TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/1 LVwG-2020/32/1081-9

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.09.2020

Index

L82007 Bauordnung Tirol
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Tir 2018 §33 Abs4
BauO Tir 2018 §33 Abs3 lita
AVG §41

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von 1) AA, 2) BB und 3) CC, alle vertreten durch RA DD, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Y von 05.05.2020,
Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018 nach der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit der Eingabe vom 16.09.2019 hat Herr EE (Bauwerber) einen Zu- und Umbau beim bestehenden Wohn- und Bürohaus zur Schaffung einer zusätzlichen Wohnung (Top 4) auf dem Grundstück **1 KG Y (Adresse 2) beantragt.

Am 04.11.2019 wurde eine mündliche Bauverhandlung an Ort und Stelle durchgeführt. Der Kundmachung vom 24.10.2019 zu dieser Bauverhandlung ist als Gegenstand der Verhandlung das Ansuchen vom 16.09.2019 zu entnehmen.

An dieser Bauverhandlung haben unter anderem die drei nunmehrigen Beschwerdeführer und der Bausachverständige teilgenommen. Im Zuge dieser Verhandlung haben Nachbarn Einwendungen gegen das Bauvorhaben vorgebracht, die nicht protokolliert wurden.

Im Anschluss daran hat der Bauwerber erklärt, das Bauvorhaben abzuändern und dies in drei Punkten konkretisiert.

Die drei nunmehrigen Beschwerdeführer haben den Kompromissvorschlag zugestimmt.

Der Bausachverständige führte aus, dass aufgrund des Kompromissvorschlages geänderte Planunterlagen erforderlich sind. Diese seien zu prüfen und danach das Parteiengehör durchzuführen.

Mit der Eingabe vom 18.11.2019 haben sich die rechtsfreundlich vertretenen nunmehrigen Beschwerdeführer gegen das Bauvorhaben ausgesprochen und die Abweisung des Bauansuchens beantragt.

Mit der Eingabe vom 28.11.2019 und 03.12.2019 hat der Bauwerber geänderte Planunterlagen im Hinblick auf den Kompromissvorschlag eingebracht, die dem hochbautechnischen Sachverständigen zur Stellungnahme vorgelegt wurden.

Am 14.01.2020 teilte der Bauwerber mit, dass er die gemäß dem Kompromissvorschlag geänderten Pläne zurückzieht.

Mit der Eingabe vom 15.01.2020 erfolgte eine ergänzende Stellungnahme der rechtsfreundlich vertretenen nunmehrigen Beschwerdeführer.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.05.2020 wurde auf Basis der ursprünglich eingereichten Pläne - sohin unter Außerachtlassung des Kompromissvorschlages - die nachgesuchte Baubewilligung unter der Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.

Gegen diesen Bescheid haben drei rechtfreundlich vertretene Nachbarn rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsrecht Tirol erhoben und darin wie folgt ausgeführt:

„In umseitiger Verwaltungssache erheben die Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Y vom 05.05.2020 zu AZ *** zugestellt am 07.05.2020, binnen offener Frist

BESCHWERDE

an das Landesverwaltungsgericht des Landes Tirol, bekämpfen den genannten Bescheid in seinem vollen Umfang und führen das Rechtsmittel aus wie folgt:

a) Sachverhaltsdarstellung

Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Y zu AZ *** wurde die Baubewilligung hinsichtlich eines Zu- und Umbaus des Wohn- und Bürohauses mit der Adresse Adresse 2 auf Gst. **1 EZ *** KG Y zur Schaffung einer zusätzlichen Wohnung (Top 4), erteilt. Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um Nachbarn i.S. des § 33 TBO, wobei auf Grund der am Bauplatz vorherrschenden Gegebenheiten sich die Grundstücke der Beschwerdeführer im 5 Meter Abstand befinden (siehe beiliegendes Lichtbild). Die Bauverhandlung fand am 04.11.2019 statt an der als Nachbarn, welche auch Einwendungen, welche im Protokoll der Verhandlung nicht protokolliert wurden, gegen das ursprünglich eingebrachte Bauvorhaben erhoben haben, mit Ausnahme von FF, nur die Beschwerdeführer weiter teilnahmen.

b) Beschwerdegründe

• Mangelhaftigkeit:

1. Einwendungen/Protokoll

In der Bau Verhandlung am 04.11.2019 wurden von den Beschwerdeführern gegen das bewilligte Bauvorhaben von mehreren Nachbarn Einwendungen erhoben. Es geht aus dem Protokoll eindeutig hervor, wonach es sich bei den Nachbarn, welche zwar nicht namentlich genannt sind, um zumindest einen der Beschwerdeführer handelt, da nur diese und FF Einwendungen erhoben haben, alle anderen Nachbaren, welche an der Bauverhandlung teilgenommen haben/haben ihre Zustimmung erteilt und sind noch vor Ende der Verhandlung wieder gegangen. Die Behörde hat es unterlassen die erhobenen Einwendungen und wer welche Einwendung erhoben hat zu protokollieren, weshalb eine gesetzmäßige Absprache über die Einwendungen nicht möglich war und ist. Weiters ist sohin eine Prüfung, des zu den erhobenen Einwendungen im Bescheid Angeführtem dahingehend unmöglich, ob es sich bei den Einwendungen tatsächlich ausschließlich um Änderungswünsche der Nachbarn/Beschwerdeführer hinsichtlich des Bauvorhaben gehandelt hat, oder ob nicht doch Nachbarrechte i.S. der TBO geltend gemacht wurden, dies auch vor dem Hintergrund, wonach die Bauverhandlung ein halbes Jahr vor Bescheiderlassung stattgefunden hat. Weiters wären, falls es sich bei den Einwendungen um privatrechtliche Einwendungen gehandelt hat, diese zwingend nach § 33 Abs. 8 TBO in der Baubewilligung ausdrücklich anzuführen gewesen, sohin liegt in der Unterlassung der Aufnahme eine Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift begründet. Entsprechend liegt in der Unterlassung der Protokollierung der Einwendungen ein Verfahrensmangel bzw. eine Mangelhaftigkeit des Bescheides an sich vor, welcher im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens aufzugreifen ist.

2. Bauverhandlung

In der Bauverhandlung wurde auf Grund der zu Beginn der Verhandlung von den Beschwerdeführern mündlich eingebrachten Einwendungen vom Bauwerber ein Kompromissvorschlag unterbreitet, welcher derart große Änderungen am Bauvorhaben beinhaltet hat, sodass ein erneutes Parteiengehöhr nach Vorlage der geänderten Pläne durchzufuhren ist. In weiterer Folge wurde, wie aus dem Protokoll ersichtlich, nur über den Kompromissvorschlag weiterverhandelt. Eine Verhandlung über das abgesprochene, ursprüngliche Bauvorhaben geht aus dem Protokoll nicht hervor. Entsprechend wäre nach Zurückziehung des Kompromissvorschlages durch den Bauherrn eine weitere Bauverhandlung anzuberaumen gewesen. Entsprechend liegt auch hier ein Verfahrensmangel vor.

• Unrichtige rechtliche Beurteilung

Die Behörde wies im angefochtenen Bescheid die Einwendungen der Beschwerdeführer vom 18.11.2019 (ergänzende Stellungnahme vom 15.01.2020) als verspätet zurück. Diese Rechtsansicht ist aus nachfolgenden Erwägungen unrichtig:

Zum einen wurde in der Bauverhandlung ausdrücklich angeführt, wonach nach der Bauverhandlung ein weiteres Parteiengehör zu erfolgen hat, zum anderen hat bis dato keine ordnungsgemäße Bauverhandlung über das abgesprochene Bauvorhaben stattgefunden. Wie oben ausgefühlt wurde in der Bauverhandlung über den Kompromissvorschlag verhandelt. Dementsprechend ist mangels Durchführung einer Verhandlung für dieses Bauprojekt der Eintritt der Präklusion gem. § 42 AVG nicht erfolgt, bzw. ist ggf. davon auszugehen, dass mangels ordnungsgemäßer Protokollierung der Einwendungen in der Bauverhandlung die Einwendungen rechtzeitig erfolgt sind, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese bereits in der Bauverhandlung vorgebracht worden sind. Entsprechend dem wären über die Einwendung im Zweifel abzusprechen gewesen und erfolgte die Zurückweisung sohin rechtswidrig.

- Konkret wurde an Einwendungen vorgebracht:

Nach Wissensstand der Beschwerdeführer bestehen auch auf der rechten Seite der Adresse 3 verbindlichen Baunormen, insbesondere existieren dort auch Baufluchtlinien, welcher Umstand im Zuge der Bauverhandlung vom Verhandlungsleiter Verschwiegen wurde. So wurde einem Bauwerber auf dieser Straßenseite im Zuge des Neubaus die Errichtung des Gebäudes entsprechend den vorgegebenen Baufluchtlinien aufgetragen. Demgemäß ist davon auszugehen, wonach auch für das gegenständliche Grundstück Baufluchtlinien bestehen und daher die rechtliche Verpflichtung zur Einhaltung derselbigen besteht.

Durch die Nichteinhaltung der Baufluchtlinien tritt bei jedem der Beschwerdeführer eigenständig ein Verlust von schutzwürdiger Interessen ein, da durch die Genehmigung bei jedem ein massiver Verlust von Licht und Sonneneinstrahlung beim jeweiligen Gebäude verbunden ist und dieser Lichtverlust einen öffentlich-rechtlichen zu schützenden Aspekt begründet, der einen Verstoß gegen die im Baubewilligungsverfahren zu beachtenden Gesetze und Interessen darstellt. Zudem ist die durch Nichtbeachtung der Baufluchtlinie möglicher Situierung mit weiteren Nachteilen zu Lasten der Beschwerdeführer verbunden. Das zu nahe an die Grundparzellen der Beschwerdeführer hin errichtete Bauwerk begründet einen verstärkten Lärmeinfall, der bei gesetzmäßiger Einhaltung des Abstandes zur Straße hin in dieser Form nicht vorliegen würde.

Durch Nichtbeachtung der Baufluchtlinien wird gegen öffentlich-rechtliche Vorgaben verstoßen, auf die der Grundnachbar hinweisen kann und zu deren Erhebung er berechtigt ist (siehe Entscheidung VwGH vom 17.4.2012, 2009/05/0054).

Aufgrund obiger Ausführungen ergibt sich daher klar, dass bei Bewilligung des Bauvorhabens eine unzulässige Immissionsentwicklung auf die Grundstücke der Beschwerdeführer einwirkt, die im Hinblick auf ihren öffentlich-rechtlichen Charakter eine Entscheidungspflicht der Baubehörde begründet, dies zu unterlassen. Dasselbe gilt für den berechtigten Einwand der Unzulässigkeit der Bauführung an der Grundgrenze wegen Nichtbeachtung der Baufluchtlinien.

Durch die Nichteinhaltung des gesetzlichen Abstandes wurde außerdem (bereits im Jahr 2003) die Kreuzung zur Liegenschaft der Familie GG zu einer unübersichtlichen und damit gefährlichen Kreuzung. Der Sinn der Baufluchtlinie ist darin gelegen, die öffentliche Sicherheit zu wahren. Aus Sicht der Beschwerdeführer wurde 2003 in der Wohnstraße somit eine Gefahr für die Öffentlichkeit begründet. Da die Straße eine Wohnstraße ist, wäre bereits damals vom zuständigen Verhandlungsleiter ein Sicherheitsabstand und sohin ein größerer Abstand einzufordern gewesen.

Im Übrigen ist entsprechend der Bestimmung des § 5 Abs. 4 der TBO 2018, bei Fehlen eines Bebauungsplanes so vorzugehen, dass durch die bauliche Anlage weder das Ortsbild und Straßenbild, noch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden darf und müssen z.B. 5 Meter Abstand zur Straße eingehalten werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist sachverständig zu beurteilen. Wenn das angrenzende Grundstück eine Gemeindestraße ist, ist mit Bebauungsplan § 5 Abs. 1 TBO 2018, ohne Bebauungsplan § 5 j Abs. 4 TBO 2018 anzuwenden. Der Bürgermeister hat hinsichtlich einer Baufluchtlinie auch keinen Spielraum, zumal dies nicht in die Zuständigkeit der Baubehörde (Bürgermeister) fällt, Baufluchtlinien ausschließlich in einem Bebauungsplan festzulegen sind und ein Bebauungsplan Verordnungscharakter hat, für dessen Erlassung der jeweilige Gemeinderat zuständig ist. Dasselbe gilt, wenn in einem Bebauungsplan eine Bauhöhe festgelegt wurde. In Bezug auf die Bauhöhe kommt erschwerend hinzu, dass im Zuge des ersten Bauansuchens im Jahr 2003 der Antragsteller seinen Nachbarn gegenüber rechtsverbindlich erklärte, lediglich ein einstöckiges Bürogebäude zu errichten, welches in Hinkunft nicht mehr aufgestockt wird. Die Situierung in unmittelbarer Straßennähe und damit die Nichteinhaltung der Baufluchtlinien! wurden im Jahr 2003 damit gerechtfertigt, indem eine Gartenmauer als Altbestand tituliert und festgelegt wurde.

Selbst in dem Fall, wenn kein Bebauungsplan verordnet sein sollte, verstößt die geplante Bauhöhe den Vorgaben nach § 7 TBO 2018 bzw. den einzuhaltenden Mindestabständen. Auch mit den Vorgaben gem. § 31 Abs 6 Tiroler Raumordnungsgesetz ist das Bauvorhaben in keinem Fall vereinbar, sollte dazu Bebauungsregeln im örtlichen Raumordnungskonzept der Gemeinde verankert sein. Unabhängig von bestehenden Nachbarrechten besteht auf Seiten der Baubehörde die rechtliche Verpflichtung der Einhaltung sämtlicher baurechtlicher Vorschriften.

Auch die Gebäudehöhe entspricht nicht den Ortsbildvorgaben. Wenn, wie vom Verhandlungsleiter ausgeführt, keine Bebauungspläne oder Teilbebauungspläne hinsichtlich des gegenständlichen Projektes existieren, ist bei der Ermittlung der zulässigen Gebäudehöhe der Anrainerschutz primär zu beachten. Jedem Nachbarn kommt daher das subjektive öffentliche Recht zu, die Einhaltung der Gebäudehöhe in der Weise zu verlangen, dass durch das Bauvorhaben das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird und das Gebäude sich derart in das Ortsbild einfügt, dass sein Nachbargrundstück in keinster Weise beeinträchtig wird.“

Es wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge derer zwei Beschwerdeführer sowie drei Zeugen einvernommen wurden. Der hochbautechnische Amtssachverständigen erstattete eine Stellungnahme.

II.      Sachverhalt:

Die mündliche Verhandlung wurde mit der Bekanntmachung vom 24.10.2019 für den 04.11.2019 und 15:45 Uhr am Bauplatz anberaumt. Diese Bekanntmachung enthält Hinweise nach § 42 Abs 1 und Abs 3 AVG. Weiters ist darin als Gegenstand der Verhandlung das Bauansuchen des Antragstellers vom 16.09.2019 angeführt und näher beschrieben. Es soll eine Wohneinheit geschaffen werden.

Die Bekanntmachung ist den drei Beschwerdeführern per Post zugegangen.

Weiters erfolgte eine Bekanntmachung der Bauverhandlung auf der Amtstafel und der Homepage der Gemeinde Y. Eine Kundmachung im Sinn des § 42 Abs 1a AVG ist dauerhaft an der Amtstafel angebracht.

Die Beschwerdeführer haben an der Verhandlung am 04.11.2019 teilgenommen und keinen Vertagungsantrag gestellt.

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich nicht um Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen.

Der Antragsteller hat während der mündlichen Verhandlung das Projekt in 3 Punkten abgeändert.

Die Antragsänderung wurde vom Bauwerber vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides wieder zurückgenommen.

Der Bauplatz weist die Widmung „gemischtes Wohngebiet“ auf.

Ein Bebauungsplan für den Bauplatz existiert nicht.

III.     Beweiswürdigung:

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen lassen sich unzweifelhaft aufgrund der zitierten Schriftstücke, die dem behördlichen und dem verwaltungsgerichtlichen Akt einliegen, treffen.

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf die Verhandlungsschrift vom 04.11.2019.

Die Nachreichung von Planunterlagen, die im Zusammenhang mit der im Rahmen der mündlichen Bauverhandlung Antragsänderung nachgingen sowie die Zurücknahme dieser Antragsänderung können dem angefochtenen Bescheid entnommen werden und sind im Übrigen auch nicht strittig.

Dem behördlichen Bauakt liegt der Lageplan JJ vom 16.09.2019 ein.

Die Grundstücke der drei Beschwerdeführer liegen jenseits (südlich-östlich) des Grundstückes **2 KG Y (öffentliches Gut): **3 – BB; **4 – CC; **5– AA. Der Bauplatz **1 grenzt an der anderen Straßenseite an das öffentliche Gut an.

Dem Lageplan sind ua die 5 m- Linie im Sinn des § 33 Abs 3 TBO 2018 und die 15m-Linie im Sinn des § 33 Abs 2 lit a TBO 2018 zu entnehmen. Anhand dieses Lageplanes und ergibt sich unzweifelhaft, dass die Grundstücke der hier einschreitenden Beschwerdeführer außerhalb der 5 m-Linie liegen und sie daher Nachbarn im Sinn des § 33 Abs 4 TBO 2018 sind.

Auch die von den rechtfreundlich vertretenen Beschwerdeführern zusammen mit der Eingabe vom 03.08.2018 und vom Beschwerdeführer BB mit der Eingabe vom 07.08.2020 nach dem Schluss des verwaltungsgerichtlichen Beweisverfahrens eingebrachten Unterlagen, insbesondere der Bestandsplanes der KK GmbH vom 03.08.2020 und auch der Lageplan zum Beschluss des Bezirksgerichtes Z vom 01.12.1982 ergeben kein anderes Bild. Der Lageplan vom 03.08.2020 weist an einzelnen Kotierungen eindeutig aus, dass der Abstand zwischen den Nachbargrundstücken und Bauplatz mehr als 5 m beträgt. Der Lageplan zum Beschluss des Bezirksgerichtes Z vom 01.12.1982 stimmt im Hinblick auf die Grundgrenzen augenscheinlich mit dem im gegenständlichen Bauverfahren eingereichten Lageplan überein.

Sowohl die Vermessungspläne JJ als auch jener von der KK GmbH weisen aus, dass sie von staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen stammen.

Bei diesen Vermessungsplänen handelt es sich sohin um öffentliche Urkunden im Sinn des § 292 ZPO (vgl 4 Abs 3 ZTG), die die widerlegbare Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich haben (vgl § 292 Abs 2 ZPO).

Insofern kommt diesen Vermessungsplänen im Hinblick auf den darin ersichtlichen Grundstücksverlauf des Bauplatzes und der Nachbargrundstücke eine hohe Beweiskraft zu. Dies zu widerlegen, ist den Beschwerdeführern nicht gelungen.

Wenn vorgebracht wird, dass der Antragsteller einen Teil des öffentlichen Gutes (**2 KG Y) ersessen und sich so der Abstand zu den Nachbargrundstücken auf unter 5 m verringert habe, so ist festzuhalten, dass bereits nach der Stammfassung des § 4 Abs 5 Tiroler Straßengesetz 1989, LGBl Nr 13/1989, an öffentlichen Straßen das Eigentum und andere dingliche Rechte nicht ersessen werden können. Diese Bestimmung besteht nach wie vor.

Im Übrigen wurde vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsrecht Tirol ausdrücklich eingeräumt, dass sich die Grundstücke der Beschwerdeführer nicht innerhalb des 5-m-Bereiches im Sinn des § 33 Abs 3 TBO 2018 befinden.

Ein Entfall der Fortsetzung der Verhandlung nach § 24 Abs 4 VwGVG kommt nur dann nicht in Betracht, wenn Art 6 MRK und Art 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn es um „civil rights“ oder „strafrechtliche Anklagen“ iSd Art 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl VwGH 23.1.2013, 2010/15/0196).

Es wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol durchgeführt. Am Ende der Verhandlung wurde das Beweisverfahren geschlossen. Aufgrund der Eingaben von Nachbarn wurde mit dem Bauwerber und der belangten Behörde noch einmal das Parteiengehör durchgeführt. Im Ergebnis wurden jedoch keinerlei Sachverhaltsänderungen vorgebracht. Gegenteilig wurden Vermessungsurkunden vorgelegt, die den Sachverhalt, wie er im Zuge der mündlichen Verhandlung bereits erörtert wurde, untermauert haben. Auf die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung konnte daher verzichtet werden.

IV.      Rechtslage:

Allgemeines Verwaltung Verfahrensgesetz 1991 – AVG:

BGBl Nr 51/1991 idF BGBl Nr 57/2018:

„§ 41

(1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies an der Amtstafel der Gemeinde, durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder durch Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde kundzumachen.

(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Sie kann unter Hinweis auf die gemäß § 39 Abs. 4 eintretenden Folgen die Aufforderung an die Parteien enthalten, binnen einer angemessenen, vier Wochen möglichst nicht übersteigenden Frist alle ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekanntzugeben.

BGBl Nr 51/1991 idF BGBl Nr 33/2013:

§ 42

(1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.

(1a) Die Kundmachung im Internet unter der Adresse der Behörde gilt als geeignet, wenn sich aus einer dauerhaften Kundmachung an der Amtstafel der Behörde ergibt, dass solche Kundmachungen im Internet erfolgen können und unter welcher Adresse sie erfolgen. Sonstige Formen der Kundmachung sind geeignet, wenn sie sicherstellen, dass ein Beteiligter von der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

(3) Eine Person, die glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und die kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, kann binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen erheben. Solche Einwendungen gelten als rechtzeitig erhoben und sind von jener Behörde zu berücksichtigen, bei der das Verfahren anhängig ist.

(4) Versäumt derjenige, über dessen Antrag das Verfahren eingeleitet wurde, die Verhandlung, so kann sie entweder in seiner Abwesenheit durchgeführt oder auf seine Kosten auf einen anderen Termin verlegt werden.“

Tiroler Bauordnung 2018 - TBO 2018:

LGBl Nr 28/2018 idF LGBl Nr 109/2019:

„§ 33 Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

      a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

      b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

      a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

      b) der Bestimmungen über den Brandschutz,

      c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

      d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31b Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

      e) der Abstandsbestimmungen des § 6,

      f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

(5) Nachbarn nach Abs. 2, die Eigentümer eines bereits bebauten, betrieblich genutzten Grundstückes sind, sind weiters berechtigt, die Zulässigkeit jener Immissionen geltend zu machen, die von diesem Grundstück aus rechtmäßig auf den Bauplatz einwirken. Abs. 2 zweiter Satz ist anzuwenden.

(6) Nachbarn sind überdies die Inhaber von Seveso-Betrieben. Sie sind, auch wenn sie nicht Nachbarn nach Abs. 2 sind, berechtigt, bei Bauvorhaben im Gefährdungsbereich solcher Betriebe das Risiko eines schweren Unfalles oder, soweit ein solches Risiko bereits besteht, dessen Vergrößerung oder die Verschlimmerung der Folgen eines solchen Unfalles geltend zu machen.

(7) Der Straßenverwalter ist, soweit dadurch die Schutzinteressen der Straße betroffen sind, berechtigt,

      a) das Fehlen einer dem vorgesehenen Verwendungszweck der betreffenden baulichen Anlagen entsprechenden, rechtlich gesicherten Verbindung des Bauplatzes mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nach § 3 Abs. 1 und

      b) die Nichteinhaltung der Abstandsbestimmungen des § 5, soweit dadurch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden,

geltend zu machen.

(8) Werden in der Bauverhandlung privatrechtliche Einwendungen erhoben, so hat die Behörde möglichst auf eine Einigung hinzuwirken. Kommt eine Einigung zustande, so ist diese in der Verhandlungsschrift zu beurkunden. Kommt eine Einigung nicht zustande, so ist die Partei mit ihren Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Diese Einwendungen sind in der Baubewilligung ausdrücklich anzuführen.

(9) Mit dem Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Anzeige über die Bauvollendung (§ 44 Abs. 1) erlangt die Baubewilligung auch gegenüber Parteien Rechtskraft, denen die Baubewilligung nicht zugestellt worden ist und die ihre Parteistellung bis dahin bei der Behörde nicht geltend gemacht haben.“

Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 – TROG 2016:

LGBl Nr 101/2016 idF LGBl Nr 110/2019:

„§ 38Wohngebiet

(1) Im Wohngebiet dürfen errichtet werden:

      a) Wohngebäude einschließlich der hierfür vorgesehenen Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge samt den dazugehörigen Rampen und Zufahrten, wenn deren Anzahl 10 v.H. der nach § 8 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung 2018 erforderlichen Abstellmöglichkeiten nicht übersteigt,

      b) Gebäude, die der Unterbringung von nach § 13 Abs. 1 lit. c zulässigen Ferienwohnungen oder der Privatzimmervermietung dienen,

      c) Gebäude, die neben Wohnzwecken im untergeordneten Ausmaß auch der Unterbringung von Büros, Kanzleien, Ordinationen und dergleichen dienen,

      d) Gebäude für Betriebe und Einrichtungen, die der Versorgung der Bevölkerung des betreffenden Wohngebietes mit Gütern des täglichen Bedarfs oder der Befriedigung ihrer sozialen und kulturellen Bedürfnisse dienen und die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität in diesem Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.

(2) Im Wohngebiet können Grundflächen als gemischtes Wohngebiet gewidmet werden. Im gemischten Wohngebiet dürfen neben den im Abs. 1 genannten Gebäuden auch öffentliche Gebäude, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, Gebäude für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit höchstens 40 Betten und Gebäude für sonstige Kleinbetriebe errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.

(3) Bestehen auf Grundflächen, die als Wohngebiet oder gemischtes Wohngebiet gewidmet sind, rechtmäßig bereits Gebäude für andere als die im Wohngebiet bzw. im gemischten Wohngebiet zulässigen Betriebe oder Einrichtungen, so dürfen darauf auch Gebäude für diese Betriebe oder Einrichtungen errichtet werden, wenn dadurch

      a) gegenüber dem Baubestand im Zeitpunkt der Widmung als Wohngebiet bzw. gemischtes Wohngebiet die Baumasse mit Ausnahme jener von Nebengebäuden um insgesamt nicht mehr als 20 v. H., höchstens jedoch um 400 m³, vergrößert wird und die betriebliche oder sonstige Tätigkeit gegenüber diesem Zeitpunkt höchstens geringfügig erweitert wird und

      b) die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich oder, sofern vom betreffenden Betrieb bzw. von der betreffenden Einrichtung solche Beeinträchtigungen bereits ausgehen, nicht mehr als bisher beeinträchtigt wird.

Unter denselben Voraussetzungen kann auch eine Änderung der Betriebsart bzw. des Verwendungszweckes erfolgen.

(4) Im Wohngebiet und im gemischten Wohngebiet dürfen unter den gleichen Voraussetzungen wie für Gebäude auch Nebengebäude und Nebenanlagen errichtet werden. Jedenfalls zulässig ist die Anbringung von Photovoltaikanlagen, sofern sie in Dach- oder Wandflächen integriert sind oder der Parallelabstand zur Dach- bzw. Wandhaut an keinem Punkt 30 cm übersteigt. Weiters dürfen sonstige Bauvorhaben, die einem im jeweiligen Gebiet zulässigen Verwendungszweck dienen und die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen, ausgeführt werden.

(5) Die Wohnqualität gilt in Bezug auf Lärm durch ein Bauvorhaben jedenfalls dann nicht als wesentlich beeinträchtigt, wenn der nach dem Stand der Technik ermittelte Beurteilungspegel an den jeweiligen Grundstücksgrenzen in den Zeitabschnitten Tag, Abend und Nacht

      a) die nach § 37 Abs. 4 entsprechend der Widmung maßgebenden dB-Werte nicht übersteigt oder

      b) unter Zugrundelegung der örtlichen Gegebenheiten um nicht mehr als 1 dB angehoben wird.“

Im Übrigen wird auf die Internetseite des Bundeskanzleramtes ris.bka.gv.at verwiesen.

V.       Erwägungen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt.

Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in denen die Nachbarn solche Rechte im Verfahren auch durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht haben (vgl VwGH 01.04.2008, 2007/06/0304; VwGH 31.01.2008, 2007/06/0152; uva).

Der Nachbar ist daher in seinem Vorbringen grundsätzlich auf die Geltendmachung der Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten beschränkt.

Im baubehördlichen Verfahren kann der Nachbar daher nicht die Verletzung von gesetzlichen Bestimmungen aufwerfen, die nur dem öffentlichen Interesse dienen, da es ihm verwehrt ist, inhaltlich über den Themenkreis hinauszugehen, in dem er zur Mitwirkung berechtigt war.

Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, und deren Grenzen zudem zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung der in § 33 Abs 3 lit a bis f TBO 2018 normierten bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

Die übrigen Nachbarn sind nach § 33 Abs 4 TBO 2018 berechtigt, die Nichteinhaltung der in § 33 Abs 3 lit a und b TBO 2018 genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen

Wie auf Sachverhaltsebene festgestellt, sind die Beschwerdeführern als Nachbarn im Sinn des § 33 Abs 4 TBO 2018 zu qualifizieren.

Werden nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Nachbareinwendung iSd § 26 Abs 3 lit a bis f TBO 2011 (nunmehr § 33 Abs 3 lit a bis f TBO 2018) erhoben, verliert der Nachbar gemäß § 42 AVG seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren (vgl VwGH 31.03.2008, 2007/05/0021, ua), wenn dieser von der mündlichen Verhandlung rechtzeitig persönlich im Sinn des § 41 AVG verständigt wurde, was gegenständlich auch erfolgt ist. Im Übrigen wurde die Bekanntmachung zur Bauverhandlung an der Amtstafel der Gemeinde und deren Internetseite bekannt gemacht, weshalb eine qualifizierte Kundmachung im Sinn des § 41 Abs 1 zweiter Satz AVG vorliegt.

Soweit vorgebracht wird, dass keine ausreichende Vorbereitungszeit bestanden habe, da die Bauverhandlung zu kurzfristig anberaumt worden sei, ist wie folgt auszuführen:

Die Beschwerdeführer waren bei der mündlichen Verhandlung anwesend und haben keinen Vertagungsantrag gestellt, dh einen Verfahrensfehler nicht geltend gemacht. Dieser gilt daher als geheilt (vgl VwGH 18.12.1997, 97/06/0164)

Gegenständlich ist jedoch der Verhandlungsverlauf von wesentlicher Bedeutung. Aufgrund von Nachbareinwendungen, so ergibt es sich aus der Verhandlungsschrift, hat der Bauwerber in der mündlichen Verhandlung den Verfahrensgegenstand konkret in 3 Punkten abgeändert.

Insofern war am Ende der von der belangten Behörde durchgeführten Bauverhandlung Gegenstand der Bauverhandlung nicht mehr jenes Bauvorhaben, welches in der Bekanntmachung genannt wurde.

Nachdem Nachbarn die Parteistellung mit Schluss der mündlichen Verhandlung verlieren, das Ansuchen jedoch bereits vorher geändert wurde, konnten die anwesenden Nachbarn ihre Parteistellung im Hinblick auf ursprüngliche eingereichte Bauvorhaben nicht verlieren.

Auch sind die Einwendungen der Nachbarn betreffend das ursprünglich eingereichte Bauvorhaben im Verhandlungsprotokoll nicht festgehalten. Dies erfolgte ganz offensichtlich deshalb nicht, da der Verhandlungsleiter infolge des geänderten Bauvorhabens nicht weiter von der Notwendigkeit ausgegangen ist, Einwendungen zum ursprünglich vorgestellten Projekt zu protokollieren, nachdem die Nachbarn dem Kompromissvorschlag zugestimmt haben.

Da der Bauwerber seine Änderungen nach der Bauverhandlung wieder zurückgenommen hat, liegt ein Verlust der Parteistellung der anwesenden Nachbarn im Hinblick auf das letztlich wieder größer dimensionierte Bauvorhaben nicht vor.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Beschwerdeführer die Nichteinhaltung der in § 33 Abs 3 lit a und b TBO 2018 genannten Vorschriften weiterhin geltend zu machen konnten, soweit diese auch ihrem Schutz dienen

Der Beschwerde (und den nachfolgenden Eingaben) kann nicht entnommen werden, dass Bestimmungen über den Brandschutz vorgebracht werden (vgl § 33 Abs 3 lit b TBO 2018).

Soweit Immissionsschutz (vgl § 33 Abs 3 lit a TBO 2018) eingewendet wird, ist wie folgt auszuführen:

Das gegenständliche Bauvorhaben umfasst die Errichtung einer Wohneinheit. Gemäß § 38 Abs 2 TROG 2016 dürfen im gemischten Wohngebiet Wohnungen samt Stellplätze im Umfang der Pflichtabstellplätze + 10 % errichtet werden (vgl § 38 Abs 1 lit a TROG 2016), ohne dass ein Immissionsschutz besteht.

So führte auch der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen zur Tiroler Bauordnung aus, dass Wohnbauten im "Wohngebiet" keinesfalls als Quelle der Belästigung verstanden werden dürfen. Die von einem Wohnhaus im "Wohngebiet" typischerweise ausgehenden Immissionen sind von den Nachbarn hinzunehmen (vgl VwGH 12.04.1984, 83/06/0246; VwGH 09.06.1994, 92/06/0246; VwGH 20.10.1994, 93/06/0173).

Nichts Anderes kann für Wohnbauten im gemischten Wohngebiet gelten, nachdem im gemischten Wohngebiet grundsätzlich Bauvorhaben zulässig sind, die im reinen Wohngebiet gar nicht errichtet werden dürfen (vgl § 38 Abs 2 TROG 2016).

Allenfalls im Zusammenhang mit der Errichtung von Pflichtabstellplätzen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei besonderen Umständen eine dahingehende Beurteilung erforderlich (vgl VwGH 2014/06/0044 ua).

Im gegenständlichen Baubescheid ist festgehalten, dass für das Bauvorhaben zwei Stellplätze nachzuweisen sind (Pflichtabstellplätze).

Diese werden jedoch nicht errichtet, sondern bestehen bereits. Dies wurde von der belangten Behörde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol bestätigt, nachdem auch dem Bauvorhaben an sich die Errichtung von Stellplätzen nicht entnommen werden kann.

Im Ergebnis bleibt das Vorbringen der Beschwerdeführer mit Blickrichtung auf § 33 Abs 3 lit a TBO 2018 sohin unbegründet.

Das übrige Beschwerdevorbringen ist von den Parteirechten der Beschwerdeführer im Sinn des § 33 Abs 3 lit a (Immissionsschutz) und b (Brandschutz) iVm § 33 Abs 4 TBO 2018 nicht umfasst, weshalb verwaltungsgerichtlich darauf auch nicht einzugehen war. Dieses Vorbringen ist unzulässig. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen der mangelnden Verkehrssicherheit, des Einflusses auf das Orts- und Straßenbild und der Bauhöhe. Nachdem ein Bebauungsplan nicht vorliegt, können Bau- oder Straßenfluchtlinien (vgl § 56 TROG 2016) ohnehin nicht existieren. Auch das Nichtvorliegen eines Bebauungsplanes kann von Parteien im Sinn des § 33 Abs 4 TBO 2018 nicht zulässig vorgebracht werden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Ing. Mag. Peinstingl

(Richter)

Schlagworte

Präklusion

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.32.1081.9

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten