TE Vfgh Erkenntnis 2013/10/1 B489/2012 ua

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Veröffentlicht am 01.10.2013
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Index

41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art129a Abs1 Z2, Z3
SicherheitspolizeiG §88, §90
StPO §129 ff

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung der Beschwerde von Tierschützern an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien wegen des Einsatzes einer verdeckten Ermittlerin; gesetzwidrige Verneinung der Zuständigkeit im Hinblick auf die verfassungsrechtlich unbedenkliche Zuständigkeitsverteilung des Sicherheitspolizeigesetzes

Spruch

I. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.420,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführer sind nach ihrem Vorbringen alle drei aktive Tierschützer. Der Erstbeschwerdeführer sei Obmann eines Tierschutzvereines, die Drittbeschwerdeführerin bei diesem Verein angestellt. Im Zuge des sogenannten "Tierschützerprozesses" am Landesgericht Wiener Neustadt hätten sie am 22. November 2010 im Rahmen der Hauptverhandlung Kenntnis davon erlangt, dass gegen sie durch ein kriminalpolizeiliches Organ weiblichen Geschlechts (Deckname "Danielle Durand") im Auftrag der Kriminalpolizei "verdeckt" ermittelt worden sei.

2. Am 29. November 2010 erhoben die Beschwerdeführer auf Grund des Einsatzes der verdeckten Ermittlerin eine Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien "wegen Verletzung des ihnen zustehenden Rechtes nach §87 SPG, dass ihnen gegenüber sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den Fällen und der Art ausgeübt werden, die dieses Bundesgesetz (SPG) vorsieht".

2.1. Gerügt wurde dabei, dass überhaupt eine verdeckte Ermittlerin zum Einsatz gebracht worden sei, sowie insbesondere die Art und Weise, wie diese Ermittlerin agiert habe.

2.2. Zum maßgeblichen Sachverhalt führten die Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass die Ermittlerin, soweit ersichtlich, ihren Einsatz im April 2007 begonnen und erst im Juli 2008 abgebrochen habe. Sie habe regelmäßig aktiv an Versammlungen und Demonstrationen der Tierschützer teilgenommen und sie habe auch eine internationale Tierrechtsveranstaltung im Ausland besucht. Die Ermittlerin habe eine von ihr massiv initiierte sexuelle Beziehung zum Zweitbeschwerdeführer unterhalten und sie sei auch Mitglied einer E-Mail-Liste von Tierrechtsaktivisten gewesen, die einen wesentlichen Bestandteil des staatsanwaltlichen Strafantrages gebildet habe.

2.3. Im Lichte der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte seien die Beschwerdeführer durch den Einsatz der verdeckten Ermittlerin in ihrem Recht auf Privatleben gemäß Art8 EMRK verletzt worden. Die erfolgte heimliche Aneignung einer Fruchtsaftflasche zum Erhalt von DNA-Abrieben stelle überdies eine Verletzung im verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrecht dar. Des Weiteren wurde beanstandet, dass entgegen den gesetzlichen Bestimmungen der Rechtsschutzbeauftragte von der verdeckten Ermittlung nicht in Kenntnis gesetzt worden sei und dass sie über geschehene Eingriffe in ihre Rechte nicht informiert worden seien.

3. Auf Einladung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien erstattete die Bundesministerin für Inneres eine Stellungnahme, in der die sicherheitspolizeiliche Ausgangslage für die verdeckte Ermittlung dargelegt und die Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Entscheidung über die verdeckte Ermittlung behauptet wurde.

4. Die Beschwerdeführer replizierten auf diese Stellungnahme und erklärten, ihr Beschwerdevorbringen an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zur Gänze aufrechtzuerhalten.

5. Nachdem die Rechtssache wegen eines mehr als zwei Monate andauernden Krankenstandes dem bis dahin zuständigen Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien abgenommen und sodann neu zugeteilt worden war, wurde die Beschwerde der Datenschutzkommission zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien erläuterte in seinem Begleitschreiben, dass die Anwendung von Befehls- oder Zwangsgewalt nicht behauptet worden sei und dass das "verdeckte Eindringen in die Privatsphäre" mit dem Ermitteln personenbezogener Daten regelmäßig verbunden sei und "geradezu ein Charakteristikum der verdeckten Ermittlung" darstelle.

6. Die Beschwerdeführer stellten daraufhin mit 2. Februar 2012 einen Antrag auf förmliche Entscheidung beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien. Zudem brachten sie mit Schriftsatz vom 1. März 2012 gegenüber der Datenschutzkommission vor, dass eigentlich der Unabhängige Verwaltungssenat Wien für zuständig erachtet werde, weil das sicherheitsbehördliche Ermittlungsverfahren als eine Einheit zu betrachten sei und da ansonsten praktisch kein Raum mehr für eine Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate verbliebe.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 2012 wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die Beschwerde "wegen sachlicher Unzuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate" zurück.

8. Auch die Datenschutzkommission wies in Folge mit Bescheiden vom 13. Juli 2012 die weitergeleitete Beschwerde zurück, wobei sie insbesondere ausführte, dass eine "Beinahe-Allzuständigkeit der Datenschutzkommission" mit einer "Entwertung anderer Rechtsschutzverfahren, wie des Beschwerderechts nach §88 Abs2 SPG, Hand in Hand gehen müsste".

9. Gegen den zurückweisenden Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 16. Februar 2012 richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht wird.

9.1. Im Wesentlichen wird darin vorgebracht, dass die Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, wonach jede Handlung einer verdeckten Ermittlerin immer eine die Zuständigkeit der Datenschutzkommission begründende Datenermittlung darstelle, unzutreffend sei und zu völlig absurden Ergebnissen führe. Wörtlich wird in den Beschwerden ausgeführt:

"Nach §90 SPG entscheidet die Datenschutzkommission (DSK) 'gemäß §31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes.'

Das Verwenden von Daten wurde aber nie in Beschwerde gezogen, auch nicht das Ermitteln von Daten. Vielmehr wurde in Beschwerde gezogen: Der aktive Einsatz der VE, das Mitwirken an diversen Tierschutzaktionen (wie Demonstrationen, Jagdstörungen, tlw Verwaltungsübertretungen), das (Tatbestandselemente des §278a StGB erfüllende) Empfehlen von Versch[l]üsselung im Stile eines agent provocateur und das Warnen vor vertrauensunwürdigen Listenmitgliedern, das sexuelle Verhältnis der VE zu einem der Beschwerdeführer […], das Besuchen desselben in der U-Haft (und damit das Verkürzen der Besuchsmöglichkeit echter Angehöriger), das Entwenden der Trinkwasserflasche einer der Beschwerdeführer […] – allesamt keine Datenermittlungen. Und der Umstand, dass die VE überhaupt eingesetzt wurde, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen.

Wie in anderen Rechtsbereichen auch, können gegen ein und dieselbe hoheitliche Handlung mehrere Beschwerde[-] bzw[…] Rechtsschutzmöglichkeiten offenstehen. Der Beschwerdegegenstand ist dabei maßgeblich für das jeweilige Verfahren bzw die sachlichen Zuständigkeiten. Für Beschwerden, welche gegen die durch die VE vorgenommene Datenverarbeitung gerichtet sind (sofern es sich nicht um Ermittlung durch einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt), mag die DSK zuständig sein. Beschwerden wie jene der Beschwerdeführer an den belangten UVS, welche sich nicht gegen die Datenermittlung[,] sondern die faktischen Handlungen der VE richten, sind aber von der allgemeinen Zuständigkeit des UVS erfasst – und zwar gem Art129a Abs1 Z2 BVG (§67a Abs1 Z2 AVG) bzw, wenn es sich nicht um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (AuvBZ) handelt, gemäß §88 Abs2 SPG. Vgl in diesem Sinne Pürstl/Zirnsack, SPG2 (2011) §90 FN 11: UVS zuständig für 'Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Befugnisausübung'. UVS und DSK haben somit polizeiliches Handeln nach unterschiedlichen Gesichtspunkten zu prüfen, insofern bestehen Ähnlichkeiten zu den unterschiedlichen Maßstäben an denen VfGH und VwGH Bescheidbeschwerden zu messen haben.

[…]

Aber selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass es sich bei den Handlungen der VE teilweise um Ermittlungen von Daten gehandelt haben sollte, so besteht nach §90 Satz 2 keine Zuständigkeit der Datenschutzkommission (und somit eine Zuständigkeit des UVS) bei der 'Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt'. Verdeckte Ermittlung, die in Rechte eingreift, ist aber eine Form der Ausübung von Zwangsgewalt, da der Rechtseingriff durch Täuschung über Tatsachen erfolgt[,] mithin den freien Willen des Betroffenen beeinträchtigt. Besonders deutlich wird dies im Falle des sexuellen Verhältnisses, das die verdeckte Ermittlerin nach dem Beschwerdevorbringen mit einem der Beschwerdeführer einging. Hier hat sich eine Beamtin durch Täuschung über Tatsachen bis in die Intimsphäre eines Bürger vorgearbeitet – ganz fraglos eine Verletzung des Rechts auf Privatsphäre und eine Zwangsgewalt iSd §90 Satz 2 SPG.

Zwangsgewalt ist auch das Wegnehmen einer Trinkwasserflasche, egal welchem Zweck die Wegnahme nun diente. Hier wurde durch eine faktische Amtshandlung, eine physische Handlung[,] ein Gegenstand an sich gebracht. Die Trinkflasche war keineswegs weggeworfen bzw derelinquiert.

Nach §31 Abs2 Z7 SPG hätten die Betroffenen über die verdeckte Ermittlung und die damit verbundenen Rechtseingriffe in Kenntnis gesetzt werden müssen. Das Unterlassen dieser Verpflichtung seitens der vorbelangten Behörde kann nicht ernsthaft als 'Datenverarbeitung' gesehen werden und hinsichtlich der dagegen erhobenen Beschwerde keine Zuständigkeit der DSK begründen. Auch diesbezüglich hätte der UVS inhaltlich über die Beschwerde zu entscheiden gehabt.

[…]

Hinzuweisen ist noch darauf, dass die an den UVS gerichtete Beschwerde sich nicht gegen Datenverwendung (auch nicht gegen Datenermittlung) richtete, sondern gegen die erwähnten faktischen Amtshandlungen der VE. Damit ist der Beschwerdegegenstand festgelegt. Wenn sich eine Beschwerde gegen eine faktische Amtshandlung gar nicht gegen daten(verwendu[ng]s)rechtliche Aspekte derselben richtet, liegt keine Beschwerde gegen eine Datenverwendung iSd §90 SPG vor und ist auch nicht die DSK[,] sondern der UVS zuständig. §90 SPG bildet nämlich bloß eine lex specialis zur allgemeine[n] Zuständigkeit der UVS bei Maßnahmen- bzw. SPG-Beschwerden."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

9.2. Zur Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes führen die Beschwerdeführer schließlich noch aus, dass die gesetzliche Zuständigkeitsregelung "unnötig kompliziert, vieldeutig und einigermaßen verwirrend" sei und zu Rechtsschutzdefiziten führe. "§90 SPG erscheint daher in seiner derzeitigen Form als verfassungswidrig und sollte aufgehoben werden. Seine Existenz ermöglichte dem UVS erst, die Zurückweisung wie geschehen vorzunehmen und zu begründen […]."

10. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden als unbegründet abzuweisen. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde unter Verweis auf die Bescheidbegründung Abstand genommen.

11. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst gab auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes zu den in der Beschwerde aufgeworfenen Normbedenken eine Stellungnahme ab. Mit näherer Begründung wird darin die Auffassung vertreten, dass die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung in hinreichend präziser Weise und ohne Rechtsschutzlücken erfolgt sei.

II. Rechtslage

1. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften des
Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl 566/1991 idF der Novelle BGBl I 56/2006, (im Folgenden: SPG) lauten:

"1. Teil

1. Hauptstück

Anwendungsbereich

§1. Dieses Bundesgesetz regelt die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei.

2. Hauptstück

Organisation der Sicherheitsverwaltung

Besorgung der Sicherheitsverwaltung

§2. (1) Die Sicherheitsverwaltung obliegt den Sicherheitsbehörden.

(2) Die Sicherheitsverwaltung besteht aus der Sicherheitspolizei, dem Paß- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.

Sicherheitspolizei

§3. Die Sicherheitspolizei besteht aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art10 Abs1 Z7 B-VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht.

[…]

Sicherheitspolizeiliche Aufgabenerfüllung

§28a. (1) Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefahrensituation rechtfertigen, obliegt den Sicherheitsbehörden, soweit ihnen die Abwehr solcher Gefahren aufgetragen ist, die Gefahrenerforschung.

(2) Die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen zur Erfüllung der ihnen in diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben alle rechtlich zulässigen Mittel einsetzen, die nicht in die Rechte eines Menschen eingreifen.

(3) In die Rechte eines Menschen dürfen sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nur dann eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht.

Verhältnismäßigkeit

§29. (1) Erweist sich ein Eingriff in Rechte von Menschen als erforderlich (§28a Abs3), so darf er dennoch nur geschehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlaß und zum angestrebten Erfolg wahrt.

(2) Insbesondere haben die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

1. von mehreren zielführenden Befugnissen jene auszuwählen, die voraussichtlich die Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt;

2. darauf Bedacht zu nehmen, ob sich die Maßnahme gegen einen Unbeteiligten oder gegen denjenigen richtet, von dem die Gefahr ausgeht oder dem sie zuzurechnen ist;

3. darauf Bedacht zu nehmen, daß der angestrebte Erfolg in einem vertretbaren Verhältnis zu den voraussichtlich bewirkten Schäden und Gefährdungen steht;

4. auch während der Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt auf die Schonung der Rechte und schutzwürdigen Interessen der Betroffenen Bedacht zu nehmen;

5. die Ausübung der Befehls- und Zwangsgewalt zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde oder sich zeigt, daß er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann.

[…]

Besondere Bestimmungen für die Ermittlung

§54. (1) Sollen personenbezogene Daten durch Einholen von Auskünften ermittelt werden, so haben die Sicherheitsbehörden auf den amtlichen Charakter sowie auf die Freiwilligkeit der Mitwirkung hinzuweisen. Der Hinweis kann unterbleiben, wenn wegen wiederholter Kontakte über diese Umstände kein Zweifel besteht.

(2) Die Ermittlung personenbezogener Daten durch Beobachten (Observation) ist zulässig

1. zur erweiterten Gefahrenerforschung (§21 Abs3);

2. um eine von einem bestimmten Menschen geplante strafbare Handlung gegen Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit, Vermögen oder Umwelt noch während ihrer Vorbereitung (§16 Abs3) verhindern zu können;

3. wenn sonst die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen gefährdet oder erheblich erschwert wäre.

(3) Das Einholen von Auskünften ohne Hinweis gemäß Abs1 (verdeckte Ermittlung) ist zulässig, wenn sonst die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen gefährdet oder erheblich erschwert, oder die erweiterte Gefahrenerforschung durch Einsatz anderer Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre.

(4) Die Ermittlung personenbezogener Daten mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ist nur für die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen und zur erweiterten Gefahrenerforschung (§21 Abs3) zulässig; sie darf unter den Voraussetzungen des Abs3 auch verdeckt erfolgen. Das Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt. Unzulässig ist die Ermittlung personenbezogener Daten jedoch

1. mit Tonaufzeichnungsgeräten, um nichtöffentliche und nicht in Anwesenheit eines Ermittelnden erfolgende Äußerungen aufzuzeichnen;

2. mit Bildaufzeichnungsgeräten, um nichtöffentliches und nicht im Wahrnehmungsbereich eines Ermittelnden erfolgendes Verhalten aufzuzeichnen.

(4a) Die verdeckte Ermittlung (Abs3) und der Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten (Abs4) sind zur Abwehr einer kriminellen Verbindung nur zulässig, wenn die Begehung von mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlungen (§17) zu erwarten ist. Bei jeglichem Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ist besonders darauf zu achten, dass Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§29) zum Anlass wahren.

(4b) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, verdeckt mittels Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten personenbezogene Daten für Zwecke der Fahndung (§24 SPG) zu verarbeiten. Der Einsatz ist auf maximal einen Monat zu beschränken. Die Daten sind zu löschen, sobald sie für Zwecke der konkreten Fahndung nicht mehr benötigt werden.

(5) Ist zu befürchten, daß es bei einer Zusammenkunft zahlreicher Menschen zu gefährlichen Angriffen gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum von Menschen kommen werde, so dürfen die Sicherheitsbehörden zur Vorbeugung solcher Angriffe personenbezogene Daten Anwesender mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ermitteln; sie haben dies jedoch zuvor auf solche Weise anzukündigen, daß es einem möglichst weiten Kreis potentieller Betroffener bekannt wird. Die auf diese Weise ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe, die sich während der Zusammenkunft ereignen, verarbeitet werden.

(6) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen vorangegangener gefährlicher Angriffe, zu befürchten, dass es an öffentlichen Orten (§27 Abs2) zu gefährlichen Angriffen gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum von Menschen kommen wird, dürfen die Sicherheitsbehörden zur Vorbeugung solcher Angriffe personenbezogene Daten Anwesender mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ermitteln. Sie haben dies jedoch zuvor auf solche Weise anzukündigen, dass es einem möglichst weiten Kreis potentieller Betroffener bekannt wird. Die auf diese Weise ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe, die sich an diesen öffentlichen Orten ereignen, sowie für Zwecke der Fahndung (§24) verwendet werden. Soweit diese Aufzeichnungen nicht zur weiteren Verfolgung auf Grund eines Verdachts strafbarer Handlungen (§22 Abs3) erforderlich sind, sind sie nach längstens 48 Stunden zu löschen.

(7) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, an öffentlichen Orten (§27 Abs2) personenbezogene Daten mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten zu ermitteln, wenn an diesen Orten oder in deren unmittelbarer Nähe nationale oder internationale Veranstaltungen unter Teilnahme von besonders zu schützenden Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte (§22 Abs1 Z3) stattfinden. Diese Maßnahme darf nur in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung und bei Vorliegen einer Gefährdungssituation gesetzt werden und ist auf eine Weise anzukündigen, dass sie einem möglichst weiten Kreis potentiell Betroffener bekannt wird. Die ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe und zur Abwehr krimineller Verbindungen sowie für Zwecke der Fahndung (§24) verwendet werden. Soweit sie nicht zur weiteren Verfolgung aufgrund eines Verdachts strafbarer Handlungen erforderlich sind, sind sie nach längstens 48 Stunden zu löschen.

[…]

6. Teil

Rechtsschutz

1. Abschnitt Subjektiver Rechtsschutz

Recht auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilicher Maßnahmen

§87. Jedermann hat Anspruch darauf, daß ihm gegenüber sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den Fällen und der Art ausgeübt werden, die dieses Bundesgesetz vorsieht.

Beschwerden wegen Verletzung subjektiver Rechte

§88. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art129a Abs1 Z2 B-VG).

(2) Außerdem erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

(3) Beschwerden gemäß Abs1, die sich gegen einen auf dieses Bundesgesetz gestützten Entzug der persönlichen Freiheit richten, können während der Anhaltung bei der Sicherheitsbehörde eingebracht werden, die sie unverzüglich dem unabhängigen Verwaltungssenat zuzuleiten hat.

(4) Über Beschwerden gemäß Abs1 oder 2 entscheidet der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§67c bis 67g und 79a AVG.

[…]

Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über den Datenschutz

§90. Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß §31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

[…]

Befassung des Rechtsschutzbeauftragten

§91c. (1) Die Sicherheitsbehörden sind verpflichtet, den Rechtsschutzbeauftragten von jeder Ermittlung personenbezogener Daten durch verdeckte Ermittlung (§54 Abs3), durch den verdeckten Einsatz von Bild- oder Tonaufzeichnungsgeräten (§54 Abs4) oder durch Verarbeiten von Daten, die andere mittels Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten er- und übermittelt haben (§53 Abs5) unter Angabe der für die Ermittlung wesentlichen Gründe in Kenntnis zu setzen. Für derartige Maßnahmen im Rahmen der erweiterten Gefahrenerforschung gilt Abs3. Darüber hinaus ist der Rechtsschutzbeauftragte über den Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten (§54 Abs4b) zu informieren.

(2) Sicherheitsbehörden, die die Überwachung öffentlicher Orte mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten im Sinne des §54 Abs6 und 7 beabsichtigen, haben unverzüglich den Bundesminister für Inneres zu verständigen. Dieser hat dem Rechtschutzbeauftragten Gelegenheit zur Äußerung binnen drei Tagen zu geben. Der tatsächliche Einsatz der Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte darf erst nach Ablauf dieser Frist oder Vorliegen einer entsprechenden Äußerung des Rechtsschutzbeauftragten erfolgen.

(3) Sicherheitsbehörden, denen sich eine Aufgabe gemäß §21 Abs3 stellt, haben vor der Durchführung der Aufgabe die Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten im Wege des Bundesministers für Inneres einzuholen. Dasselbe gilt, wenn beabsichtigt ist, im Rahmen der erweiterten Gefahrenerforschung (§21 Abs3) besondere Ermittlungsmaßnahmen nach §54 Abs3 und 4 zu setzen oder gemäß §53 Abs5 ermittelte Daten weiterzuverarbeiten."

2. Die am 1. Jänner 2008 in Kraft getretenen Bestimmungen der Strafprozessordnung, BGBl 631/1975 idF BGBl I 109/2007, (im Folgenden: StPO) über die verdeckte Ermittlung lauten:

"Observation, verdeckte Ermittlung und Scheingeschäft

Definitionen

§129. Im Sinne dieses Gesetzes ist

1. 'Observation' das heimliche Überwachen des Verhaltens einer Person,

2. 'verdeckte Ermittlung' der Einsatz von kriminalpolizeilichen Organen oder anderen Personen im Auftrag der Kriminalpolizei, die ihre amtliche Stellung oder ihren Auftrag weder offen legen noch erkennen lassen,

3. 'Scheingeschäft' der Versuch oder die scheinbare Ausführung von Straftaten, soweit diese im Erwerben, Ansichbringen, Besitzen, Ein-, Aus- oder Durchführen von Gegenständen oder Vermögenswerten bestehen, die entfremdet wurden, aus einem Verbrechen herrühren oder der Begehung eines solchen gewidmet sind oder deren Besitz absolut verboten ist.

[…]

Verdeckte Ermittlung

§131. (1) Verdeckte Ermittlung ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer Straftat erforderlich erscheint.

(2) Eine systematische, über längere Zeit durchgeführte verdeckte Ermittlung ist nur dann zulässig, wenn die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, oder die Verhinderung einer im Rahmen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§278 bis 278b StGB) geplanten Straftat ansonsten wesentlich erschwert wäre. Soweit dies für die Aufklärung oder Verhinderung unerlässlich ist, ist es auch zulässig, nach Maßgabe des §54a SPG Urkunden, die über die Identität eines Organs der Kriminalpolizei täuschen, herzustellen und sie im Rechtsverkehr zur Erfüllung des Ermittlungszwecks zu gebrauchen.

(3) Der verdeckte Ermittler ist von der Kriminalpolizei zu führen und regelmäßig zu überwachen. Sein Einsatz und dessen nähere Umstände sowie Auskünfte und Mitteilungen, die durch ihn erlangt werden, sind in einem Bericht oder in einem Amtsvermerk (§95) festzuhalten, sofern sie für die Untersuchung von Bedeutung sein können.

(4) Wohnungen und andere vom Hausrecht geschützte Räume dürfen verdeckte Ermittler nur im Einverständnis mit dem Inhaber betreten. Das Einverständnis darf nicht durch Täuschung über eine Zutrittsberechtigung herbeigeführt werden.

[…]

Gemeinsame Bestimmungen

§133. (1) Observation nach §130 Abs1 und verdeckte Ermittlung nach §131 Abs1 kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen. Observation nach §130 Abs3 und verdeckte Ermittlung nach §131 Abs2 sowie der Abschluss eines Scheingeschäfts nach §132 sind von der Staatsanwaltschaft anzuordnen.

(2) Observation nach §130 Abs3 und verdeckte Ermittlung nach §131 Abs2 dürfen nur für jenen Zeitraum angeordnet oder genehmigt werden, der zur Erreichung ihres Zweckes voraussichtlich erforderlich ist, längstens jedoch für einen Monat, im Fall einer verdeckten Ermittlung längstens für drei Monate. Eine neuerliche Anordnung ist jeweils zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die weitere Observation oder die weitere Durchführung verdeckter Ermittlungen Erfolg haben werde; §99 Abs2 ist jedoch nicht anzuwenden. Observation und verdeckte Ermittlung sind zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen, wenn ihr Zweck erreicht ist oder voraussichtlich nicht mehr erreicht werden kann oder wenn die Staatsanwaltschaft die Einstellung anordnet.

(3) Observation, verdeckte Ermittlungen und Scheingeschäft sind durch die Kriminalpolizei durchzuführen. Die Verwendung technischer Mittel zur optischen oder akustischen Überwachung von Personen im Zuge dieser Ermittlungsmaßnahmen ist nur unter den Voraussetzungen des §136 zulässig.

(4) Nach Beendigung der Observation nach §130 Abs3 und der verdeckten Ermittlung nach §131 Abs2 und nach Abschluss des Scheingeschäfts sind dem Beschuldigten und den Betroffenen, sofern ihre Identität bekannt oder ohne besonderen Verfahrensaufwand feststellbar ist, die Anordnungen und Genehmigungen nach Abs1 und 2 zuzustellen. Diese Zustellung kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck der Ermittlungen in diesem oder in einem anderen Verfahren gefährdet wäre."

III. Erwägungen

1. Die – zulässigen – Beschwerden sind begründet.

2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat im Wesentlichen mit folgender Begründung seine Zuständigkeit verneint:

"3.2. Die Argumentation der Beschwerdeführer, wonach der Einsatz der verdeckten Ermittlerin als solcher von der Ermittlung personenbezogener Daten durch diese zu trennen wäre, kann vom UVS Wien nicht nachvollzogen werden. Zweck des Einsatzes einer verdeckten Ermittlerin – sei es nach dem SPG oder der StPO oder auf welcher Grundlage auch immer – ist die Ermittlung personenbezogener Daten. Ein davon unabhängiges Einsatzgebiet oder einen 'Einsatz als solchen' vermag der UVS Wien nicht zu erkennen. […]

3.3. In der Tat erweckt die in der Beschwerde geschilderte Amtshandlung den Eindruck, das Sicherheitspolizeigesetz sei – zumindest in weiten Teilen – als Rechtsgrundlage nur vorgeschoben worden, weil es während der Legisvakanz des Strafprozessreformgesetzes an einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage für verdeckte kriminalpolizeiliche Ermittlungen noch mangelte. Eben dies wird bereits in der Beschwerde behauptet, und darauf weist der Rechtsfreund der Beschwerdeführer in der Zusammenfassung seiner abschließenden Stellungnahme ausdrücklich hin. Damit vermag er jedoch erst recht keine sachliche Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate darzutun, gilt doch §88 Abs2 SPG überhaupt nur für die 'Besorgung der Sicherheitsverwaltung', zu der die Kriminalpolizei nicht zählt. Wenn überhaupt, so wäre gerade auch im Bereich kriminalpolizeilicher Datenermittlung ohne Befehl oder Zwang nur die Datenschutzkommission befugt, deren Rechtmäßigkeit zu beurteilen, weshalb der UVS Wien sich auch gar nicht berufen sieht, der DSK vorzugreifen und sich abschließend zu der Frage zu äußern, ob die verdeckte Ermittlung nun sicherheitspolizeilich oder kriminalpolizeilich motiviert war.

3.4. Was bereits oben zur aktiven Teilnahme der verdeckten Ermittlerin ausge-führt wurde, gilt auch für die mehrfach gesondert hervorgehobene 'Wegnahme' einer leeren Fruchtsaftflasche: es handelt sich aus der Sicht des UVS Wien dabei ausschließlich um den Versuch der Gewinnung von Fingerabdrücken oder einer DNA-Probe der Beschwerdeführerin […], somit um die Ermittlung personenbezogener Daten. Mag ihr dabei auch eine leere Fruchtsaftflasche vorübergehend oder dauernd entzogen worden sein – was ihr offensichtlich erst nach Durchsicht der Akten des Strafprozesses aufgefallen ist – so liegt selbst dann, wenn noch Weiterverwendungsabsicht vorgelegen sein sollte, keineswegs eine polizeiliche Wegnahme, etwa Beschlagnahme unter Ausübung von Hoheitsgewalt vor. Schließlich hat sich die Ermittlerin dabei weder auf hoheitliche Befugnisse berufen, noch ist sie nach außen hin erkennbar als Polizeibeamtin eingeschritten. Vielmehr hat sie – ihrem verdeckten Vorgehen entsprechend, welches auch von der Beschwerde eingeräumt bzw vorausgesetzt wird – die Flasche nicht anders an sich gebracht, als das jeder anderen Person an ihrer Stelle ebenfalls möglich gewesen wäre. Somit handelt es sich auch hier um eine schlichte Ermittlungshandlung, welche im Sinne des Vorstehenden ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Datenschutzkommission fällt."

4. Mit dieser Argumentation verkennt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den Gegenstand der an ihn gerichteten Beschwerde.

Die Beschwerdeführer – die sich gegen die verdeckte Ermittlung als solche sowie gegen die Art und Weise, wie die verdeckte Ermittlerin agiert hat, wenden – werden daher durch die Zurückweisung ihrer Beschwerde in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt:

4.1. Der 1. Abschnitt des 6. Teiles des SPG (§§87-90 SPG) regelt den subjektiven Rechtsschutz. Zunächst normiert §87 SPG, dass jedermann "Anspruch darauf [hat], daß ihm gegenüber sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den Fällen und der Art ausgeübt werden, die dieses Bundesgesetz vorsieht".

§88 Abs1 und 2 SPG legt sodann die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate fest. Nach dem Abs1 des §88 SPG, der die durch Art129a Abs1 Z2 B-VG getroffene Regelung sicherheitspolizeispezifisch formuliert wiedergibt, erkennen die Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Der Abs2 des §88 SPG normiert darüber hinaus die Zuständigkeit der Verwaltungssenate "über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist", zu erkennen (s. Art129a Abs1 Z3 B-VG; vgl. auch VfSlg 18.830/2009).

§90 SPG trifft davon nur insofern eine abweichende Regelung, als die Datenschutzkommission – ausgenommen die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – "über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes" entscheidet.

Nach diesem klaren und unmissverständlichen Gesetzeswortlaut ist die Datenschutzkommission somit gemäß §90 SPG ausschließlich hinsichtlich behaupteter Verletzungen des Datenschutzgesetzes zuständig. Für alle übrigen Beschwerden von Menschen, die behaupten, in ihren Rechten – sei es durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung – verletzt worden zu sein, normiert §88 SPG eine Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate. An dieser Zuständigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass durch derartige Eingriffe im Ergebnis auch Daten ermittelt werden.

4.2. Angesichts des Typus der in Beschwerde gezogenen Ermittlungshandlungen und unter Bedachtnahme auf die als verletzt bezeichneten Rechte ist daher der Unabhängige Verwaltungssenat Wien auf Grund der – verfassungsrechtlich unbedenklichen – gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung des SPG zur Entscheidung über die behauptete rechtswidrige verdeckte Ermittlung zuständig.

Bei der verdeckten Ermittlung handelt es sich um eine besonders eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahme, deren Einsatz regelmäßig mit einem Eingriff in die nach Art8 EMRK verbürgten Rechte einhergeht und auch einer gerichtlichen Kontrolle bedarf (vgl. EGMR 5.2.2008, Fall Ramanauskas, Appl. 74.420/01).

Der Einsatz einer verdeckten Ermittlung muss sich innerhalb eindeutig definierter Grenzen halten und es müssen angemessene und ausreichende Garantien gegen Missbräuche bestehen, wie insbesondere ein klares und vorhersehbares Verfahren für die Genehmigung, Durchführung und Überwachung der fraglichen Ermittlungsmethoden (vgl. wiederum EGMR Fall Ramanauskas, Z51 ff.).

4.3. Der unabhängige Verwaltungssenat darf daher seine Zuständigkeit nicht verneinen, wenn er mit der Behauptung angerufen wird, eine verdeckte Ermittlung sei ohne Rechtsgrundlage erfolgt oder hätte in Art und Ausmaß die Grenzen des Erlaubten überschritten, ist er doch wie dargelegt im Allgemeinen für die Überprüfung derart behaupteter Rechtswidrigkeiten gemäß §88 SPG zuständig (vgl. auch die Erläuterungen zu §88 SPG: RV 148 BlgNR 18. GP, 53). Durch die Zurückweisung der Beschwerde sind die Beschwerdeführer somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

4.4. Demgemäß wird vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien im fortgesetzten Verfahren im Detail zu prüfen sein, welche der erfolgten Ermittlungshandlungen der Sicherheitsverwaltung und welche der Kriminalpolizei zuzuordnen sind und insbesondere, ob diese Ermittlungen durch das Inkrafttreten der Bestimmungen der §§129 ff. StPO mit 1. Jänner 2008 allenfalls in einem von diesen gesetzlichen Bestimmungen gedeckten, der Gerichtsbarkeit zuzurechnenden Auftrag erfolgten .

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführer sind somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

2. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Da die Beschwerdeführer durch denselben Rechtsanwalt vertreten sind und es diesem zumutbar gewesen wäre, eine gemeinsame Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid einzubringen, ist insgesamt nur ein Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag, zuzusprechen (vgl. zB VfGH 26.6.1998, B259/96 ua.). Den Beschwerdeführern sind somit Kosten in der Höhe von insgesamt € 3.420,– zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 460,– sowie der Ersatz der Eingabengebühren in Höhe von € 660,– enthalten.

Schlagworte

Polizei, Sicherheitspolizei, Unabhängiger Verwaltungssenat, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Behördenzuständigkeit, Datenschutz, Rechtsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B489.2012

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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