TE Vwgh Beschluss 2018/8/8 Ra 2018/04/0135

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Veröffentlicht am 08.08.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG;
AuslBG;
B-VG Art133 Abs4;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs3;
GewO 1994 §91 Abs2;
VStG §31;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der G KG in Wien, vertreten durch Draxler Rexeis Sozietät von Rechtsanwälten OG, in 8020 Graz, Nikolaiplatz 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 17. Mai 2018, Zl. VGW-101/020/5895/2018-2, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Über den Komplementär der revisionswerbenden Partei M D wurde als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der revisionswerbenden Partei mit rechtskräftigen Straferkenntnissen des Magistrats der Stadt Wien jeweils vom 29. Mai 2013 aufgrund der Beschäftigung eines serbischen Staatsbürgers in der Zeit von 28. Jänner 2013 bis 5. Februar 2013, wegen Verstoßes gegen das Verbot der Beschäftigung von nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) hierzu nicht berechtigten Ausländern eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- sowie wegen Verstoßes gegen die im ASVG normierte Pflicht zur Anmeldung einer in der Krankenversicherung pflichtversicherten Person beim zuständigen Krankenversicherungsträger eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 365,--, mit rechtskräftigen Straferkenntnissen des Magistrats der Stadt Wien vom 25. Februar 2016 bzw. 1. März 2016 aufgrund der Beschäftigung zweier serbischer Staatsbürger am 12. Juni 2015, wegen Verstoßes gegen das Verbot der Beschäftigung von nach dem AuslBG hierzu nicht berechtigten Ausländern zwei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 3.000,-- sowie wegen Verstoßes gegen die im ASVG normierte Pflicht zur Anmeldung einer in der Krankenversicherung pflichtversicherten Person beim zuständigen Krankenversicherungsträger zwei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 2.300,-- sowie aufgrund der Beschäftigung einer weiteren nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten Person am 23. Juni 2015 wegen Verstoßes gegen die im ASVG normierte Pflicht zur Anmeldung beim zuständigen Krankenversicherungsträger eine weitere Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.300,-- verhängt.

2 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (belangte Behörde) vom 21. März 2018 wurde der revisionswerbenden Partei eine näher bezeichnete Gewerbeberechtigung an einem Standort in W gemäß § 91 Abs. 2 iVm § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 entzogen. Dem lag zugrunde, dass die revisionswerbende Partei den Komplementär M D nach Aufforderung der belangten Behörde vom 3. November 2017 nicht entfernt hatte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien zusammengefasst aus, die rechtskräftig festgestellten Übertretungen des AuslBG und des ASVG seien schwerwiegende Verstöße gegen die von der revisionswerbenden Partei im Zusammenhang mit dem Baugewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, welche die für die Gewerbeausübung notwendige Zuverlässigkeit ausschließen würden. Bei den Übertretungen des AuslBG handle es sich deshalb um schwerwiegende Verstöße, weil diese staatliche und privatwirtschaftliche Interessen etwa in Bezug auf die Verzerrung des Arbeitsmarktes betreffend das Arbeitsangebot, des Lohndumpings, der Hinterziehung von Steuern und Abgaben sowie eines primären Zugangs inländischer Arbeitskräfte zum Arbeitsmarkt im erheblichen Ausmaß schädigen würden. Ebenso würden bei verbotener Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte wesentliche Schutzbestimmungen des Arbeits- und Sozialrechts nicht angewendet werden. Durch die Verletzung des ASVG würden die Mitarbeiter in ihrem Interesse an einer gesetzlichen Versicherung sowie die Allgemeinheit durch die Verringerung der Versicherungsbeiträge geschädigt. Schließlich verschaffe sich insofern ein Gewerbetreibender gegenüber rechtskonform agierenden Gewerbetreibenden durch die Ersparnis von Dienstgeberanteilen einen Vermögensvorteil.

Angesichts der Dauer des ersten Deliktszeitraumes über neun Tage, der Wiederholung der Taten nach nur zwei Jahren und eines weiteren Verstoßes gegen das ASVG bereits einen halben Monat nach den letzten Verstößen im Jahr 2015 sei die Verfahrensanordnung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 zu Recht ergangen und mangels Einhaltung dieser Aufforderung die Entziehung der Gewerbeberechtigung rechtskonform erfolgt.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die revisionswerbende Partei sieht in ihrer (allein maßgeblichen) Zulässigkeitsbegründung zunächst im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde der revisionswerbenden Partei bereits mit einem mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Jänner 2017 aufgehobenen Bescheid aus anderen Gründen erfolglos die Gewerbeberechtigung zu entziehen beabsichtigt habe und nunmehr die Entziehung auf Gründe stütze, die ihr bereits im vorherigen Verfahren bekannt gewesen seien, als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, ob die Behörde verpflichtet sei, bei erster Gelegenheit Tatbestände, die zu einer Entziehung der Gewerbeberechtigung führen könnten, geltend zu machen, oder sich Tatbestände für spätere Verfahren "zurückhalten" könne.

9 Gemäß § 87 Abs. 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn (Z 3) der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt; ein Schutzinteresse ist insbesondere (u.a.) die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung.

10 Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die in § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 dem Gewerbetreibenden eine Frist bekannt zu geben, innerhalb der er diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 25.3.2014, 2013/04/0077; 25.6.2008, 2007/04/0137; 30.6.2004, 2002/04/0067) sind die der Entziehung zu Grunde liegenden Fakten einer Verjährung nicht zugänglich, weil es sich bei der Entziehung nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme handelt. Der Behörde ist für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach Eintritt eines Entziehungstatbestandes keine Frist gesetzt. Steht die rechtswidrige und schuldhafte Begehung aufgrund rechtskräftiger und nicht getilgter Bestrafungen fest, kann das Vorliegen "schwerwiegender Verstöße" iSd § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994, aus denen sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung ergibt, nicht allein aufgrund des seither verstrichenen Zeitraumes von vornherein ausgeschlossen werden (vgl. VwGH 25.6.2008, 2007/04/0137).

12 Entsprechend dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht der Umstand, dass die belangte Behörde die mangelnde Zuverlässigkeit des Komplementärs der revisionswerbenden Partei und die Entziehung der Gewerbeberechtigung zunächst erfolglos auf andere Gründe gestützt hat und erst in weiterer Folge nach Aufhebung des dem nunmehrigen Verfahren vorangegangen Entziehungsbescheides ihrem neuerlichen Entziehungsbescheid die angeführten rechtskräftigen Straferkenntnissen zugrunde legte, einer Entziehung der Gewerbeberechtigung nach erfolgloser Aufforderung zur Entfernung des insofern als zur Gewerbeausübung unzuverlässig erachteten Komplementärs nicht entgegen.

13 Des Weiteren erblickt die revisionswerbende Partei in ihrem Zulässigkeitsvorbringen einen Verfahrensmangel darin, dass auf ihren innerhalb offener zweimonatigen Frist zur Entfernung des Komplementärs eingebrachten Antrag auf Verlängerung dieser Frist um weitere vier Monate keine Rückmeldung der belangten Behörde, ob diesem Antrag Folge gegeben werde, erfolgt sei, sondern vielmehr mit Bescheid vom 21. März 2018 die Gewerbeberechtigung entzogen worden sei. Dadurch sei ihr Recht auf Parteiengehör insofern verletzt worden, als sie sich in einer unsicheren Rechtsposition darüber befunden habe, ob dem Fristverlängerungsantrag stattgegeben werde, und sie daher nicht entsprechend disponieren habe können.

14 Grundsätzlich sieht § 91 Abs. 2 GewO 1994 bezüglich der Frage, ob eine einmal bekannt gegebene Frist von der Behörde verlängert bzw. erstreckt werden kann, keine ausdrückliche Regelung vor. Sollte sich eine bekannt gegebene Frist als nicht angemessen erweisen, ist der Behörde eine Fristverlängerung somit nicht untersagt (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3, § 91 Rz 15). Die Frage, ob eine von der Behörde gesetzte Frist zur Entfernung der Person mit maßgeblichem Einfluss nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 als unangemessen zu beurteilen ist, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage dar, sondern unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung, welche jedenfalls dann keine Zulässigkeit der Revision begründet, wenn sie zumindest vertretbar ist (vgl. VwGH 2.5.2018, Ra 2018/03/0040, mwN). Dass die solcher Art von der belangten Behörde gesetzte Frist von zwei Monaten unvertretbar sei, wird in der Revision nicht dargetan. Dafür, dass ein innerhalb offener Frist eingebrachtes Erstreckungsersuchen den Ablauf der nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 wirksam gesetzten Frist verhindert, bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt (vgl. VwGH Ra 2018/03/0040). Darin, dass die belangte Behörde, ohne vorher über den Fristverlängerungsantrag abzusprechen, der revisionswerbenden Partei die Gewerbeberechtigung gemäß § 91 Abs. 2 iVm § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 entzog, weil sie nicht innerhalb der von der belangten Behörde gesetzten Frist den Komplementär entfernte, ist daher fallbezogen keine Verletzung von Verfahrensvorschriften zu erblicken.

15 Eine Befristung der Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 3 GewO 1994 kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Gründe gegeben sind, die erwarten lassen, eine bloß befristete Maßnahme reiche aus, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbetreibenden zu sichern (vgl. VwGH 25.3.2014, 2013/04/0077, mwN). Solche, die befristete Entziehung rechtfertigende Gründe vermag das Zulässigkeitsvorbringen, wonach im Falle des Entzugs der Gewerbeberechtigung viele Arbeitnehmer der revisionswerbenden Partei in Folge Betriebsschließung ihre Beschäftigung verlieren würden und das Interesse an der Erhaltung dieser Arbeitsplätze schwerer zu gewichten sei als die Verletzung der im AuslBG bzw. im ASVG normierten Schutzinteressen, nicht darzulegen.

16 Das in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" kann nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen. Beim Verbot der Beschäftigung von nach dem AuslBG hiezu nicht berechtigten Arbeitnehmern handelt es sich um eine für die Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes besonders wichtige Norm, deren Einhaltung zu den in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 genannten Schutzinteressen zählt. Der Gesetzgeber hat der Einhaltung dieser Norm sehr großes Gewicht beigemessen (vgl. VwGH 1.10.2008, 2008/04/0135, 0136, mwN). Ob Verstöße gegen das AuslBG als "schwerwiegende Verstöße" iSd § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 zu beurteilen sind, hängt letztlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine solche Beurteilung vermag, soweit sie nachvollziehbar und vertretbar ist, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu begründen.

17 Soweit die revisionswerbende Partei in diesem Zusammenhang vorbringt, das letzte Straferkenntnis liege bereits zwei Jahre zurück, die Verstöße gegen das AuslBG und das ASVG beträfen jeweils die gleichen Sachverhalte und der Komplementär habe sich außer den rechtskräftigen Straferkenntnissen während seiner insgesamt vierzehnjährigen Tätigkeit als selbständig vertretungsbefugter, unbeschränkt haftender Gesellschafter der revisionswerbenden Partei keiner weiteren Übertretung schuldig gemacht, wird damit keine die Zulässigkeit der Revision begründende Unvertretbarkeit der Wertung der rechtskräftig bestraften Verstöße gegen das AuslBG und das ASVG als "schwerwiegende Verstöße" iSd § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 aufgezeigt.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 8. August 2018

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018040135.L00

Im RIS seit

04.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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