TE Bvwg Beschluss 2019/1/11 L527 2180008-1

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Veröffentlicht am 11.01.2019
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Entscheidungsdatum

11.01.2019

Norm

AsylG 2005 §18
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §58 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L527 2180008-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch den Verein Menschrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX2017, Zl. XXXX:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt I des Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin reiste XXXX 2015 mit einem Visum aus dem Iran nach Österreich ein und stellte hier am XXXX2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im bisherigen Verfahren brachte sie - zusammengefasst - im Wesentlichen Folgendes vor: Ihr zwischenzeitlich verstorbener Vater sei Moslem gewesen; sie sei als Moslemin geboren. Im Alter von 17 Jahren habe sie herausgefunden, dass ihre Mutter und deren Familie Bahai seien. In der Folge habe die Beschwerdeführerin Interesse am Bahaitum entwickelt. Ihr Vater sei strikt dagegen gewesen, dass die Beschwerdeführerin konvertiere. Von 2005 bis 2010 sei sie zum Studium in England gewesen. Bereits in dieser Zeit habe sie Bahai werden wollen. Im Alter von 24 Jahren sei sie in den Iran zurückgekehrt und habe viel Zeit mit ihrer Mutter verbracht. Die Beschwerdeführerin habe sich den Glauben näherbringen lassen wollen. Jene Person, die sie in den Glauben hätte einführen sollen, sei jedoch verhaftet worden. Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter haben an Bahai-Versammlungen teilgenommen. Unter anderem die Mutter sei telefonisch bedroht worden. Zwischen den Eltern der Beschwerdeführerin sei es zum Streit gekommen. Der Vater habe gedroht, die Beschwerdeführerin aus der Wohnung "hinauszuschmeißen", sollte sie Bahai werden. Verwandte der Beschwerdeführerin, die Bahai seien, haben Problemen, z. B. seien einige entlassen, beschimpft und erniedrigt worden. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei "immer im Sommer" für ca. ein Monat nach Österreich gekommen. Die Mutter habe in Österreich Kontakt zum "Bahai Center" aufgenommen. In der Folge habe die Beschwerdeführerin einen Kurs absolviert und sei in Österreich zum Bahaitum konvertiert. Sie habe deswegen Drohungen erhalten. Die Geheimpolizei wisse von der Konversion. Wegen des Glaubenswechsels würde man sie im Iran hängen.

Mit dem (teilweise) angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II erkannte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und unter Spruchpunkt III erteilte die Behörde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis XXXX.

Gegen Spruchpunkt I dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin die vorliegende Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist iranische Staatsangehörige, reiste XXXX 2015 mit einem Visum aus dem Iran nach Österreich ein und stellte hier am XXXX2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am XXXX2016 fand die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Als Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an, wegen ihres Übertritts zum Bahaitum von den iranischen Behörden verfolgt worden zu sein. Im Falle der Rückkehr in den Iran fürchte sie um ihr Leben.

1.3. Am XXXX2017 wurde die Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde einvernommen. Auch dabei brachte sie vor, dass sie wegen ihres Glaubenswechsels im Iran getötet, konkret gehängt, werden würde. Unbekannte Personen seien hinter ihr her. Sie habe Drohanrufe erhalten. Die Geheimpolizei wisse von ihrem Glaubenswechsel.

1.4. Mit dem (teilweise) angefochtenen Bescheid XXXX2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II erkannte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und unter Spruchpunkt III erteilte die Behörde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis

XXXX.

1.5. Der angefochtene Bescheid ist in formeller Hinsicht chaotisch. So finden sich unter der Überschrift "D) Beweiswürdigung" folgende (Negativ-)Feststellungen, bisweilen vermengt mit rechtlichen Beurteilungen:

* "Es wird festgestellt, dass Ihnen bekannt war, klar war und dass Sie wussten (Sic!) was Ihnen droht und welche Konsequenzen ein Glaubenswechsel mit sich bringt." (Bescheid S. 90)

* "Es wird festgestellt, dass Sie genau wussten, was passiert, wenn Sie Ihren Glauben ändern. Sie haben dies wissentlich und willentlich in Kauf genommen, damit Sie nicht zurückkehren können bzw. müssen."

(Bescheid S. 91)

* "Es kann nicht festgestellt werden, dass Ihr Vater einen Herzinfarkt erlitten hat." (Bescheid S. 91)

* "Es wird festgestellt, dass [der Beschwerdeführerin] die Folgen und Konsequenzen Ihrer (Sic!) Glaubensänderung zur Bekenntnisgemeinschaft der Bahá'í bewusst und bekannt waren und Sie (Sic!) diese willentlich und wissentlich in Kauf genommen habe, weshalb von der Behörde nicht von einer Verfolgung in asylrelevanter Intensität iSd Genfer Flüchtlingskonvention aus religiösen und politischen Gründen ausgegangen wird." (Bescheid S. 92)

1.6. Unter der Überschrift "E) Rechtliche Beurteilung" "Zu Spruchpunkt I.:" wiederum trifft die belangte Behörde Feststellungen zur Situation der Bahai im Iran (Bescheid S. 96 f), z. B.: "Nicht zu den anerkannten Religionen gehört der Bahá'i -Glaube. Aus diesem Grund werden vor allem Mitglieder des Bahá'i -Glaubens systematisch verfolgt, da sie - weil sie Propheten zeitlich auch nach Mohammed akzeptieren - als abtrünnige Moslems gelten." (vgl. auch Bescheid S. 62)

1.7. Der angefochtene Bescheid ist außerdem in vielfacher Hinsicht inhaltlich unschlüssig. Insbesondere sind die Sachverhaltsfeststellungen, die sich, wie festgestellt, bisweilen nicht unter der entsprechenden Überschrift finden, krass widersprüchlich. Die belangte Behörde hat im Ergebnis nicht festgestellt, ob die Beschwerdeführerin gar nicht oder nur vorübergehend, um Asyl zu erlangen, oder aus innerer Überzeugung zum Bahaitum konvertiert ist. Vgl. dazu neben den folgenden auch die bereits wiedergegebenen Zitate aus dem angefochtenen Bescheid.

* "Eine asylrelevante Verfolgung konnten Sie nicht glaubhaft vorbringen, bzw. dass Sie eine solche Verfolgung in Zukunft zu befürchten hätten." (Bescheid S. 16)

* "Aus Ihren gemachten Angaben ergeben sich keine Anknüpfungspunkte zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten und zu einer Asylgewährung führenden Gründen." (Bescheid S. 88)

* "Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats: [...] Ihr Vorbringen ist weder schlüssig noch glaubhaft. [...]" (Bescheid S.88 bzw. 89, Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht)

* "Sie gaben an, dass Sie Ihren Glauben zur Bekenntnisgemeinschaft der Bahá'í änderten und konnten auch eine Erklärung zur Bahá'í und einen dementsprechenden Ausweis vorlegen. Auf dem handgeschriebenen Ausweis ist Ihr Name [...], eine Reg.-Nr. [...], Valid [...] sowie ein Stempel der ‚Der Nationale Geistige Rat der Bahá'í in Österreich' ersichtlich. Dennoch erscheint Ihre Glaubensänderung aus den angeführten Gründen nicht überzeugend und glaubhaft." (Bescheid S. 93, Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht)

* "In Ihrem Herkunftsland Iran haben Sie ein soziales und familiäres Netz. Trotzdem geht die Behörde in Ihrem konkreten Einzelfall derzeit, zumal Sie Ihren Glauben zur Bahá'íschen Bekenntnisgemeinschaft in Österreich wechselten (änderten), von einer realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus." (Bescheid S. 99; Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht)

* "In Ihrem Herkunftsland Iran besuchten Sie zwölf Jahre die Schule, haben maturiert und anschließend besuchten Sie fünf Jahre die Universität, XXXX in England, welches (Sic!) Sie aber nicht abgeschlossen haben. XXXX 2015 haben Sie den Iran mittels eines Studentenvisums verlassen und kamen nach Österreich (Sic!) um hier XXXX zu studieren. Ihr in Österreich begonnenes Studium haben Sie aufgegeben, Ihr Aufenthaltstitel ist abgelaufen und Sie wechselten in Österreich zum Glauben der Bahá'í." (Bescheid S. 99 f, Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht)

* "Nicht zu den anerkannten Religionen gehört der Baha'i-Glaube. Aus diesem Grund werden vor allem Mitglieder des Baha'i-Glaubens systematisch verfolgt, da sie - weil sie Propheten zeitlich auch nach Mohammed akzeptieren - als abtrünnige Moslems gelten. [...] In den letzten zehn Jahren wurden rund 850 Baha'is willkürlich verhaftet [...]." (Bescheid S. 62, vgl. auch S. 96 f; Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht)

1.8. Auch im Übrigen fehlen Ermittlungen zu mehreren - da sie das Fluchtvorbringen betreffen - wesentlich erscheinenden Sachverhaltselementen:

Unter "C) Feststellungen" "Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:" und "Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:" stellt die belangte Behörde vielfach lediglich fest, was die Beschwerdeführerin ausgesagt hat: "Laut Ihren Angaben ..."; "Sie gaben an ..." (Bescheid S. 16); "Laut Ihren Angaben haben Sie in XXXX veröffentlicht, dass Sie Bahá'í geworden sind." (Bescheid S. 17). Dass die belangte Behörde dazu selbst Ermittlungen angestellt hat (und welche allenfalls), ist weder dem Bescheid noch dem sonstigen Akt zu entnehmen.

Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, wann die von der Beschwerdeführerin in ihrer Befragung vor der belangten Behörde geschilderten Ereignisse ("Fluchtgründe"; Niederschrift vom XXXX2017, S. 4 f) im Zeitraum zwischen ihrer Rückkehr in den Iran aus England 2010 und ihrer Ausreise nach Österreich 2015 konkret stattgefunden haben sollen und wie sie diese Zeit ansonsten verbracht hat.

Die belangte Behörde hat weder ermittelt noch festgestellt, wie die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Hinwendung zum Bahaitum in Österreich und die Kontaktaufnahme mit dem Bahai Center Austria im Einzelnen erfolgt ist.

Die belangte Behörde hat es - ohne erkennbaren Grund - unterlassen, ein von der Beschwerdeführerin in der Einvernahme (Niederschrift vom XXXX2017, S. 6) namentlich benanntes Mitglied des Bahai Centers Austria als Zeugen zur behaupteten Konversion und Glaubensüberzeugung der Beschwerdeführerin zu befragen. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin hat diese Person eine wichtige Rolle bei der Hinwendung der Beschwerdeführerin zur Gemeinschaft der Bahai in Österreich gespielt. Ebenso wenig hat die belangte Behörde ein Mitglied des Nationalen Geistigen Rates der Bahai in Österreich, der über die Aufnahme der Beschwerdeführerin in die Gemeinde der Bahai in Österreich entschieden hat, als Zeugen einvernommen.

1.9. Das Bundesverwaltungsgericht musste bereits mehrmals feststellen, dass die belangte Behörde die Einvernahme von Personen als Zeugen zur Beurteilung eines vom jeweiligen Beschwerdeführer behaupteten Glaubenswechsels unterlassen hat. Angesichts dessen liegt der Schluss nahe, dass die Zeugeneinvernahme als grundsätzlich gebotene Ermittlungsmaßnahme von der belangten Behörde mit der Intention unterlassen wird, dass sie das Bundesverwaltungsgericht vornimmt.

1.10. Das Bundesverwaltungsgericht kann die notwendigen Ermittlungen keinesfalls rascher durchführen und auch den Sachverhalt keinesfalls rascher feststellen als die belangte Behörde. Es wäre keineswegs mit einer Kostenersparnis - und erst recht nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, würde das Bundesverwaltungsgericht statt der belangten Behörde die erforderliche Ermittlungstätigkeit und Sachverhaltsfeststellung vornehmen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Einreise der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den im Akt enthaltenen unbedenklichen Unterlagen (Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister vom XXXX2017 und XXXX2016; Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin, in den Auszügen aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister als "authentisch (echt)" klassifiziert) sowie aus den damit übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin im behördlichen Verfahren.

2.2. Die Feststellungen zum Gang des Verfahrens konnten ohne Weiteres auf Grundlage des Aktes getroffen werden (Niederschrift über die Erstbefragung vom XXXX2016, Niederschrift im Verfahren vor der belangten Behörde vom XXXX2017; angefochtener Bescheid vom XXXX2017).

2.3. Die Feststellungen zum Aufbau und Inhalt des angefochtenen Bescheides sowie den von der belangten Behörde gesetzten bzw. unterlassenen Ermittlungsmaßnahmen stützen sich auf den Bescheid und sonstigen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsakts.

2.4. Die Feststellung dazu, dass die belangte Behörde gebotene Zeugeneinvernahmen unterlässt, war im Lichte zahlreicher Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu treffen.

Exemplarisch wird verwiesen auf: BVwG 01.03.2018, L512 1430869-2; BVwG 15.02.2018, L509 2181399-1; BVwG 13.02.2015, L516 2013126-1 (jeweils im Zusammenhang mit behaupteter Konversion) sowie BVwG 25.05.2016, L521 2123001-1; BVwG 04.07.2016, L521 2127194-1; BVwG 06.12.2016, L521 2138871-1; BVwG 06.02.2017, L521 2136593-1 sowie BVwG 09.10.2017, L521 1415020-3 (jeweils anderes Vorbringen als Konversion). Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts erscheint daher der Schluss berechtigt, dass Zeugeneinvernahmen als grundsätzlich gebotene Verfahrensschritte von der belangten Behörde regelmäßig mit der Intention unterlassen werden, dass diese durch das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden.

2.5. Schon aus der Tatsache, dass das vom Bundesverwaltungsgericht zu führende Verfahren ein Mehrparteienverfahren ist (vgl. § 18 VwGVG), folgt eindeutig, dass das Bundesverwaltungsgericht die notwendigen Ermittlungen keinesfalls rascher durchführen und auch den Sachverhalt keinesfalls rascher feststellen könnte als die belangte Behörde. Auch die Feststellung, dass es keineswegs mit einer Kostenersparnis - und erst recht nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, würde das Bundesverwaltungsgericht statt der belangten Behörde die erforderliche Ermittlungstätigkeit und Sachverhaltsfeststellung vornehmen, ergibt sich daraus.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht. Die Verfolgung kann gemäß § 3 Abs 2 AsylG auch auf so genannten objektiven oder subjektiven Nachfluchtgründen beruhen.

3.2. Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.3. Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide grundsätzlich zu begründen. In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (§ 60 AVG; vgl. mit Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs Hengstschläger/Leeb, AVG § 60 Rz 18 f (Stand 1.7.2005, rdb.at)).

3.4. Ein Bescheid, mit dem darüber abgesprochen wird, ob einem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, muss demnach Feststellungen in Bezug auf jene Sachverhaltselemente enthalten, die nach dem Gesetz Voraussetzung für den Status des Asylberechtigten sind. Im Lichte des Vorbringens der Beschwerdeführerin wären das insbesondere - widerspruchsfreie und schlüssige - Feststellungen dazu, ob die Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht hat, dass sie tatsächlich aus innerer Überzeugung zum Bahaitum konvertiert ist; welche Konsequenzen ihr wegen einer allfälligen echten Konversion, oder gegebenenfalls wegen einer Scheinkonversion, bei Rückkehr ihren Herkunftsstaat drohen würden; etc.

3.5. Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht. Wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, ist der Bescheid gerade in den entscheidenden Punkten widersprüchlich. Die belangte Behörde hat, wie oben ausgeführt, nämlich einerseits festgestellt, eine Glaubensänderung der Beschwerdeführerin sei nicht glaubhaft und sie habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft vorbringen können. Andererseits hat die belangte Behörde festgestellt, die Beschwerdeführerin sei in Österreich zum Glauben der Bahai gewechselt und dass Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin systematisch verfolgt werden. Damit hat die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht festgestellt.

3.6. § 18 AsylG verpflichtet die belangte Behörde, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

3.7. Der Verwaltungsgerichtshof betont in seiner ständigen Rechtsprechung, dass § 18 AsylG für das Asylverfahren eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen (mwN VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0236).

3.8. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt ein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre eingreift, etwa im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfGH 20.02.2015, E 1278/2014 mwN).

3.9. Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (zuletzt VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0236).

3.10. Auch diesen Anforderungen ist die belangte Behörde im gegenständlichen Fall nicht gerecht geworden: Die Behörde hätte jedenfalls das von der Beschwerdeführerin namhaft gemachte Mitglied des Bahai Centers Austria einvernehmen müssen, um den behaupteten Religionswechsel adäquat beurteilen zu können, gegebenenfalls auch ein Mitglied des Nationalen Geistigen Rates der Bahai in Österreich. Die (jeweilige) Einvernahme hätte die Behörde von Amts wegen vornehmen müssen, auch ohne einen (förmlichen) Beweisantrag der Beschwerdeführerin.

3.11. Gemäß § 28 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Regel durch Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 VwGVG nicht vor, ist das Verwaltungsgericht nach § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG berechtigt, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen, wenn diese notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Zulässig ist eine Zurückverweisung insbesondere bei "krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken" (mit Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 118 (Stand 15.2.2017, rdb.at)). Ausdrücklich für zulässig befunden hat der Verwaltungsgerichtshof ein Vorgehen nach § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG unter anderem in jenen Fällen, in denen die belangte Behörde den Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. mwN VwGH 14.12.2015, Ra 2015/09/0057) und "in denen die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt gar nicht festgestellt und damit keine ‚brauchbaren Ermittlungsergebnisse' geliefert hat." (mit Verweis auf VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088, und VwGH 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 123 (Stand 15.2.2017, rdb.at)) Eine Zurückverweisung der Angelegenheit ist jedenfalls auch gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen mit der Intention unterlassen hat, dass sie in der Folge das Verwaltungsgericht durchführt; mit Verweis auf zahlreiche Judikate des VwGH Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 118 (Stand 15.2.2017, rdb.at).

3.12. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit Beschluss und die Zurückverweisung der Angelegenheit sind erfüllt: Im Bescheid hat die belangte Behörde zwar Feststellungen getroffen, aber, wie ausgeführt, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt gerade nicht festgestellt. Die Behörde hat zu entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen einander widersprechende Feststellungen getroffen, sodass im Ergebnis keine Sachverhaltsfeststellungen vorliegen, die geeignet wären, einen Abspruch über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihr den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, zu tragen. Wie das Bundesverwaltungsgericht oben festgestellt hat, hat die belangte Behörde außerdem zu wesentlichen Sachverhaltsfragen keine Ermittlungen angestellt und im Bescheid (folglich) dazu auch keine Feststellungen getroffen. Die Behörde hat insbesondere auch eine - im Lichte des Fluchtvorbringens - eindeutig gebotene Zeugeneinvernahme ohne erkennbaren Grund unterlassen.

3.13. Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren insbesondere zu ermitteln, ob die Beschwerdeführerin zum Bahaitum konvertiert ist und ob es sich allenfalls um eine echte, innere Konversion oder um eine so genannte Scheinkonversion handelt; vgl. z. B. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0236; VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0091. Daran anknüpfend hat die Behörde zu ermitteln und festzustellen, welche Konsequenzen die Beschwerdeführerin - entweder im Falle einer echten, inneren Konversion oder im Falle eines bloß der Asylerlangung dienenden Wechsels zum Bahaitum - in ihrem Herkunftsstaat zu befürchten hätte; vgl. mwN VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0117. Dazu werden jedenfalls erforderlich sein:

* eine (erneute) und ausführliche Einvernahme der Beschwerdeführerin (insbesondere zu ihrer persönlichen Situation im Iran zwischen 2010 und ihrer Ausreise nach Österreich, zu den Motiven für die vorgebrachte Konversion, zur Kontaktaufnahme mit der Bahai Religionsgemeinschaft Österreich/dem Bahai Center Austria, zur Vorbereitung auf die Aufnahme in die Gemeinde der Bahai, zur Aufnahme selbst, zu ihren aktuellen Glaubensaktivitäten und ihrer aktuellen Glaubensüberzeugung),

* Ermittlungen zur allfälligen religiösen Betätigung der Beschwerdeführerin in sozialen Medien und

* die Einvernahme des von der Beschwerdeführerin namhaft gemachten Mitglieds des Bahai Centers Austria (Niederschrift vom XXXX2017, S. 6) als Zeugen und, soweit es sich bei dieser Person nicht zugleich um ein Mitglied des Nationalen Geistigen Rates der Bahai in Österreich handelt, auch eines Mitglieds eben des Nationalen Geistigen Rates der Bahai in Österreich ebenfalls als Zeugen.

Nach diesen und allenfalls erforderlichen weiteren zweckmäßigen Ermittlungsschritten hat die belangte Behörde das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen und individuellen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen. Dabei hat die Behörde von der Beschwerdeführerin neu behauptete Geschehnisse - und auch ihre Rechtfertigung für den Zeitpunkt ihres Vorbringens - individuell und schlüssig daraufhin zu überprüfen, ob diese einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist vollständig zu ermitteln und im zu erlassenden Bescheid sind jene individuellen Feststellungen zu treffen, die erforderlich sind, um über die Begründetheit des Antrags der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von internationalem Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten abzusprechen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

3.14. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.15. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zum einen war gegenständlich in erster Linie maßgeblich, ob die belangte Behörde im vorliegenden Fall den entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt und ob sie im konkret angefochtenen Bescheid taugliche, schlüssige und widerspruchsfreie Feststellungen getroffen hatte. Dieser Frage kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Zum anderen sind die für den Beschluss bedeutsamen Rechtsfragen - wie sich aus den oben angeführten Zitaten eindeutig ergibt - hinreichend geklärt. Vgl. im Übrigen VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109, wonach es keine grundsätzliche Rechtsfrage darstelle, ob das Verwaltungsgericht die zu § 28 Abs 3 VwGVG 2014 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs angesichts der einzelfallbezogen vorgelegenen Verfahrenskonstellation in jeder Hinsicht korrekt angewendet hat. Der Beschluss steht demnach im Einklang mit der entsprechenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und der in der zitierten Literatur vertretenen Rechtsauffassung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung,
Asylverfahren, begründete Furcht vor Verfolgung, Begründungsmangel,
Begründungspflicht, Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht,
Glaubhaftmachung, Kassation, Konversion, mangelhaftes
Ermittlungsverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, religiöse
Gründe, Scheinkonversion, wohlbegründete Furcht, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L527.2180008.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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