TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/12 I422 2238945-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.2021
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Entscheidungsdatum

12.03.2021

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66
FPG §66 Abs1
FPG §66 Abs2
FPG §70 Abs3
NAG §51 Abs1 Z2
NAG §53a Abs1
NAG §55 Abs1
NAG §55 Abs3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I422 2238945-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Slowakei, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4/4. Stock, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2020, Zl. 1167772503-190565985, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2020, Zl. 1167772503-190565985, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I) und ihm ein Durchsetzungsaufschub gemäß § 70 Abs. 3 FPG von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II). Das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl begründete seine Entscheidung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich derzeit keiner Beschäftigung nachgehe und auch keine Aussicht auf eine Arbeitsstelle bestünde. Die Voraussetzungen für den Erwerb eines Daueraufenthaltstitels seien nicht erfüllt und habe der Beschwerdeführer keine ausreichenden Existenzmittel zur Finanzierung seines Aufenthaltes in Österreich. Dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenrechts und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei mehr Gewicht einzuräumen als den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib.

Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung rechtzeitig eingebrachte Beschwerde mit dem Antrag den angefochtenen Bescheid zu beheben. Der Beschwerdeführer sei derzeit arbeitsunfähig. Vor seiner Erkrankung sei er jedoch stets bemüht gewesen Arbeit zu finden. Derzeit absolviere er eine Rehabilitationstherapie, weswegen mit einer Reintegration ins Berufsleben nach Beendigung der Rehabilitationstherapie, ab November 2021 zu rechnen sei.

Am 25.01.2021 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerde samt den Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag vor, diese als unbegründet abzuweisen.

In einer Stellungnahme vom 10.03.2021 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht darüber, dass der Beschwerdeführer am 25.01.2021 seine Rehabilitationstherapie beendet hat und er seit 26.01.2021 wieder Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe bezieht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist slowakischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer wurde in XXXX /Slowakei geboren, wuchs dort auf und maturierte 1988 an der Hotelakademie in XXXX . Von Oktober 1990 bis März 1994 arbeitete war der Beschwerdeführer im Tourismusverband in XXXX tätig und absolvierte er von Juni bis August 1999 die Gastro XXXX in Deutschland. Der Beschwerdeführer ist geschieden. Seine Ex-Frau und die gemeinsamen beiden erwachsenen Kinder leben in der Slowakei. Zu seiner Ex-Frau und seinem Sohn steht der Beschwerdeführer in sporadischem Kontakt. Zu seiner Tochter besteht kein Kontakt. Des Weiteren lebt ein Stiefbruder des Beschwerdeführers in der Slowakei.

Der Beschwerdeführer leidet an einer chronischen Alkoholerkrankung. Von 02.11.2020 bis 25.01.2021 unterzog sich der Beschwerdeführer im Therapiezentrum XXXX einer stationären Therapie zur Behandlung seiner chronischen Alkoholerkrankung. Die Alkoholentzugstherapie wurde am 25.01.2021 vorzeitig beendet.

Der Beschwerdeführer wurde erstmals am 08.02.2012 melderechtlich im Bundesgebiet erfasst und hält sich seither mit zahlreichen Unterbrechungen an verschiedenen Wohnsitzen im Österreich auf. Seit 21.04.2020 ist der Beschwerdeführer obdachlos gemeldet. Der Beschwerdeführer hat keinen Daueraufenthalt im Bundesgebiet erworben.

Der Beschwerdeführer war beginnend mit dem 27.12.2010 bei 75 verschiedenen Betrieben – überwiegend für wenige Tage – als Arbeiter (Saisonarbeitskraft Hotellerie/ Tourismus) angemeldet. Letztmalig war der Beschwerdeführer von 06.07.2019 bis 29.07.2019 erwerbstätig und aus einem Beschäftigungsverhältnis zur Sozialversicherung angemeldet. Seither bezog er mit wenigen kurzen Unterbrechungen – in denen keine sozial- oder versicherungsrechtliche Erfassung seiner Person vorliegt bzw. während der er die Alkoholentzugstherapie in Anspruch nahm und nach § 16 Abs. 1 ASVG versichert war – staatliche Sozialleistungen sowie Arbeitslosengeld. Seit 26.01.2021 bezieht der Beschwerdeführer erneut Notstandshilfe, Überbrückungshilfe vom Arbeitsmarktservice Innsbruck. Der Beschwerdeführer hat keine konkrete Aussicht auf einen Arbeitsplatz. Er ist einkommens- und vermögenslos. Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet weder kranken- noch unfallversichert.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären oder sonstigen nennenswerten privaten Bindungen. Auch Anhaltspunkte für die Annahme einer Integration in Österreich in sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, seiner sich darin befindlichen Stellungnahme vom 17.06.2019 und vom 15.12.2020, dem bekämpften Bescheid und der Angaben im Beschwerdeschriftsatz sowie der nachgereichten Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.03.2021. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Sozialversicherungsträgers und des Strafregisters eingeholt.

Die Feststellungen hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers gründen auf den im Administrativverfahren gemachten Angaben. Die Identität des Beschwerdeführers geht zudem aus der im Akt vorliegenden Kopie des Personalausweises hervor.

Die Feststellungen zu seiner Hauptsozialisierung in der Slowakei, seiner dortigen Schul- und Berufsausbildung und der bisherigen Beschäftigung ergeben sich ebenso wie die Feststellungen zu seinen dortigen familiären Anbindungen aus einer sich im Verwaltungsakt befindlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers und wurde dahingehend in seiner Beschwerde kein anderslautendes Vorbringen erstattet.

Aus dem Verwaltungsakt ergeben sich die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und wurde mit dem Beschwerdeschriftsatz auch eine Aufenthaltsbestätigung vom 19.01.2021 jenes Therapiezentrums übermittelt. Dass der Beschwerdeführer seine Therapie am 25.01.2021 abgebrochen hat, gründet auf den Angaben in Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Dies deckt sich auch mit dem Inhalt eines aktuellen Auszugs des Sozialversicherungsträgers, demzufolge auch die im Rahmen seiner Rehabilitationstherapie seit 03.11.2020 bestehende Selbstversicherung nach § 16 Abs. 1 ASVG am 25.01.2021 endete und er seit 26.01.2021 wieder Notstandshilfe, Überbrückungshilfe vom AMS bezieht.

Die Feststellungen in Hinblick auf den Aufenthalt in Österreich ergeben sich durch Anfragen im ZMR, dem IZR und dem Auszug des Sozialversicherungsträgers. Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keinen Daueraufenthalt erworben hat, gründet auf einer im Verwaltungsakt einliegenden Mitteilung des Magistrat XXXX vom 10.11.2021, demzufolge der Beschwerdeführer aufgrund zahlreicher Unterbrechungen und immer nur kurzzeitigen Arbeitsanstellungen noch keinen Daueraufenthalt erwirkt habe.

Die bisherigen Erwerbstätigkeiten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und der aktuelle Bezug von Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe werden anhand des Versicherungsdatenauszugs festgestellt. Aus einer länger andauernden Beschäftigungslosigkeit in Verbindung mit seiner Obdachlosigkeit resultiert auch die Feststellung, dass er einkommens- und vermögenslos ist. Aus der Zusammenschau seiner Alkoholkrankheit und seiner zuletzt länger andauernden Beschäftigungslosigkeit resultiert die Feststellung, dass er objektiv gesehen auch keine Aussicht auf eine Arbeitseinstellung hat. Hiefür spricht auch die Gesamtbetrachtung seiner bisherigen Beschäftigungsverhältnisse. Seine Anmeldungen als Arbeiter beschränkten sich zumeist auf wenige Tage bis maximal zuletzt 1,5 Monate (bei den F[...] Bergbahnen vom 21.01.2017 bis 05.03.2017). Aus seinem Versicherungsauszug ergaben sich lediglich drei längere Versicherungszeiten, welche tatsächlich als Saison bezeichnet werden können. Dies war jeweils in den Wintermonaten 2010/2011, 2013/2014 und 2014/2015, wo er jeweils für rund drei Monate durchgehend beschäftigt war. Ebenso war der Beschwerdeführer lediglich bei zwei seiner 75 Arbeitgeber ein zweites Mal beschäftigt und dies zuletzt vom 04.10.2015 bis 05.10.2015, also nur für zwei Tage nach einer vorangegangenen Beschäftigung für die Dauer von acht Tagen einen Monat zuvor.

Des Weiteren spricht hierfür, dass das Beschäftigungsausmaß des Beschwerdeführers seit dem Jahr 2016 kontinuierlich und ab dem Jahr 2018 rapide abgenommen hat und er sich im Jahr 2020 in keinem Beschäftigungsverhältnis mehr befand:

2016:   Beschäftigt – 200 Tage – Krank – 1 Tag – rund 5,5 Monate ohne
         Versicherung

2017:   Beschäftigt - 145 Tage – Arbeitslosengeld – 3 Tage – rund 7 Monate ohne  Versicherung

2018:   Beschäftigt - 135 Tage – Arbeitslosengeld - 28 Tage – rund 6,5 Monate  ohne Versicherung

2019:   Beschäftigt 26 Tage – Arbeitslosengeld 61 Tage – rund 9 Monate ohne  Versicherung

2020:   gesamt ca. 6 Monate Notstandshilfe – Restzeit ohne Sozial- und  Krankenversicherung

Die Feststellung zum Fehlen familiärer und privater Bindungen sowie zum Nichtvorliegen einer umfassenden Integration in Österreich beruht auf den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, die in der Beschwerde nicht bestritten wurden. Für weitere Integrationsmomente gibt es weder im Akteninhalt noch im Vorbringen des Beschwerdeführers Hinweise.

Aus einem aktuellen Strafregisterauszug ist die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers belegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Rechtsgrundlage:

Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des § 66 Abs. 1 bis 3 FPG („Ausweisung“) lauten wie folgt:

„EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Gemäß § 51 Abs. 1 NAG sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1); für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2), oder als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen (Z 3).

Gemäß § 51 Abs. 2 NAG bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist (Z 1); sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt (Z 2); sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt (Z 3), oder eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren (Z 4).

Gemäß § 51 Abs. 3 NAG hat der EWR-Bürger diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.

Die Bestimmungen des § 55 Abs. 1 bis 6 NAG („Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate“) lauten:

„EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.“

Gemäß § 53a NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionrechtliche Aufenthaltsrecht iSd §§ 51 f NAG zukommt, idR nach fünf Jahren des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet das vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen (insbesondere ausreichender Existenzmittel und eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes) unabhängige Recht auf Daueraufenthalt.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlage auf den gegenständlichen Fall:

Als slowakischer Staatsangehöriger ist der Beschwerdeführer EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Der Beschwerdeführer hat weder das Daueraufenthaltsrecht erworben (§ 53a NAG) noch liegt ein zumindest zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet vor (§ 66 Abs. 3 FPG).

Als EWR-Bürger hat der Beschwerdeführer von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch genommen und ist er in Österreich aufhältig. Zunächst war er im Bundesgebiet mit einigen Unterbrechungen immer wieder erwerbstätig. Im Laufe des Jahres 2019 ging er keiner Beschäftigung mehr nach und begab sich der Beschwerdeführer in Folge eines Alkoholabusus ab 02.11.2020 auf Therapie zur Heilung seiner chronischen Alkoholerkrankung, welche am 25.01.2021 vorzeitig beendet wurde. Gegenwärtig geht der Beschwerdeführer in Österreich weder einer selbständigen noch einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nach.

Vor dem Hintergrund der aus seiner Beschäftigungslosigkeit resultierenden Einkommens- und Vermögenslosigkeit sowie dem Umstand, dass er aktuell auch über keine gesetzliche Krankenversicherung oder einen anderen vergleichbaren Krankenversicherungsschutz verfügt, kann nicht erkannt werden, dass er die gesetzlichen Anforderungen iSd des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG erfüllt. Dem Beschwerdeführer kommt ein für ein drei Monate übersteigendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 f NAG somit nicht zu.

In weiterer Folge gilt zu prüfen, ob allenfalls seine Erkrankung und die Inanspruchnahme einer Therapie eine Aufrechterhaltung seines Aufenthaltsrechts bewirken. Dahingehend verwies der Beschwerdeführer unter Verweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.03.2016, Ra 2015/10/0022 zunächst zu Recht darauf, dass ihm infolge seiner Arbeitsunfähigkeit wegen seiner Alkoholerkrankung und der daraus resultierenden Inanspruchnahme der Alkoholentzugstherapie und der bei deren Beendigung resultierenden Aussicht auf eine berufliche Wiedereingliederung ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt. Allerdings wurde die Therapie am 25.01.2021 beendet. Der Beschwerdeführer hat seither keine neue Beschäftigung aufgenommen, von sich aus auch kein allfälliges Bemühen um die Erlangung einer Beschäftigung nachgewiesen und bezieht er seit 26.01.2021 erneut Notstands- bzw. Überbrückungshilfe. In Zusammenschau seiner Alkoholkrankheit und der vorzeitig beendeten Therapiemöglichkeit und der fehlenden Aussicht auf eine baldige Beschäftigung vermag die im Beschwerdeschriftsatz herangezogene Judikatur im gegenständlichen Fall somit nicht zu greifen (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049).

Unter diesem Aspekt und unter Verweis auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung geht in diesem Zusammenhang auch sein Beschwerdeeinwand, wonach er in den letzten zehn Jahren 75 Arbeitgeber gehabt habe und dies auch für sein Interesse an einer neuerlichen Beschäftigungsaufnahme nach Beendigung seiner Therapie zeige, ins Leere.

Da die Ausweisung in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreift, ist sie nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 FPG und § 9 BFA-VG ist bei Erlassung einer auf § 66 FPG gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessem Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049).

Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330).

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet keine familiären Anknüpfungspunkte auf, insoweit liegt kein Eingriff in ein schützenswertes Familienleben vor. Des Weiteren verfügt er trotz seines mehrjährigen Aufenthaltes über keine nennenswerten privaten Bindungen. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des Beschwerdeführers in beruflicher und sozialer Hinsicht ist ebenfalls nicht erkennbar, insbesondere sein Aufenthalt im Bundesgebiet eingangs durch die häufigen Ortswechsel und zuletzt durch seine Beschäftigungs- und Obdachlosigkeit geprägt ist.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beachtung des großen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen (vgl. VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0062) zum Schutz der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass er in seinem Herkunftsstaat familiäre Anknüpfungspunkte hat, er dort seine Schul- und Berufsausbildung abschloss, dort zunächst auch erwerbstätig war und vor seiner melderechtlichen Erfassung im Bundesgebiet im Jahr 2012 seinen Lebensmittelpunkt in der Slowakei hatte, die Landessprache spricht und mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut ist. Im Hinblick auf seine chronische Alkoholerkrankung kann deren therapeutische Behandlung auch in der Slowakei vorgenommen werden.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund somit nicht zu beanstanden.

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde nicht klärungsbedürftig ist, kann die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben (vgl. VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052). In der Beschwerde wurde kein relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich das Bundesverwaltungsgericht in der gegenständlichen Entscheidung an der bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes orientierte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Arbeitslosigkeit Aufenthaltsdauer Ausweisung Ausweisung rechtmäßig Ausweisungsverfahren Beschäftigung Durchsetzungsaufschub Erwerbstätigkeit EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Unionsbürger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I422.2238945.1.00

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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