TE Vwgh Beschluss 2021/8/20 Ra 2020/10/0068

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Veröffentlicht am 20.08.2021
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Index

L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
NatSchG Tir 2005 §3 Abs2
NatSchG Tir 2005 §45 Abs7
NatSchG Tir 2005 §6 litb
NatSchG Tir 2005 §7 Abs1
NatSchG Tir 2005 §7 Abs1 lita
VStG §22
VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §44a
VStG §44a Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.Tscheließnig, über die Revision des C W in P, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 6. April 2020, LVwG-2019/26/1822-11, betreffend Übertretung nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Reutte), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Spruchpunkt 1.a) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 4. März 2019 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 7 Abs. 1 lit. a iVm § 45 Abs. 1 lit. a Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (TNSchG) schuldig erkannt, weil er es zu verantworten habe, seit Oktober 2017, jedenfalls jedoch am 23. Oktober 2017, im Gebiet „D“ im Bereich der Grundparzellen X und Y, jeweils KG R, Schottermaterial im Ausmaß von 80 m³ aus dem nahegelegenen „Z-Bach“ (Grundparzelle Y, KG R) maschinell illegal entnommen zu haben, ohne über die hierfür erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung zu verfügen. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,-- (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) verhängt. Weiters wurde er verpflichtet, 10 % des Strafbeitrags als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) u.a. die gegen diesen Spruchpunkt vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte das Straferkenntnis diesbezüglich mit der Maßgabe, dass nach der Ortsbezeichnung „D“ die Wortfolge „außerhalb geschlossener Ortschaften“ eingefügt werde. Weiters verpflichtete es den Revisionswerber, einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 200,-- zu leisten und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde hat in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung erstattet.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Der Revisionswerber bringt vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG ab. Im Spruch sei zu präzisieren gewesen, ob es sich beim „Z-Bach“ um ein fließendes, natürliches Gewässer oder ein stehendes Gewässer mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m² handle. Außerdem handle es sich bei der Formulierung „außerhalb geschlossener Ortschaften“ lediglich um die Wiedergabe eines Tatbestandsmerkmals und es werde dadurch keine Umschreibung des Tatgeschehens bzw. der wesentlichen Tatbestandsmerkmale vorgenommen. Durch diese Ergänzung sei das Verwaltungsgericht über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens hinausgegangen. Zudem sei die im Spruch getroffene Tatumschreibung „Schottermaterial maschinell entnommen“ keine Umschreibung des Tatbestandsmerkmals „Ausbaggern“. Nicht jegliche maschinelle Entnahme von Schottermaterial erfülle die Kriterien des „Ausbaggerns“ im Sinne des § 7 Abs. 1 lit. a TNSchG. Im normalen Sprachgebrauch werde mit dem „Ausbaggern“ nicht die Entnahme einer kleinen Menge an Schottermaterial mit einem Bagger bezeichnet, sondern es sei damit eine gewisse Erheblichkeit bzw. ein großer Umfang verbunden. Durch die Wahl des Begriffes „Ausbaggern“ habe der Gesetzgeber nur die Entnahme in einem nicht unerheblichen Ausmaß vor Augen gehabt. Zur Frage, ob unter das Verbot des „Ausbaggerns“ iSd § 7 Abs. 1 lit. a TNSchG jegliche auch noch so geringfügige Entnahme von Schottermaterial - zumindest jedoch die Entnahme von 80 m³ - falle, fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

8        Nach ständiger hg. Judikatur sind maßgebliche Gesichtspunkte bei der Konkretisierung der Tat - und der Frage, ob eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde - die Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und die Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung. § 44a Z 1 VStG ist - unter Rechtsschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn im Spruch des Strafbescheides dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Ausgehend von dieser Zielrichtung des Konkretisierungsgebotes des § 44a Z 1 VStG sind die an die Tatumschreibung zu stellenden Erfordernisse von Delikt zu Delikt und nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall unterschiedlich zu beurteilen, wobei eine derartige - notwendigerweise einzelfallbezogene - Beurteilung im Regelfall nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 26.2.2020, Ra 2019/05/0305, mwN).

9        Zum Vorbringen, es sei im Spruch zu präzisieren gewesen, ob es sich beim „Z-Bach“ um ein fließendes, natürliches Gewässer oder ein stehendes Gewässer mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m² handle, ist auszuführen, dass im Spruch der Name des Baches und die betroffene Grundparzelle angeführt sind. Die Bezeichnung „Bach“ spricht in jenen Fällen, in denen keine anderen Anhaltspunkte vorliegen, dafür, dass es sich um ein fließendes Gewässer handelt. Der Revisionswerber behauptet auch nicht, dass es sich beim „Z-Bach“ nicht um ein fließendes, natürliches Gewässer handelt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermag das Fehlen der Verwendung der „verba legalia“ an einer hinreichenden Konkretisierung der Tat nach § 44a VStG nichts zu ändern (vgl. VwGH 17.9.2010, 2010/04/0096). Der Revisionswerber zeigt daher mit seinem diesbezüglichen Vorbringen keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

10       Wenn der Revisionswerber darüber hinaus behauptet, der Begriff des „Ausbaggerns“ umfasse nur die Entnahme in einem nicht unerheblichen Ausmaß, so findet diese Ansicht keine Deckung in der Rechtsprechung. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits ausgesprochen, dass schon der Eingriff des „Ausbaggerns“ naturschutzrechtlich relevant ist und es dabei nicht auf den Zweck dieses Eingriffs ankommt. Sowohl beim „Ausbaggern“ als auch beim „Geländeabtragen“ werden Materialien aus der natürlichen Lage herausgenommen. Beim „Ausbaggern“ stellt sich anders als beim „Abbau“ nicht die Frage der „Abbauwürdigkeit“, sondern unabhängig von der Art und Beschaffenheit wird das Material aus allen möglichen Gründen entfernt (vgl. VwGH 25.1.1999, 97/17/0200). Unter „Abbau“ ist etwas Anderes als (bloßes) „Ausbaggern“ zu verstehen. Unterscheidungskriterium zwischen den beiden Tatbeständen ist die Weiterverwendung der Materialien im Wirtschaftskreislauf (vgl. VwGH 25.2.2003, 2000/10/0103). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich daher beim Tatbestand des Ausbaggerns um die Entnahme von Materialien aus der natürlichen Lage. Auf eine Erheblichkeit bzw. Menge der Entnahme - wie der Revisionswerber behauptet - wird bei der Qualifikation als „Ausbaggern“ nicht abgestellt. Dem Revisionswerber wird im Spruch angelastet, er habe Schottermaterial aus dem Z-Bach illegal maschinell entnommen. Dies entspricht dem Tatbestand des „Ausbaggerns“; das Fehlen der „verba legalia“ schadet auch in diesem Zusammenhang nicht.

11       Das Tatbildmerkmal „außerhalb geschlossener Ortschaften“ ist auch dann verwirklicht, wenn das betreffende Vorhaben „in unmittelbarer Nähe einer geschlossenen Ortschaft“ liegt; negatives Tatbildmerkmal ist die Lage „innerhalb“ der geschlossenen Ortschaft (vgl. zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung in § 7 Abs. 1 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 VwGH 22.12.2003, 2003/10/0055). Beim Tatbestandsmerkmal „außerhalb geschlossener Ortschaften“ handelt es sich um ein wesentliches Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 1 TNSchG.

12       Das Verwaltungsgericht ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 16.9.2020, Ra 2020/09/0036, mwN).

13       Die Verfolgungsverjährungsfrist ist gemäß § 31 Abs. 1 VStG von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

14       Bei der Ausführung eines Vorhabens ohne naturschutzrechtliche Bewilligung handelt es sich um ein Dauerdelikt, bei dem das strafbare Verhalten erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes endet (vgl. § 45 Abs. 7 TNSchG). Im gegenständlichen Fall wurde ein Ende des strafbaren Verhaltens nicht ausdrücklich festgestellt. Ist der Tatzeitraum nicht ausdrücklich anders umschrieben, erfasst das Straferkenntnis die Begehung der Tat bis zur Erlassung des Bescheides (vgl. VwGH 21.5.2008, 2007/02/0165 und 0166; 9.8.2006, 2005/10/0224; 2.5.2005, 2001/10/0183). Nach dem Inhalt des angefochtenen Erkenntnisses wurde dem Revisionswerber das Straferkenntnis der belangten Behörde am 7. März 2019 zugestellt.

15       Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann sich, anders als bei dem Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch eines Strafbescheides gemäß § 44a Z 1 VStG, der betreffende Tatvorwurf im Zusammenhang mit einer zu setzenden Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist, wenn es sich dabei um einen Strafbescheid handelt, nicht nur aus dem Spruch, sondern in dessen Ergänzung auch aus der Begründung ergeben, weil auch daraus die Absicht der Behörde, einer Person wegen einer bestimmten ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung auf die im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu verfolgen, eindeutig hervorgeht (vgl. VwGH 10.12.2001, 2000/10/0024, mwN).

16       Da das Straferkenntnis in seiner Gesamtheit als Verfolgungshandlung zu werten ist und sich aus der rechtlichen Beurteilung des innerhalb (nämlich zu Beginn) der Verfolgungsverjährungsfrist zugestellten Straferkenntnisses der belangten Behörde in Zusammenschau ergibt, dass dem Revisionswerber die Tatbegehung „außerhalb geschlossener Ortschaften“ vorgeworfen wurde, ist nicht erkennbar - und wird auch in der Zulässigkeitsbegründung nicht ausgeführt - inwiefern der Revisionswerber in seinen Möglichkeiten, sich zu verteidigen, beeinträchtigt gewesen sein könnte (vgl. VwGH 5.9.2013, 2013/09/0065).

17       Nach dem Gesagten ist das Verwaltungsgericht durch die Ergänzung des Spruchs um die Wortfolge „außerhalb geschlossener Ortschaften“ nicht von der dargelegten Rechtsprechung abgewichen, sodass auch diesbezüglich keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargelegt wurde.

18       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren mit Beschluss gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. August 2021

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Dauerdelikt "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100068.L00

Im RIS seit

17.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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