TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/30 W159 1247386-5

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Veröffentlicht am 30.08.2018
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Entscheidungsdatum

30.08.2018

Norm

AVG §19
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46 Abs2a
FPG §46 Abs2b

Spruch

W159 1247386-5/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. GUINEA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 03.08.2018, Zl.XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Guinea, reiste am 05.01.2003 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am 07.01.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien vom 09.12.2003, XXXX gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 leg. cit. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Guinea für zulässig erklärt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.06.2004, Zl. XXXX wurde der Antragsteller wegen § 27 Abs. 2 SMG (Heroin) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 30.08.2004, Zl. XXXX wegen §§ 15 StGB iVm 27 Abs. 1 und 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten (Heroin und Kokain).

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 19.10.2004, Zl. XXXX wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot ausgesprochen, welches mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18.01.2005, XXXX bestätigt wurde.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22.09.2008, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 15 StGB iVm mit 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt (Heroin).

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion vom 01.10.2008, XXXX wurde ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.

Der Asylgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24.02.2009, XXXX aufgrund der gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes eingebrachten Beschwerde den bekämpften Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien vom 21.04.2010 wurde unter Spruchteil I. der Asylantrag vom 07.01.2003 neuerlich gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und unter Spruchteil II. die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Guinea gemäß § 8 leg. cit. ausgesprochen und unter Spruchteil III. der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Guinea ausgewiesen.

Mit Eingabe vom 13.10.2011 beantragte der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch XXXX, die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und brachte (unter Anschluss einer Heiratsurkunde) vor, dass der Beschwerdeführer mit der in Österreich niedergelassenen polnischen Staatsbürgerin XXXX seit XXXX verheiratet ist und ein gemeinsames Kind nämlich die am XXXX geborene XXXX besitzt. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehegattin stünden aktuell in Arbeit. Die letzte Verurteilung datiere aus 2008 und gehe von dem Beschwerdeführer keine gegenwärtige Gefahr mehr aus.

Der Beschwerdeführer sollte am 06.12.2011 abgeschoben werden. Die Abschiebung wurde aber von ihm vereitelt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 05.12.2011, Zl. XXXX wurde das unbefristete erlassene Rückkehrverbot auf die Dauer von zehn Jahren abgeändert. In der Begründung wurde ausgeführt, dass dieses nunmehr bis zum 01.10.2018 befristet ist.

Mit Berufungsbescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11.05.2012, Zl. XXXX wurde die Berufung gegen die Abänderung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro zur Zl. XXXX vom 01.10.2008 mangels Berufungslegitimation zurückgewiesen, zumal der Beschwerdeführer durch diesen Bescheid nicht beschwert wurde.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 03.08.2018 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG dem Beschwerdeführer aufgetragen zur Einholung eines Ersatz Reisedokumentes den Interviewtermin durch eine Expertendelegation Guinea am 08.08.2018 um 13:30 Uhr persönlich wahrzunehmen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken, wobei er diesen Bescheid und die in seinem Besitz befindlichen relevanten Dokumente mitzubringen habe. Wenn er diesem Auftrag ohne wichtigen Grund nicht Folge leiste, müsse er damit rechnen, dass eine Haftstrafe von 14 Tagen verhängt werde. Unter Spruchpunkt II. wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang wiedergegeben und insbesondere auch festgehalten, dass wohl aufgrund eines alten abgelaufenen Reisepasses die Identität des Beschwerdeadressaten feststehe, er jedoch aus eigenem keine gültigen Originaldokumente vorlege und der Verpflichtung zur Ausreise bisher nicht nachgekommen sei. Rechtlich begründend zur Spruchteil I. wurde insbesondere ausgeführt, dass der nun anstehende Delegationstermin mit einer Vertretung seines Heimatlandes, es dem BFA ermögliche, die Identität des Bescheidadressaten durch autorisierte Vertreter seines Herkunftslandes festzustellen bzw. zu bestätigen, um den Ausstellungsprozess zu Erlangung eines Ersatzreisedokumentes zu forcieren. Ohne Reisedokumente (Ersatzreisedokument) sei eine Durchsetzung einer aufenthaltsbeendeten Maßnahme nicht möglich und habe er die Verpflichtung an der Beschaffung eines Ersatzes (Reisedokumentes) mitzuwirken, dabei seien die gelindesten zum Ziel führenden Zwangsmittel anzuwenden. Bei vermögenslosen und wenig einsichtigen Personen könne dies auch durch Androhung einer entsprechenden Haftstrafe erfolgen, welche im vorliegenden Falle zur Zielerreichung angemessen sei.

Zu Spruchpunkt II. wurde insbesondere ausgeführt, dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aufgrund der überwiegenden öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Bescheides ausgeschlossen sei, zumal er seit der langen bestehenden vollstreckbaren Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und ein weiterer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen widerspreche. Zum fortgesetzten unrechtmäßigen Aufenthalt bestehe auch Gefahr in Verzug und sei für die Durchsetzung der aufenthaltsbeendeten Maßnahme ein Reisedokument erforderlich. Die Tatsache, dass der Bescheidadressat bisher keinerlei Schritte unternommen habe, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen und beharrlich an seinem unrechtmäßigen Aufenthalt festhalte, zeige, dass er kein Interesse an der Einhaltung der Gesetze habe und habe er auch durch massiven Widerstand die geplante Abschiebung am 06.12.2011 verhindert. Aufgrund des bestehenden rechtkräftigen und durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes und der offensichtlichen Weigerung das Bundesgebiet zu verlassen, stelle er alleine schon deswegen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Der Beschwerdeführer entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an dem oben angeführten Termin unter Vorlage einer diesbezüglichen ärztlichen Bestätigung und wurde in der Folge die Festnahme angeordnet und erging am 08.08.2018 ein Festnahmeauftrag.

Am 11.08.2018 wurde der Beschwerdeführer einer fremdenrechtlichen niederschriftlichen Einvernahme unterzogen. In der Darstellung des Verfahrensganges wurde schließlich festgehalten, dass der Bescheidadressat am 10.08.2018 am XXXX einer Kontrolle unterzogen worden sei und sich mit einem (gültigen) guineischen Reisepass sowie einem spanischen Aufenthaltstitel, gültig bis 08.07.2019 auswies, wobei er auch auf den Reisepass seiner Frau XXXX mit sich führte. Zum Zweck seiner Reise befragt gab er an, dass er am 09.08.2018 nach Spanien geflogen sei und am 10.08.2018 wieder zurückgekehrt sei, da er in XXXX einen Freund besucht habe, der eine Party gefeiert habe. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge festgenommen. Er gab an, dass er am 08.08.2018 wohl krank gewesen sei, aber es ihm am 09.08. bereits wieder besser gegangen sei, sodass er nach XXXX habe fliegen können. Aus Angst, dass ihm sein ein bis 2020 gültiger genuesischer Reisepass wieder abgenommen werde, wie ihm schon sein erster Reisepass abgenommen worden sei, habe er der Besitz dieses Reisepasses der Behörde nicht gemeldet. Er pendle derzeit zwischen Spanien und Österreich hin und her und treffe Vorbereitungen mit seiner Familie nach Spanien zu übersiedeln. Konkrete Vorbereitungen für den Umzug habe er noch nicht getroffen. Seine Frau arbeite bei der Firma XXXX. Zumeist sei er in Österreich, aber in Österreich dürfe er nicht arbeiten.

Mit Bescheid vom 08.08.2018 wurde die für den Fall der Nichterfüllung der Mitwirkung bei der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes angedrohte Haftstrafe von 14 Tagen über den Beschwerdeführer verhängt.

Der Beschwerdeführer sollte am 19.08.2018 über XXXX nach XXXX, Guinea abgeschoben werden, verweigerte jedoch den Weiterflug nach Guinea, sodass er von XXXX wieder nach Wien zurückbestellt wurde.

Gegen den Bescheid betreffend Wahrnehmung eines Interview Termins mit einer Expertendelegation aus Guinea und Androhung einer zweiwöchigen Zwangsstrafe sowie Aufschluss der aufschiebenden Wirkung erhob der Antragsteller durch seinen Rechtsvertreter XXXX Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In dieser wurde zunächst vorgebracht, dass gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 01.10.2008 wohl ein unbefristetes Rückkehrverbot verhängt worden sei, dieses sei jedoch nie durchgesetzt worden, sodass es sich nicht in ein Aufenthaltsverbot umgewandelt habe. Der Antragsteller sei mit der polnischen, in Österreich auf Dauer niedergelassenen Staatsbürgerin XXXX verheiratet und habe ein gemeinsames Kind XXXX geboren XXXX, welche ebenfalls die polnische Staatsbürgerschaft besitze. Aufgrund der Eheschließung sei seine durch die Asylbehörde erlassene Ausweisung gegenstandslos geworden. Eine Ausweisung nach § 10 AsylG sei nicht erlassen worden. Es bestehe daher im vorliegenden Fall kein Titel, der seinen Aufenthalt unrechtmäßig machen würde und sei mangels rechtlicher Möglichkeit seiner Abschiebung die Ladung nicht notwendig gewesen. Außerdem habe die Behörde am 10.08.2018 im Zuge seiner Einreise seinen Reisepass sichergestellt und sei es daher nicht mehr erforderlich, bei der Delegation vorzusprechen und sei daher auch das angedrohte Zwangsmittel nicht mehr zu vollziehen. Durch den dokumentierten Besitz des Reisepasses bedarf es keiner Identifizierung durch die Delegation mehr und er gehe daher davon aus, dass der Behörde die Unzulässigkeit der Verhängung der Zwangsstrafe bewusst gewesen sei und sie nur deshalb die Haft verhängt habe, weil ein Schubhaftgrund nicht gegeben sei und es geplant gewesen sei, ihn (rechtswidrig) nach Guinea abzuschieben. Das Instrument der Zwangsstrafe zur Durchsetzung einer persönlich zur erfüllenden Verpflichtung sei daher von der Behörde offenkundig missbraucht worden. Es wurde daher beantragt, dass das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund vorliegender Rechtswidrigkeit ersatzlos behebe und eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführe.

Die obigen Darlegungen im Rahmen des Verfahrensganges werden zu Feststellungen erhoben.

2. Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung:

Der obige Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde zur Zl. XXXX.

Gemäß § 46 Abs. 2a FPG ist das BFA jederzeit ermächtigt, eine für die Abschiebung notwendige Bewilligung bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde einzuholen. Macht das BFA von der Ermächtigung Gebrauch, so hat der Fremder an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang, insbesondere an der Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit mitzuwirken.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann vom Bundesamt die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug geboten ist.

Maßgeblich für die Entscheidung der Berufung bzw. Beschwerde Instanz ist die Sachlage im Entscheidungszeitpunkt (VwGH vom 14.01.1987, Zl. 86/06/0072; VwGH vom 25.06.1999, Zl. 99/19/0052; VwGH vom 16.11.2017, Ra2017/07/0042; VwGH vom 22.02.2018, Ra2018/220018 uvm.).

Der Interview Termin am 08.08.2018 um 13:30 Uhr, zu dessen Teilnahme der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtet wurde, ist im Entscheidungszeitpunkt bereits verstrichen und ist daher nicht mehr näher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer diesen Termin zu Recht oder zu Unrecht nicht wahrgenommen hat.

Darüber hinaus hat die Behörde zwischenzeitig einen bis 2020 gültigen guineischen Reisepass des Beschwerdeführers sichergestellt und erscheint daher auch der angeführte Interview-Termin durch eine Expertendelegation nicht mehr erforderlich.

Aus diesem Grund ist auch die Grundlage für die verhängte Zwangsstrafe (nachträglich) weggefallen.

Aufgrund der ersatzlosen Behebung des angefochtenen Bescheides, war es auch nicht mehr erforderlich, sich mit der Frage der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde näher auseinander zu setzen.

Da im vorliegenden Fall bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG), war auch ungeachtet des Parteienantrages keine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

geänderte Verhältnisse, Identitätsfeststellung, Ladungsbescheid,
Mitwirkungspflicht, Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W159.1247386.5.00

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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