TE Vfgh Erkenntnis 2021/10/7 A5/2021

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Veröffentlicht am 07.10.2021
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Index

17 VEREINBARUNGEN GEMÄSS ART. 15a B-VG

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z3
B-VG Art10 Abs1 Z7
B-VG Art11 Abs4
B-VG Art12 Abs1 Z1
B-VG Art15a
B-VG Art137 / Klage
EMRK Art8
Grundversorgungsvereinbarung Art3, Art10, Art11, Art13
AsylG 1997 §7, §8
FremdenG 1997 §57
AsylG 2005 §3, §8, §10, §15, §29
ZPO §52, §393, §393a
EGZPO Art42
GFK Art23
F-VG §2
Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrens-RL) Art17
Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikations-RL) Art29
VfGG §7 Abs1, §35, §41

Leitsatz

Stattgabe einer Klage des Landes Wien gegen den Bund auf Kostenersatz für vom Land erbrachte Grundversorgungsleistungen; Verpflichtung des Bundes zur Tragung der Kosten zu 100% für subsidiär Schutzberechtigte, über deren Asylstatus nicht binnen zwölf Monaten (rechtskräftig) entschieden wurde sowie abrechnungsrelevante Daten der Grundversorgung bekanntzugeben; keine Änderung des Begriffs "Asylwerber" in der Grundversorgungsvereinbarung durch das Fremdenrechtspaket 2005 auf Grund Beibehaltung des Verfahrensablaufs einschließlich der Umsetzung des Refoulement-Verbotes

Spruch

I. Der unter Punkt 1. des Klagebegehrens geltend gemachte Anspruch, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von € 23.024,98 samt 4 % Zinsen seit 15. April 2020 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht.

II. Es wird festgestellt, dass der Bund gemäß Art11 Abs4 iVm Abs1 der Grundversorgungsvereinbarung – Art15a B-VG, BGBl I Nr 80/2004, verpflichtet ist, dem Land Wien die Kosten für die Grundversorgung jener Fremder, denen gemäß §8 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und über deren Anträge auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten innerhalb von zwölf Monaten nicht rechtskräftig entschieden wurde, zu 100 % zu ersetzen.

III. Der Bund ist bei sonstiger Exekution verpflichtet, gemäß Art3 Abs2 Z4 und Abs3 iVm Art10 Abs3 und 5 iVm Art13 der Grundversorgungsvereinbarung – Art15a B-VG, BGBl I Nr 80/2004, dem Land Wien hinsichtlich der unter Spruchpunkt II. genannten Gruppe von Fremden alle für die Abrechnung der Kosten der Grundversorgung relevanten Daten ab einschließlich 1. Mai 2004 in abrechnungsfähiger Form und binnen einer Frist von drei Monaten zur Verfügung zu stellen.

IV. Die Entscheidung über die Höhe des Klagsanspruches (Spruchpunkt I.) und über die Verfahrenskosten bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Klage und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art137 B-VG begehrt das Land Wien, den Bund schuldig zu erkennen, ihm den Betrag von € 23.024,98 samt 4 % Zinsen seit 15. April 2020 sowie den Ersatz der Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Darüber hinaus begehrt das Land Wien folgende Feststellungen:

"2. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei gemäß Art11 Abs4 in Verbindung mit Art11 Abs1 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich, Stammfassung BGBl I Nr 80/2004 ('Grundversorgungsvereinbarung'), schuldig ist, dem Land Wien die Kosten für die Grundversorgung auch in Bezug auf jene Asylwerber zu 100 % zu ersetzen, denen nach §8 AsylG 2005 in erster Instanz subsidiärer Schutz gewährt wurde und deren Antrag auf internationalen Schutz nach einem Jahr Verfahrensdauer noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist.

3. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei gemäß den Bestimmungen der Grundversorgungsvereinbarung schuldig ist, auch hinsichtlich jener Asylwerber, denen nach §8 AsylG 2005 subsidiärer Schutz gewährt wurde und über deren Antrag auf internationalen Schutz noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, der Grundversorgungsstelle des Landes Wien alle für die Kostenabrechnung relevanten Daten in abrechnungsfähiger Form zur Verfügung zu stellen hat.

4. Es wird ferner festgestellt, dass die im dritten Spruchpunkt genannten Daten von der beklagten Partei rückwirkend bis zum Inkrafttreten der Grundversorgungsvereinbarung am 1.5.2004 binnen einer angemessenen Frist von drei Monaten zur Verfügung gestellt werden müssen."

2. Der Bund und die Länder haben im Jahr 2004 die Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung – Art15a B-VG, im Folgenden: GVV), BGBl I 80/2004, getroffen. Sie ist am 1. Mai 2004 in Kraft getreten.

Die Gesamtkosten, die in Durchführung der Maßnahmen dieser Vereinbarung entstehen, werden gemäß Art10 Abs1 GVV zwischen Bund und Ländern im Verhältnis sechs zu vier aufgeteilt. Die Aufgaben des Bundes sind in Art3 GVV geregelt, darunter die Erstaufnahme von Asylwerbern (Abs1 leg.cit.); Aufgabe der Länder ist unter anderem die Versorgung gemäß Art4 Abs1 Z1 GVV von hilfsbedürftigen Fremden, die einen Asylantrag gestellt haben (Asylwerber), über den noch nicht rechtskräftig abgesprochen worden ist (Art2 Abs1 Z1 GVV) und die von der Koordinationsstelle (Art3 Abs2 Z1 GVV) zugewiesen wurden, ab Zulassung ihres Asylantrages, sowie die Entscheidung gemäß Art4 Abs1 Z2 GVV über die Aufnahme in die Betreuung von hilfsbedürftigen "Fremde[n] mit Aufenthaltsrecht gemäß §8 iVm §15 AsylG, §10 Abs4 FrG oder einer Verordnung gemäß §29 FrG" (Art2 Abs1 Z3 GVV).

Die Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern (Art2 Abs1 Z1 GVV) werden gemäß Art11 Abs1 GVV für die Dauer des Verfahrens in erster und zweiter Instanz, längstens für zwölf Monate, nach Art10 Abs1 GVV zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Die Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern, deren Asylverfahren bis zur rechtskräftigen materiellen Entscheidung länger als diesen Zeitraum dauern, trägt hingegen gemäß Art11 Abs4 GVV der Bund alleine; nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens kommt (wieder) die Kostentragung nach Art10 Abs1 GVV zur Anwendung, wobei Aufgabe der Länder unter anderem auch die Entscheidung gemäß Art4 Abs1 Z2 GVV über die Aufnahme in die Betreuung von hilfsbedürftigen Fremden, denen Asyl in Österreich gewährt wird (Asylberechtigte), während der ersten vier Monate nach Asylgewährung (Art2 Abs1 Z6 GVV), ist.

Die auf die einzelnen Länder nach Art10 Abs1 GVV entfallenden Kosten werden gemäß Art10 Abs2 GVV zwischen den Ländern nach der Wohnbevölkerung (Art1 Z4 GVV) ausgeglichen. Bund und Länder legen gemäß Art10 Abs3 GVV die für die Grundversorgung bei ihnen entstehenden Kosten aus und verrechnen vierteljährlich bis zum Ablauf des darauffolgenden Quartales entsprechend dem Aufteilungsschlüssel des Art10 Abs1 GVV. Die Vertragspartner stellen sich gemäß Art10 Abs5 GVV gegenseitig alle für die Kostenabrechnung relevanten Daten über Verlangen zur Verfügung. Gemäß Art13 GVV erhalten die Vertragspartner und von diesen beauftragte Organisationen Zugriff auf den zu schaffenden Informationsverbund.

3. Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

3.1. Der Bund steht im Zusammenhang mit der Erstattung von Grundversorgungskosten gemäß den Art10 und 11 GVV auf dem Standpunkt, nicht gemäß Art11 Abs4 GVV die Kosten der Grundversorgung (auch) jener hilfsbedürftiger Fremder zu 100 % ersetzen zu müssen, denen gemäß (nunmehr) §8 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, über deren Anträge auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten nach zwölf Monaten aber noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.

Das Land Wien ließ in elf näher aufgeschlüsselten Beispielfällen im Wege des Fonds Soziales Wien, der mit der Umsetzung der Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Wien betraut ist (s Beschluss des Gemeinderates der Stadt Wien vom 19.5.2004, Sitzungsprotokoll 17. GP, 43. Sitzung, 6), jenen Personen Leistungen der Grundversorgung zukommen, bekam dafür aber entsprechend dem Standpunkt des Bundes nur 60 % der Kosten ersetzt (vgl Art10 Abs1 GVV). Der aushaftende Differenzbetrag von 40 % der angefallenen Kosten für die Beispielfälle in der Höhe von € 23.024,98 s.A. sei mittels Rechnung des Fonds Soziales Wien (Rechnungsdatum: 31.3.2020, Zahlungsfrist: 14.4.2020) gegenüber dem Bund fällig gestellt worden. Unter Klagsandrohung sei die Begleichung der Rechnung urgiert worden, wobei auch nach Ablauf der Nachfrist kein Zahlungseingang verzeichnet worden sei.

3.2. Mit vorliegender, von der Wiener Landesregierung für das Land Wien gemäß Art137 B-VG eingebrachter Klage werden die vom Land Wien vorgestreckten Aufwendungen für Grundversorgungsleistungen in den Beispielfällen in der Höhe des genannten Differenzbetrages von 40 % der angefallenen Kosten eingeklagt. Unter einem werden die oben wiedergegebenen Feststellungen begehrt.

4. Der Bund hat eine Gegenschrift (Klagebeantwortung) erstattet, in der er das Bestehen der Forderung des Landes Wien dem Grunde und der Höhe nach bestreitet; ferner wird die Zulässigkeit der Feststellungsbegehren bestritten und die kostenpflichtige Ab- bzw Zurückweisung der Klage beantragt.

5. Das Land Wien hat darauf eine Replik erstattet.

II. Rechtslage

1. Die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung [GVV] – Art15a B-VG), BGBl I 80/2004, lautet auszugsweise:

"Der Bund, vertreten durch die Bundesregierung, und die Länder Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien, jeweils vertreten durch den Landeshauptmann, – im folgenden Vertragspartner genannt – kommen überein, gemäß Artikel 15a B-VG die nachstehende Vereinbarung zu schließen:

Artikel 1

Zielsetzung

(1) Ziel der Vereinbarung ist die bundesweite Vereinheitlichung der Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde, die im Bundesgebiet sind, im Rahmen der bestehenden verfassungsrechtlichen Kompetenzbereiche. Die Grundversorgung soll bundesweit einheitlich sein, partnerschaftlich durchgeführt werden, eine regionale Überbelastung vermeiden und Rechtssicherheit für die betroffenen Fremden schaffen.

(2) Bei der Erreichung des Ziels gemäß Abs1 ist auf die europarechtlichen Normen, insbesondere auf die Richtlinie 2003/9/EG des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten und die Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten, Bedacht zu nehmen.

(3) Die Vertragspartner errichten ein Betreuungsinformationssystem. Datenschutzrechtliche Auftraggeber des Betreuungsinformationssystems sind die jeweils zuständigen Organe der Vertragspartner. Das Betreuungsinformationssystem wird als Informationsverbundsystem (§§4 Z13, 50 DSG 2000) geführt.

(4) Die durch diese Vereinbarung begünstigten Fremden werden im Sinne einer jährlichen Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf das Verhältnis der Wohnbevölkerung in den Bundesländern betreut. Wohnbevölkerung im Sinne dieser Vereinbarung ist die für den jeweiligen Finanzausgleich ermittelte Gesamtbevölkerung Österreichs und die Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundeslandes (zuletzt: Volkszählung 2001).

(5) Diese Vereinbarung begründet keinen Rechtsanspruch für Fremde gemäß Artikel 2.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen/Zielgruppe

(1) Zielgruppe dieser Vereinbarung sind – unbeschadet der Bestimmungen des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl I Nr 101/2003 – hilfs- und schutzbedürftige Fremde, die unterstützungswürdig sind. Hilfsbedürftig ist, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht oder nicht ausreichend von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Schutzbedürftig sind

1. Fremde, die einen Asylantrag gestellt haben (Asylwerber), über den noch nicht rechtskräftig abgesprochen ist,

2. Fremde ohne Aufenthaltsrecht, über deren Asylantrag rechtskräftig negativ abgesprochen wurde, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind,

3. Fremde mit Aufenthaltsrecht gemäß §8 iVm §15 AsylG, §10 Abs4 FrG oder einer Verordnung gemäß §29 FrG,

4. Fremde ohne Aufenthaltsrecht, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind,

5. Fremde, die aufgrund der §§4, 4a, 5, 5a und 6 der Asylgesetznovelle 2003, BGBl I Nr 101/2003, nach einer – wenn auch nicht rechtskräftigen – Entscheidung der Asylbehörde entweder in Schubhaft genommen werden können oder auf die die Bestimmungen des §66 FrG anzuwenden sind oder deren vorübergehende Grundversorgung bis zur Effektuierung der Außerlandesbringung nach der Entscheidung der Asylbehörde von den Ländern sichergestellt ist und

6. Fremde, denen ab 1. Mai 2004 Asyl in Österreich gewährt wird (Asylberechtigte), während der ersten vier Monate nach Asylgewährung.

(2) Die Unterstützung für Fremde, die angehalten werden, ruht für die Dauer der Anhaltung.

(3) Die Unterstützung endet jedenfalls mit dem Verlassen des Bundesgebietes, soweit Österreich nicht durch internationale Normen zur Rückübernahme verpflichtet ist.

(4) Die Unterstützungswürdigkeit des Fremden kann unter Berücksichtigung von Art1 Abs2 eingeschränkt werden oder verloren gehen, wenn er wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung verurteilt worden ist, die einen Ausschlussgrund gemäß §13 AsylG darstellen kann.

Artikel 3

Aufgaben des Bundes

(1) Der Bund führt Betreuungseinrichtungen (Betreuungsstellen, Erstaufnahmestellen) für Asylwerber. Der Bund stellt vor Neuerrichtung oder Schließung von Bundesbetreuungsstellen das Einvernehmen mit dem jeweiligen Bundesland her. Der Bund sorgt für die Erstaufnahme der Asylwerber.

(2) Der Bund richtet eine Koordinationsstelle ein. Deren Aufgaben sind:

1. Zuteilung der Asylwerber auf die Länder unter Bedachtnahme auf den Aufteilungsschlüssel (Art1 Abs4),

2. Transporte (zu den Erstaufnahmestellen und von den Erstaufnahmestellen in die Länder),

3. An-, Ab- und Ummeldung bei der Krankenversicherung, soweit die betreuten Fremden durch den Bund aufgenommen werden oder sich in Betreuungseinrichtungen des Bundes befinden,

4. administrative Abwicklung, vierteljährliche Erstellung einer Übersicht über die finanziellen Aufwendungen aller Vertragspartner (gegliedert nach Vertragspartnern) sowie Verrechnung mit den Ländern,

5. bei Bedarf und über Ersuchen der Länder Unterstützung bei der Umverteilung von Fremden gemäß Art2 Abs1 Z4 auf einzelne Bundesländer und

6. die Koordination und Durchführung von Maßnahmen betreffend Rückkehrprogramme.

(3) Der Bund informiert die Länder laufend und zeitgerecht über asylverfahrensrelevante Verfügungen.

(4) Schaffung von Vorsorgekapazitäten für die Bewältigung von Unterbringungsengpässen in den Ländern.

(5) Der Bund kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben gemäß der Abs1 (ausgenommen die Erstaufnahmestelle), Abs2 Z2, Z3 und Z6 hinsichtlich der Maßnahmen zur Durchführung der Rückkehrprogramme sowie Abs4 humanitärer, kirchlicher oder privater Einrichtungen oder Institutionen der freien Wohlfahrtspflege bedienen.

Artikel 4

Aufgaben der Länder

(1) Die Aufgaben der Länder sind:

1. Versorgung der von der Koordinationsstelle zugewiesenen Asylwerber,

2. Entscheidung über die Aufnahme Fremder gemäß Art2 Abs1 Z2 bis 4 und 6 in die Betreuung,

3. Entscheidung über die Entlassung betreuter Fremder; bei Asylwerbern ist die Entscheidung im Einvernehmen mit dem Bundesasylamt zu treffen,

4. Schaffung und Erhaltung der zur Versorgung der Fremden erforderlichen Infrastruktur,

5. An-, Um- und Abmeldung bei der Krankenversicherung, soweit die betreuten Fremden von den Ländern aufgenommen werden oder von Einrichtungen des Landes betreut werden,

6. die Einbringung der aktuellen Daten über die Auslastung der Kapazitäten in den Informationsverbund zum ehestmöglichen Zeitpunkt,

7. Unterstützung des Bundesasylamtes bei Führung von Asylverfahren etwa durch Zustellung von Ladungen und Entscheidungen an den Asylwerber und Information und Erinnerung des Unterkunftgebers und des Asylwerbers an verfahrensrelevante Termine,

8. Verarbeitung von zur Durchführung von Rückkehraktionen erforderlichen personenbezogenen Daten von Asylwerbern über Ersuchen des Bundes und

9. die aktuelle Meldung über von der Koordinationsstelle zugeteilte Asylwerber, die sich dem Asylverfahren entzogen haben, an diese zum ehestmöglichen Zeitpunkt.

(2) Bei der Versorgung der in die Betreuung aufgenommenen Fremden und der Schaffung und Erhaltung der nötigen Infrastruktur gemäß Abs1 Z4 können sich die Länder humanitärer, kirchlicher oder privater Einrichtungen oder Institutionen der freien Wohlfahrtspflege bedienen.

(3) Die Länder können im Einvernehmen mit der Koordinationsstelle bei unverhältnismäßiger Mehrbelastung einzelner Länder für die Übernahme einer Anzahl von Fremden durch ein anderes Land Sorge tragen. Sind hiefür Transporte erforderlich, sorgt das abgebende Land für den Transport.

[…]

Artikel 6

Grundversorgung

(1) Die Grundversorgung umfasst:

1. Unterbringung in geeigneten Unterkünften unter Achtung der Menschenwürde und unter Beachtung der Familieneinheit,

2. Versorgung mit angemessener Verpflegung,

3. Gewährung eines monatlichen Taschengeldes für Personen in organisierten Unterkünften und für unbegleitete minderjährige Fremde, ausgenommen bei individueller Unterbringung gemäß Art9 Z2,

4. Durchführung einer medizinischen Untersuchung im Bedarfsfall bei der Erstaufnahme nach den Vorgaben der gesundheitsbehördlichen Aufsicht,

5. Sicherung der Krankenversorgung im Sinne des ASVG durch Bezahlung der Krankenversicherungsbeiträge,

6. Gewährung allenfalls darüber hinausgehender notwendiger, durch die Krankenversicherung nicht abgedeckter Leistungen nach Einzelfallprüfung,

7. Maßnahmen für pflegebedürftige Personen,

8. Information, Beratung und soziale Betreuung der Fremden durch geeignetes Personal unter Einbeziehung von Dolmetschern zu deren Orientierung in Österreich und zur freiwilligen Rückkehr,

9. Übernahme von Transportkosten bei Überstellungen und behördlichen Ladungen,

10. Übernahme der für den Schulbesuch erforderlichen Fahrtkosten und Bereitstellung des Schulbedarfs für Schüler,

11. Maßnahmen zur Strukturierung des Tagesablaufes im Bedarfsfall,

12. Gewährung von Sach- oder Geldleistungen zur Erlangung der notwendigen Bekleidung,

13. Kostenübernahme eines ortsüblichen Begräbnisses oder eines Rückführungsbetrages in derselben Höhe und

14. Gewährung von Rückkehrberatung, von Reisekosten sowie einer einmaligen Überbrückungshilfe bei freiwilliger Rückkehr in das Herkunftsland in besonderen Fällen.

(2) Die Grundversorgung kann, wenn damit die Bedürfnisse des Fremden ausreichend befriedigt werden, auch in Teilleistungen gewährt werden.

(3) Fremden, die die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Unterkunft durch ihr Verhalten fortgesetzt und nachhaltig gefährden, kann die Grundversorgung gemäß Abs1 unter Berücksichtigung von Art1 Abs2 eingeschränkt oder eingestellt werden. Das gleiche gilt im Anwendungsfall des §38a SPG.

(4) Durch die Einschränkung oder Einstellung der Leistungen darf die medizinische Notversorgung des Fremden nicht gefährdet werden.

(5) Fremde gemäß Art2 Abs1 können mit ihrem Einverständnis zu Hilfstätigkeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Unterbringung und Betreuung stehen, herangezogen werden.

[…]

Artikel 10

Kosten

(1) Die Gesamtkosten die in Durchführung der Maßnahmen dieser Vereinbarung entstehen, werden zwischen Bund und Ländern im Verhältnis sechs zu vier aufgeteilt, ausgenommen die Kosten gemäß Art11 Abs4 erster Satz. Die Verrechnung erfolgt aufgrund der tatsächlich geleisteten Beträge, maximal jedoch bis zum Erreichen der in Art9 normierten Kostenhöchstsätze.

(2) Die auf die einzelnen Länder gemäß Abs1 entfallenden Kosten werden zwischen den Ländern nach der Wohnbevölkerung (Art1 Abs4) ausgeglichen.

(3) Die Vertragspartner legen entstehende Kosten aus und verrechnen vierteljährlich bis zum Ablauf des darauf folgenden Quartals nach den Abs1 und 2.

(4) Der Bund kann, über Ersuchen auch nur eines Landes, erwachsende Kosten bevorschussen. Die Verrechnung erfolgt gemäß Abs3.

(5) Die Vertragspartner stellen sich gegenseitig alle für die Kostenabrechnung relevanten Daten über Verlangen zur Verfügung.

(6) Nähere Durchführungsbestimmungen für die Abrechnung legen die Vertragspartner im Einvernehmen fest.

Artikel 11

Kostentragung bei Asylwerbern

(1) Die Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern (Art2 Abs1 Z1), die ihren Asylantrag ab dem 1. Mai 2004 in erster Instanz beim Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle) einbringen, werden für die Dauer des Verfahrens in erster und zweiter Instanz, längstens für 12 Monate gemäß Art10 zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.

(2) Die Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern (Art2 Abs1 Z1), deren Verfahren am 30. April 2004 in erster Instanz beim Bundesasylamt anhängig sind, werden für die Dauer des Verfahrens in erster und zweiter Instanz, längstens bis 30. April 2005 gemäß Art10 zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.

(3) Die Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern (Art2 Abs1 Z1), deren Verfahren am 30. April 2004 in zweiter Instanz beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, werden für die Dauer des Verfahrens, längstens bis 31. Oktober 2004 gemäß Art10 zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.

(4) Die Kosten für die Grundversorgung Fremder gemäß der Abs1 bis 3, deren Asylverfahren bis zur rechtskräftigen materiellen Entscheidung länger als den oben genannten Zeitraum dauern, trägt der Bund alleine. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens kommt die Kostentragung gemäß Art10 zur Anwendung.

Artikel 12

Kostenverschiebungen durch legistische Maßnahmen, Abwicklung der

Schülerfreifahrt

(1) Werden durch künftige Gesetze oder Verordnungen des Bundes trotz gegebenem Finanzierungsschlüssel von 60 : 40 faktische finanzielle Kostenverschiebungen zu Lasten der Länder mit speziellem Bezug auf den Regelungsbereich der vorliegenden Art15a B-VG Vereinbarung verursacht, so hat der Bund hiefür den Ländern vollen Kostenersatz zu leisten. Rechtsvorschriften, die zur Umsetzung des Rechtes der Europäischen Union zwingend erforderlich sind, sind von der Kostenersatzpflicht ausgenommen.

(2) Werden durch künftige Gesetze oder Verordnungen eines Landes trotz gegebenem Finanzierungsschlüssel von 60 : 40 faktische finanzielle Kostenverschiebungen zu Lasten des Bundes mit speziellem Bezug auf den Regelungsbereich der vorliegenden Art15a B-VG Vereinbarung verursacht, so hat das jeweilige Land dem Bund hiefür vollen Kostenersatz zu leisten. Rechtsvorschriften, die zur Umsetzung des Rechtes der Europäischen Union zwingend erforderlich sind, sind von der Kostenersatzpflicht ausgenommen.

(3) Erzielen sämtliche Vertragspartner eine Einigung über die Kostentragung, entfällt die Kostentragungspflicht gemäß Abs1 und 2.

(4) Der Bund übernimmt vorläufig die zentrale Abwicklung der Schülerfreifahrten. Die Kosten der Schülerfreifahrt unterliegen dem Kostenteilungsschlüssel gemäß Art10 Abs1 der genannten Vereinbarung.

Artikel 13

Datenaustausch

Die Vertragspartner sowie von diesen beauftragte Organisationen erhalten Zugriff auf den zu schaffenden Informationsverbund. Bei jedem Zugriff muss nachvollziehbar sein, welcher Bedienstete auf Informationen zugegriffen hat. Der Zugriff ist nur zu Zwecken der Durchführung der Artikel 6, 7, 8, 10 und 11 zulässig. Die Vertragspartner schulen die Zugriffsberechtigten in geeigneter Weise.

[…]

Artikel 15

Dauer

(1) Diese Vereinbarung wird auf unbefristete Zeit abgeschlossen. Die Vertragspartner verzichten für die Dauer von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung auf eine Kündigung.

(2) Sollte ein Vertragspartner nach Ablauf dieser Frist die Vereinbarung aufkündigen, wird diese Kündigung frühestens 18 Monate nach Zustellung der Kündigung an alle anderen Vertragspartner wirksam.

(3) Die Kündigung gemäß Abs2 hat schriftlich zu erfolgen.

Artikel 16

Übergangsbestimmungen und Inkrafttreten

(1) Der Bund setzt Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylverfahren und zur Aufenthaltsbeendigung von Fremden ohne Aufenthaltstitel, soweit dies rechtlich und faktisch möglich ist.

(2) Die Vertragspartner übernehmen mit In-Kraft-Treten dieser Vereinbarung die von ihnen jeweils betreuten und zur Zielgruppe gehörenden Personen in diese Grundversorgung.

(3) Diese Vereinbarung tritt am 1. Mai 2004 in Kraft."

2. Das Asylgesetz 1997 – AsylG 1997, BGBl I 76/1997, idF BGBl I 101/2003 lautete auszugsweise:

"1. Abschnitt

Begriffsbestimmungen

§1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. – 2. […]

3. Asylwerber(in) ein Fremder ab Einbringung eines Asylantrages bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung;

4. – 7. […]

[…]

Asylantrag

§3. (1) Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung (Art1 Abschnitt A Z2 der Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, begehren mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl. Ein gesonderter Antrag auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft ist nicht zulässig.

(2) Ein Asylantrag ist gestellt, wenn Fremde auf welche Weise immer gegenüber einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erkennen geben, in Österreich Schutz vor Verfolgung zu suchen.

(3) Ein Asylantrag ist eingebracht, wenn der Fremde entweder persönlich in einer Erstaufnahmestelle den Antrag stellt oder von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstaufnahmestelle vorgeführt (§18) wird.

[…]

Asyl auf Grund Asylantrages

§7. Die Behörde hat Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, daß ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art1 Abschnitt A Z2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlußgründe vorliegt.

Subsidiärer Schutz

§8. (1) Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

(2) Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß Abs1 ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden.

(3) Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§13) abgewiesen wurde, ist von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.

(4) Bei Wegfallen aller Umstände, die einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden nach Abs1 entgegenstehen, kann das Bundesasylamt von Amts wegen bescheidmäßig feststellen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden zulässig ist."

3. Das Fremdengesetz 1997 – FrG 1997, BGBl I 75/1997, idF BGBl I 134/2002 lautete auszugsweise:

"Verbot der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung

§57. (1) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art2 EMRK, Art3 EMRK oder das Protokoll Nr 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

(2) Die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art33 Z1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974).

(3) – (7) […]"

4. Das Asylgesetz 2005 – AsylG 2005, BGBl I 100/2005, idF BGBl I 86/2021 lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. –12. […]

13. ein Antrag auf internationalen Schutz: das – auf welche Weise auch immer artikulierte – Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten;

14. ein Asylwerber: ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens;

15. – 24. […]

(2) […]

2. Hauptstück

Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten

1. Abschnitt

Status des Asylberechtigten

Status des Asylberechtigten

§3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art1 Abschnitt A Z2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§2 Z23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden ist von Amts wegen und ohne weiteres Verfahren der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn sich die Republik Österreich völkerrechtlich dazu verpflichtet hat.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

[…]

4. Abschnitt

Status des subsidiär Schutzberechtigten

Status des subsidiär Schutzberechtigten

§8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 EMRK, Art3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach §3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach §7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß §34 Abs1 Z2 gilt Abs4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet zu verfügen, wenn diese gemäß §10 Abs2 nicht unzulässig ist. §10 Abs3 gilt.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."

III. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit der Klage

1. Seine Klagslegitimation begründet das klagende Land unter Verweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 20.284/2018 und vom 27. Februar 2020, A8/2019. In der Sache wird mit näherer Begründung vorgebracht, dass der Bund gemäß Art11 Abs4 iVm Abs1 GVV verpflichtet sei, (auch) die Kosten der Grundversorgung jener hilfsbedürftiger Fremder, denen gemäß (nunmehr) §8 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, über deren Anträge auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten nach zwölf Monaten aber noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, zu 100 % zu tragen. Dem Land Wien stehe gegenüber dem Bund hinsichtlich der vorgestreckten Aufwendungen für Grundversorgungsleistungen in den Beispielfällen ein Kostenersatzanspruch in der Höhe des aushaftenden Differenzbetrages von 40 % der angefallenen Kosten zu. Darüber hinaus bestehe ein evidentes rechtliches Interesse des Landes Wien unter anderem daran, dass der Verfassungsgerichtshof feststelle, dass der Bund schuldig sei, dem Land Wien (auch) die Kosten der Grundversorgung der in Rede stehenden Gruppe von Fremden zu 100 % zu ersetzen.

2. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche unter anderem gegen den Bund, wenn sie weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

2.1. Ein solcher vermögensrechtlicher Anspruch, dessen Wurzel im öffentlichen Recht liegt, wird mit der vorliegenden Klage zunächst unter Punkt 1. des Klagebegehrens geltend gemacht. Wie sich bereits aus den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 20.284/2018 und vom 27. Februar 2020, A8/2019, ergibt und da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage insoweit als zulässig.

2.2. Hinsichtlich der Punkte 2. bis 4. des Klagebegehrens ist Folgendes auszuführen:

Der Verfassungsgerichtshof deutet die Punkte 2. bis 4. des Klagebegehrens in dem Sinn, dass das klagende Land damit – der Sache nach – nicht mehrere Feststellungs-, sondern ein zweistufiges Leistungsbegehren erhebt. Die unter den Punkten 3. und 4. des Klagebegehrens begehrten Feststellungen, dass der Bund schuldig sei, dem Land Wien hinsichtlich jener hilfsbedürftiger Fremder, denen gemäß (nunmehr) §8 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, über deren Anträge auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten nach zwölf Monaten aber noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, alle für die Kostenabrechnung relevanten Daten in abrechnungsfähiger Form, und zwar binnen einer Frist von drei Monaten auch rückwirkend bis zum 1. Mai 2004, zur Verfügung zu stellen, sowie die unter Punkt 2. des Klagebegehrens begehrte Feststellung, dass der Bund schuldig sei, dem Land Wien die Kosten für die Grundversorgung (auch) dieser Gruppe Fremder zu 100 % zu ersetzen, können der Sache nach als ein zweistufiges Leistungsbegehren auf Rechnungslegung einerseits und auf Zahlung in vorerst unbestimmter Höhe andererseits verstanden werden (sogenannte Stufenklage; vgl §35 VfGG iVm ArtXLII EGZPO).

Ein vermögensrechtlicher Anspruch, dessen Wurzel im öffentlichen Recht liegt, wird mit der vorliegenden Klage demnach auch unter den Punkten 2. bis 4. des Klagebegehrens geltend gemacht. Insgesamt erweist sich die Klage daher zur Gänze als zulässig.

B. In der Sache

1. Die zulässige Klage ist – hinsichtlich Punkt 1. des Klagebegehrens dem Grunde nach – auch begründet.

2. Der Sachverhalt ist insoweit nicht strittig.

3. Die Klage wird insbesondere auf Art11 Abs4 iVm Abs1 GVV gestützt, wonach die Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern (Art2 Abs1 Z1 GVV) für die Dauer des Verfahrens in erster und zweiter Instanz, längstens für zwölf Monate, nach Art10 Abs1 GVV zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Die Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern, deren Asylverfahren bis zur rechtskräftigen materiellen Entscheidung länger als diesen Zeitraum dauern, trägt der Bund hingegen alleine; nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens kommt (wieder) die Kostentragung nach Art10 Abs1 GVV zur Anwendung.

Das klagende Land bringt vor, dass es unverständlich sei, dass der Bund die Rechtsauffassung vertrete, Art11 Abs4 GVV gelte generell nicht (auch) bei hilfsbedürftigen Fremden, denen gemäß (nunmehr) §8 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, über deren Anträge auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten nach zwölf Monaten aber noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Diese Gruppe hilfs- und schutzbedürftiger Fremder sei – weiterhin – als Asylwerber iSd Art2 Abs1 Z1 GVV anzusehen, wofür das Land Wien mit näherer Begründung auf den Wortlaut und die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der GVV verweist sowie weitere systematische und teleologische Argumente zur Interpretation vorbringt.

4. Der Bund tritt dem mit einer Begründung entgegen, auf die im Folgenden einzugehen sein wird.

5. Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Ansprüche des Landes Wien ist es erforderlich, die finanzverfassungsrechtliche Kostentragungspflicht für derartige Aufwendungen darzustellen:

5.1. Die Republik Österreich hat in Art23 GFK die völkerrechtliche Verpflichtung übernommen, Flüchtlingen, die sich erlaubterweise auf ihrem Gebiet aufhalten, die gleiche Behandlung in der öffentlichen Unterstützung und Hilfeleistung zu gewähren, wie sie ihren eigenen Staatsbürgern zuteilwird. Unionsrechtlich ist (nunmehr) auf Art17 der Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, ABl 2013 L 180, 96, zu verweisen, nach dessen Abs1 und 2 die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Antragsteller ab Stellung des Antrages auf internationalen Schutz im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Anspruch nehmen können und dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern gewährleistet (vgl ebenso Art13 der davor geltenden Richtlinie 2003/9/EG, ABl 2003 L 31, 18). Gemäß Art29 Abs1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl 2011 L 337, 9, tragen die Mitgliedstaaten weiters dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates erhalten, wobei sie die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken können, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren (vgl Art28 der Richtlinie 2004/83/EG, ABl 2004 L 304, 12).

5.2. Die Umsetzung dieser völker- und unionsrechtlichen Verpflichtungen in Gesetzgebung und Vollziehung ist zwischen Bund und Ländern kompetenzrechtlich geteilt:

Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.942/2006 festgestellt hat, fällt die Angelegenheit der Grundversorgung von Asylwerbern in Gesetzgebung und Vollziehung gemäß Art10 Abs1 Z3 und 7 B-VG in die Zuständigkeit des Bundes. Die Versorgung von subsidiär Schutzberechtigten hingegen fällt unter den Kompetenztatbestand "Armenwesen" gemäß Art12 Abs1 Z1 B-VG und damit in die Zuständigkeit des Bundes zur Grundsatzgesetzgebung und die Zuständigkeit der Länder zur Ausführungsgesetzgebung und zur Vollziehung (vgl VfSlg 20.177/2017, 20.359/2019).

Der Verfassungsgerichtshof hat weiters entschieden, dass auch Fremde ohne Aufenthaltsrecht, über deren Asylantrag rechtskräftig negativ abgesprochen wurde und/oder die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind, und zwar unabhängig von ihrer Mitwirkung an der Ausreise, von der Grundversorgung erfasst sind (VfGH 27.2.2020, A8/2019).

Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Grundversorgung hilfsbedürftiger Fremder (auch) nach negativer Entscheidung über ihren Asylantrag in den Aufgabenbereich des Bundes fällt, solange ein Konnex zum Asylverfahren insoweit besteht, als ihr Aufenthalt in Österreich eine Folge ihres Asylantrages ist, weil ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Versorgungsleistungen und Fremdenrecht besteht (VfSlg 17.942/2006). Daraus folgt, dass die Bundeszuständigkeit erst dann endet, wenn (rechtskräftig) positiv über das Aufenthaltsrecht eines früheren Asylwerbers abgesprochen worden ist oder aber der Asylwerber das Bundesgebiet verlassen hat.

5.3. Gemäß §2 F-VG tragen der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt ("Konnexitätsgrundsatz").

5.3.1. Art10 Abs1 GVV enthält eine abweichende Kostentragungsregelung iSd §2 F-VG, die auch im Rahmen einer Vereinbarung nach Art15a B-VG getroffen werden konnte (vgl im Einzelnen VfSlg 20.284/2018). Die Länder haben sich bereit erklärt, 40 % der – an sich vom Bund zu tragenden – Kosten der Grundversorgung von Asylwerbern während des Asylverfahrens, eingeschränkt für die Dauer von zwölf Monaten, zu übernehmen. Der Bund übernimmt im Gegenzug 60 % der – an sich den Ländern anfallenden – Kosten der Grundversorgung bestimmter sonstiger Fremder, nämlich solcher mit Aufenthaltsrecht.

5.3.2. Unter dem Blickwinkel der Kostentragungspflicht des §2 F-VG und gegliedert nach der Aufzählung des Art2 GVV ergibt sich, dass die Grundversorgung jedenfalls folgender hilfsbedürftiger Fremder in den Aufgabenbereich des Bundes fällt, weil ihr Aufenthalt auf Grund des Kompetenztatbestandes "Asyl" (dazu VfSlg 18.613/2008) entsprechend der Entscheidung VfSlg 17.942/2006 gemäß Art10 Abs1 Z3 (und 7) B-VG in die Bundeszuständigkeit fällt: Fremde, die einen Asylantrag gestellt haben (Asylwerber), über den noch nicht rechtskräftig abgesprochen ist (Art2 Abs1 Z1 GVV); Fremde ohne Aufenthaltsrecht, über deren Asylantrag rechtskräftig negativ abgesprochen wurde, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind (Z2 leg.cit.); sonstige Fremde, die nach einer abweisenden Entscheidung über ihren Asylantrag in Schubhaft genommen werden können, die sich auf Anordnung der Behörde gelinderer Mittel in einer bestimmten Unterkunft aufhalten müssen oder deren vorübergehende Grundversorgung bis zur Effektuierung der Außerlandesbringung von den Ländern sichergestellt wird (Z5 leg.cit.).

5.3.3. Art2 Abs1 Z3 GVV enthält mehrere einzelne Tatbestände: Fremde mit Aufenthaltsrecht gemäß §8 iVm §15 AsylG 1997 in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GVV geltenden Fassung BGBl I 101/2003 – das sind solche, bei denen mit der Entscheidung über die Abweisung des Asylantrages eine amtswegige bescheidmäßige Feststellung zu verbinden war, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig war (Non-Refoulement-Prüfung, damals §57 Fremdengesetz 1997 – FrG 1997 idF BGBl I 134/2002) –, Fremde gemäß §10 Abs4 FrG 1997 ("humanitärer Aufenthalt") und gemäß einer Verordnung nach §29 FrG ("Vertriebene") fallen zufolge ihres Aufenthaltsrechtes in den Aufgabenbereich der Länder gemäß §2 F-VG iVm Art12 Abs1 Z1 B-VG. Ebenso gehört die Grundversorgung Fremder, die, ohne einen Asylantrag gestellt zu haben, kein Aufenthaltsrecht haben und die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind, zu diesem Tatbestand (Art2

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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