

In den Gesetzesmaterialien zum Bundesgesetz über die Neuordnung des Rechtes der Annahme an Kindesstatt, BGBl Nr 58/1960, wird zu §179 Abs2 ABGB Folgendes ausgeführt (ErläutRV 107 BlgNR 9. GP 14):

'Abs2:

Hier wird zunächst die gleichzeitige Adoption durch mehrere Personen, sofern sie nicht miteinander verheiratet sind, eindeutig ausgeschlossen. Die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person nacheinander (erneute Adoption) ist – wieder sofern die Annehmenden nicht miteinander verheiratet sind – unzulässig, solange die frühere Wahlkindschaft besteht, also die Bewilligung nicht widerrufen oder die Wahlkindschaft nicht aufgehoben ist.

Diese Bestimmung unterstreicht im Zusammenhalt mit den strengeren Voraussetzungen für den Widerruf der Bewilligung und die Aufhebung der Wahlkindschaft die grundsätzliche Unabänderlichkeit einer einmal begründeten Wahlkindschaft.

Der Abs2 stellt ferner den Grundsatz auf, daß verheiratete Personen in der Regel nur gemeinsam mit ihrem Ehegatten ein Kind annehmen sollen. Dafür ist die Erwägung maßgebend, daß eine ordentliche Erziehung in der Familie im allgemeinen nur dann gewährleistet ist, wenn sich beide Ehegatten dem Wahlkind durch das rechtliche Band der Annahme verbunden fühlen. Von dieser, sich aus dem Grundsatz der möglichsten Nachbildung einer natürlichen Familie ergebenden Regel müssen aber in begründeten Fällen Ausnahmen zugelassen werden. Der Entwurf führt einige Fälle an, in denen nach Auffassung des Bundesministeriums für Justiz Ausnahmen begründet sind. Eine erschöpfende Aufzählung würde der Vielfalt des Lebens nicht gerecht. Ein Ermessensmißbrauch ist trotz der beispielhaften Aufzählung nicht zu befürchten, weil die anzuerkennenden Ausnahmen den aufgezählten Fällen ähnlich und durch besonders gewichtige Gründe gerechtfertigt sein müssen.'

3.1.3. Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 11. Dezember 2014, G119-120/2014 den ersten Satz des §191 Abs2 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, in der Fassung des KindNamRÄG 2013, BGBl I Nr 15/2013, sowie §8 Abs4 des Eingetragenen Partnerschaft-Gesetzes – EPG, BGBl I Nr 135/2009, in der Fassung des Adoptionsrechts-Änderungsgesetzes 2013 – AdRÄG 2013, BGBl I Nr 179/2003, mit Ablauf des 31. Dezember 2015 als verfassungswidrig auf. Das Verbot der gemeinsamen Adoption durch eingetragene Partner stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung nach der sexuellen Orientierung und Ungleichbehandlung eingetragener Partner gegenüber gleich- oder verschiedengeschlechtlichen Lebenspartnern bei der Stiefkindadoption dar.

§191 ABGB in der Fassung des KindNamRÄG 2013, BGBl I Nr 15/2013, lautete wie folgt (der aufgehobene Satz ist unterstrichen):

'Annahme an Kindesstatt

§191. (1) Eigenberechtigte Personen können an Kindesstatt annehmen. Durch die Annahme an Kindesstatt wird die Wahlkindschaft begründet.

(2) Die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person, sei es gleichzeitig, sei es, solange die Wahlkindschaft besteht, nacheinander, ist nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. Ehegatten dürfen in der Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Eigenberechtigung oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen der Ehegatten rechtfertigen.

(3) Personen, denen die Sorge für das Vermögen des anzunehmenden Wahlkindes durch gerichtliche Verfügung anvertraut ist, können dieses so lange nicht annehmen, als sie nicht von dieser Pflicht entbunden sind. Sie müssen vorher Rechnung gelegt und die Bewahrung des anvertrauten Vermögens nachgewiesen haben.'

3.1.4. Mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz – 2. ErwSchG, BGBl I Nr 59/2017, erfolgte in §191 Abs2 ABGB eine terminologische Änderung, wonach anstelle des Wortes 'Eigenberechtigung' der Begriff 'Entscheidungsfähigkeit' verwendet wird (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 12).

3.2. Zum Regelungsinhalt:

3.2.1. Mit der Adoption wird die rechtliche Elternschaft zwischen Annehmendem und Wahlkind begründet. Die Adoption kommt nach §192 Abs1 ABGB durch einen schriftlichen Vertrag zwischen Annehmendem und Wahlkind zustande und muss darüber hinaus gerichtlich bewilligt werden. Während das entscheidungsfähige Wahlkind gemäß §192 Abs2 ABGB den Vertrag selbst abschließt, wird das nicht entscheidungsfähige Wahlkind gemäß §192 Abs3 ABGB durch dessen gesetzlichen Vertreter vertreten.

Notwendige Voraussetzungen für die gerichtliche Bewilligung der Adoption eines minderjährigen Kindes gemäß §194 Abs1 ABGB ist einerseits, dass die Adoption dessen Wohl dient, dh eine merklich bessere Entwicklung des Kindes zu erwarten ist (RIS-Justiz RS0048776; OGH 7 Ob 68/02d) und andererseits, dass eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kind entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Bei der Erwachsenenadoption muss ein solches Verhältnis bereits bestehen. Nach der Rechtsprechung ist unter einer Beziehung zwischen dem Wahlkind und dem Wahlelternteil entsprechend dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und ihren Kindern ein gesellschaftliches und psychologisches Verhältnis zu verstehen (RIS-Justiz RS0048743). Bei der Adoption eines minderjährigen Kindes folgt die Gesetzgebung dem Schutzprinzip im Gegensatz zum Interessenprinzip, das bei der Adoption von entscheidungsfähigen Personen maßgebend ist. Aus den Gesetzesmaterial[i]en geht hervor, dass die Adoption ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Wohls des anzunehmenden Wahlkindes steht (ErläutRV 107 BlgNR 9. GP 17).

3.2.2. Das österreichische Adoptionsrecht beruht auf dem Grundsatz der Einzeladoption. Davon ausgenommen sind nach §191 Abs2 ABGB ausdrücklich Ehegatten, die 'in der Regel' nur gemeinsam adoptieren können. Das Gebot der gemeinsamen Adoption durch Ehegatten wird damit begründet, dass Kinder möglichst in einer vollständigen Familie aufwachsen sollen und es dem Kindeswohl entspricht, wenn sich beide Ehegatten dem Kind verbunden fühlen (vgl ErläutRV 107 BlgNR 9. GP 14). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht die Bestimmung, dass Ehegatten in der Regel Wahlkinder nur gemeinsam annehmen dürfen, im Einklang mit Art8 EMRK (RIS-Justiz RS0118511; 1 Ob 284/03a).

Die Adoption durch nur einen Ehegatten ist gemäß §191 Abs2 ABGB ausnahmsweise möglich, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Entscheidungsfähigkeit oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen Ehegatten rechtfertigen. Bei den in §191 Abs2 ABGB genannten Ausnahmen handelt es sich um eine demonstrative Aufzählung (vgl ErläutRV 107 BlgNR 9. GP 14; RIS-Justiz RS0106752).

3.2.3. Bei der Adoption des leiblichen Kindes durch einen Partner des Elternteils handelt es sich um eine sogenannte 'Stiefkindadoption'. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte Österreich aufgrund einer Verletzung von Art14 iVm. Art8 EMRK, weil die Stiefkindadoption nur Ehegatten, nicht aber auch eingetragenen Partnern ermöglicht wurde (EGMR 19.2.2013 [GK], 19010/07, X ua/Österreich). Mit dem AdRÄG 2013 wurde die Adoption des leiblichen Kindes des gleichgeschlechtlichen Partners sowohl eingetragenen Partnern als auch Lebensgefährten ermöglicht. Gemäß §197 Abs4 ABGB bleiben die familienrechtlichen Beziehungen zum leiblichen Elternteil durch die Annahme des Wahlkindes durch den gleichgeschlechtlichen Partner bestehen. Es erlöschen in diesem Fall allein die Beziehungen zum anderen Elternteil.

3.2.4. Als 'Sukzessivadoption' wird die gemeinsame Adoption des Wahlkindes durch mehrere Personen verstanden, wenn diese nicht gleichzeitig, sondern nacheinander erfolgt. Die Materialien zum AdRÄG 2013 führten aus, dass die Sukzessivadoption Ehegatten vorbehalten sei, wodurch dem besonderen Status der Ehe Rechnung getragen werde (ErläutRV 2403 BlgNR 24. GP 5). Mit der Aufhebung des ersten Satzes des §191 Abs2 ABGB durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Dezember 2014, G119-120/2014 ist auch diese Einschränkung weggefallen, sodass die Sukzessivadoption auch einem gleichgeschlechtlichen Partner sowie gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten offensteht (Deixler-Hübner in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.08 §197 Rz. 3; Fuhrmann, Gemeinsame Adoption für alle? JAP 2016/2017, 114 [117]; Kutscher/Wildpert, Personenstandsrecht2 §197 ABGB Rz. 10).

3.2.5. Nach einhelliger Meinung können in Anwendung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2014, G119-120/2014 auch eingetragene Partner gemeinsam adoptieren (Hopf/Weixelbraun-Mohr in KBB6 §191 Rz. 2; Fuhrmann, JAP 2016/2017, 116; Deixler-Hübner in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.06 §191 Rz. 4). Nach einem Teil der Lehre können sie – analog zur Regelung für Ehegatten – nur gemeinsam adoptieren (Beclin, Gemeinsame und sukzessive Adoption nicht mehr auf Ehepaare beschränkt, EF-Z 2016, 142 [142 f]; Fuhrmann, JAP 2016/2017, 118; offenlassend Deixler-Hübner in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.06 §191 Rz. 4; aA Hopf/Weixelbraun-Mohr in KBB6 §191 Rz. 2).

3.2.6. Ebenso können Lebensgefährten nach ganz einhelliger Auffassung gemeinsam adoptieren, und zwar gleichzeitig oder sukzessive (Hopf/Weixelbraun-Mohr in KBB6 §191 Rz. 2; Beclin, EF-Z 2016, 143; Fuhrmann, JAP 2016/2017, 117; Nademleinsky in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar5 §191 ABGB Rz. 2; Kutscher/Wildpert, Personenstandsrecht2 §191 ABGB Rz. 6; Welser/Klete?ka, Bürgerliches Recht I15 [2018] Rz. 1806). Auch wenn sich das Normprüfungsverfahren des Verfassungsgerichtshofes zu G119-120/2014 auf die Zulässigkeit einer Adoption durch eingetragene Partner beschränkte, wirkt sich die Aufhebung des §191 Abs2 erster Satz ABGB auch auf Lebensgefährten aus, da das Gesetz – durch den Wegfall des zwingenden Erfordernisses einer Ehe – nicht mehr das Bestehen einer bestimmten Beziehung zweier Menschen voraussetzt (s Fuhrmann, JAP 2016/2017, 117; Beclin, EF-Z 2016, 142).

3.2.7. Nach einem Teil der Lehre sollen aufgrund der fehlenden gesetzlichen Beschränkung auf Paare auch zwei Personen gemeinsam einzeln und nacheinander ein Kind adoptieren können, die weder verheiratet oder verpartnert sind noch in einer Lebensgemeinschaft leben (Beclin, EF-Z 2016, 143). Aufgrund der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigten Rechtslage sei nämlich nunmehr die einzige Schranke, dass maximal zwei (und nicht mehr) Personen gemeinsam annehmen dürfen (Beclin, EF-Z 2016, 142; offenlassend und für eine klarstellende Novelle Deixler-Hübner in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.06 §191 Rz. 5 f; ablehnend Welser/Klete?ka, Bürgerliches Recht I15 Rz. 1806).

3.2.8. Die Wirkungen der Adoption sind in §197 ABGB geregelt. Gemäß §197 Abs1 ABGB entstehen mit dem Zeitpunkt der Annahme zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind die gleichen Rechte, wie sie durch Abstammung begründet werden. Wird das Wahlkind durch Ehegatten als Wahleltern angenommen, so erlöschen nach §197 Abs2 ABGB mit diesem Zeitpunkt die nicht bloß in der Verwandtschaft an sich (§40 ABGB) bestehenden familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits (sofern nicht eine der Ausnahmen nach §198 ABGB vorliegt).

Nimmt ein Ehegatte, ein eingetragener Partner oder ein Lebensgefährte das Kind seines Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten an, so erlöschen nach §197 Abs4 ABGB die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des §197 Abs2 ABGB lediglich zum anderen Elternteil und zu dessen Verwandten. Damit wird im Wesentlichen die Stiefkindadoption umgesetzt; sie ist Sonderform der Adoption durch eine einzelne Person (vgl Höllwerth in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 §197 ABGB Rz. 12). Demnach erlöschen bei Adoption des Kindes eines Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten durch den anderen Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des §197 Abs2 ABGB nur zum anderen leiblichen Elternteil und dessen Verwandten. Dadurch wird nunmehr auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Stiefkindadoption ermöglicht, ohne dass die familienrechtlichen Beziehungen des Kindes zum eingetragenen Partner oder Lebensgefährten des Wahlelternteils erlöschen. Damit sollte dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 19. Februar 2013 (GK), 19010/07, X ua/Österreich – im engst möglichen Rahmen – entsprochen werden. Nach dem Verständnis des AdRÄG 2013 sollten vom Begriff 'Kind' in §197 Abs4 ABGB nur leibliche Kinder verstanden werden. Zum Vorbehalt der Sukzessivadoption zugunsten von Ehegatten beriefen sich die Materialien zum AdRÄG 2013 allerdings auf den inzwischen vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen §191 Abs2 erster Satz ABGB in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 15/2013, weshalb diese Einschränkung mittlerweile obsolet ist (ErläutRV 2403 BlgNR 24. GP 5; Höllwerth in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 §197 ABGB Rz. 13; Deixler-Hübner in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.08 §197 Rz. 3; Fuhrmann, JAP 2016/2017, 115 f).

II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

1. Zum Anlassverfahren:

[…]

2. Zur Zulässigkeit:

2.1. Geltendmachung von Vollziehungsmängeln:

2.1.1. Die Antragsteller behaupten im Wesentlichen, dass die Auslegung des §191 Abs2 ABGB durch das Bezirksgericht nicht dem Gesetz entspreche und daher die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Antragsteller verletze (vgl auch die Argumentation im eingebrachten Rekurs). Das Bezirksgericht unterstelle mit seiner Auslegung dem einfachen Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt, da §191 Abs2 ABGB lediglich ein Gebot der gemeinsamen Adoption (nur) für Ehegatten, aber keinen Ausschluss anderer als Ehegatten für eine gemeinsame Adoption normiere (s auch Punkt 4 und 7 des Rekurses).

2.1.2. Der Argumentation der Antragsteller folgend resultiert die Verletzung in ihren Rechten jedoch nicht aus der Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, sondern aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes. Damit machen die Antragsteller aber lediglich Vollziehungsfehler geltend. Zulässiger Prüfungsgegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG ist aber ausschließlich die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen, nicht jedoch die gerichtliche Entscheidung und die in dieser Entscheidung zum Ausdruck kommende Rechtsanschauung (vgl VfGH 2.7.2015, G145/2015; 26.2.2016, G179/2015; 23.2.2017, G274/2016; VfSlg 20.188/2017 mwN). Der Verfassungsgerichtshof ist auf Grund des Art140 Abs1 Z1 litd B-VG nicht für die Korrektur von Vollziehungsfehlern der ordentlichen Gerichte zuständig, selbst wenn diese in die Verfassungssphäre reichen sollten. Diesbezüglich ist der Rechtsschutz auf der Ebene des gerichtlichen Rechtsmittelverfahrens geblieben (VfSlg 20.001/2015).

Nach Auffassung der Bundesregierung erweist sich der Antrag daher bereits aus diesem Grund zur Gänze als unzulässig.

2.2. Zur Präjudizialität:

2.2.1. Die Bundesregierung verweist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl zB VfSlg 19.824/2013 und 19.833/2013). Diese Rechtsprechung ist sinngemäß auf Verfahren über einen Parteiantrag auf Normenkontrolle übertragbar (vgl VfGH 23.2.2017, G369/2016; 14.6.2017, G26/2017).

Ein Parteiantrag auf Normenkontrolle kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das angefochtene Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der Antragsteller wäre. Der Antrag hat darzulegen, inwiefern das Gericht das Gesetz anzuwenden und welche Auswirkungen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf die beim Gericht anhängige Rechtssache hätte. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtenen Gesetzesbestimmungen in der vor dem ordentlichen Gericht entschiedenen Rechtssache präjudiziell sind (vgl zB VfSlg 20.010/2015; 19.11.2015, G498/2015 ua; 13.10.2016, G33/2016 ua; 30.11.2016, G286/2016; 14.6.2017, G26/2017).

2.2.2. Die Präjudizialität ist entsprechend den Anforderungen des §62 Abs2 VfGG von den Antragstellern für jede angefochtene Bestimmung gesondert darzulegen (vgl Fuchs/Kneihs in Eberhard/Fuchs/Kneihs/Vašek, Kommentar zum Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 §62 VfGG Rz. 16). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes zu untersuchen, ob und inwiefern welche Norm präjudiziell sein könnte (vgl VfSlg 12.869/1991, 13.445/1993, 14.314/1995). Diesen Anforderungen wird der zweite Eventualantrag in Bezug auf §191 Abs1 und Abs3, die §§192 bis 203 ABGB sowie die §§86 bis 91d AußStrG nicht gerecht und ist daher nach Auffassung der Bundesregierung bereits vor diesem Hintergrund unzulässig.

Selbst wenn man annehmen würde, dass auch §191 Abs1 und Abs3, die §§192 bis 203 ABGB sowie die §§86 bis 91d AußStrG im vorliegenden Fall präjudiziell sind, wäre der Antrag diesbezüglich zurückzuweisen, da die Antragsteller gegen diese Bestimmungen keine eigenständigen Bedenken vorbringen. Damit genügt der Antrag insofern nicht den Anforderungen des §62 Abs1 VfGG.

2.2.3. Die Antragsteller führen aus, dass das Bezirksgericht im Fall der Aufhebung der 'angefochtenen Gesetzesbestimmungen' die Anträge unter Abstandnahme vom Hinderungsgrund des Nichtbestehens einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft am Kindeswohl zu prüfen und stattzugeben hätte.

Zunächst weist die Bundesregierung darauf hin, dass aus der Darlegung der Antragsteller nicht hervorgeht, ob sich die behaupteten Auswirkungen lediglich auf §191 Abs2 ABGB oder auch auf §191 Abs1 und 3, §§192 bis 203 ABGB sowie die §§86 bis 91 AußStrG beziehen. Insoweit sich diese Auswirkungen auch auf den Anfechtungsumfang iSd. zweiten Eventualantrags beziehen, würde die Aufhebung dieser Bestimmungen betreffend die Bewilligung und das Verfahren dazu führen, dass die Anträge keiner Bewilligung durch das Bezirksgericht mehr zugänglich wären.

Insoweit sich die dargelegten Auswirkungen allerdings auf §191 Abs2 ABGB beziehen sollten, verkennen die Antragsteller, dass sich der Regelungsinhalt des §191 Abs2 ABGB darauf beschränkt, dass Ehegatten ein Kind nur gemeinsam annehmen können, sofern nicht einer der demonstrativ aufgezählten Ausnahmegründe vorliegt. §191 Abs2 ABGB normiert nicht, ob bzw welche Form der Beziehung zwischen den Annehmenden bestehen muss, um ein Kind gemeinsam adoptieren zu können und verbietet insbesondere auch nicht die gemeinsame Adoption durch Lebensgefährten (vgl auch VfSlg 19.942/2014 Rz. 19 zu §191 Abs2 zweiter und dritter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 15/2013, der inhaltlich dem §191 Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 59/2017 entspricht). Mit der Aufhebung des §191 Abs2 ABGB wäre für die Antragsteller somit nichts gewonnen. Die Aufhebung würde vielmehr dazu führen, dass auch Ehegatten zu einer Einzeladoption unabhängig vom Vorliegen besonderer Voraussetzung legitimiert wären.

2.3. Bezeichnung der aufzuhebenden Bestimmungen:

2.3.1. Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG sind die anzufechtenden Bestimmungen genau und eindeutig zu bezeichnen (zB VfSlg 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995, 14.634/1996). Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll (VfSlg 12.062/1989, 12.487/1990, 14.040/1995, 16.340/2001). Eine ungenaue Bezeichnung der Gesetzesvorschriften, deren Aufhebung beantragt wird, ist nach ständiger Rechtsprechung kein verbesserungsfähiger Mangel (VfSlg 14.634/1996; vgl auch VfSlg 17.570/2005). Es ist dem Verfassungsgerichtshof nämlich verwehrt, Gesetzesbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen darüber, welche Normen der Antragsteller ins Auge gefasst haben könnte, in Prüfung zu ziehen und aufzuheben (VfSlg 15.775/2000; 16.340/2001; 17.570/2005).

Im Aufhebungsbegehren muss auch zweifelsfrei hervorgehen, in welcher Fassung die angefochtene Norm aufgehoben werden soll. Bei Gerichts- und Parteianträgen muss die jeweils präjudizielle Fassung der angefochtenen Bestimmung angeführt werden (vgl Fuchs/Kneihs in Eberhard/Fuchs/Kneihs/Vašek, Kommentar zum Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 §62 VfGG Rz. 5).

2.3.2. Der erste und der zweite Eventualantrag werden den Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Bezeichnung der angefochtenen Bestimmungen nicht gerecht:

Im ersten Eventualantrag begehren die Antragsteller die Aufhebung des §191 Abs2 ABGB, JGS Nr 946/1811, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 121/2021, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Landarbeitsgesetz 2021 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wurden. Mit der zitierten Fassung erfolgte jedoch weder eine Änderung des §191 Abs2 ABGB noch eine der im zweiten Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen. §191 Abs2 ABGB wurde zuletzt durch das 2. ErwSchG, BGBl I Nr 59/2017, geändert. Diese Fassung, die auch im Hauptantrag angefochten wurde, stellt somit die präjudizielle Fassung dar. Der erste Eventualantrag ist daher mangels Anfechtung der präjudiziellen Fassung unzulässig.

Im zweiten Eventualantrag werden die §§191 bis 203 ABGB, JGS Nr 946/1811, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 121/2021, sowie die §§86 bis 91d AußStrG, BGBl I Nr 111/2003, in der Fassung des Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechts-Änderungsgesetzes 2019 – ZZRÄG 2019, BGBl I Nr 38/2019, angefochten. Mit den zitierten Fassungen wurden weder die angefochtenen Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches noch jene des Außerstreitgesetzes geändert, sodass sich auch der zweite Eventualantrag mangels Bezeichnung der präjudiziellen Fassungen als unzulässig erweist.

2.4. Zum Anfechtungsumfang:

2.4.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Umfang einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl VfSlg 16.195/2001, 17.792/2006, 19.496/2011; VfGH 2.3.2015, G140/2014; jeweils mwN).

2.4.2. Der Anfechtungsumfang des zweiten Eventualantrags ist nach Auffassung der Bundesregierung zu weit gefasst:

Die Antragsteller begehren die Aufhebung der §§191 bis 203 ABGB, JGS Nr 946/1811, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 121/2021, zur Gänze sowie der §§86 bis 91d AußStrG, BGBl I Nr 111/2003, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 38/2019, zur Gänze. Die Aufhebung im Umfang des zweiten Eventualantrags würde dazu führen, dass mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden würde, als dies zur Beseitigung der behaupteten Rechtsverletzung erforderlich wäre. Die Antragsteller führen in ihrem Aufhebungsbegehren selbst aus, dass sie den Sitz der Verfassungswidrigkeit in §191 Abs2 ABGB verorten und die Eventualanträge nur für den Fall stellen, dass der Verfassungsgerichtshof 'die Aufhebung weiter fassen will'. Auch die von den Antragstellern vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken beziehen sich ausschließlich auf §191 Abs2 ABGB.

Die Antragsteller legen auch nicht dar, dass zwischen dem §191 Abs2 ABGB und den anderen angefochtenen Bestimmungen ein untrennbarer Zusammenhang bestehe. Ein solcher liegt auch nicht vor: Der Verfassungsgericht[s]hof hat einen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem §191 Abs2 erster Satz ABGB, in der Fassung des Bundesgesetzes

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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