TE Bvwg Beschluss 2019/8/1 I411 2125065-3

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Veröffentlicht am 01.08.2019
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Entscheidungsdatum

01.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §71 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §29 Abs2a
VwGVG §29 Abs4
VwGVG §29 Abs5
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs2
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §33 Abs4
VwGVG §33 Abs4a

Spruch

I411 2125065-3/2E

I411 2125066-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Anträge von 1. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak und 2. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, beide vertreten durch Mag. Andreas REICHENBACH, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Theobaldgasse 15/21, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Der Antrag auf Ausfertigung des am 08.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses wird als verspätet zurückgewiesen.

C)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom jeweils XXXX, Zl. XXXX und Zl. XXXX, wurden die Anträge der Antragsteller sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen und wurde ihnen auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen die Antragsteller wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.).

2. Aufgrund der hiergegen erhobenen Beschwerde wurde am 08.05.2019 eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt, in welcher die Antragsteller als Parteien einvernommen wurden und das Erkenntnis mündlich verkündet wurde.

Die Antragsteller waren vom Verein für Menschenrechte Österreich (VMÖ) vertreten und wurde sowohl die anwesende Rechtsvertreterin des VMÖ, Mag. XXXX als auch die Antragsteller gemäß § 29 Abs 2a VwGVG über ihr Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung des Erkenntnisses zu verlangen, belehrt, sowie darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt. Die Belehrung gemäß § 29 Abs 2a VwGVG ist, wie der Spruch und die Rechtsmittelbelehrung, integraler Bestandteil der Niederschrift der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Die Antragsteller und die anwesende Rechtsvertreterin wurde jeweils eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt. Der (nicht erschienenen) belangten Behörde wurde die Niederschrift elektronisch übermittelt.

3. Beim Bundesverwaltungsgericht langte binnen der zweiwöchigen Frist kein Antrag auf Ausfertigung des am 08.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses ein.

4. Am 27.05.2019 erging daher eine gekürzte Ausfertigung, Zl. XXXX und Zl. XXXX, des am 08.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses, mit welchem die Beschwerden als unbegründet abgewiesen wurden. Die gekürzte Ausfertigung wurde der Rechtsvertreterin der Antragsteller (VMÖ) und der belangten Behörde (BFA) am 28.05.2019 im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt.

5. Mit Schriftsatz vom 26.06.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 27.06.2019, wurde vom nunmehr bevollmächtigten Rechtsanwalt der Antragsteller ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht. Zusammengefasst wurde vorgebracht, dass die Antragsteller am 14.05.2019 Kontakt mit der Rechtsanwaltskanzlei des Mag. Andreas REICHENBACH über den Kanzleimitarbeiter Herrn XXXX aufgenommen haben und haben die Antragsteller diesem mitgeteilt, dass sie ein grundsätzliches Interesse an der Ausarbeitung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof hätten. Herr XXXX habe dabei nur die Eckdaten aufgenommen, ohne sich dabei in das Meritum oder in Auslegung formaler Voraussetzung zur Beschwerdeeinbringung einzulassen. Dabei habe er die Antragsteller die Vollmacht unterzeichnen lassen und mit ihnen einen weiteren Gesprächstermin, an dem auch der Mag. Reichenbach teilnehmen sollte, für den 20.05.2019 vereinbart. Die Antragsteller seien jedoch erst am 23.05.2019 in der Kanzlei erschienen und sei der ausgewiesene Rechtsanwalt aufgrund eines Gerichtstermines nicht anwesend gewesen. Die Antragsteller haben die ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen Herrn XXXX übergeben und habe dieser in weiterer Folge die Sekretärin in Ausbildung, Frau XXXX, beauftragt, die Frist zur Einbringung der Beschwerde "binnen sechs Wochen" einzutragen. Wegen erhöhter Klientenfrequenz habe Frau

XXXX jedoch irrtümlich die Fristeintragung von sechs Wochen beginnend mit dem 23.05.2019 durchgeführt, sodass als letzter Tag der Beschwerdeeinbringung der 04.07.2019 eingetragen worden sei. Jedoch habe Herr XXXX in diesem Zusammenhang die Belehrung gemäß § 29 Abs 2a VwGVG übersehen, sodass eine rechtzeitige Beantragung einer Ausfertigung des Erkenntnisses nicht durchgeführt worden sei. Auch der Umstand, dass die Antragsteller den Termin vom 20.05.2019 nicht wahrgenommen haben, habe dazu beigetragen, dass es zu einer Verkettung von negativen Ereignissen gekommen sei, welche letztlich zu einer Fristversäumung geführt haben. Den sonst überaus verlässlichen Kanzleimitarbeitern, welchen bis dato niemals ein Fehler unterlaufen sei, hätten die Situation verkannt und es verabsäumt, den ausgewiesenen Rechtsvertreter über den Sachverhalt in Kenntnis zu setzen. In weiterer Folge sei der Akt am 24.06.2019 dem in der Kanzlei tätigen Konzipienten, Mag. XXXX, zur Verfassung einer Beschwerde vorgelegt worden und habe dieser zu diesem Zeitpunkt die Fristversäumnis erkannt.

Die Antragsteller seien daher durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis an der Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen bzw. außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, Zl. XXXX und Zl. 2125066-2 gehindert worden und erleiden dadurch einen Rechtsnachteil, wobei die Versäumung auf einer Verkettung von unglücklichen Umständen, welche zwar im Bereich der Rechtsanwaltskanzlei und der Antragsteller liegen, allerdings auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen seine, zumal den Juristen in der Kanzlei durch ein erstmaliges Versehen nicht die erforderliche Information vorgelegen sei und ihnen daher jegliche Kontrollmöglichkeit entzogen worden sei.

Die Antragsteller stellen daher den Antrag, ihnen gemäß § 33 VwGVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine ordentliche bzw. außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichthof gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. XXXX und Zl. 2125066-2 zu gewähren. Gleichzeitig holen die Antragsteller die versäumte Prozesshandlung nach und stellen gemäß

§ 29 Abs 2a VwGVG den Antrag, ihnen eine Ausfertigung der Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes gem. § 29 Abs 4 VwGVG zwecks Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine ordentliche bzw. außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichthof zuzustellen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben dargestellte Verfahrensgang wird zum maßgeblichen Sachverhalt erhoben und ergänzend festgestellt:

Die fristgerecht erhobenen Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide der belangten Behörde vom jeweils XXXX, Zl. XXXX und Zl. XXXX, wurden mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 08.05.2019, Zl. XXXX und Zl. XXXX, als unbegründet abgewiesen und wurden die rechtsvertretenen Antragsteller gemäß § 29 Abs 2a VwGVG über ihr Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung des Erkenntnisses gem. § 29 Abs 4 VwGVG zu verlangen, belehrt.

Weder die beschwerdeführende Partei noch die belangte Behörde verzichteten nach Belehrung über die Folgen des Verzichts ausdrücklich auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

Den Antragstellern und der anwesenden Rechtsvertretung des Vereins für Menschenrechte Österreich, Mag.a XXXX, wurde die Niederschrift der öffentlichen mündlichen Verhandlung samt mündlich verkündetem Erkenntnis, Rechtsmittelbelehrung und Belehrung gemäß § 29 Abs 2a VwGVG persönlich ausgefolgt. Eine Ausfertigung der Niederschrift wurde dem BFA elektronisch übermittelt.

Die zweiwöchige Frist für die Einbringung eines Antrages auf Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses endete mit Ablauf des 22.05.2019 und wurde ein solcher Antrag nachweislich nicht gestellt.

Der nunmehr bevollmächtigte Rechtsanwalt der beiden Antragsteller erlangte am 24.06.2019 Kenntnis über die Fristversäumung zur Stellung eines Antrages auf Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses und stellte mit Schriftsatz vom 26.06.2019 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weshalb dieser fristgerecht eingebracht wurde. Die Antragsteller brachten kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vor, dass sie an der fristgerechten Erhebung der Beschwerde gehindert hätte.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2017, lautet:

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

§ 29 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2017, lautet:

Verkündung und Ausfertigung der Erkenntnisse

(1) Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen.

(2) Hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat in der Regel das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden.

(2a) Das Verwaltungsgericht hat im Fall einer mündlichen Verkündung die Niederschrift den zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen auszufolgen oder zuzustellen. Der Niederschrift ist eine Belehrung anzuschließen:

1. über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß Abs. 4 zu verlangen;

2. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt.

(2b) Ist das Erkenntnis bereits einer Partei verkündet worden, kann ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 bereits ab dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem der Antragsteller von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat. Ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 ist den übrigen Antragsberechtigten zuzustellen.

(3) Die Verkündung des Erkenntnisses entfällt, wenn

1. eine Verhandlung nicht durchgeführt (fortgesetzt) worden ist oder

2. das Erkenntnis nicht sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung gefasst werden kann

und jedermann die Einsichtnahme in das Erkenntnis gewährleistet ist.

(4) Den Parteien ist eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen. Eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses ist in den in Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG genannten Rechtssachen auch dem zuständigen Bundesminister zuzustellen.

(5) Wird auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof von den Parteien verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt, so kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Spruchpunkt A) Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit festgestellt, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113 sowie VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH vom 21.05.1997, Zl. 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Es ist daher ausschließlich das Vorbringen des Antragstellers bzw. Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag vom 26.06.2019 auf seine Tauglichkeit als Wiedereinsetzungsgrund zu prüfen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann (vgl. VwGH vom 24.01.1996, Zl. 94/12/0179). Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt hingegen nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte (vgl. VwGH vom 03.04.2001, Zl. 2000/08/0214).

Nach der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und - insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren - Rechtsprechung ist das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen. Es hat dieselben Rechtswirkungen wie das Verschulden der Partei. Der Machtgeber muss sich das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen. Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, "AVG", § 71 Rz 44 samt weiteren Nachweisen). Sohin trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. z.B. VwGH vom 18.12.2014, Ra 2014/01/0015 sowie VwGH vom 26.02.2015, Ra 2014/22/0092, mwN).

Bei der Bevollmächtigung eines Vertreters ist das Vorliegen der Voraussetzung für die Wiedereinsetzung nach den für den Vertreter maßgebenden Verhältnissen zu beurteilen. Das zur Versäumung führende Ereignis muss daher den Vertreter an der rechtzeitigen Vornahme der Handlung gehindert haben und für ihn unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein (vgl. VwGH vom 17.09.1990, Zl. 87/14/0030; vom 28.04.1992, Zl. 92/05/0051 und vom 23.06.2008, Zl. 2008/05/0122). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 06.05.2004, Zl. 2001/20/0195) kann auch ein Rechtsirrtum - etwa Unkenntnis von Rechtsvorschriften, unrichtige Beurteilung der Rechtslage etc. - einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen; dies jedoch nur unter der Bedingung, dass die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes Verschulden bzw. minderer Grad des Versehens, vorliegen.

Ein Verschulden der Partei bzw. des Vertreters hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH vom 29.01.2014, Zl. 2001/20/0425).

Der Rechtsanwalt muss gegenüber seinen Mitarbeitern (auch den juristischen) der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht nachkommen (vgl. VwGH vom 05.11.2014, Ra 2014/18/0006, mwN). Das Versehen eines Kanzleiangestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt - und damit der Partei - dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleiangestellten verletzt hat.

Ein berufsmäßiger Parteienvertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln oder von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, gesichert erscheint. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht vorgenommen hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten.

Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer ansonsten verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Solche Vorgänge sind etwa die Kuvertierung, die Beschriftung eines Kuverts oder die Postaufgabe, also manipulative Tätigkeiten. Eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Parteienvertreter nicht zuzumuten, will man seine Sorgfaltspflicht nicht überspannen (vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom 24. Jänner 2008, 2007/19/1063, sowie jene vom 23. Juni 2016, Ra 2016/02/0100 bis 0112, und vom 9. November 2016, Ra 2016/10/0071). Dies gilt auch für rein manipulative Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Versendung auf elektronischem Weg (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2015/19/0155).

Wenn allerdings in keiner Weise dargelegt wird, ob jemals eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor. Daher sind bereits mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages nicht erfüllt (vgl. dazu nochmals den bereits erwähnten Beschluss vom 23. Juni 2016, mwN).

Mit dem Vorbringen, "die sonst überaus verlässlichen Kanzleimitarbeiter, welchen bis dato niemals ein Fehler unterlaufen ist, haben die Situation verkannt und es verabsäumt, den ausgewiesenen Rechtsvertreter über den Sachverhalt in Kenntnis zu setzen", wird nicht dargelegt, dass der Rechtsanwalt ein Kontrollsystem eingerichtet hat, das den genannten Anforderungen gerecht wird. Wenn weiters angeführt wird, dass "die Versäumung auf einer Verkettung von unglücklichen Umständen, welche zwar im Bereich der Rechtsanwaltskanzlei und der Antragsteller liegen, allerdings auf einen minderen Grad des Versehen zurückzuführen sind, zumal den Juristen in der Kanzlei durch ein erstmaliges Versehen nicht die erforderliche Information vorlag und ihnen daher jegliche Kontrollmöglichkeit entzogen wurde", so ist dem folgendes entgegenzuhalten:

Bereits beim erstmaligen Kontakt zwischen den Antragstellern und dem Kanzleimitarbeiter, Herrn XXXX, am 14.05.2019 hätte dieser nicht bloß Eckdaten, sondern auch sachverhaltsbezogene Daten aufzunehmen gehabt. Es muss schließlich davon ausgegangen werden, dass der Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei Schriftstücke - insbesondere gerichtliche Entscheidungen - im Zusammenhang mit der Erwägung der Antragsteller dagegen ein Rechtsmittel zu erheben, genau und vor allem auf Fristen hin studiert. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der ausgewiesene Rechtsanwalt gerade auch auf Fremdenrecht spezialisiert ist, wenn es auf seiner Homepage heißt: "Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Vertretung von fremdenrechtlichen Angelegenheiten, wobei gemeinsam mit einem besonders erfahrenen juristischen Mitarbeiter, komplexe Sachverhalte zum gewünschten Abschluss geführt werden." XXXX, abgefragt am 31.07.2019) Daraus resultiert, dass dem Rechtsanwalt und seinem Mitarbeiter, XXXX, welcher, laut Homepage, nicht nur als Dolmetscher, sondern auch als Rechtsberater in der Kanzlei tätig ist, ein besonders hoher Sorgfaltsmaßstab im Bereich Asyl- und Fremdenrecht zukommt.

Aus diesen Gründen ist das im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthaltene Vorbringen nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen. Es kann im vorliegenden Fall somit nicht von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden, liegen die Voraussetzungen hinsichtlich der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Spruchpunkt B) Zur Zurückweisung des Antrages auf Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses:

Gemäß § 29 Abs 2a Z 1 VwGVG sind die Parteien über ihr Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung des Erkenntnisses oder des Beschlusses gemäß § 29 Abs 4 VwGVG zu verlangen zu belehren und gemäß Z 2 darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses gemäß § 29 Abs 4 VwGVG eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt.

Wie bereits oben ausgeführt, wurden die Antragsteller und ihre Rechtsvertreterin über dieses Recht belehrt.

Da das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 08.05.2019 mündlich verkündet und die Niederschrift den Parteien am selben Tag persönlich ausgehändigt wurde, hat im gegenständlichen Fall der Lauf der zweiwöchigen Antragsfrist am 08.05.2019 begonnen und mit Ablauf des 22.05.2019 geendet.

Der gegenständliche Antrag auf Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wurde erst gemeinsam mit gegenständlichem Wiedereinsetzungsantrag eingebracht und sohin erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist. Somit war der Antrag als verspätete zurückzuweisen.

Spruchpunkt C) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amtswegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Absatz 3 erster Satz VwGVG hat der Antragsteller die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist unbestritten und wurde eine mündliche Verhandlung nicht beantragt. Im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Somit steht auch Artikel 6 EMRK dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

Schlagworte

Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses,
Asylverfahren, minderer Grad eines Versehens, unabwendbares
Ereignis, unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, Verschulden,
verspäteter Antrag, Verspätung, Wiedereinsetzungsantrag,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I411.2125065.3.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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