TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/18 LVwG-AV-1011/001-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

GewO 1994 §87 Abs1 Z3
GewO 1994 §119 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde der A, vertreten durch B Rechtsanwalt GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 7. August 2019, ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A ist seit 1.5.2014 Inhaberin der Gewerbeberechtigung „Lebens- und Sozialberatung, ausgenommen Ernährungsberatung und sportwissenschaftliche Beratung“ zuletzt im Standort ***, ***.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 7. August 2019, ***, wurde die Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen.

In der Begründung wurde auf das Verwaltungsstrafregister der Bezirkshauptmannschaft Amstetten verwiesen, wonach gegen Frau A folgende Verwaltungsstrafvormerkungen vorliegen würden:

Übertretung nach: § 10 Abs. 1 Z. 6 iVm § 5 Abs. 1 iVm § 2 iVm § 3 NÖ Hundehaltegesetz, rechtskräftig am 19.3.2019, Strafbetrag € 300,00

Übertretung nach: § 10 Abs. 1 Z. 10 iVm § 1 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz, rechtskräftig am 25.9.2018, Strafbetrag € 100,00

Übertretung nach: § 63 Abs. 1 lit. c iVm Abs. 2 iVm §§ 2c, 7 und 8 Tierseuchengesetz iVm § 33 Abs. 8 Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung, rechtskräftig am 24.9.2017, Strafbetrag € 150,00

Aktuell sei ein weiteres Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 iVm § 5 Abs. 1 iVm § 2 iVm § 3 NÖ Hundehaltegesetz anhängig.

Unter Verweis auf die Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 wurde ausgeführt, dass für die Ausübung des gegenständlichen Gewerbes die Bestimmungen des NÖ Hundehaltegesetz und des Tierseuchengesetzes relevant seien, da sie in ihrer Gewerbeanmeldung als Nachweis der Befähigung für die Lebens- und Sozialberatung eine Praktikumsbestätigung in der tiergestützten Individualförderung, auch mit Kindern und Hunden, vorgelegt habe.

Ob ein Verstoß gegen die einschlägigen Rechtsvorschriften als schwerwiegend zu beurteilen sei, ergebe sich aus der Bedeutung des verletzten Schutzinteresses. Als besonderes Schutzinteresse sei der Schutz vor Gefährdungen der Gesundheit und der körperlichen Sicherheit zu werten. Das NÖ Hundehaltegesetz diene gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. dem Schutz von Mensch und Tier vor Gefährdungen und Belästigungen. Gemäß § 8 Tierseuchengesetz sollten mit dem genannten Gesetz und der Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung Tierseuchen oder Krankheiten, welche durch Tiere auf Menschen übertragbar seien (Zoonosen), bekämpft werden. Dies diene ebenfalls dem Schutz vor Gefährdungen der Gesundheit und der körperlichen Sicherheit. Ihre Verwaltungsübertretungen würden somit eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit und die körperliche Sicherheit darstellen und seien daher insgesamt als schwerwiegend zu werten. Sie verfüge folglich nicht mehr über die gewerberechtliche Zuverlässigkeit, sodass die Gewerbeberechtigung zu entziehen gewesen sei.

Dagegen hat A, vertreten durch B Rechtsanwalt GmbH, ***, *** fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufzuheben, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Erstinstanz zurückzuverweisen.

Zur Begründung wurde zunächst vorgebracht, dass die Gewerbeberechtigung „Lebens- und Sozialberatung, ausgenommen Ernährungsberatung und sportwissenschaftliche Beratung“ nicht das Geringste mit Hundehaltung zu tun habe. Es sei daher rechtlich gar nicht möglich, ihr vor dem Hintergrund selbst rechtskräftiger Straferkenntnisse eine schwerwiegende Handlung, die als Verstoß im Sinne § 87 Gewerbeordnung zu interpretieren sei, vorzuwerfen.

Nach der Judikatur und auch den parlamentarischen Materialien zu § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung dürfe außerdem nicht etwa jeder wie auch immer geartete Verstoß bereits die Entziehung der Gewerbeberechtigung zur Folge haben. Es müsse sich um schwerwiegende Verstöße handeln, gegen die im konkreten Fall im Zusammenhang mit der jeweiligen Gewerbeberechtigung verstoßen worden sei.

Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass gegen die Beschwerdeführerin mehrere Bestrafungen vorliegen, so sei eine vorsätzliche Begehung niemals rechtskräftig festgestellt worden, sondern sei lediglich aufgrund der Qualifikation der gegenständlichen Delikte als sogenannte Ungehorsamsdelikte (und damit auf Basis Fahrlässigkeit) entschieden worden. Schon nach diesem Rechtsregime hätte eine Entziehung nicht stattfinden dürfen.

Weiters sei zu berücksichtigen, dass nicht schon jede geringe Verletzung der bei Ausübung des Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führen könne; als schwerwiegend seien Verstöße nur dann anzusehen, wenn sie geeignet seien, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen. Inwieweit sie den Berufszweig der Lebens- und Sozialberatung, ausgenommen Ernährungsberatung und sportwissenschaftliche Beratung einer derartigen Gefährdung mit allgemeiner Benachteiligung des öffentlichen oder gesetzlichen Ansehens ausgesetzt habe, sei nicht offensichtlich und werde im Übrigen auch im Bescheid niemals thematisiert.

Die gegenständlichen Bestrafungen seien jedenfalls nicht geeignet, auf ihre angebliche mangelnde Zuverlässigkeit zu schließen.

Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass das Tatbestandsmerkmal der schwerwiegenden Verstöße im vorliegenden Fall nicht durch für sich betrachtet schwere Verstöße herangezogen werden sollte, sondern durch eine Vielzahl geringfügiger Delikte der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften, so habe sie keine für dieses Gewerbe relevanten Rechtsvorschriften verletzt. Eine Vielzahl von Bestrafungen liegt nicht vor.

Außerdem wurde geltend gemacht, dass gegen das Parteiengehör insofern verstoßen worden sei, als ihr keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, zu diesen Vorwürfen, die zum vorliegenden Bescheid geführt hätten, Stellung zu beziehen.

Selbst wenn ihr einmal nachweislich Entsprechendes zugestellt worden wäre, wäre die Behörde verpflichtet gewesen, noch einmal nachzufragen (da sich gerade in den Sommermonaten bekanntlich ohnedies Zustellmängel häuften).

Es sei jedenfalls gegen keine relevanten, in Ansehung des betreffenden Gewerbes und damit in Zusammenhang stehende Rechtsvorschriften und Schutzinteressen qualifiziert verstoßen worden, sodass die Entziehung der Gewerbeberechtigung überschießend sei.

Mit Schreiben vom 6. September 2019 hat die Bezirkshauptmannschaft Amstetten die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung vorgelegt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 17. Dezember 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Verfahren
LVwG-AV-1010-2019 und LVwG-AV-1011-2019 aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemäß § 15 NÖ Landesverwaltungsgerichtsgesetz zu einer gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden wurden.

In dieser Verhandlung wurde Beweis aufgenommen durch Verlesung der Akten der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, *** und ***, sowie der Akten des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, LVwG-AV-1010-2019 und LVwG-AV-1011-2019, durch Verlesung der Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Amstetten zu den Zahlen ***, *** und *** sowie durch Einvernahme der Beschwerdeführerin.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:

Von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen ist auszugehen:

A ist seit 1.5.2014 Inhaberin der Gewerbeberechtigung „Lebens- und Sozialberatung, ausgenommen Ernährungsberatung und sportwissenschaftliche Beratung“ zuletzt im Standort ***, ***. Sie hat bei Ausübung dieses Gewerbes Tiere eingesetzt, nämlich Hunde, Pferde und Esel.

Gegen A liegen folgende rechtskräftige Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vor:

1.) Zl. *** vom 30.7.2018:

Mit dieser Strafverfügung wurde ihr angelastet, dass sie als Halterin eines Hundes der Rasse Rottweiler, somit eines Hundes mit erhöhtem Gefährdungspotential gemäß § 2 Abs. 2 NÖ Hundehaltegesetz, diesen am 11.5.2018 um 15:00 Uhr im Gemeindegebiet ***, *** nicht in einer Weise verwahrt hat, dass Menschen und Tiere nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt werden konnten. Der Hund wurde in einer Kinderbetreuungseinrichtung nicht entsprechend verwahrt, sodass dieser ein Kind, C, beißen konnte.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 10 Abs. 1 Z. 10 iVm § 1 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 200,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) gemäß § 10 Abs. 2 1. Strafsatz iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 NÖ Hundehaltegesetz verhängt.

Zu diesem Vorfall kam es am Ende der Betreuung, als die nunmehrige Beschwerdeführerin kurz in die Wohnung gehen musste, um den Autoschlüssel zu holen. Das Kind war dabei unbeaufsichtigt und hat sich nicht an die Anweisungen der Beschwerdeführerin gehalten.

2.) Zl. *** 22.2.2019:

Mit dieser Strafverfügung wurde ihr angelastet, dass sie zumindest am 15.1.2019 in ***, ***, drei Hunde, einen Rottweiler, einen Pit-Bull-Terrier und einen Jack Russell Terrier, gehalten hat, obwohl gemäß § 5 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz das Halten von mehr als zwei Hunden gemäß § 2 und § 3 NÖ Hundehaltegesetz in einem Haushalt verboten ist. Beim Rottweiler und dem Pit-Bull-Terrier handelt es sich um sogenannte „Listenhunde“ gemäß § 2 NÖ Hundehaltegesetz. Drei Jack Russell Terrier wurden mit Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 25.7.2018, Zl. ***, als auffällig gem. § 3 NÖ Hundehaltegesetz eingestuft, sie hat einen davon auch am 15.1.2019 gehalten.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 10 Abs.1 Z. 6 iVm § 5 Abs.1 iVm § 2 iVm § 3 NÖ Hundehaltegesetz iVm dem Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 25.7.2018, 12781/2018, wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) gemäß § 10 Abs. 2 iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 NÖ

Hundehaltegesetz verhängt.

3.) *** vom 31.8.2017:

Mit dieser Strafverfügung wurde ihr angelastet, dass sie als Halterin gemäß Artikel 2 Abs. 2 lit. a der Verordnung EG Nr. 504/2008 eines Pferdes im Standort ***, ***, nicht innerhalb von 7 Tagen ab dem Tod dieses Tieres am 27.6.2017 der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, Fachgebiet Veterinärwesen, in ***, *** das im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 oder Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 504/2008 ausgestellte Identifizierungsdokument (Pferdepass) vorgelegt hat, obwohl gemäß § 33 Abs. 8 Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung beim Tod des Equiden das im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 oder Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 504/2008 ausgestellte Identifizierungsdokument zusammen mit dem TKV-Übernahmeschein innerhalb von sieben Tagen bei jener Bezirksverwaltungsbehörde abzugeben ist, die für die Haltung örtlich zuständig gewesen sei, sodann vom zuständigen amtlichen Tierarzt oder unter seiner Aufsicht unter Angabe des Datums des Todes ungültig zu stempeln, zu lochen und an die Kontaktstelle gemäß § 35 Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung zu

übermitteln ist.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 63 Abs. 1 lit. c iVm Abs. 2 iVm §§ 2c, 7 und 8 Tierseuchengesetz iVm § 33 Abs. 8 Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 150,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) gemäß § 63 Abs. 1 iVm Abs. 2 TSG verhängt.

Über A wurde im Sommer 2019 ein Hundehalteverbot verhängt, welches noch nicht rechtskräftig ist, allerdings wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Derzeit hält sie daher keine Hunde.

Derzeit ist vor dem Bezirksgericht *** ein gerichtliches Strafverfahren gegen die nunmehrige Beschwerdeführerin wegen Körperverletzung anhängig. Diesem Verfahren liegt zugrunde, dass eine Frau, D, von einem der Hunde der Beschwerdeführerin gebissen wurde.

Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund der Einsicht in den unbedenklichen bezughabenden Verwaltungsakt, insbesondere in die darin inneliegende Verwaltungsstrafregisterauskunft betreffend A vom 17. Juli 2018. In Ergänzung wurde in die darin angeführten Strafverfügungen Einsicht genommen, die Feststellungen im Zusammenhang mit der Bissverletzung von C beruhen ebenso auf den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung wie die Feststellung zum Hundehalteverbot sowie zum derzeit anhängigen gerichtlichen Strafverfahren.

In rechtlicher Hinsicht wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Schutzinteressen gemäß Z. 3 sind insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen aus dem Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. III Abs. 1 Z. 3 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008). Die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne der Z. 3 liegt auch dann nicht vor, wenn eine Eintragung eines Unternehmens in die Liste gemäß § 8 Abs. 10 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz – SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015, aufgrund des § 8 Abs. 3 Z. 4 SBBG vorliegt.

§ 119 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 lautet:

(1) Einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Lebens- und Sozialberatung (§ 94 Z 46) bedarf es für die Beratung und Betreuung von Menschen, insbesondere im Zusammenhang mit Persönlichkeitsproblemen, Ehe- und Familienproblemen, Erziehungsproblemen, Berufsproblemen und sexuellen Problemen. Dazu gehört auch die psychologische Beratung mit Ausnahme der Psychotherapie. Personen, die das Gewerbe der Lebens- und Sozialberatung ausüben, sind auch zur Ausübung von Ernährungsberatung berechtigt, wenn sie die erfolgreiche Absolvierung der Studienrichtung Ernährungswissenschaften an einer inländischen Universität oder die erfolgreiche Ausbildung zum Diätassistenten/zur Diätassistentin nachweisen. Personen, die das Gewerbe der Lebens- und Sozialberatung ausüben, sind auch zur sportwissenschaftlichen Beratung berechtigt, wenn sie die erfolgreiche Absolvierung der Studienrichtungen Sportwissenschaften oder Leibeserziehung an einer inländischen Universität oder einen Diplomabschluss in einer Trainerausbildung an einer Sportakademie des Bundes nachweisen.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob es sich bei den festgestellten Verwaltungsübertretungen des Gewerbetreibenden um schwerwiegende Verstöße im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 handelt, danach zu beurteilen, ob sich unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen (vgl. VwGH 26.2.2014, Ro 2014/04/0013; 9.4.2013, 2012/04/0151; 14.3.2012, 2011/04/0209; 18.6.2012, 2012/04/0026; 28.2.2012, 2011/04/0171 etc.).

Ob schwerwiegende Verstöße vorliegen, ist auf Grund des bezughabenden Straferkenntnisses bzw. der Straferkenntnisse zu beurteilen. Schwere Verletzungen sind nach der Judikatur des VwGH etwa dann anzunehmen, wenn die Verstöße trotz erfolgter Bestrafung wiederholt begangen wurden (vgl. VwGH 23.5.2014, Ro 2014/04/0009 mit Verweis auf 11.9.2013, 2013/04/0107 sowie auf die Erkenntnisse vom 22.5.2012, 2012/04/0062 und vom 18.10.2012, 2012/04/0122, jeweils mwN). Da sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den schwerwiegenden Verstößen ergibt, bedarf es bei der Beurteilung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 3 erfüllt ist, keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers (vgl. VwGH 13.12.2000, 2000/04/0180 mit Verweis auf das Erkenntnis vom 14.4.1999, 99/04/0001; Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung 20113, § 87 Rz 14). Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass auf Grund von rechtskräftigen und nicht getilgten Bestrafungen feststeht, dass der Gewerbeinhaber schwerwiegende und noch nicht lange zurückliegende – somit für seine Zuverlässigkeit jedenfalls noch relevante – Verstöße rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. VwGH 23.5.2014, Ro 2014/04/0009 mwN). Bei bereits getilgten Bestrafungen ergibt sich jedoch die mangelnde Zuverlässigkeit nicht zwingend aus den rechtskräftigen Bestrafungen wegen schwerwiegender Verstöße. In solchen Fällen hat die Behörde anhand des sich aus den Verstößen ergebenden Persönlichkeitsbildes des Gewerbetreibenden zu beurteilen, ob dieser die Zuverlässigkeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 besitzt. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, ob der Gewerbetreibende in der Folge gleichartige Verstöße begangen hat, weil der Rückfall trotz rechtskräftiger Bestrafung ein wichtiges Indiz für die Unzuverlässigkeit darstellt (VwGH 25.6.2008, 2007/04/0137; Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung 20113, § 87 Rz 14).

A ist seit 1.5.2014 Inhaberin der Gewerbeberechtigung „Lebens- und Sozialberatung, ausgenommen Ernährungsberatung und sportwissenschaftliche Beratung“. Lebens- und Sozialberater beraten und betreuen gesunde Einzelpersonen, Paare, Familien, Teams oder Gruppen in Fragen der Persönlichkeitsentwicklung, Entscheidungsfindung, in Problem- oder Krisensituationen. Dadurch sollen insbesondere belastende oder schwer zu bewältigende Situationen erleichtert und positiv verändert werden (vgl. Raschauer in Ennöckl, Raschauer, Wessely, Kommentar zur Gewerbeordnung 1994, § 94, Rz 78).

Mit den Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, *** bzw. ***, werden Übertretungen der Bestimmungen des NÖ Hundehaltegesetzes geahndet, die grundsätzlich keinerlei Bezug zum gegenständlichen Gewerbe haben. Auch die mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 31. August 2017, ***, geahndete Verwaltungsübertretung – nämlich die nicht fristgerechte Übermittlung des Identifizierungsdokumentes (Pferdepass) nach dem Tod eines Pferdes an die Behörde – steht in keinerlei Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gewerbe. Allerdings hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie das gegenständliche Gewerbe in Form einer tiergestützten Beratung ausgeübt hat, wobei sie eben neben Hunden auch Pferde oder Esel eingesetzt hat. Seit Verhängung des Hundehalteverbots übt sie das Gewerbe nicht mehr aus. Für den in § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 geforderten Konnex zum betreffenden Gewerbe ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entscheidend, dass der Gewerbeinhaber einen Teil der Tathandlungen bei der Ausübung anderer, von der Entziehung nicht betroffener Gewerbe begangen hat, sofern die dabei übertretenen Rechtsvorschriften auch bei der Ausübung des gegenständlichen, von der Entziehung betroffenen Gewerbes zu beachten sind (vgl. VwGH 18.9.2019, Ra 2019/04/0102 mit Verweis auf E 23.5.2014, Ro 2014/04/0009, mwN). Da die Beschwerdeführerin das gegenständliche Gewerbe unter Einbeziehung von Tieren ausübt, sind ausgehend von dieser höchstgerichtlichen Judikatur gegenständlich die Bestimmungen des NÖ Hundehaltegesetzes und auch des Tierseuchengesetzes bei Ausübung des Gewerbes relevant.

Bei der mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 31.8.2017, *** geahndeten Verwaltungsübertretung handelt es sich um keinen schwerwiegenden Verstoß, wurde doch lediglich die nicht fristgerechte Übermittlung des Pferdepasses nach dem Tod eines Pferdes an die Behörde bestraft. Nachteilige Folgen der Tat sind nicht hervorgekommen, auch die Höhe der verhängten Strafe (150,-- Euro) indiziert, dass es sich um eine lediglich geringfügige Verwaltungsübertretung handelt.

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 22.9.2019, ***, wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 300,-- verhängt, da sie zumindest am 15.1.2019 drei Hunde, einen Rottweiler, einen Pitbull-Terrier und einen Jack Russell Terrier, gehalten hat, obwohl das Halten von mehr als zwei Hunden in einem Haushalt gemäß § 2 NÖ Hundehaltegesetz verboten ist. Beim Rottweiler und dem Pit-Bull-Terrier handelt es sich um Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential gemäß § 2 NÖ Hundehaltegesetz. Drei Jack Russell Terrier wurden mit Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 25.7.2018, Zl. ***, als auffällig gemäß § 3 NÖ Hundehaltegesetz eingestuft, einen davon hat sie auch am 15.1.2019 gehalten. Im Hinblick darauf, dass gemäß § 6 Abs. 1 Z. 6 NÖ Hundehaltegesetz die Gemeinde einem Hundehalter oder einer Hundehalterin das Halten eines Hundes gemäß § 2 oder § 3 untersagen kann, wenn mehr als zwei Hunde gemäß § 2 und § 3 in einem Haushalt gehalten werden und die Ausnahmen des § 5 Abs. 2 nicht gegeben sind, und somit gesetzlich eine erhebliche Sanktion vorgesehen ist, ist nicht mehr von einem nur geringfügigen Verstoß auszugehen.

Bei der mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 30.7.2018, ***, geahndeten Verstoß handelt es sich zweifelsohne um einen schwerwiegenden Verstoß, wurde doch ein ihr zur Betreuung anvertrautes Kind von ihrem Rottweiler gebissen. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung dazu ausgeführt, dass der Vorfall sich am Ende der Betreuung ereignet habe und dadurch ausgelöst worden sei, dass das Kind sich nicht an ihre Anweisungen gehalten habe. Abgesehen davon, dass das erkennende Gericht an die rechtskräftige Verwaltungsstrafvormerkung gebunden ist, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, den Vorfall zu entschuldigen, da es an ihr als Betreuungsperson gelegen wäre, jedenfalls Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass ein betreuter Minderjähriger in einem unbeaufsichtigten Moment mit den Hunden in Kontakt kommen kann. Auch wenn es sich hierbei um ein Fahrlässigkeitsdelikt handelt, ist es dennoch als schwerwiegend zu beachten.

Im Ergebnis liegen somit zwei schwerwiegende und ein geringfügiger Verstoß im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 vor. Hier ist allerdings zu beachten, dass das gegenständliche Gewerbe der „Lebens- und Sozialberatung, ausgenommen Ernährungsberatung und sportwissenschaftliche Beratung“ jedenfalls auch ohne Beiziehung von Tieren ausgeübt werden kann, die Beiziehung von Tieren ist nicht Voraussetzung für das gegenständliche Gewerbe. Mit den genannten Strafverfügungen wurden auch nicht Verstöße gegen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 selbst bestraft, sondern eben Übertretungen von Rechtsvorschriften, die in Zusammenhang mit der Haltung von Tieren zu beachten sind, wobei nur in einem Fall das Schutzinteresse des Schutzes vor Gefährdungen der Gesundheit und der körperlichen Sicherheit verletzt wurde. Die Verstöße erreichen daher insgesamt nicht jenen Schweregrad, der für die Erfüllung des Erziehungstatbestandes des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 erforderlich ist (vgl. VwGH 17.6.2014, Ro 2014/04/0025). Eine Entziehung der Gewerbeberechtigung ist daher nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Grundrecht der Erwerbsfreiheit eine unverhältnismäßige Maßnahme. Hier ist auch zu beachten, dass im Sommer 2019 über A ein Hundehalteverbot verhängt wurde, welches zwar noch nicht rechtskräftig ist, allerdings wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen. Derzeit sind die Hunde nicht mehr bei A untergebracht. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist eine Entziehung der Gewerbeberechtigung eine überschießende Maßnahme. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich kommt daher zur Auffassung, dass die Zuverlässigkeit von A als noch gegeben anzusehen ist. Festzuhalten ist noch, dass gegen die nunmehrige Beschwerdeführerin ein gerichtliches Strafverfahren vor dem Bezirksgericht *** wegen Körperverletzung anhängig ist, da eine weitere Person, D, von einem der Hunde der Beschwerdeführerin gebissen wurde. Abgesehen, dass dieses Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, ist es gegenständlich nicht relevant, stellt doch eine strafrechtliche Verurteilung allenfalls einen eigenen Entziehungstatbestand gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 dar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeberechtigung; Entziehung; Zuverlässigkeit; schwerwiegender Verstoß;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1011.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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