TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/17 W146 2202801-1

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Veröffentlicht am 17.04.2020
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Entscheidungsdatum

17.04.2020

Norm

BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §45
BDG 1979 §59 Abs1
BDG 1979 §92 Abs1 Z4
BDG 1979 §93 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W146 2202801-1/25E

Im NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin PEYERL und Mag. Nikolaus KOLLER als Beisitzer über die Beschwerde des Stellvertreters des Disziplinaranwaltes gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 3, vom 23.07.2018, Zahl: GZ 44054/5-DK/3/17, 44057/3-DK/3/17, mit dem eine Geldstrafe in der Höhe von 15.000 Euro verhängt wurde, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid insofern abgeändert, als über Kontrollinspektor XXXX gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Kontrollinspektor XXXX ist Mitarbeiter der Landespolizeidirektion XXXX , als zweiter stellvertretender Kommandant in der PI XXXX eingesetzt und unter anderem mit den Sachbereichen Beschwerdeangelegenheiten, Verkehrsdienst und Dienstplanung betraut. Diese Dienststelle hat einen systemisierten Mitarbeiterstand von 41 Beamten.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission, Senat 3, beim Bundesministerium für Inneres, vom 13.10.2017 wurde der Disziplinarbeschuldigte vom Dienst suspendiert.

Mit Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission, Senat 3, beim Bundesministerium für Inneres, vom 18.10.2017 wurde gegen den Disziplinarbeschuldigten gemäß § 113, 123 Abs. 1 BDG ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX wurde die Strafsache gegen den Disziplinarbeschuldigten wegen § 302 Abs. 1 StGB gemäß § 200 Abs. 5 StPO endgültig eingestellt. In der davor abgehaltenen Hauptverhandlung wurde eine Geldbuße im Ausmaß von ? 2.500 beschlossen und ein Vorgehen diversioneller Natur durchgeführt.

Am 19.07.2018 wurde vor der Disziplinarkommission, Senat 3, beim Bundesministerium für Inneres eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei erklärte sich der Disziplinarbeschuldigte zu allen Anlastungen für schuldig.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission, Senat 3, beim Bundesministerium für Inneres, vom 23.07.2018 wurde Folgendes ausgesprochen:

" I

Der Polizeibeamte Kontrollinspektor XXXX ist gemäß § 126 Abs. 2 BDG schuldig: Er hat vom 08. Juli 2017, ca. 13:00 Uhr bis 09. Juli 2017, ca. 03:00 Uhr, im Außendienst und in Uniform - teilweise gemeinsam mit Grlnsp XXXX und während eines beträchtlichen Teils des Tages in Anwesenheit einer in den praktischen Außendienst einzuweisenden Polizeipraktikantin (Polizeischülerin) - seine dienstlichen Aufgaben entgegen der Dienstaufträge DE-Nr. XXXX und DE-Nr. XXXX gröblich vernachlässigt und dadurch seine Dienstpflichten verletzt und zwar:

1. Er hat sich im Zeitraum von ca. 13:00 bis 15:00 Uhr

a. ohne dienstlichen Grund am Privatanwesen des XXXX in XXXX aufgehalten und

b. in diesem Zeitraum sechs Getränke (Holundersaft und Weißweinmischungen) und eine Jause konsumiert, welche er unentgeltlich angenommen hatte.

2. Er hat sich von ca. 16:00 bis 19:30 Uhr (bis 17:50 Uhr gemeinsam mit Grlnsp XXXX sowie der Polizeipraktikantin) im "Laufhaus XXXX " aufgehalten, obwohl es dienstlich für maximal 20 Minuten notwendig war und

a. die Prostituierte " XXXX " aufgefordert, mit ihm aufs Zimmer zu gehen, was von ihr wegen ihres freien Tages abgelehnt wurde;

b. nach Einnahme eines Potenzmittels (Jelly), die Leistungen der Prostituierten " XXXX ", entgeltlich, in Anspruch genommen und

c. seinen Einsatzgurt samt geladener Dienstwaffe "Glock 17" abgelegt und sich nicht weiter darum gekümmert, sodass dieser von der Polizeipraktikantin gesichert werden musste.

3. Er hat sich während des Aufenthaltes im Laufhaus gegenüber der Polizeipraktikantin eines diskriminierenden und Frauen als Sexualobjekte darstellenden Sprachgebrauchs bedient, indem er im Laufhaus,

a. wiederholt sagte "dass es schon ein paar fesche Katzen da gebe, eine aber besonders geil sei",

b. sie fragte, welche "Vorlieben" sie denn hätte und dass der Besitzer des Laufhauses ein "Tier" sei und sie ihn doch "geil" finden müsse,

c. ihr gegenüber andeutete, dass sie mit einer der Prostituierten ins Zimmer gehen solle und

d. dass er es der Pornodarstellerin "so richtig geben" werde.

4. Er hat es unterlassen, die Anweisung der Bezirksleitstelle, im LKH XXXX einen Alkotest bei einem Kraftfahrzeuglenker, der im Verdacht stand alkoholisiert ein Kraftfahrzeug gelenkt und einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht zu haben, zu befolgen und diese Amtshandlung nicht übernommen.

5. Er hat es unterlassen, einen ab 18:00 Uhr angeordneten Verkehrsüberwachungsdienst (Verkehrsregelung beim Rathaus in XXXX ), durchzuführen.

6. Er hat es unterlassen, den angeordneten Dienst in der Bezirksleitstelle XXXX um 19:00 Uhr pünktlich anzutreten (Dienstantritt: nach 19:30 Uhr).

7. Er hat während seines Dienstes in der Bezirksleitstelle XXXX , in der Zeit von ca. 19.30 bis 03:00 Uhr,

a. die Anfrage einer Außendienststreife, nach Priorierung einer Person wegen Suizid-Ankündigung, nicht bearbeitet,

b. es ab 20:00 Uhr unterlassen, das Leitstellenprotokoll zu führen.

Der Beamte hat seine Dienstpflichten nach

§ 43 Abs. 1 BDG, nämlich seine dienstlichen Aufgaben gewissenhaft, treu und unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu erfüllen,

§ 43 Abs. 2 BDG - teilweise in Verbindung mit § 8a B-GIBG - nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt,

§ 43 a BDG, nämlich Mitarbeitern mit Achtung zu begegnen,

§ 44 Abs. 1 BDG, teilweise in Verbindung mit dem Erlass BMI-0A1300/0071-II/1/b/2014, nämlich die Weisungen seiner Vorgesetzten zu beachten,

§ 45 Abs. 1 BDG, nämlich seine Aufgaben als Vorgesetzter gegenüber Mitarbeitern zu erfüllen,

§ 48 Abs. 1 BDG, nämlich die im Dienstplan angeordneten Dienststunden einzuhalten und

§ 59 Abs. 1 BDG, nämlich im Hinblick auf seine amtliche Stellung kein Geschenk, oder einen anderen Vermögensvorteil anzunehmen, oder zu fordern,

gemäß § 91 BDG schuldhaft verletzt.

Gemäß § 92 Abs. 1 Ziffer 3 BDG wird die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von ? 15.000,- (fünfzehntausend) verhängt. Gemäß § 127 Abs. 2 BDG wird die Abstattung der Geldstrafe in 30 Monatsraten bewilligt. Dem Beschuldigten werden gemäß § 117 Abs. 2 BDG keine Verfahrenskosten vorgeschrieben; die eigenen Kosten hat er zu tragen.

II

Hingegen wird der Beamte von den im Einleitungsbeschluss GZ 44057/3-DK/3/17 nachfolgend angeführten Vorwürfen gemäß §§ 118 Abs. 1 Ziffer 3, 126 Abs. 2 BDG freigesprochen:

Punkt 1. betreffend des Konsums von Weißweinmischungen bei der FF in XXXX .

Punkt 3.a, betreffend des Konsums von fünf Flaschen Bier im Laufhaus in XXXX .

Punkt 8.a, betreffend des Konsums von einem Bier in der Dienststelle.

III

Die mit Bescheid GZ 44054/3-DK/3/17 vom 13. Oktober 2017 verfügte Suspendierung bleibt gemäß § 112 Abs. 5 BDG bis zur Rechtskraft dieses Erkenntnisses aufrecht."

Begründend wurde von der Disziplinarkommission ausgeführt:

"Zu Punkt 1.

Um ca. 13:00 Uhr fuhr die Streife - das Dienstfahrzeug wurde von Asp. XXXX gelenkt - nach XXXX zum Anwesen von XXXX , weil der Disziplinarbeschuldigte Leberkäse kaufen wollte. Die Beamten und die Aspirantin hielten sich bis ca. 15:00 Uhr dort auf; der DB konsumierte in dieser Zeit ca. 6 Getränke, darunter auch 2-3 Weißweinmischungen, sowie eine Jause. Die Beamten bezahlten dafür nichts und boten auch keine Bezahlung an.

Zu Punkte 2. und 3.

Danach teilte der Disziplinarbeschuldigte der Aspirantin mit, dass sie beim nächsten Einsatz im Laufhaus XXXX nicht dabei sein könne. Die Praktikantin bestand aber darauf - gemäß dem Dienstauftrag - bei der Streife dabei zu sein, was von den Beamten schließlich akzeptiert wurde. Gegen 16:00 Uhr fuhr die Streife zum Laufhaus in XXXX , wobei das Dienstfahrzeug von Grlnsp XXXX gelenkt wurde. Nach dem Eintreffen stellten sie das Polizeifahrzeug im hinteren Bereich des Parkplatzes ab und gingen in Uniform in das Laufhaus. Nachdem der DB bereits beim Betreten des Laufhauses auf die dort vorhandenen "feschen Katzen" verwiesen hatte, wurde die Streife von der Prostituierten " XXXX " empfangen. Er fragte sie sogleich wörtlich: "Gehen wir aufs Zimmer?", was von ihr wegen ihres freien Tages jedoch abgelehnt wurde. Beide Beamten sprachen sodann weiter mit der Frau, wobei es sich um keinerlei dienstlichen Kontext handelte. Mit der inzwischen hinzugekommenen Prostituierten " XXXX " wurde sodann darüber verhandelt, wie viel "die Dame kostet". Mit dem Hinweis, dass er sich nicht mehr leisten könne, bezahlte Grlnsp XXXX bei der Bankomatkassa für eine halbe Stunde und ging mit der Frau aufs Zimmer. Währenddessen unterhielten sich Kontrlnsp XXXX und der inzwischen hinzugekommene Geschäftsführer des Laufhauses, XXXX , über die Pornodarstellerin " XXXX ", die ihm schließlich vorgeführt wurde. Die nur Englisch sprechende Frau sagte, dass sie Angst vor der Waffe habe und ging dann wieder. Nach entsprechender Aufforderung wurde ihm von einer Prostituierten ein Potenzmittel (Jelly) verabreicht, welches ihm aus einer Tüte in den Mund gedrückt wurde. Danach legte der Disziplinarbeschuldigte seinen Einsatzgurt samt Waffe ab, ließ ihn achtlos liegen und ging mit der Prostituierten " XXXX " ins Zimmer. Für die Inanspruchnahme der Leistungen der Prostituierten bezahlte er einmal ? 120,-- und einmal ? 50,-. Die Aspirantin XXXX nahm die Dienstwaffe, bzw. den Einsatzgurt an sich, verwahrte ihn und verbrachte ihn später zur Dienststelle.

Während seines Aufenthaltes im Laufhaus verwies er gegenüber der Praktikantin darauf, wie "geil" der Betreiber sei und versuchte dadurch sinngemäß sie zu sexuellen Handlungen mit ihm, bzw. mit einer Prostituierten zu animieren. Er bediente sich dabei eines sexualisierten Sprachgebrauchs, verwies wiederholt auf "die feschen Katzen" und dass er es der Pornodarstellerin " XXXX " so richtig geben werde.

Der Disziplinarbeschuldigte Kontrlnsp XXXX konsumierte während seines Aufenthaltes im Laufhaus insgesamt fünf Flaschen Bier (0,3 lt.), welche er gegen Bezahlung selbst aus einem Automaten bezog. Gegen 17:50 Uhr verließen Grlnsp XXXX und Asp. XXXX das Laufhaus, um einen angeordneten Einsatz (Verkehrsregelung) in XXXX zu übernehmen. Kontrlnsp XXXX verblieb weiterhin im Laufhaus. Nach 18:20 Uhr gab es ein Telefongespräch zwischen dem Disziplinarbeschuldigten und der Asp. XXXX , in welchem er sagte, dass er noch bleibe und "es nochmal angehen werde". Er wurde erst um 19:30 Uhr von einer Zivilstreife der PI XXXX abgeholt und zur PI gebracht.

Zu Punkt 4.

Am 08. Juli 2017, um ca. 14:45 Uhr ereignete sich in XXXX ein VU mit Personen-schaden, bei dem ein Motorradfahrer zu Sturz kam und verletzt in das Krankenhaus eingeliefert wurde. Nach der Unfallaufnahme der zuständigen PI XXXX ersuchte die ermittelnde Beamtin die BLS XXXX die örtlich zuständige Streife mit der Durchführung eines Alkotests beim verunfallten Lenker zu beauftragen. Der diensthabende Beamte der Leitstelle rief um ca. 16:00 Uhr die Polizeipraktikantin XXXX an und wies die Streife an ins LKH XXXX zu fahren und den Lenker zu einem Alkotest gemäß § 5 StVO aufzufordern. Asp. XXXX gab diese Information an den Disziplinarbeschuldigten weiter, der diesen Dienstauftrag in seine alleinige Bearbeitung übernahm. Weitere Maßnahmen setzte er jedoch nicht und alle Beamten verblieben im Laufhaus. Weder kümmerte er sich um eine sofortige Umsetzung des Auftrages, noch verständigte er - nachdem er erfahren hatte, dass der Motorradlenker das LKH bereits verlassen hatte - die zuständige PI vom unterbliebenen Alkotest. Die PI XXXX erlangte erst am 09. Juli 2017, um 18:51 Uhr Kenntnis davon.

Zu Punkt 5.

Entgegen eines bereits zuvor bekannten, angeordneten Verkehrsdienstes (Verkehrsregelung) um 18:00 Uhr, beim Rathaus in XXXX (Umzug, bzw. FF-Fest), verblieb der Disziplinarbeschuldigte bis ca. 19.30 Uhr im Laufhaus und befolgte diesen Auftrag nicht. Die Verkehrsregelung wurde jedoch von Gl XXXX und Asp. XXXX wahrgenommen.

Zu Punkte 6. und 7.

Gemäß Diensteinteilung DE-Nr. XXXX hatte der Disziplinarbeschuldigte ab 19:00 Uhr die Bezirksleitstelle XXXX zu besetzen und die Aufgaben dieser Leitstelle (Einsatzabwicklung, Entgegennahme von Notrufen und Anzeigen für den gesamten Bezirk) wahrzunehmen. Er trat diesen Dienst erst, nachdem er von Beamten der PI XXXX im Laufhaus abgeholt worden war, um ca. 19:30 Uhr an. Seine Aufgabe war die Besetzung der Einsatzzentrale und die Abwicklung/Koordinierung von Einsätzen im Bezirk XXXX , die Entgegenahme und Weiterleitung von telefonischen Anzeigen, insbesondere auch Notrufen. Die Leitung, bzw. Koordinierung von Einsätzen, war bei diesem Nachtdienst nicht erforderlich; es waren jedoch mehrere Anfragen der Außendienststreifen zu bearbeiten.

Der DB war - aufgrund seines vorangegangenen Alkoholkonsums - nicht in der Lage, seine Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. So waren von ihm durchgegebene Funksprüche an die beiden Außendienststreifen XXXX 1 und XXXX 2 unverständlich, bzw. wurde die Sektorstreife XXXX 1 zu einem Einsatz nach XXXX beordert, obwohl die tatortzuständige Streife "Sektor XXXX " einsatzbereit war. Einem Ersuchen um Priorierung einer Person im PAD, nach einer Suizid-Ankündigung, kam er nicht nach. Er unterließ es ab 20:00 Uhr auch das zwingend vorgeschriebene Einsatzprotokoll zu schreiben und dokumentierte im Zeitraum von 20:00 bis 03:00 Uhr keine einzige Anzeige, bzw. keinen einzigen Einsatz (so auch nicht die unnötige Anweisung an XXXX 1 nach XXXX zu fahren)."

Weiters wurde im Disziplinarerkenntnis ausgeführt, dass das Beweisverfahren zweifelsfrei ergeben habe, dass der Disziplinarbeschuldigte seine Dienstpflichten im Umfang des Spruchteils I schuldhaft verletzt habe.

Im konkreten Fall sei das gegen den DB durchgeführte Strafverfahren diversionell erledigt worden. Die DK habe den vorliegenden Sachverhalt daher auch strafrechtlich zu würdigen. Dass dem DB im Spruchpunkt I/4. vorgeworfene Verhalten begründe - wie auch das LG XXXX erkannt habe - den Tatbestand des § 302 StGB (Amtsmissbrauch).

Seine sexualisierten Aussagen gegenüber der Polizeipraktikanten Asp. XXXX und hier insbesondere die subtile Aufforderung mit einem Mädchen ins Zimmer zu gehen bzw. dass sie den Inhaber des Laufhauses doch geil finden müsse, sei geeignet, die Würde der betroffenen Person zu beeinträchtigen. Es handle sich dabei um ein verächtliches und unangebrachtes Verhalten gegenüber einer Polizeipraktikantin. Gemäß § 2 Abs. 4 B-GIBG sei jeder Vorgesetzte Vertreter des Dienstgebers. Der DB sei dienstführender Beamter der Verwendungsgruppe E2a und zweiter stellvertretender Kommandant der PI; er sei damit Vorgesetzter im Sinne des § 45 Abs. 1 BDG. Bei der betroffenen Beamtin habe es sich um eine Mitarbeiterin, die ihm jedenfalls weisungsunterworfen war, gehandelt.

Gemäß § 43 Abs. 1 BDG habe der Beamte seine dienstlichen Aufgaben treu, gewissenhaft und engagiert aus eigenem zu erfüllen. Er müsse also während der Ausübung seines Dienstes zunächst die Gesetze beachten (Beachtung der geltenden Rechtsordnung, VwGH 4.9.1990, 88/09/0013) und die ihm übertragenen Aufgaben ordentlich erledigen (treu und gewissenhaft), sowie alles unterlassen, was die Interessen des Dienstgebers schädigen könnte. Die "Beachtung der geltenden Rechtsordnung" bedeute darüber hinaus, dass der Beamte bei der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben gerichtlich strafbare Handlungen zu unterlassen, also sich selbst so zu verhalten habe, dass er nicht Strafgesetze (Verwaltungsgesetze) verletze. Er sei auch verpflichtet die Bestimmungen des B-GIBG einzuhalten und jegliche Verhaltensweisen, die einen der Tatbestände dieses Gesetzes zu erfüllen geeignet seien, zu unterlassen. Als nach § 43 Abs. 1 BDG relevante Rechtsverletzung sei es von der Judikatur etwa auch erachtet worden, wenn ein Beamter z.B. im Dienst strafbare Handlungen zu verantworten habe. Dies liege auch hier vor.

Der strafrechtliche Vorwurf eines Verbrechens nach § 302 StGB und damit einer Dienst-pflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG ergebe sich daraus, dass der DB die Übernahme einer Amtshandlung, nämlich der Durchführung eines Alkotests im Krankenhaus XXXX - trotz Anordnung durch die BLS - unterlassen habe (Punkt I/4.). Das Beweisverfahren habe ergeben, dass der DB im Zeitraum von ca. 13:00 Uhr bis ca. 19:30 Uhr überhaupt keinen Dienst verrichtet, sondern sich aus rein privaten Gründen, zunächst bei XXXX (Punkt I/1.) und danach im Laufhaus in XXXX aufgehalten habe (Punkt I/2.). Es habe keine dienstlichen Gründe gegeben, sich (so lange) an diesen Orten aufzuhalten. Der DB habe während dieser Zeit keine dienstlichen Aktivitäten wahrgenommen, sondern seine dienstliche Funktion offenbar dazu benutzt, seine privaten (sexuellen) Interessen zu befriedigen. Von besonderer Bedeutung sei dabei, dass es sich beim ihm um den zweiten stellvertretenden Kommandanten einer großen PI handle. Ihm komme daher als Vorgesetzten eine besondere Vorbildwirkung zu, der er in keiner Weise nachgekommen sei. Vor allem im Hinblick auf die ihm an diesem Tag zur Einschulung in den Polizeidienst zugewiesene Polizeipraktikantin sei dies von erheblicher Verwerflichkeit. Er habe in diesem Zeitraum weder einen angeordneten Einsatz übernommen (Punkt I/4.), noch eine bereits zuvor bekannt gewesene Verkehrsregelung in XXXX durchgeführt (Punkt I/5.), sondern sei einfach im Laufhaus verblieben.

Seinen Dienst habe er in der BLS ab 19:30 Uhr mangelhaft verrichtet (Punkt I/7.). Die Koordination von Einsätzen sei unzureichend gewesen und das zwingend vorgeschriebene Leitstellenprotokoll, welches für die Nachvollziehbarkeit polizeilicher Maßnahmen und insbesondere wann, welche Streife an welchen Tatort entsendet worden sei und wann Anzeigen erfolgt seien, von besonderer Bedeutung. Der Disziplinarbeschuldigte habe es ab seinem Dienstantritt bis zur Ablöse um 03:00 Uhr unterlassen, dieses Protokoll zu führen.

§ 43 Abs. 1 BDG sei aber auch dadurch tangiert, dass er während des Dienstes sexuelle Kontakte mit einer Prostituierten hatte (Punkt I/2.). Alle ihm anzulastenden Tathandlungen hätten - überwiegend in Anwesenheit einer Polizeipraktikantin, die sich sogar um die im Bordell achtlos weggelegte Waffe des Beamten kümmern hätte müssen - während des regulären Streifendienstes (Überstunden) stattgefunden. Dass das Ausleben privater, sexueller Vorlieben während der Dienstzeit und in Uniform mit der Verpflichtung, seine dienstlichen Aufgaben treu und gewissenhaft zu erfüllen, nicht vereinbar sei, verstehe sich von selbst. Sein Verhalten lasse jegliche, von einer Führungskraft zu erwartende Vorbildhaltung vermissen und sei schon für sich allein geeignet, einen schweren Verstoß nach § 43 Abs. 1 BDG zu begründen.

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG sei der Beamte verpflichtet, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Diese Pflicht verletze der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöse, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüße. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liege nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genieße, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 15.12.1999, 98/09/0212; 18.4.2002, 2000/09/0176); insofern stelle § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (VwGH 28.7.2000, 97/09/0324; 16.10.2001, 2000/09/0012) und werde von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach entschieden habe, sei eine Verletzung der Pflicht zur Vertrauenswahrung immer dann anzunehmen, wenn der Beamte ein Rechtsgut verletze, mit dessen Schutz er im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben betraut sei (zB: VwGH 24.2.1995, 93/09/0418; 15.12.1999, 98/09/0212). Der DB habe durch die unterlassene Durchführung des Alkotests (siehe Punkt I/4.) das Delikt des Amtsmissbrauchs nach § 302 StGB begangen. Er habe sein Fehlverhalten im Dienst, im Kernbereich seiner dienstlichen Aufgaben realisiert, weil die Vollziehung der Strafgesetze grundsätzlich von jedem Polizeibeamten zu besorgen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof und die Disziplinaroberkommission (bis 31.12.2013) schon mehrfach entschieden hätten, umfasse der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 2 BDG auch geschlechtliche Belästigungen im Sinne des B-GIBG (VwGH 27.10.1999, 97/09/0105).

Das Verhalten des DB im Umgang mit seiner Mitarbeiterin - einer in den Exekutivdienst einzuschulenden Polizeipraktikantin - sei unter diese Norm subsumierbar, weil seine sexualisierten Aussagen diskriminierend, unerwünscht und beleidigend gewesen seien. Im konkreten Fall sei aus dem durchgeführten Beweisverfahren klar erkennbar, dass die Polizistin durch das unerwünschte Verhalten ihres Vorgesetzten objektiv in ihrer Würde verletzt worden sei. Fragen, ob die Mitarbeiterin den Bordellbesitzer "geil finde" und die Andeutungen, ob sie mit einer Prostituierten ins Zimmer gehen wolle, würden zweifelsfrei die sexuelle Sphäre der Betroffenen berühren. Dadurch sei es aber nicht nur zu einer konkreten geschlechtlichen Belästigung einer Mitarbeiterin, sondern - neben der Schaffung einer die Würde verletzenden Arbeitsumwelt - auch zu einer Störung des Betriebsfriedens und zu einer Störung dienstlicher Abläufe gekommen. Dass eine solche Störung auch tatsächlich vorgelegen sei, zeige sich bereits darin, dass die Polizeipraktikantin ersuchte, am 08. Juli 2017 mit dem DB keinen weiteren Nachtdienst mehr verrichten zu müssen (beide waren von 19:00 bis 07:00 Uhr zum BLS-Dienst eingeteilt).

Der Disziplinarbeschuldigte sei im Hinblick auf alle im Spruchteil I angelasteten Dienst-pflichtverletzungen eines Fehlverhaltens überführt, welches geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit und des Dienstgebers im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG schwer zu erschüttern (DOK 2.3.2005, 113/14-DOK/OO; 3.3.2004, 78/8-DOK/03; 13.10.2004, 73/10-DOK/04). Der Bürger erwarte sich zu Recht, dass die Polizei ihre Aufgaben - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und die Bekämpfung der Kriminalität - in kompetenter und effizienter Weise erfülle. Dazu gehöre es auch, dass Polizeibeamte die von ihnen zu vollziehenden Gesetze selbst einhalten, somit auch nach ethischen und moralischen Gesichtspunkten besonders gesetzestreu seien und sich - vor allem als Vorgesetzte - auch so verhalten würden. Nur dadurch könne ein Polizeibeamter seine Glaubwürdigkeit erhalten. Das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten sei an diesem Tag vom Gegenteil gezeichnet und geeignet gewesen, die Glaubwürdigkeit der Polizei schwer zu erschüttern. Hinsichtlich des angelasteten straf- und disziplinär relevanten Verhaltens entstehe in der Allgemeinheit der Eindruck eines Beamten, der zu glauben scheine, er könne während der Dienstzeit machen was er wolle. Der dargestellte konkrete und massive Vorwurf der Begehung schwerster Dienstpflichtverletzungen sei geeignet, das Ansehen des Amtes beträchtlich zu schädigen.

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG habe der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeute, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe sowie auch schriftliche Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche Befehle/Dienstaufträge seiner Vorgesetzten zu befolgen habe. Gerade die Befolgung von Weisungen sei in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren.

Gemäß Punkt 2.5. (richtigerweise 2.3.) der Allgemeinen Polizeidienstrichtlinie sei die Dienstverrichtung nachvollziehbar zu dokumentieren. Das bedeute, dass insbesondere in den Leitstellenprotokollen alle Anzeigen, Ereignisse und ergriffenen Maßnahmen zu protokollieren seien. Es müsse jederzeit nachvollziehbar sein, welche Amtshandlung, welcher Streife zugewiesen worden sei. Der Disziplinarbeschuldigte habe im Zeitraum ab 20:00 Uhr keine Eintragungen in das Protokoll gemacht.

Gemäß Punkt 2.5. der APD-RL hätten Exekutivbedienstete ihren Dienst bewaffnet zu versehen und sei das Ablegen der Schusswaffe außerhalb der Dienstelle unzulässig. Der Disziplinarbeschuldigte habe seinen Einsatzgurt samt geladener Dienstwaffe Glock 17 im Bordell abgelegt und liegengelassen, um mit einer Prostituierten aufs Zimmer zu gehen. Er habe sich daher um seine Waffe überhaupt nicht mehr gekümmert, sodass diese von der Polizeipraktikantin gesichert habe werden müssen. Sie habe auch für eine Verbringung der Waffe in die PI gesorgt.

Während des Aufenthaltes im Bordell habe die BLS XXXX , als zuständige Einsatzzentrale für den Bezirk XXXX , den Auftrag erteilt, einen Alkotest bei einem Kraftfahrzeuglenker durchzuführen. Die Außendienststreife - besetzt mit dem Disziplinarbeschuldigten und zwei weiteren Beamten - sollte dazu in das LKH XXXX fahren. Dieser Einsatz sei vom Disziplinarbeschuldigten nicht übernommen worden, sondern seien die Beamten im Bordell verblieben. Die BLS sei funktionell dem BPK XXXX unterstellt; die Diensthabenden in der Einsatzzentrale seien daher berechtigt, Weisungen an die Außendienststreifen zu erteilen. Diese hätten die Aufträge umzusetzen und entsprechende Berichte vorzulegen. Der Disziplinarbeschuldigte habe diesen Einsatzbefehl missachtet.

Mit Dienstplan für Juli 2017 und der darauf basierenden Diensteinteilung DE-Nr. XXXX habe der Disziplinarbeschuldigte am 08. Juli 2017, ab 19:00 Uhr, Dienst in der BLS XXXX zu verrichten und die Aufgaben der Leitstelle für den Bezirk XXXX zu übernehmen gehabt. Er habe seinen Dienst nicht pünktlich angetreten, sondern sich bis 19:30 Uhr im Laufhaus in XXXX aufgehalten, wo er von einer Zivilstreife abgeholt habe werden müssen. Der Dienstantritt sei erst um 19:30 Uhr erfolgt, allerdings in einem die Dienstfähigkeit ausschließenden Zustand. Beim Dienstplan bzw. der Dienstanweisung handle es sich um eine Weisung im Sinne des § 44 Abs. 1 BDG, die er hätte befolgen müssen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BDG habe jeder Vorgesetzte darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben erfüllen. Dies impliziere, dass sich jeder Vorgesetzte seiner besonderen Vorbildfunktion bewusst sei und alles unterlasse, was geeignet sei eine ordentliche, erfolgreiche Dienstverrichtung der Beamten einer Dienststelle zu beeinträchtigen. Der DB habe am 08. Juli 2017, ab ca. 13:00 Uhr, überhaupt keinen Dienst mehr versehen, obwohl es seine Aufgabe als Vorgesetzter gewesen wäre, eine Praktikantin in den exekutiven Außendienst einzuweisen und auch im Hinblick auf den weiteren Mitarbeiter auf eine korrekte, den dienstlichen Bedürfnissen entsprechende Aufgabenerfüllung zu achten.

Gemäß § 48 Abs. 1 BDG habe der Beamte die im Dienstplan angeordneten Dienststunden einzuhalten und in dieser Zeit Dienst zu verrichten. Das bedeute, dass er nicht nur im Dienst zu sein, sondern in dieser Zeit auch dienstliche Aufgaben (z.B. Streifendienst, Erhebungen, Wahrnehmung sicherheits- und kriminalpolizeilicher Aufgaben) zu besorgen habe. Der DB habe in der Zeit ab 12:00 Uhr bis 19:30 Uhr überhaupt keinen Dienst verrichtet, sondern sich nahezu durchgehend bei der Privatperson XXXX bzw. im Laufhaus in XXXX aufgehalten.

Gemäß § 59 Abs. 1 BDG sei es einem Beamten untersagt, im Hinblick auf seine amtliche Stellung ein Geschenk oder einen sonstigen Vermögensvorteil anzunehmen bzw. zu fordern. Unter Vermögensvorteil sei jegliche Zuwendung - auch Getränke oder Potenzmittel - zu verstehen, welche einen Geldeswert habe. Eine amtliche Stellung liege dann vor, wenn ein Beamter Zuwendungen ausschließlich oder überwiegend aufgrund seiner Funktion als Polizeibeamter bekomme. § 59 BDG stelle somit auf eine unparteiische, unbeeinflusste und unbefangene Amtsführung ab. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass er sämtliche ihm bei XXXX angebotenen bzw. von ihm geforderten Getränke bzw. Nahrungsmittel unentgeltlich konsumiert habe. Es handle sich dabei nicht bloß um einen Kaffee oder ein Glas Wasser, sondern um einen beträchtlichen Konsum von ca. 6 Getränken. Das Potenzmittel "Jelly" habe er ebenfalls unentgeltlich angenommen, wobei es sich von selbst verstehe, dass derartige Zuwendungen nicht unter den Tatbestand des § 59 Abs. 2 BDG fallen würden.

Als Milderungsgründe wurden von der Disziplinarkommission im Rahmen der Strafbemessung das reumütige Geständnis und Belobigungen angerechnet. Als Erschwerungsgründe wurde das Vorliegen mehrerer Dienstpflichtverletzungen angeführt.

Die Disziplinarkommission nahm die Dienstpflichtverletzungen in den Spruchpunkten I.2. und I.3. als schwerwiegendste an, sodass die restlichen Spruchpunkte als erschwerend zu berücksichtigen gewesen seien.

Weiters wurde ausgeführt, dass grundsätzlich festzustellen sei, dass die dem DB vorzuwerfenden Tathandlungen geeignet seien, auch eine höhere Strafe, bis hin zu einer Entlassung aus dem öffentlichen Dienst zu tragen. Der erkennende Senat habe davon aber - entgegen dem Antrag der Disziplinaranwaltschaft - gerade noch Abstand genommen. Zu berücksichtigen sei dabei vor allem sein glaubhaft reumütig vorgetragenes Geständnis gewesen. Der sichtlich gezeichnete DB habe den Senat davon überzeugen können, dass er die besondere Verwerflichkeit seines Fehlverhaltens eingesehen und aufgearbeitet habe. Er habe sich auch bei der Zeugin für sein Verhalten entschuldigt und - was besonders wesentlich sei - noch vor seiner Suspendierung mit einer Alkoholentzugstherapie begonnen. Dies sei insofern relevant, weil der Senat der Meinung sei, dass die dem Beamten vorzuwerfenden Tathandlungen ihren Ursprung im Alkoholkonsum und der damit zweifelsfrei einhergegangenen Enthemmung an diesem Tag gehabt hätten, auch wenn dies - abgesehen vom Spruchteil II - nichts an seiner Schuld ändern habe können (die der DB aber ohnehin voll eingestanden habe). Dieses Problem habe der DB offenbar erkannt und daran gearbeitet. Im Hinblick auf die Suspendierung sei auch relevant, dass diese von Amts wegen von der Disziplinarkommission verfügt worden sei. Die Dienstbehörde habe - nach Bekanntwerden der Taten des DB - keine vorläufige Suspendierung (der DB war allerdings ab 12.07.2017 im Krankenstand - Alkoholentzug in der Klinik XXXX in XXXX ) verhängt.

Die gewählte Sanktion in der Höhe von ? 15.000,-- entspreche ca. 84 % (4 1/4 MB) des möglichen Maximalbetrages von ? 17.800,- (5 Monatsbezüge). Vergleiche man damit nun die gegen den zweiten Beamten verhängte Strafe von ca. 3 Monatsbezügen, so bilde die Strafe gegen den DB seine besondere Verantwortung als Vorgesetzter und die ihm von der Zahl her mehr anzulastenden Dienstpflichtverletzungen ausreichend ab.

Spezialpräventiv würde diese Sanktion ausreichen, den DB an seine besondere Verantwortung als Polizeibeamter und Führungskraft zu erinnern. Generalpräventiv stelle die durchaus massive Geldstrafe klar, dass an das Verhalten von Polizeibeamten hohe Ansprüche gestellt und verwerfliche Handlungen bzw. die Vernachlässigung des Dienstes zu hohen disziplinären Sanktionen führen würden.

Mit Schriftsatz vom 02.08.2018 erhob der Disziplinaranwalt fristgerecht Beschwerde hinsichtlich der Art der verhängten Disziplinarstrafe. Begründend wurde ausgeführt, dass die von der Disziplinarkommission verhängte Geldstrafe aus folgenden Gründen des § 93 Abs. 1 BDG als nicht angemessen zu betrachten, da nach Abwägung aller Faktoren nur eine Entlassung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG auszusprechen gewesen sei. Es liege ein grober Fehler in der Ermessensübung der Disziplinarkommission vor bei der Auswahl der Art der Disziplinarstrafe. Aufgrund u.a. folgender Faktoren wäre bei gesetzmäßiger Ermessensübung nur mit Entlassung des Disziplinarbeschuldigten vorzugehen gewesen:

Schwere der Dienstpflichtverletzungen

negative Zukunftsprognose

Beschreibung durch Dienstgebervertreter

Gründe, die in der Persönlichkeit des Disziplinarbeschuldigten gelegen seien

Untragbar für eine weitere Dienstverwendung

Vertrauensverlust/Vertrauenszerstörung verursacht durch den Disziplinarbeschuldigten sowohl gegenüber dem Dienstgeber als auch in der Öffentlichkeit

Schädigung des Standesansehens

Gemäß § 93 BDG seien auch die generalpräventiven Erfordernisse zu berücksichtigen, um so der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken.

Nach der Judikatur des VwGH sei der Begriff der Schwere der Dienstpflichtverletzung überwiegend im Sinne einer objektiven Schwere zu verstehen: Primär maßgeblich sei dafür die Bedeutung der verletzten Pflicht sowie in welchem objektiven Ausmaß gegen die einem Beamten auferlegten Pflichten verstoßen oder der Dienst beeinträchtigt werde.

Hier sei nur kurz auf die Auswirkungen auf das dienstliche Zusammenarbeiten und die zwischen dem Beamten unbedingt notwendige Vertrauensbasis verwiesen, die durch das Verhalten des Beschuldigten "schwerwiegend" gestört worden sei.

Dabei werde die Ordnungsfunktion des Disziplinarrechts gegenüber dem Schuldprinzip in den Vordergrund gestellt. Dem Disziplinarrecht komme die Aufgabe zu, einen ordnungsgemäßen und korrekten Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen und die Sauberkeit und Leistungsfähigkeit des österreichischen Beamtentums zu erhalten und sein Ansehen zu wahren.

Neben der genannten objektiven Schwere der Tat erachte der VwGH den Grad des Verschuldens, den Beweggrund der Tat, ferner die Auswirkung der Tat für das Ansehen des Beschuldigten selbst und der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit und die bisherige dienstliche Führung für maßgeblich.

Zur Spezialprävention sei anzuführen, dass grundsätzlich keine strengere Strafe verhängt werden dürfe, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheine. Die Spezialprävention begrenze das schuldadäquate Strafausmaß somit nur nach oben. Bei der Bestimmung des spezialpräventiv notwendigen Strafens würde die Besserung- und Sicherungsfunktion einer solchen Strafe zu beachten sein. Dabei sei eine Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters anzustellen.

Zu der Schwere der Dienstpflichtverletzung sei unbedingt zu berücksichtigen, dass diese Pflichtverletzungen in Anwesenheit einer in dem praktischen Außendienst einzuweisenden Polizeipraktikantin (Polizeischülerin) vom Disziplinarbeschuldigten als Stellvertreter des Polizeiinspektionskommandanten und zugleich Vorgesetzten der Polizeischülerin begangen worden seien. So hätte er nicht nur die Aufgabe des Anweisenden und Kontrollierenden gehabt, sondern hätte auch gutes Vorbild und Beispiel geben sollen. Stattdessen habe er sogar gerichtlich strafbare Handlungen und eine Vielzahl von Dienstpflichtverletzungen begangen und die Polizeischülerin selbst zu Dienstpflichtverletzungen aufgefordert.

Zu Spruchpunkt 1. sei noch ergänzend ausgeführt, dass die unentgeltliche Annahme von sechs Getränken und einer Jause bereits eine Gratwanderung darstelle. So sei die Dienstpflichtverletzung eindeutig gegeben, es könnte aber bereits auch ein strafrechtliches Delikt (im Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung) erfüllt sein. Durch das Verhalten des Beschuldigten sei es sogar dazu gekommen, dass XXXX bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme wahrheitswidrig ausgesagt und behauptet habe, dass er keine alkoholischen Getränke an die uniformierten Polizeibediensteten ausgeschenkt habe.

Zu Spruchpunkt 2. - Verhalten im Laufhaus, wo der Disziplinarbeschuldigte für den ganzen Tag Mehrdienstleistung, nämlich Überstunden und auch Gefahrenzulage verrechnet habe - werde ausgeführt, dass dadurch der Dienstgeber hintergangen worden sei. Statt Abarbeiten der Dienstaufträge habe er diese unerledigt gelassen und sich mit einer Prostituierten abgegeben. Die Rücksichtslosigkeit spiegle sich auch in seinem Umgang mit der Dienstwaffe wider. Diese habe er unbedarft im Laufhaus abgelegt und sei für mehrere Stunden mit einer Prostituierten auf das Zimmer gegangen. Dabei zähle es unter anderem zu seinen dienstlichen Aufgaben, die Waffenverwahrung von Waffenbesitzern zu überprüfen. Selbst habe er einen solch verantwortungslosen Umgang mit seiner Dienstwaffe nicht gezeigt. Nicht auszudenken, wenn mit der Dienstwaffe durch unbefugte Verwendung etwas passiert wäre.

Zu Spruchpunkt 3. - diskriminierende Äußerungen gegenüber der Polizeischülerin, Frage an die Polizeischülerin nach ihren sexuellen Vorlieben und Aufforderung an die Polizeischülerin, dass diese selbst mit einer Prostituierten auf das Zimmer gehen solle, oder ob ihr nicht der Laufhausbetreiber gefallen würde - werde ausgeführt, dass es gerade die Aufgabe des Disziplinarbeschuldigten gewesen wäre zu verhindern, dass es zu sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz komme. Zu diesen sei es aber durch den Disziplinarbeschuldigten auf verschiedenste Weise gekommen und er habe dabei seine Vorgesetztenrolle ausgenutzt. Gerade er hätte als Vorgesetzter die Aufgabe, die Mitarbeiterin vor sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz zu schützen.

Die Polizeischülerin sei dem hilflos ausgeliefert gewesen, bis sie es dann spät am Abend geschafft habe, dass sie den weiteren Dienst mit anderen Polizeibediensteten verrichten habe können.

Gerade in Zeiten wie diesen - "metoo"-Diskussion und anderes - wo der Dienstgeber große Anstrengungen unternehme, um solchen Diskriminierungen und Belästigungen am Arbeitsplatz Einhalt zu gebieten, gehe ein dienstführender Beamter in Vorgesetztenfunktion derartig vor.

Unter anderem wegen diesem Spruchpunkt 3. zeige es sich, dass das Ermessen der Disziplinarkommission nicht gesetzmäßig geübt worden, da dies in der Auswahl der Strafart nicht entsprechend berücksichtigt worden sei.

Zu Spruchpunkt 4. - Nichtdurchführen des angeordneten Alkomatentests - gebe es eine diversionelle Erledigung gemäß § 200 Abs. 5 StPO des Strafrechtsdelikts § 302 StGB. Hier zeige es sich wiederum, wie rücksichtslos der Disziplinarbeschuldigte vorgehe, um seinem "Privatvergnügen" nachzugehen und seine dienstlichen Aufgaben - nicht nachholbar - unerledigt lasse.

Zu den Spruchpunkten 5., 6. und 7. sei anzuführen, dass hier wiederum schwerwiegendste Weisungsmissachtungen vorlägen. In beispielloser Rücksichtslosigkeit habe er den Dienst nicht nur vernachlässigt, sondern sei seinen dienstlichen Aufgaben überhaupt nicht nachgegangen. Selbst als er in der Position gewesen sei, wo andere Bedienstete auf ihn angewiesen gewesen seien, habe er diese Dienstleistungen nicht erbracht.

Negative Zukunftsprognose und Beschreibung durch Dienstgebervertreter:

Dabei seien die bereits erfolgten disziplinären Verurteilungen - auch wenn bereits getilgt -mitzuberücksichtigen. Diese Verurteilungen hätten den Disziplinarbeschuldigten nicht davon abgehalten, weiter und vor allem so schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen zu begehen und strafgesetzwidrig vorzugehen. Auf die Stellungnahmen und Einschätzungen seiner Vorgesetzten werde in diesem Zusammenhang nur kurz hingewiesen und Stichworte zitiert: "Besserung außer Reichweite"; "schwieriger Charakter".

Unter anderem durch sein Verhalten aber auch seine Rechtfertigungen bzw. Antworten im Zuge des Disziplinarverfahrens scheine der Disziplinarbeschuldigte seine Nichteignung zur weiteren Dienstverwendung zu dokumentieren. Als der Disziplinarbeschuldigte vom Vorsitzenden des Disziplinarsenates gefragt worden sei, ob er sich selbst für dienstfähig halte, habe er erst angegeben, dass dies nicht der Fall sei. Nach zweimaligem Nachfragen - wobei ihm dabei bereits durch die Fragen die Antwort suggeriert worden sei - habe er angegeben, dass er nicht wisse, ob er dienstfähig sei. Erst nach nochmaligem Fragen habe er angegeben, dass er sich wohl für dienstfähig halte, aber die anderen (und auch die Dienstbehörde) sicher nicht. Aus seinen Antworten sei überhaupt keine Bereitschaft, wieder Dienst zu versehen, erkennbar gewesen. Auf die Frage, wo er sich ein "Dienstmachen" wieder vorstellen könne, habe er nur lapidar angegeben, dies nicht zu wissen. Den "einzigen Lichtblick, der für den Disziplinarbeschuldigten sprach", habe es in der Verhandlung gegeben, als der Disziplinarbeschuldigte vom Disziplinaranwalt gefragt worden sei, was er als Vorgesetzter mit einem dienstführenden Beamten machen würde, der solche Verfehlungen setze; da habe der Disziplinarbeschuldigte wörtlich angegeben: "Aus dem Verkehr ziehen!".

Durch sein gesamtes Verhalten in der mündlichen Verhandlung - welche auf eine gewisse Gleichgültigkeit habe schließen lassen - sei der Eindruck gewonnen worden, dass der Disziplinarbeschuldigte nicht die Bereitschaft und das Engagement habe, weiter Dienst zu machen.

Die dem Disziplinarbeschuldigten vorgeworfenen Verfehlungen würden den Kernbereich seiner Dienstpflichten betreffen.

Das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten sei jedenfalls geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei massivst zu schädigen.

Die beantragte Strafe der Entlassung erweise sich aus generalpräventiven Gründen als zwingend notwendig, weil es sich in der Gesamtheit betrachtet wohl um schwerste Dienstpflichtverletzungen handle, wobei der Dienstgeber, die Bevölkerung aber auch die Mitarbeiter - sowie unter anderem die in Ausbildung stehende Polizeischülerin - durch das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten unmittelbar geschädigt seien.

Die ausgesprochene Strafe sei, da das Ermessen nicht rechtmäßig angewendet worden sei, als nicht angemessen zu betrachten und es werde der Antrag gestellt dem ursprünglichen Antrag des Disziplinaranwaltes in der Verhandlung vor der Disziplinarkommission auf Verhängung der Entlassung zu folgen.

Mit Schriftsatz vom 06.08.2018 (beim Bundesverwaltungsgericht am 07.08.2018 einlangend) wurde der Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

In Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung wurde vom neuen Rechtsvertreter des Beschuldigten mit Stellungnahme zur Beschwerde vorgebracht, dass sich die Beschwerde im Wesentlichen mit generalpräventiven Überlegungen, nicht aber mit der subjektiven Situation des Beschuldigten auseinandersetze. Der Umstand, dass schon laut Disziplinarerkenntnis die Milderungsgründe überwiegen würden, würde in der vorliegenden Beschwerde nicht erwähnt.

Der Beschwerdeführer übersehe, dass der Beschuldigte die besondere Verwerflichkeit seines Fehlverhaltens eingesehen und aufgearbeitet habe. Nach den Ausführungen der belangten Behörde im Disziplinarerkenntnis zur Strafbemessung habe sich der Beschuldigte bei der Zeugin für sein Verhalten entschuldigt und - was für die belangte Behörde besonders wesentlich gewesen sei - noch vor seiner Suspendierung mit einer Alkoholentzugstherapie begonnen. Der Beschuldigte sei nach wie vor erfolgreich abstinent.

Am 11.12.2018 fand eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in deren Anschluss folgender Spruch verkündet wurde:

"Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid insofern abgeändert, als über Kontrollinspektor XXXX gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wird."

Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass insgesamt eine schwere Verletzung von essentiellen Dienstpflichten vorliege und die Tathandlungen des Beschuldigten grundsätzlich geeignet seien eine Entlassung aus dem öffentlichen Dienst zu tragen.

Wie die belangte Behörde zutreffend feststellt habe, sei als schwerwiegendste Dienstpflichtverletzung der stundenlange Aufenthalt des Beschuldigten im Laufhaus samt sexueller Aktivität, die Äußerungen gegenüber der Polizeischülerin und das Ablegen der Waffe anzusehen.

Das Gericht sei der Ansicht, dass die Erschwerungsgründe die Milderungsgründe bei weitem übertreffen würden.

Der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 25.09.2019 stattgegeben und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der stundenlange Aufenthalt des Beschuldigten während seines Dienstes im Laufhaus samt sexueller Aktivität, die Äußerungen gegenüber der Polizeischülerin und das Ablegen der Dienstwaffe als schwerste Dienstpflichtverletzungen zu werten seien, nicht entgegenzutreten sei.

Ebensowenig sei jener Einschätzung entgegenzutreten, wonach es sich dabei um eine derart schwerwiegende Dienstpflichtverletzung handle, die in der Zusammenschau mit den weiteren Dienstpflichtverletzungen, die gemäß § 93 Abs. 2 BDG 1979 als Erschwerungsgründe zu werten seien, grundsätzlich geeignet sei, eine Entlassung zu tragen.

Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu den weiteren Umständen, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in eine Gesamtbetrachtung einzufließen haben, seien jedoch nicht tragfähig, weshalb die mangelhafte Begründung die Abwägungsentscheidung insgesamt mit Rechtswidrigkeit belaste.

Ohne weitere Feststellungen sei es dem Beschuldigten nicht anzulasten, wenn er sich nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Taten bei seinen Kollegen entschuldigt habe, weil er sich nach der Tat bereits in einen mehrwöchigen Krankenstand befunden habe. Die einem Krankenstand zugrunde liegende Krankheit könne einem Disziplinarbeschuldigten nicht (ohne weiteres) vorgeworfen werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichte wiederholt zum Ausdruck gebracht habe, komme bei der Erstellung einer Prognose über das zukünftige Verhalten einer natürlichen Person der Verschaffung eines - im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gewonnenen - persönlichen Eindrucks besondere Bedeutung zu. Bei der Entscheidung über eine disziplinarrechtliche Schuld und Strafe, bei welcher es gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 unter anderem darauf ankomme, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich sei, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, sei eine solche Prognoseentscheidung zu treffen. Dabei seien Eindrücke aus der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu verwerten. Dem Verwaltungsgericht sei es aber ohne Darstellung dieser Eindrücke verwehrt, ein (auch nicht anderweitig objektiv dokumentiertes) Verhalten des Beschuldigten vor der Disziplinarkommission allein aufgrund der Angaben des Disziplinaranwaltes zu seinen Lasten zu verwerten.

Von der Disziplinarkommission sei - aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks in der Verhandlung vor der Disziplinarkommission - das Geständnis des Revisionswerbers noch als glaubhaft reumütig und der Revisionswerber als sichtlich gezeichnet beschrieben worden, der sein Fehlverhalten eingesehen und aufgearbeitet habe. Das Bundesverwaltungsgericht hätte in diesem Zusammenhang dieser Beurteilung ausschließlich seinen eigenen unmittelbaren persönlichen Eindruck entgegenstellen dürfen.

Komme das Verwaltungsgericht zur selben sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Beurteilung, so dürfe es vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 B-VG nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle der Ermessensübung durch die Disziplinarkommission setzen. Jedoch sei das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Bemessung einer Disziplinarstrafe nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission auf gesetzmäßige Weise erfolgt sei. Es habe bei einer gesetzwidrigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden und nur dabei auch selbst eine Ermessensentscheidung zu treffen.

Auch hinsichtlich der disziplinären Vorstrafen des Beschuldigten bedürfe es für die Entscheidung, ob diese als Erschwerungsgrund zu werten seien, weiterer Feststellungen. Gemäß § 121 Abs. 2 BDG 1979 dürfe die erfolgte disziplinäre Bestrafung in einem weiteren Disziplinarverfahren nicht berücksichtigt werden, wenn der Beamte innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft der Disziplinarverfügung oder des Disziplinarerkenntnisses keine Dienstpflichtverletzung begangen habe. Dies Bestimmung verbiete nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nicht, dass auf das der disziplinären Bestrafung zugrunde liegende Verhalten auch nach Ablauf der in § 121 Abs. 2 BDG 1979 genannten Zeit zwecks Beurteilung der gesamten Persönlichkeitsstruktur des Täters sowohl im Hinblick darauf, ob der Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z 2 StGB vorliege als auch zur Beurteilung, ob für den Täter die Prognose erstellt werden könne, er werde sich in Zukunft wohlverhalten, Bedacht genommen werden dürfe. Feststellungen zu dem den offenbar getilgten Vorstrafen zugrunde liegenden Verhalten traf das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht.

Gleichfalls würden sich die rechtlichen Ausführungen zu den Dienstbeurteilungen bzw. den Äußerungen von Vorgesetzten nicht auf Feststellungen im Ergebnis hiezu stützen.

Zugunsten des Beschuldigten habe das Bundesverwaltungsgericht die von ihm begonnene Alkoholentziehungstherapie gewertet. Es sei im Hinblick auf den Umstand, dass der Beschuldigte seit Jahren Alkohol im Dienst konsumiert habe, jedoch zum Schluss gekommen, dass es einen Rückfall in alte Verhaltensmuster geben könne. Diese negative Prognoseentscheidung greife jedoch zu kurz und bedürfe zunächst jedenfalls weiterer Feststellungen entweder dahingehend, ob der Revisionswerber in der Vergangenheit bereits eine Therapie begonnen oder unternommen und dennoch ein Rückfall stattgefunden habe, oder ob aus seiner nunmehr erstmals angegangene Therapie eher auf einen Gesinnungswandel geschlossen werden könne.

Am 26.02.2020 fand eine weitere Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschuldigte sowie eine vom Beschuldigten mitgebrachte Zeugin befragt und Beweisanträge des Beschuldigten abgewiesen wurden. Die Verkündung des Erkenntnisses entfiel gemäß § 29 Abs. 3 Z 2 VwGVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschuldigte hat die im Disziplinarerkenntnis angeführten Tathandlungen gesetzt. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist zulässig.

Kontrollinspektor XXXX war bis zu seiner Suspendierung am 13.10.2017 Mitarbeiter der Landespolizeidirektion XXXX , als zweiter stellvertretender Kommandant in der PI XXXX eingesetzt und unter anderem mit den Sachbereichen Beschwerdeangelegenheiten, Verkehrsdienst und Dienstplanung betraut. Diese Dienststelle hat einen systemisierten Mitarbeiterstand von 41 Beamten.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX wurde die Strafsache gegen den Disziplinarbeschuldigten wegen § 302 Abs. 1 StGB gemäß § 200 Abs. 5 StPO endgültig eingestellt. In der davor abgehaltenen Hauptverhandlung wurde eine Geldbuße im Ausmaß von ? 2.500 beschlossen und ein Vorgehen diversioneller Natur durchgeführt.

Der Beschuldigte wurde zweimal zu Geldbußen bzw. einmal zu einer Geldstrafe mit Disziplinarerkenntnissen verurteilt und zweimal belobigt (2001, 2013). Weitere über des normale Maß positiv hervortretende Leistungen erbrachte der Beschuldigte nicht.

Mit Disziplinarerkenntnis der DOK beim Bundeskanzleramt vom XXXX wurde über den Beschuldigten wegen ungerechtfertigten Aufenthalts in einer Buschenschenke, Alkoholkonsums im Exekutivdienst, unhöflichen Benehmens gegenüber Kollegen und Vorgesetzten und Nichtbefolgung einer Weisung eine Geldstrafe in der Höhe von 15.000 Schilling verhängt.

Mit Disziplinarerkenntnis der DK beim Bundesministerium für Inneres vom XXXX wurde über den Beschuldigten wegen ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst eine Geldbuße in der Höhe von ? 200 verhängt.

Mit Disziplinarerkenntnis der DK beim Bundesministerium für Inneres vom XXXX wurde der Beschuldigte wegen des Vorwurfs eines verspäteten Dienstantritts freigesprochen.

Mit Disziplinarerkenntnis der DOK beim Bundeskanzleramt vom XXXX wurde über den Beschuldigten wegen Verstoßes gegen die ihm mehr als einmal erteilte mündliche Weisung, eine ärztliche Bestätigung für seine Abwesenheit vom Dienst beizubringen, erschwerend in einer Vorgesetzten- und damit Vorbildfunktion, eine Geldbuße in der Höhe von ? 700 verhängt.

In der Stellungnahme der BPK XXXX vom 16.08.2017 zur Disziplinaranzeige den Beschuldigten betreffend wird ausgeführt:

"KI XXXX ist trotz Vorhandensein einer gewissen Grundintelligenz grundsätzlich als ?schwieriger Charakter' zu bezeichnen. Im Rahmen seiner Funktion als dienstführender Beamter gab es in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben und im Umgang mit MitarbeiterInnen wiederholt Grund für Kritik, wenngleich diese nicht in disziplinäre Maßnahmen gemündet haben.

Der Beamte hat bis dato keinen Kontakt zum ho. BPK gesucht, um zu den Vorhalten Stellung zu nehmen. Der ggst. Disziplinaranzeige ist zu entnehmen, dass der Beamte auch trotz mehrfacher Aufforderungen des CI XXXX nicht bereit war, sich der Beschuldigtenvernehmung zu stellen. KI XXXX befindet sich seit 10.07.2017 im Krankenstand und wurde über Anregung des BPK XXXX am 07.08.2017 einer polizeiärztlichen Untersuchung unterzogen. Der Beamte verbleibt bis auf weiteres im Krankenstand. Durch die LPD XXXX wurde eine Dienstzuteilung zum AHZ XXXX verfügt, die KI XXXX jedoch bis dato nicht angetreten hat."

In der Disziplinaranzeige wurde aus dem Personalakt des Beschuldigten folgendermaßen zitiert: "Das bisherige Verhalten des KI XXXX , sowohl im als auch außer Dienst, kann soweit aus ho Sicht eine Beurteilung auch außerhalb des Dienstes möglich ist, durchaus als durchwachsen bezeichnet werden. Obwohl verbale Ausrutscher hin und wieder auf der Tagesordnung standen, ist seine fachliche Kompetenz für seine Funktion aber in keiner Weise anzuzweifeln. Aufgrund schon vieler Gespräche innerhalb der Dienstführung scheint aufgrund der neuerlichen Vorfälle eine unmittelbare Besserungsfähigkeit derzeit außer Reichweite."

Die belangte Behörde gelangte nach Abhaltung der Disziplinarverhandlung in ihrem Bescheid bezüglich des persönlichen Eindrucks des Beschuldigten zum Schluss, dass dieser ein glaubhaft reumütiges Geständnis abgelegt und sichtlich gezeichnet die besondere Verwerflichkeit seines Fehlverhaltens eingesehen und aufgearbeitet habe.

Diesen Eindruck erweckte der Beschuldigte vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht.

Die Vorfälle selbst, die dem Disziplinarverfahren zugrunde liegen, schienen ihn nicht mehr sonderlich zu belasten oder zu berühren. Auch stellte er im Disziplinarverfahren bereits zugegebene Tatsachen im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht anders dar. So gab er entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach er am Privatanwesen des XXXX sechs Getränke und eine Jause unentgeltlich konsumiert habe, vor Gericht an, er habe zu 100 Prozent, wie immer, wenn kein Entgelt verlangt werde, 5 bis 10 Euro hinterlassen. (Abgesehen davon wäre diese Summe für die Konsumation zu gering.) An die genaue Zeit seiner Anwesenheit und die Anzahl der konsumierten Holunderspritzer und Weißweinmischungen konnte er sich hingegen nicht genau erinnern.

Die Aussagen des Beschuldigten in der Verhandlung spiegeln auch nicht sein tatsächliches Verhalten nach bzw im Zuge der Vorfälle wider: Meinte er auf die Frage eines Laienrichters bezüglich der Äußerungen gegenüber der Polizeischülerin im Laufhaus, es hätte ihm schon gleich leidgetan, nachdem er dies gesagt habe, so ließ er erst ein bis zwei Wochen nach dem Vorfall über die Gleichbehandlungsbeauftragte der betroffenen Polizeischülerin seine Entschuldigung ausrichten und es folgte seiner Einsicht zu den getätigten Äußerungen auch nicht, dass er das Verwerfliche seines damaligen Handelns eingesehen und das Laufhaus verlassen oder mit den Verfehlungen aufgehört hätte.

Die Ausführungen des Beschuldigten zum unterlassenen Alkoholtest eines verunfallten Motorradfahrers hinterließen bei Gericht nicht den Eindruck von Reue, sondern eher von Gleichgültigkeit. Er sei alkoholisiert gewesen, ihm sei sowas in 40 Jahren noch nicht passiert, er habe keinen klaren Gedanken fassen können, deswegen habe er diesbezüglich nichts weiter unternommen, abgesehen davon wäre das Krankenhaus eine halbe Stunde entfernt und der Motorradfahrer schon von dort weg gewesen.

Von seinem Rechtsvertreter nach dem Sachverhalt, der dem Disziplinarerkenntnis XXXX zugrunde lag, befragt, gab der Beschuldigte an, er sei unrasiert und ohne Abzeichen zum Dienst erschienen und dabei seien unpassende Worte seinerseits gefallen. Unerwähnt ließ er allerdings den laut Disziplinarerkenntnis ungerechtfertigt langen Aufenthalt in einer Buschenschenke samt Alkoholkonsums im Dienst und dem Wissen ein Dienst-Kfz lenken zu müssen. Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass der Beschuldigte auf Befragen seines Rechtsvertreters sehr wohl wusste, dass es 2005 einen ihn betreffenden Einleitungsbeschluss mit 18 Tatbeständen, wovon 16 Tatbestände eingestellt worden seien, gegeben habe.

Der Beschuldigte meinte in der Verhandlung auf Befragen seines Rechtsvertreters, seit wann ihm bewusst sei, dass er ein Alkoholproblem habe, dies sei nach den gegenständlichen Vorfällen gewesen. An anderer Stelle meinte er hingegen, der Auslöser für seine Alkoholabhängigkeit sei seine Scheidung 2009 gewesen. Er habe schon vor den Vorfällen 2017 immer wieder versucht nichts zu trinken, dies sei ihm 2 bis 3 Monate lang gelungen, danach habe er wieder angefangen Alkohol zu trinken. Somit musste dem Beschuldigten aber schon vor 2017 bewusst gewesen sein, dass er ein Alkoholproblem hat.

Vom Richter befragt, ob es richtig sei, dass er vor der Disziplinarkommission angegeben habe, er habe nichts aus seinen vorherigen Alkoholproblemen gelernt, gab der Beschuldigte an, das wisse er nicht. Aus den Vorfällen von 2017 habe er aber gelernt.

Die Angaben des Beschuldigten, dass er seit den Vorfällen 2017 keinen Alkohol mehr getrunken habe und er nach Absolvierung der stationären Therapie noch eine Gesprächstherapie absolviere und seine Blutwerte kontrollieren lasse, hinterließen in der Verhandlung jedoch einen glaubwürdigen Eindruck.

Zusammenfassend ist zum persönlichen Eindruck des Beschuldigten vor den erkennenden Richtern des Bundesverwaltungsgerichts festzuhalten:

Der Beschuldigte wirkte weder reumütig noch zerknirscht, sondern vermittelte eher den Eindruck der Gleichgültigkeit, er war eher wortkarg und gab nur die Tatsachen zu, die bereits festgestellt worden waren. Bei darüber hinausgehenden Fragen traten Erinnerungslücken auf. Er meinte auch eingangs der Verhandlung eine zweite Chance verdient und dafür alles getan zu haben.

Der Beschuldigte ist seit den gegenständlichen Vorfällen im Juli 2017 abstinent. Die von ihm im Anschluss daran absolvierte Alkoholentziehungskur ist abgeschlossen, der Beschuldigte absolviert seitdem eine Gesprächstherapie. Der Beschuldigte trank laut seinen eigenen Angaben seit seiner Bundesheerzeit vermehrt Alkohol. 1987 war er nach einem Verkehrsunfall 3 Monate lang abstinent. Seit seiner Scheidung 2009 hat der Beschuldigte laut seinen Angaben Alkoholprobleme, er trank gelegentlich auch im Dienst Alkohol. Gemäß seinen Angaben versuchte er bereits in der Vergangenheit seine Alkoholprobleme ohne medizinische Hilfe zu lösen, indem er 2 bis 3 Monate abstinent lebte. Nach diesen Phasen ohne Alkohol wurde er jedoch regelmäßig rückfällig.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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