TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/24 I406 2198116-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.05.2019
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Entscheidungsdatum

24.05.2019

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §2
FPG §66 Abs1
FPG §73
NAG §52
NAG §54 Abs1
NAG §55 Abs3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I406 2198116-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde des XXXX(alias XXXX), geb. XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch Rechtsanwalt

Dr. Wolfgang WEBER, Wollzeile 12/1/27, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom 14.05.2018,

Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.05.2019, zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsbürger, ist laut Zentralem Melderegister seit 10.11.2006 in Österreich gemeldet.

Am XXXX2010 schloß der Beschwerdeführer auf einem Wiener Standesamt mit einer tschechischen Staatsbürgerin die Ehe. Diese Ehe wurde am 14.10.2011 rechtskräftig geschieden.

Mit Schreiben vom 29.05.2015 teilte die zuständige Magistratsabteilung des Amtes der Wiener Landesregierung als NAG-Behörde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im folgenden: belangte Behörde) mit, auf Grund der rechtskräftigen Scheidung des Beschwerdeführers vor Ablauf von drei Jahren nach der Eheschließung und da dieser seit 15.11.2014 Notstandshilfeempfänger sei, werde gemäß § 55 Abs. 3 NAG um eine mögliche Aufenthaltsbeendigung ersucht.

Mit Schreiben vom 16.10.2015 gewährte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu seiner persönlichen Situation. Mit Eingabe vom 30.10.2015 nahm der Beschwerdeführer dazu Stellung.

Mit Eingabe vom 12.09.2016 gab RA Mag. Robert Bitsche bekannt, den Beschwerdeführer zu vertreten und teilte mit, dieser verdiene nunmehr 14 Mal jährlich 940 € aus unselbständiger Beschäftigung, weiters habe er seine Ehescheidung firstgerecht der Behörde im Rahmen seiner Beantragung einer Rot-Weiß-Rot-Karte Plus am 21.10.2011 mitgeteilt.

Mit Eingabe vom 26.07.2017 gab RA Dr. Wolfgang Weber bekannt, den Beschwerdeführer zu vertreten.

Mit Eingabe vom 25.01.2018 gab RA Mag. Robert Bitsche bekannt, das Vollmachtsverhältnis mit dem Beschwerdeführer sei aufgelöst.

Am 26.02.2018 fand eine mündliche Einvernahme des Beschwerdeführers betreffend Prüfung des Aufenthaltes sowie Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme statt.

Mit angefochtenem Bescheid vom 14.05.2018, Zl XXXX wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus und erteilte ihm gemäß § 73 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung.

Mit Verfahrensanordnung vom 17.05.2018 stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren die juristische Person ARGE-Rechtsberatung Diakonie & Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite.

Mit Eingabe vom 06.06.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch RA Dr. Wolfgang Weber, gegen oben angeführten Bescheid Beschwerde. Der lange Aufenthalt des Beschwerdeführers sei nicht berücksichtigt worden, ebensowenig dessen Selbstständigkeit und Gewerbeberechtigung sowie dass er laut Bestätigung seines Steuerberaters monatlich rund 3.000 € brutto verdiene, sein Kontoauszug ein Guthaben von rund € 6.500 aufweise und er seit über 12 Jahren in Österreich lebe, integriert sei und sehr gut Deutsch spreche.

Mit Eingabe vom 29.01.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag.

Am 25.04.2019 übermittelte der Rechtsvertreter die Antworten des Beschwerdeführers auf die Fragen des Bundesverwaltungsgerichtes zu seiner persönlichen Situation.

Mit Schreiben vom 25.05.2019 teilte der Rechtsvertreters des Beschwerdeführers mit, an der für den 21.05.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht teilzunehmen.

Am 21.05.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Identität des Beschwerdeführers steht mit XXXX, geboren XXXX, ägyptischer Staatsbürgerschaft und koptisch-orthodoxen Religionsbekenntnisses, fest.

Der Beschwerdeführer ist laut Zentralem Melderegister seit 10.11.2006 in Österreich gemeldet.

Der Beschwerdeführer verfügte über einen Aufenthaltstitel für Studierende mit der Gültigkeit 27.09.2007 bis 27.09.2008, verlängert bis 27.09.2009, der im Endeffekt am 22.09.2014 außer Kraft trat. Auf Grund seiner am XXXX2010 geschlossenen Ehe mit einer tschechischen Staatsbürgerin erhielt der Beschwerdeführer eine Aufenthaltskarte mit Gültigkeit 05.07.2010 bis 05.07.2015.

Aufgrund seiner Eheschließung verfügte der Beschwerdeführer vom 19.10.2011 bis 18.10.2016 über einen Befreiungsschein gemäß § 15 Abs. 1 Z 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz.

Der Beschwerdeführer ist unbescholten.

Der Beschwerdeführer hat die Ergänzungsprüfung aus Deutsch im Vorstudienlehrgang der XXXX erfolgreich abgeschlossen und erfüllt daher den Deutschnachweis auf dem Niveau B2, er beherrscht die deutsche Sprache auf fortgeschrittenem Niveau.

Der Beschwerdeführer bestand am 25.04.2017 die "Prüfung über die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des Landes Wien gemäß § 10a Staatsbürgerschaftsgesetz".

Der Beschwerdeführer ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verlobt. Ein Onkel, dessen drei Kinder sowie eine Cousine des Beschwerdeführers, alle österreichische Staatsbürger, leben in Wien.

Am XXXX2010 hatte der Beschwerdeführer auf einem Wiener Standesamt mit einer tschechischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen. Diese Ehe wurde am 14.10.2011 rechtskräftig geschieden. Bei dieser Ehe hatte es sich nicht um eine Aufenthaltsehe gehandelt.

Der Beschwerdeführer schloss an der Universität XXXX ein Bakkalaureatsstudium für Zivilingenieurswissenschaften ab. Er verfügt über die allgemeine Universitätsreife im Sinn des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 und war von seiner Einreise bis zum Jahr 2016 an der Universität Wien inskribiert.

Der Beschwerdeführer absolvierte am WIFI XXXX die Kurse "XXXX", 20.

- 22.05.2014, "XXXX", 09.01.2013 - 14.06.2013, "XXXX", 29.04. - 15.05.2014, "XXXX", 11.03. - 15.03.2013, "XXXX", 01.10. - 14.12.2012, "XXXX", 12.11. 28.11.2013, "XXXX", 15.10. - 07.11.2013, "XXXX", 08.04. - 24.04.2014.

Der Beschwerdeführer ist nach vorherigen Zeiten selbständiger und unselbständiger Tätigkeit sowie Zeiten des Bezuges von Notstandshilfe und Überbrückungshilfe seit dem 26.01.2018 mit einer Gewerbeberechtigung im XXXXBereich selbständig tätig, gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 und § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG versichert und verdient im Monat durchschnittlich 2000 €. Der Beschwerdeführer verfügt über ein Bankguthaben von 113.711,87 €.

Der Beschwerdeführer ist in einer koptisch-orthodoxen sowie in einer katholischen Pfarrgemeinde integriert und war dort über einen längeren Zeitraum sozial engagiert.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellung zur Identität des Beschwerdeführers beruht auf dem von ihm vorgelegten und im Akt in Kopie erliegenden ägyptischen Reisepass.

Die Feststellungen zum Aufenthalt in Österreich beruhen auf dem IZR.

Die Feststellung, dass es sich bei der Ehe des Beschwerdeführers nicht um eine Aufenthaltsehe handelte, beruht auf dem Bericht des zuständigen Kriminalreferats vom 12.05.2010.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf dem Strafregister.

Die Feststellungen betreffend den Deutschnachweis auf dem Niveau B2, die "Prüfung über die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des Landes Wien gemäß § 10a Staatsbürgerschaftsgesetz" sowie den absolvierten Studien und Ausbildungen beruhen auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten, die Feststellung zu seinen faktischen Deutschkenntnissen beruht auf dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zu den familiären und privaten Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich sowie zu seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben.

Die Feststellungen zur Einkommenssituation des Beschwerdeführers beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben sowie seinem Sozialversicherungsauszug. Die Feststellung zum Bankguthaben des Beschwerdeführers beruht auf den von ihm vorgelegten Kontoauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Als begünstigter Drittstaatsangehöriger gilt gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Aus § 55 Abs. 4 NAG 2005 geht klar hervor, dass in den davon erfassten Konstellationen die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung anhand des § 66 FPG zu prüfen ist. Diesfalls kommt es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nicht an. Ebenso wenig ist für das zu wählende Verfahren maßgeblich, zu welchem Zeitpunkt die Meldung nach § 54 Abs. 6 NAG 2005 erstattet wurde (VwGH 18.6.2013, 2012/18/0005).

Trotz erfolgter Auflösung der Ehe mit einer unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgerin und somit Nichtvorliegens der formalen Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Z 11 FGP (begünstigter Drittstaatsangehöriger) ist gegenständlich zur Beurteilung der Rechtsmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Hinblick auf den Beschwerdeführer § 66 FPG zur Anwendung zu bringen.

Der mit "Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern" betitelte § 52 NAG lautet:

"§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1."

Der mit "Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers" betitelte § 54 NAG lautet:

"§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt."

Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet:

"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:

"§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate im Bundesgebiet berechtigt.

Der Beschwerdeführer heiratete am XXXX2010 eine tschechische Staatsangehörige und hatte mit ihr einen gemeinsamen Wohnsitz im österreichischen Bundesgebiet, weshalb ihm ein Aufenthaltsrecht zukam. In weiterer Folge kam es am 14.10.2011 zur Scheidung des Beschwerdeführers von seiner, die Unionsbürgerschaft aufweisende und die unionsrechtliche Freizügigkeit in Anspruch nehmende Ehegattin. Die Ehe des Beschwerdeführers hat demnach nicht die in § 54 Abs. 5 Z 1 NAG erforderliche Dauer von drei Jahren gedauert. In Ermangelung einer mindestens drei Jahre andauernden Ehe sowie mangels eines Härtefalls liegen keine Ausnahmetatbestände im iSd § 54 Abs. 5 NAG vor, weshalb dem Beschwerdeführer gemäß § 55 NAG kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr zukommt. Das Vorhandensein von Ausnahmetatbeständen iSd des § 54 Abs. 5 NAG wurde vom Beschwerdeführer zudem auch nicht behauptet.

Schon aus dem zwölfeinhalbjährigen Aufenthalt des unbescholtenen Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich, dass für eine Ausweisung schwerwiegende Gründe vorliegen müßten beziehungsweise seine familiären und privaten Interessen am Verbleib überaus gering sein müßten. Insbesondere im Fall seiner privaten Interessen ist dies nicht der Fall:

Während seines Aufenthaltes war der Beschwerdeführer mit Unterbrechungen teils unselbständig, teils selbständig erwerbstätig, wobei vor allem zu berücksichtigen ist, dass er seit dem 26.01.2018 mit einer Gewerbeberechtigung im XXXXBereich selbständig tätig und nach dem GSVG versichert ist und im Monat durchschnittlich 2000 €

verdient. Mit der Ablegung der Ergänzungsprüfung aus Deutsch im Vorstudienlehrgang der XXXX, mit der der Beschwerdeführer den Deutschnachweis auf dem Niveau B2 erfüllt, angesichts des Umstandes, dass er die deutsche Sprache auf fortgeschrittenem Niveau beherrscht, weiters mit der Ablegung der "Prüfung über die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des Landes Wien gemäß § 10a Staatsbürgerschaftsgesetz" und schließlich mit der Ablegung zahlreicher, teilweise umfangreicher Weiterbildungen im technischen Bereich hat der Beschwerdeführer erhebliche Integrationsbemühungen unternommen. Zudem ist er in Österreich verlobt und ein Onkel, drei Cousins sowie eine Cousine leben in Österreich.

Auch unter Berücksichtigung des hohen Stellenwertes, die dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im Rahmen einer Güterabwägung grundsätzlich zukommt, ist aus den eben dargelegten Gründen das Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Familien-, vor allem jedoch des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich dennoch höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung.

Abschließend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, somit liegt im Fall seines Verbleibens im Bundesgebiet auch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor.

Daher war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Bezüglich der weiteren Vorgehensweise wird auf § 55 NAG verwiesen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl die oben angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausweisung, Ausweisungsverfahren, begünstigte Drittstaatsangehörige,
Durchsetzungsaufschub, Integration, Interessenabwägung, mündliche
Verhandlung, öffentliche Interessen, Privat- und Familienleben,
private Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I406.2198116.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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