TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/11 W137 2101550-1

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Veröffentlicht am 11.12.2018
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Entscheidungsdatum

11.12.2018

Norm

BFA-VG §7 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76 Abs1
VwGVG §35

Spruch

W137 2101550-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter Hammer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ghana alias Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2015, Zl. 1044653407 - 150190708, sowie die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft (von 19.02.2015 bis 27.02.2015) zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 1 FPG iVm Art. 28 Dublin III-VO stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom 19.02.2015 ersatzlos aufgehoben. Unter einem wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 19.02.2015 bis 27.02.2015 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 06.11.2014 in Österreich einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vorgenommene EURODAC-Abfragen ergaben zwei Treffer für Italien (19. August und 9. September 2013) sowie einen Treffer für die Schweizerische Eidgenossenschaft (10. Juni 2014).

2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.01.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 idgF als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz wurde gemäß Art. 18 (1) lit. d iVm Art. 25 (2) der Dublin III-VO Italien für zuständig erklärt. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG wurde dessen Außerlandesbringung angeordnet und gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt. Nachdem der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht ohne Weiteres feststellbar war, erfolgte die Zustellung durch Hinterlegung im Akt und erwuchs der Bescheid am 04.02.2015 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer wurde am 19.02.2015 im Bundesgebiet festgenommen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 19.02.2015, Zl. 1044653407/150190708, wurde über den Beschwerdeführer gemäß Art 28 der Verordnung (EU) 604/2013 in Verbindung mit § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Zur rechtlichen Position des Beschwerdeführers in Österreich wurde ausgeführt, dass von einer "Zuständigkeit Italiens auszugehen" sei.

4. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 24.02.2015 Beschwerde erhoben und ausdrücklich die Schubhaftanordnung sowie die Anhaltung in Schubhaft bekämpft. Die Verhängung der Schubhaft erweise sich als unverhältnismäßig und sei nicht erforderlich, weil der Beschwerdeführer "ohnehin bereit" sei "freiwillig nach Italien auszureisen".

Das Bundesamt beabsichtige, den Beschwerdeführer nach Italien zu überstellen und die Dublin III VO sei im gegenständlichen Fall anwendbar. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung des § 76 Abs. 1 FPG lege jedoch keine gesetzlichen Kriterien der Annahme der Fluchtgefahr, wie gemäß Art 2 lit. n der Dublin III VO vorgesehen, fest.

Beantragt wurde, a) eine mündliche Verhandlung durchzuführen; b) den Schubhaftbescheid zu beheben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und c) dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu ersetzen und ihn von der Eingabegebühr zu befreien.

Mit der Beschwerde wurde eine Vollmacht des im Spruch genannten Vertreters vorgelegt.

5. Das Bundesamt brachte mit Beschwerdevorlage vom 24.02.2015 eine Stellungnahme ein und beantragte, die Beschwerde abzuweisen, festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien und den Beschwerdeführer zum Ersatz des Vorlage- sowie Schriftsatzaufwandes zu verpflichten.

6. Die Dublin Abteilung des italienischen Innenministeriums teilte dem Bundesamt mit Schreiben vom 26.02.2015 mit, dass der Übernahme des Beschwerdeführers nicht zugestimmt werden könne. Dem Beschwerdeführer sei in Italien subsidiärer Schutz zuerkannt worden. Daher falle das Verfahren (nicht) mehr in die Zuständigkeit der italienischen Dublin-Behörde. Eine mögliche Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien habe daher allenfalls auf Grundlage zwischenstaatlicher Polizeiabkommen zu erfolgen.

7. Auf Grundlage dieses Schreibens verfügte das Bundesamt am 27.02.2015 die Entlassung des Beschwerdeführers aus der Schubhaft.

Mit Aktenvermerk vom 02.03.2015 hielt das Bundesamt fest, dass der Beschwerdeführer bei keiner Einvernahme angegeben habe, dass ihm in Italien "die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt" worden sei. Dies sei auch nicht in der gegen den Schubhaftbescheid erhobenen Beschwerde vorgebracht worden. Im Hinblick auf die zur Verfügung gestandenen Informationen seien die Verfahren des Bundesamtes rechtskonform geführt worden.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.04.2015 wurde der Bescheid des Bundesamtes vom 23.01.2015, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 idgF als unzulässig zurückgewiesen und für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 (1) lit. d iVm Art. 25 (2) der Dublin III-VO Italien für zuständig erklärt wurde, von Amts wegen aufgehoben.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.06.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt und gegen ihn die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 2 FPG angeordnet sowie festgestellt, dass die Abschiebung nach Italien zulässig sei. Der Bescheid wurde durch Hinterlegung im Akt am 11.06.2015 zugestellt und ist am 19.06.2015 in Rechtskraft erwachsen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1044653407 - 150190708, sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet:

"§ 22a (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Zu A)

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft:

Die Anordnung der Schubhaft im angefochtenen Bescheid vom 19.02.2015 basierte auf dem Bescheid des Bundesamtes vom 23.01.2015, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 idgF als unzulässig zurückgewiesen und für die Prüfung dieses Antrages gemäß Art. 18 (1) lit. d iVm Art. 25

(2) der Dublin III-VO Italien für zuständig erklärt worden war. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG wurde dessen Außerlandesbringung angeordnet und gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt. Nachdem der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht ohne Weiteres feststellbar war, erfolgte die Zustellung durch Hinterlegung im Akt und erwuchs der Bescheid am 04.02.2015 in Rechtskraft.

Somit stützte sich das Bundesamt bei der Anordnung der Schubhaft am 19.02.2015 gemäß Art 28 der Verordnung (EU) 604/2013 in Verbindung mit § 76 Abs. 1 FPG auf einen - wenn auch rechtswidrigen und später amtswegig aufgehobenen - zu diesem Zeitpunkt dem Rechtsbestand angehörenden Bescheid, demzufolge gemäß Art. 18 (1) lit. d iVm Art. 25 (2) der Dublin III-VO Italien für die Prüfung des Antrages auf Gewährung von internationalem Schutz als zuständig erklärt worden war.

3.1. Art. 28 der seit 01.01.2014 anzuwendenden Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. 29. Juni 2013, L 180, 31 (Dublin III-VO), regelt die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung.

Danach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Allerdings dürfen sie nach Abs. 2 im Einklang mit dieser Verordnung "die entsprechende Person" zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Unter dem Begriff der "Fluchtgefahr" ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte", zu verstehen.

3.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075, festgehalten hat, verlangt Art. 2 lit. n Dublin III-VO unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof vor allem zum Tatbestand der Ziffer 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, reiche nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten vielmehr gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall sei, komme daher Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung des Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht.

3.3. Da das FPG zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keinen formal-gesetzlich determinierten "Kriterienkatalog" zur Annahme einer Fluchtgefahr verfügte, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als rechtswidrig. Dementsprechend ist auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig anzusehen. Auf weitere Punkte der Beschwerde muss daher nicht näher eingegangen werden.

Nur der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Dublin Abteilung des italienischen Innenministeriums teilte dem Bundesamt mit Schreiben vom 26.02.2015 mit, dass der Übernahme des Beschwerdeführers nicht zugestimmt werden könne. Dem Beschwerdeführer sei in Italien subsidiärer Schutz zuerkannt worden. Daher falle das Verfahren (nicht) mehr in die Zuständigkeit der italienischen Dublin-Behörde. Eine mögliche Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien habe daher allenfalls auf Grundlage zwischenstaatlicher Polizeiabkommen zu erfolgen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

5. Kostenersatz

5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Der Behörde gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz. Der Beschwerdeführer ist auf Grund der Rechtswidrigkeit der Schubhaftanordnung und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft in allen Punkten obsiegende Partei, weshalb er Anspruch auf Kostenersatz (soweit beantragt und im Umfang der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen) hat. Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren und Barauslagen sind im gegenständlichen Verfahren nicht angefallen.

5.3. Eingabegebühr

Der Beschwerdeführer stellt zudem den Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr.

Ein solcher Antrag ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen - es gibt dementsprechend keine rechtliche Grundlage für eine solche Befreiung. Die Eingabegebühr ist zudem in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwendung definiert und insofern auch nicht ersatzfähig. Im Übrigen kann eine "finanzielle Belastung iHv 30 Euro" auch nicht als unüberwindliche oder unverhältnismäßige Hürde zur Wahrnehmung eines Rechtsmittels angesehen werden.

Der Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr ist daher zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung zur Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides und der vollzogenen Schubhaft im konkreten Fall weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese im gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen, wobei es diesbezüglich auch nicht an einer relevanten Rechtsprechung fehlt (vgl. dazu VwGH 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075; 11.05.2017, Ra 2015/21/0108).

Schlagworte

Dublin III-VO, Eingabengebühr, Fluchtgefahr, Kostenersatz,
Rechtsgrundlage, Rechtswidrigkeit, Schubhaft, Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W137.2101550.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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