Entscheidungsdatum
14.04.2021Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I421 2240935-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bulgarien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, XXXX vom XXXX 2021, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. insofern stattgegeben, dass die Dauer des befristeten Aufenthaltsverbotes von drei Jahren auf zwei Jahre herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX 2020 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) zur Kenntnis gebracht, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) der Begehung einer schweren Körperverletzung verdächtigt werde.
2. Mit Einlangen XXXX 2020 wurde der belangten Behörde der Haftmeldezettel zur Person des BF übermittelt, welche aufgrund dessen wiederum um Übermittlung des entsprechenden Anlassberichts bat. Dem wurde mit Einlangen 14.12.2020 entsprochen, wobei aus selbigen hervorging, dass der BF des Widerstandes gegen die Staatsgewalt beschuldigt werde.
3. Das Landesgericht XXXX verständigte die belangte Behörde am XXXX 2020 darüber, dass der BF in Untersuchungshaft genommen worden sei.
4. Mit Schreiben der belangten Behörde vom XXXX 2020 wurde dem BF mitgeteilt, dass hinsichtlich der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine Beweisaufnahme stattgefunden habe und wurde ihm die Möglichkeit gegeben, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben wurde dem BF persönlich am XXXX 2020 zugestellt, eine Stellungnahme seinerseits langte jedoch nicht ein.
5. Der mit XXXX 2021 datierte Abschlussbericht in Zusammenhang mit dem BF hinsichtlich des Verdachtes auf Widerstand gegen die Staatsgewalt sowie schwere Körperverletzung der Landespolizeidirektion XXXX langte bei der belangten Behörde am XXXX 2021 ein.
6. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX wurde der BF wegen der Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 1. DF StGB und wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein Teil von neun Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX 2021, Zl. XXXX , wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
8. Mit Bescheid vom XXXX 2021, Zl. XXXX , wurde dem BF aufgetragen, dem Bund die Kosten der Durchsetzung der gegen ihn gesetzten aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie die entstandenen Dolmetschkosten in Höhe von insgesamt EUR 117,60 zu ersetzen.
9. Gegen den Bescheid vom XXXX 2021, Zl. XXXX , richtet sich die durch die Rechtsvertretung des BF vollinhaltlich erhobene Beschwerde vom XXXX 2021, bei der belangten Behörde eingelangt am selbigen Tag, wobei Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit moniert wurden. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, der BF lebe seit Anfang 2019 mit seiner Frau und den zwei Kindern in Österreich, wobei er als Verkäufer der Zeitschrift „Megaphon“ gearbeitet und so versucht habe, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Auch die Eltern des BF würden in Österreich leben und habe er in Bulgarien keine engen Familienangehörigen mehr. Er habe die Stellungnahme aufgrund sprachlicher Probleme nicht erstatten können und liege, da eine persönliche Einvernahme des BF unterblieben sei, eine gravierende Verletzung des amtswegigen Ermittlungsgrundsatzes und des Rechts des BF auf Parteiengehör vor. Bisher habe er einen ordentlichen Lebenswandel gepflegt und stelle die Ausweisung des BF eine Verletzung seines Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar. Weiters habe die belangte Behörde keine konkreten Feststellungen hinsichtlich der Gefährdungsprognose getroffen und sei nicht auf den konkreten Fall des BF eingegangen worden. Das Risiko einer gegenwärtigen und konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Zusammenhang mit der vorzunehmenden Zukunftsprognose bestehe nicht. Der BF bereue seine begangene Straftat sehr und wolle in Zukunft ein anständiges Leben führen, auch sei er erstmalig straffällig geworden. Hinsichtlich der Nichtgewährung des Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung habe die belangte Behörde keine Begründung angeführt.
10. Mit Schriftsatz vom XXXX 2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am XXXX 2021, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bulgarien. Seine Identität steht fest. Er ist nicht im Besitz einer Anmeldebescheinigung.
Vom XXXX 2019 bis XXXX 2019 war der BF mit Nebenwohnsitz im Bundesgebiet erfasst, seit dem XXXX 2019 mit Hauptwohnsitz. Vom XXXX 2020 bis XXXX 2021 war er in der Justizanstalt XXXX aufhältig. Am 06.03.2021 wurde er am Landweg nach Bulgarien abgeschoben.
Er ist im Bundesgebiet nie einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen.
Der BF war haftfähig und leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen.
Der Strafregisterauszug der Republik Österreich weist zur Person des BF eine rechtskräftige Verurteilung auf:
01) LG XXXX XXXX vom XXXX 2021 XXXX 2021
§ 15 StGB § 84 (4) StGB
§§ 83 (1), 84 (2) Z 1 StGB
§ 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB
Datum der (letzten) Tat XXXX 2020
Freiheitsstrafe 12 Monate, davon Freiheitsstrafe 9 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
zu LG XXXX XXXX XXXX 2021
Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am XXXX 2021
LG XXXX XXXX vom XXXX 2021
Dabei wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom XXXX 2021, rechtskräftig seit XXXX 2021, für schuldig befunden, am XXXX 2020 in XXXX
I. S. S. und der BF nachgenannte Polizeibeamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu verhindern versucht zu haben, und zwar
1. S. S. und der BF im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter Insp. S. Ha. und Insp. St. Hö. am Vollzug der bereits ausgesprochenen Festnahme des S. S., indem zunächst S. S. mehrmals mit seinem rechten Fuß in Richtung des Insp. Hö. trat, sich sodann aus dem rechten Handgelenkshebel löste und mit seiner rechten Handkante gegen Insp. Hö. schlug und ihn am rechten Handgelenk traf, und anschließend der BF auf die Beamten zustürmte, Insp. Hö. die Handfesseln zu entreißen versuchte und danach Insp. Ha. mehrmals gezielt mit seiner rechten Faust ins Gesicht schlug;
2. Der BF BI J. und RI B. am Vollzug seiner Festnahme, nachdem dieser zuvor geflüchtet war, indem er sich auf den Boden fallen ließ und wild um sich schlug und trat;
III. Der BF durch die unter Punkt I. 1. angeführte Tathandlung den Polizeibeamten Insp. Ha. während der Vollziehung seiner Aufgaben am Körper verletzt (Abschürfungen und Schwellungen in der rechten Gesichtshälfte) und dabei versucht zu haben, eine an sich schwere Verletzung herbeizuführen.
Hierdurch hat der BF zu I. 1. und 2. die Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1, 1. DF StGB und zu III. das Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2, Z 1 StGB und das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach den §§ 15, 84 Abs 4 StGB begangen, wofür er nach § 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt wurde, wobei ein Teil von neun Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mildernd wurde dabei der bisher ordentliche Lebenswandel, der Umstand, dass die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stand sowie das umfassende und reumütige Geständnis und die teils beim Versuch gebliebenen Straftaten gewertet, erschwerend hingegen die mehreren strafbaren Handlungen (Zusammentreffen von Vergehen mit Verbrechen) und die Tatbegehung in Gemeinsaft. Der im Strafurteil weiters angeführte Erschwernisgrund „während offenem Verfahren deliktisch“ erweist sich als nicht nachvollziehbar.
Maßgebliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens bzw. einer tiefgreifenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und sozialer Hinsicht konnten nicht festgestellt werden. Die Eltern des BF leben im Bundesgebiet.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des Strafurteils zu XXXX , des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister sowie ein Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.3. Zur Person des Beschwerdeführers:
Zumal aus einem Auszug aus der Vollzugsinformation das Vorhandensein eines ausländischen Dokumentes hervorging, konnte der belangten Behörde in der Folge eine Kopie des bulgarischen Personalausweises des BF mit der Dokumentennummer XXXX übermittelt werden (AS 203), welcher auch im Auszug aus dem Zentralen Melderegister vermerkt ist und im Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister als authentisch klassifiziert wurde. Die Identität und Staatsangehörigkeit des BF steht damit fest. Aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister wird ersichtlich, dass der BF über keine Anmeldebescheinigung verfügt.
Hinsichtlich der melderechtlichen Erfassung des BF kann auf einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister zu seiner Person verwiesen werden. Sowohl aus der im Behördenakt befindlichen ÖBB-Buchung (AS 187) als auch der Eintragung im Zentralen Fremdenregister geht die Abschiebung des BF auf dem Landweg nach Bulgarien hervor.
Der Umstand, dass der BF zu keinem Zeitpunkt einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, war einem Sozialversicherungsdatenauszug zu seiner Person zu entnehmen, woran auch der Umstand, dass der BF entsprechend seinem Beschwerdevorbringen die Zeitschrift „Megaphon“ verkauft hätte, nichts zu ändern vermag.
Zumal der BF haftfähig war, konnte darauf geschlossen werden, dass er nicht an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet und haben sich weder aus dem Akteninhalt noch aus der Beschwerde gegenteilige Hinweise ergeben, weshalb das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung auszuschließen war.
Die strafrechtliche Verurteilung des BF ist durch den Strafregisterauszug zu seiner Person dokumentiert. Hinsichtlich der Gründe der Verurteilung samt Milderungs- und Erschwernisgründe wird auf die Urteilsausfertigung des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom XXXX 2021, rechtskräftig seit XXXX 2021, verwiesen. Der Erschwernisgrund „während offenem Verfahren deliktisch“ im Gerichtsurteil erweist sich in Ermangelung weiterer Eintragungen im Strafregisterauszug des BF bzw. in Ermangelung entsprechender Hinweise im Behördenakt als nicht nachvollziehbar und hat gegenständlich daher keine Berücksichtigung zu erfahren.
In Zusammenhang mit der Integration des BF gilt auszuführen, dass dieser zu keinem Zeitpunkt einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen und hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse auch in der Beschwerde selbst ausgeführt ist, dass er sprachliche Schwierigkeiten habe. Zudem bleibt festzuhalten, dass der BF knapp zwei Jahre nach seiner Ankunft ein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt hat, was gegen eine Integration in sozialer Hinsicht spricht. Auch im Zuge des Beschwerdevorbringens wurde keinerlei Vorbringen hinsichtlich einer etwaigen bestehenden Integration erstattet. Zumal der BF keine schriftliche Stellungnahme abgegeben hat und er selbst im Zuge seiner Beschwerde nicht den Namen seiner vermeintlichen Gattin bzw. seiner beiden Kinder anzugeben vermochte, konnten keine Feststellungen zu seinem etwaigen Familienleben getroffen werden, zumal auch amtswegig eingeholte Auszüge aus dem Zentralen Melderegister lediglich ergaben, dass zwar eine bulgarische Staatsangehörige im Alter des BF ebenfalls an derselben Hauptwohnsitzadresse melderechtlich erfasst, jedoch auch bei dieser der Familienstand „ledig“ vermerkt ist und konnten in Zusammenhang mit etwaigen Kindern überhaupt keine entsprechenden Eintragungen gefunden werden. Dass die Eltern des BF im Bundesgebiet leben, ergibt sich aus dessen Angaben im Zuge seiner Beschwerde, wobei entsprechende Abfragen im Zentralen Melderegister damit übereinstimmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 4 Z 8 FPG gilt als EWR-Bürger ein Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.
Aufgrund der bulgarischen Staatsangehörigkeit ist der BF EWR-Bürger und folglich Fremder iSd. soeben angeführten Bestimmungen.
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Verhängung eines Aufenthaltsverbots (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1 Rechtslage
Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF lautet:
§ 67 (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
[…]
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
[…]
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall
Entsprechend § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Nach der Rechtsprechung ist bei der Erstellung von Gefährdungsprognosen das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und in Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dessen Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres die erforderliche Gefährdungsprognose begründen können (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367 mit Hinweis auf VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305).
Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX wegen der Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1, 1. Fall StGB, wegen dem Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2, Z 1 StGB und wegen dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach den §§ 15, 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt wurde, wobei ein Teil von neun Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Diesbezüglich gilt es, auf die Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewaltkriminalität besteht (Hinweis E vom 22. Mai 2013, 2013/18/0041) (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474). Die vom BF begangene schwere Körperverletzung ist dabei ob der Missachtung der Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit anderer als schwerwiegende Rechtsverletzung zu werten (vgl. VwGH 31.03.2010, 2008/01/0331 mit Hinweis auf VwGH 10.04.2008, 2005/01/0777).
In Zusammenhang mit dem persönlichen Verhalten des BF gilt festzuhalten, dass dieser nach nur knapp zweijähriger Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet das gegenständlich strafrechtlich relevante Verhalten gesetzt hat, wobei seine mehrmaligen gezielten Faustschläge ins Gesicht des Insp. Ha. auf eine herabgesetzte Hemmschwelle in Zusammenhang mit Gewalt bzw. auf ein erhöhtes Aggressionspotential schließen lassen. Im Verhalten des BF ist damit jedenfalls im Sinne des § 67 Abs 1 FPG eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr zu erblicken, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Zudem gilt es hinsichtlich des Gesinnungswandels eines Straftäters festzuhalten, dass ein solcher grundsätzlich erst – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – daran gemessen werden kann, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276 mit Hinweis auf VwGH 22.05.2014, Ra 2014/21/0014). Zwar wurde der BF am XXXX 2021 nach Verbüßung des unbedingten Teiles seiner Haftstrafe aus der Justizanstalt XXXX entlassen, jedoch befindet er sich nach wie vor in seiner Probezeit und kann gegenwärtig damit noch nicht von einem Gesinnungswandel des BF ausgegangen werden.
Im Verhalten des BF ist damit jedenfalls eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu erblicken, welche ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, selbst unter Miteinbeziehung der Milderungsgründe seiner Verurteilung, nämlich dem bisher ordentlichen Lebenswandel und dem Umstand, dass die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in Widerspruch steht, dem umfassenden und reumütigen Geständnis sowie dem Umstand, dass seine Straftaten teils beim Versuch geblieben sind, zumal insbesondere auch erschwerend wirkt, dass der BF mehrere strafbare Handlungen begangen hat (Zusammentreffen von Vergehen mit Verbrechen) und die Tatbegehung in Gemeinschaft erfolgte. Die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots maßgebliche Gefährdungsannahme mit dem Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 FPG ist sohin jedenfalls erfüllt.
Weitere Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist, dass ein damit verbundener Eingriff in das Familien- und Privatleben verhältnismäßig sein muss und es eine Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmen gilt.
Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. gegen Lettland). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessensabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt. Dabei gilt festzuhalten, dass der BF erst knapp über zwei Jahre im Bundesgebiet aufhältig und melderechtlich erfasst ist. Einem schützenswerten Privatleben steht auch entgegen, dass er über keine Anmeldebescheinigung verfügt, er keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgeht, er in Zusammenhang mit seinen Deutschkenntnissen sprachliche Schwierigkeiten aufweist und auch sonst keinerlei Vorbringen hinsichtlich einer etwaigen bestehenden Integration dargetan wurde.
Hinsichtlich des Familienlebens gilt auszuführen, dass dieser Begriff in Art 8 EMRK jedenfalls die Beziehung von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst und das Zusammenleben der Familie schützt. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979). Entsprechend den Ausführungen unter Punkt II. 2.3. war kein Familienleben des BF festzustellen, weshalb auch ein Eingriff in selbiges scheitert.
Hinsichtlich seiner im Bundesgebiet lebender Eltern gilt auszuführen, dass familiäre Beziehungen unter Erwachsenen dann unter den Schutz des Art 8 Abs 1 EMRK fallen, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (VwGH 02.08.2016, Ra 2016/20/0152 mit Hinweis auf VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093), wobei der BF diesbezüglich nichts kundtat.
Es ist nun abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Aufenthaltsbeendigung unter Berücksichtigung des Gefährdungsmaßstabes des § 67 Abs 1 FPG schwerer wiegt, als sein gegenläufiges persönliches Interesse. Wesentlich erscheint jedoch gegenständlich, dass der knapp zweijährige Aufenthalt des BF durch seine strafgerichtliche Verurteilung erheblich relativiert wird (vgl. VwGH 06.10.2020, Ra 2019/19/0332), zudem keine wesentlichen Integrationsmomente des BF im Bundesgebiet zu berücksichtigen sind.
Gegenwärtig hat daher in Anbetracht der vom BF ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit das Privatleben des BF hintanzustehen, zumal – wie bereits ausgeführt – sowohl ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewaltkriminalität (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 mit Hinweis auf VwGH 22.05.2013, 2013/18/0041) bzw. am Schutze des Lebens und der Gesundheit anderer besteht. Die Bindung zu seinen Eltern vermochte den BF jedenfalls nicht davon abzuhalten, im Bundesgebiet ein strafrechtlich relevantes Verhalten zu setzen.
Aufgrund der oben angeführten Erwägungen wird daher ein Eingriff in das Privatleben des BF als gerechtfertigt und grundsätzlich verhältnismäßig erachtet und ist der belangten Behörde damit im Ergebnis zuzustimmen, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die persönlichen Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Es ist daher jedenfalls davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
Zumal sich der BF erst im Alter von etwa XXXX Jahren in Österreich niedergelassen und zuvor in Bulgarien gelebt hat, ist auch davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr nach Bulgarien nicht auf unüberwindliche Probleme stoßen und es ihm gelingen wird, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit seinen Lebensunterhalt zu sichern.
Für ihn besteht die Möglichkeit, den Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Kontakten mittels moderne Kommunikationsmittel (Internet, Telefon) und durch wechselseitige Besuche außerhalb Österreichs aufrecht zu erhalten.
Was die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, bewegt sich diese innerhalb des dem der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Rahmens, welcher nach § 67 Abs 2 FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer bis zu höchstens 10 Jahren als zulässig erachtet.
Wenn in der Beschwerde hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes ausgeführt wird, dass sich selbige als unverhältnismäßig hoch darstelle, so ist dazu festzuhalten, dass angesichts des bis zu 5-jährigen Strafrahmens eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten verhängt, wobei ein Teil von neun Monaten bedingt nachgesehen wurde. Insgesamt wurde damit der dem Gericht zur Verfügung stehende Strafrahmen „nur“ zu einem Fünftel ausgeschöpft und hat auch die Dauer des Aufenthaltsverbotes ob des konkreten Fehlverhaltens des BF eine entsprechende Reduzierung zu erfahren. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftat unter Berücksichtigung der konkreten Strafzumessungsgründe ein zweijähriges Aufenthaltsverbot ausreicht, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einem Umdenken hin zu einem rechtskonformen Verhalten zu veranlassen.
Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit in Stattgebung des entsprechenden Eventualantrages in der Beschwerde auf zwei Jahre herabzusetzen.
Während dieser Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots wird es dem BF möglich sein, seinen Gesinnungswandel durch die Vermeidung eines Rückfalls zu untermauern. Diese Dauer ist ausreichend, aber auch notwendig, um eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken.
3.2. Zum Nichterteilen eines Durchsetzungsaufschubs und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Dafür genügt es nicht, auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich gewesen sind. Dies gilt sinngemäß auch für die unter den (im Wesentlichen) inhaltsgleichen Voraussetzungen gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG mögliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot. Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – erforderlich ist (VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).
Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, erweist sich die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich, dies aufgrund des an den Tag gelegten Gesamtverhaltens des BF. Vor dem Hintergrund, dass dabei sowohl an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewaltkriminalität (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 mit Hinweis auf VwGH 22.05.2013, 2013/18/0041), als auch an den Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit anderer ein großes öffentliches Interesse besteht, erscheint vor diesem Hintergrund eine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit jedenfalls notwendig.
Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist vor diesem Hintergrund korrekturbedürftig, sodass die Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, und zwar selbst dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (Hinweis E 22. Jänner 2015, Ra 2014/21/0052; E 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018; E 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 04.12.2017, Ra 2017/19/0316 mit Hinweis auf VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt gegenständlich eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren der belangten Behörde voran. Das BFA hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offengelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. Die ergänzenden Erwägungen runden das Gesamtbild nur ab, sind aber für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit nicht ausschlaggebend (vgl. VwGH vom 02.01.2017, Ra 2016/18/0323-5).
Insbesondere wurde auch in der Beschwerde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt substantiiert behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht. Zwar vermeinte der BF nun erstmalig, über ein schützenswertes Familienleben im Bundesgebiet zu verfügen, jedoch lässt selbst sein Beschwerdevorbringen dahingehend konkrete Angaben wie Name, Geburtsdatum etc. seiner vermeintlichen Gattin bzw. Kinder vermissen und waren auch im Zentralen Melderegister keine entsprechenden Personen vermerkt.
Hinsichtlich des persönlichen Eindruck ist darauf hinzuweisen, dass im Verfahren vor dem BFA der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht gilt (vgl. VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007) und es in der Sphäre des BF lag, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, dem der BF nicht nachgekommen ist. Wenn in der Beschwerde nun vermeint wird, die einwöchige Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme sei zu knapp gewesen, so wird verkannt, dass dem BF in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt wurde, um eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Auch das Argument, wonach diese Aufforderung vor der rechtskräftigen Verurteilung des BF erfolgt wäre, vermag ob des Umstandes, dass keine der von der belangten Behörde angeführten Fragen sich auf seine Verurteilung bezog, sondern ausschließlich Fragen in Zusammenhang mit dem Privat- und Familienleben des BF gestellt wurden, keine Relevanz entfalten. Der Vollständigkeit halber bleibt noch zu erwähnen, dass zwischen der Zustellung seiner Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am XXXX 2020 und dem mit XXXX 2021 datierten Bescheid insgesamt über zwei Monate vergangen sind, in denen der BF von der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme Gebrauch hätte machen können. Ausdrücklich festgehalten wird zudem, dass selbst nach der Verurteilung des BF am XXXX 2021 noch ein Zeitraum von etwa zehn Tagen verstrichen ist, bevor die belangte Behörde den gegenständlichen Bescheid erließ, in welcher der BF eine entsprechende Stellungnahme hätte erstatten können. Im Übrigen besteht in Haftanstalten die Möglichkeit, sich ob sprachlicher Schwierigkeiten an die entsprechenden Institutionen zu wenden, um im Bedarfsfalle eine entsprechende Unterstützung zu erfahren.
Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt zwar der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 MRK (sonst) relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. Vielmehr ist eine Beschwerdeverhandlung nur dann durchzuführen, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das VwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052). Gegenständlich hätte selbst ein positiver persönlicher Eindruck des BF bei Berücksichtigung aller zu seinen Gunsten sprechenden Fakten (selbst im Falle eines intensiven Familienlebens) im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu keiner weiteren Verminderung der Dauer des Aufenthaltsverbotes geführt (vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0430).
Im vorliegenden Fall konnte daher in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Durchsetzungsaufschub EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gewalttätigkeit Haft Haftstrafe Interessenabwägung Körperverletzung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen schwere Straftat Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Unionsbürger Verbrechen Vergehen Verhältnismäßigkeit Wiederholungsgefahr WiederholungstatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I421.2240935.1.00Im RIS seit
30.06.2021Zuletzt aktualisiert am
30.06.2021