TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/1 96/09/0119

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Veröffentlicht am 01.07.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs4;
AVG §63 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Anton Gruber und Dr. Alexander Gruber, Rechtsanwälte in Wien I, Wipplingerstraße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 28. Februar 1996, Zl. UVS-07/A/06/00108/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 24. Jänner 1996 wurde der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der R Gesellschaft mbH wegen Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) bestraft. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 6. Februar 1996 zugestellt.

Gegen dieses Straferkenntnis wurde am 7. Februar 1996 auf Briefpapier der R Gesellschaft mbH mit folgendem Wortlaut Berufung erhoben:

"Bezugnehmend auf die heute eingelangte o.a. Straferkenntnis legen wir in offener Frist Berufung ein und

begründen diese wie folgt:

Der in Punkt 1) angeführte Mujovic S ist unser zweiter Geschäftsführer und hatte außerhalb der Arbeitszeit das Büro in der Seidengasse besucht. In seiner Begleitung befanden sich der unter 2) genannte Suad H, der für die Firma R unbekannt und ein Freund des Geschäftsführers ist. Der ebenfalls angeführte Hot A ist bei unserer Firma seit 31.7.1995 beschäftigt und im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis bis 21.7.1996.

Wir bitten um Berücksichtigung der vorangeführten Umstände und um Aufhebung der festgesetzten Strafverfügung."

Diese Berufung wurde unter Beisetzung der Firmenstampiglie der genannten Ramo Baugesellschaft m.b.H. mit einer unleserlichen Unterschrift unterfertigt.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 28. Februar 1996 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Behörde "könne" sich bei Zweifel über die Zurechnung einer Eingabe im Sinne des § 37 AVG Klarheit darüber verschaffen, wer der eigentliche Rechtsmittelwerber sei. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor, weil die Eingabe in der "Wir-Form" auf Geschäftspapier der R Gesellschaft m.b.H. geschrieben worden sei und sich "weder der Name des Rechtsmittelwerbers in Maschinschrift noch seine Unterschrift entnehmen lassen". Die Eingabe weise eine Firmenstampiglie mit einer unleserlichen Unterschrift auf. Durch einen Unterschriftenvergleich in einer näher bezeichneten Verhandlungsschrift sei festgestellt worden, daß keine Identität mit der Unterschrift des Beschwerdeführers bestehe. Die Eingabe sei daher ohne weitere Ermittlungen der R Gesellschaft m.b.H. zuzurechnen. Da diese Gesellschaft im zugrundeliegenden Strafverfahren keine Parteistellung habe und nicht als Bevollmächtigte für den Rechtsmittelwerber habe einschreiten können, sei die Berufung zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach seinem gesamten Vorbringen erkennbar in dem Recht auf meritorische Entscheidung über das zurückgewiesene Rechtsmittel verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, erstattete ergänzende Ausführungen und erklärte, von der Erstattung einer Gegenschrift abzusehen. Sie beantragt, die Beschwerde unter Zuspruch des Vorlageaufwandes abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Zulässigkeit der erhobenen Beschwerde gegen den gegenüber der R Gesellschaft m.b.H. als Bescheidadressaten erlassenen, dem Beschwerdeführer nur "nachrichtlich" zur Kenntnis gebrachten Bescheid ist zu bemerken, daß diesem Bescheid auch der Abspruch zu entnehmen ist, daß die zurückgewiesene Berufung nicht dem Beschwerdeführer, sondern der R Gesellschaft m.b.H. zuzurechnen sei. Insoweit ist der angefochtene Bescheid geeignet, den Beschwerdeführer in einem subjektiv-öffentlichen Recht zu verletzten (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1994 in Slg. N.F. Nr. 11.625/A, sowie die hg. Erkenntnisse vom 3. September 1996, Zl. 95/04/0197, und vom 30. September 1997, Zl. 97/04/0095); die Beschwerdelegitimation ist daher - zumal gemäß § 26 Abs. 2 VwGG die Beschwerde auch vor Zustellung oder Verkündung des Bescheides an den Beschwerdeführer erhoben werden kann - gegeben.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Die belangte Behörde hat zunächst richtig erkannt, daß Zweifel über die Zurechnung einer Berufung nicht im Wege eines Auftrages zur Behebung von Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG auszuräumen sind. Vielmehr ist die Klärung des Inhaltes einer rechtzeitigen, aber undeutlichen Prozeßhandlung unter Anwendung der Bestimmung des § 37 AVG herbeizuführen. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Behörde mithin auch verpflichtet, den Parteien im Ermittlungsverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Die Behörde hat sich somit in einem Zweifelsfall über den objektiven Erklärungswert der Zurechnung eines Rechtsmittels darüber Klarheit zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1995, Zl. 94/09/0296, und vom 3. September 1996, Zl. 95/04/0197).

Im Beschwerdefall ist eine Klärung darüber herbeizuführen, ob die erhobene Berufung dem Beschwerdeführer oder der von ihm als handelsrechtlicher Geschäftsführer vertretenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zuzurechnen ist. Die Verwendung von Firmenpapier und Firmenstampiglie deuten darauf hin, daß das Rechtsmittel von dieser Gesellschaft erhoben wurde. Gegen diese Zurechnung spricht aber, daß sich das erstinstanzliche Straferkenntnis gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichtet hat, und daß im Verwaltungsstrafverfahren gegen das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organ einer Gesellschaft m.b.H. dieser keine Parteistellung zukommt. Hingegen ist daraus, daß für die Eingabe eine Form gewählt wurde, die im geschäftlichen Verkehr den allgemeinen kaufmännischen Gepflogenheiten entspricht, noch keine eindeutige Zurechnung des Rechtsmittels ableitbar. Die belangte Behörde verkennt, daß gerade die fehlende Angabe des "Namens des Rechtsmittelwerbers in Maschinschrift" und die Verwendung der "Wir-Form" unbeantwortet lassen, wer im vorliegenden Fall Rechtsmittelwerber ist, sodaß sich daraus keine eindeutige Zurechnung der Berufung ergibt. Daß sich auf der Eingabe eine unleserliche Unterschrift befindet, trägt gleichfalls zur erforderlichen Klarstellung nichts bei. Die Beurteilung der belangten Behörde, ein klärungsbedürftiger Zweifelsfall liege aus den im angefochtenen Bescheid genannten Erwägungen gar nicht vor, erweist sich somit als unzutreffend.

Insoweit die belangte Behörde meint, die unleserliche Unterschrift auf der Berufung sei nach dem von ihr angestellten Unterschriftenvergleich mit einer Unterschrift des Beschwerdeführers nicht ident, ist auf das Beschwerdevorbringen zu verweisen, wonach anläßlich der Unterfertigung des Rechtsmittels triftige, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe für diese Abweichungen bestanden haben sollen. An diesem, erst in der Beschwerde erstatteten Vorbringen war der Beschwerdeführer auch nicht durch das aus § 41 Abs. 1 VwGG ableitbare Neuerungsverbot gehindert, da die belangte Behörde dem Beschwerdeführer hinsichtlich dieses von ihr gewonnenen Ermittlungsergebnisses im Verwaltungsverfahren kein Parteiengehör gewährte.

Sollte die somit noch erforderliche Klarstellung ergeben, daß die erhobene Berufung dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist, dann könnte allenfalls danach geprüft werden, ob diese Eingabe auch seine Unterschrift (oder allenfalls die eines ausreichend bevollmächtigten Vertreters) aufweist. Fehlt auf der Berufung die Unterschrift des Berufungswerbers, könnte allenfalls nach § 13 Abs. 4 AVG vorgegangen werden (vgl. hiezu auch Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Auflage 1995, Rz 524).

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage somit keine Klärung der Zurechnung der erhobenen Berufung vornahm, in dieser Hinsicht keine zielführenden amtswegigen Ermittlungen anstellte und schließlich den Parteien keine Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen gab, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090119.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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