Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Petra B*****, und 2. Markus B*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Egon Lechner, Rechtsanwalt in Münster, gegen die beklagten Parteien 1. Josef W*****, 2. Elisabeth W*****, und 3. Andreas W*****, sämtliche *****, alle vertreten durch Mag. Martin Schallhart, Rechtsanwalt in Jenbach, wegen Einräumung einer Dienstbarkeit (in eventu 5.080 EUR sA), über den Rekurs der Kläger gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. Oktober 2008, GZ 1 R 215/08m-26, womit die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bezirksgerichts Rattenberg vom 15. Jänner 2008, GZ 1 C 982/06y-18, zurückgewiesen wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Kläger waren bereits in erster Instanz durch den nunmehrigen Klagevertreter vertreten. Das Erstgericht wies mit Urteil vom 15. 1. 2007 (richtig: 15. 1. 2008) sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren der Kläger ab. Dieses Urteil wurde dem Klagevertreter am 21. 1. 2008 zugestellt.
Am 19. 2. 2008 langte beim Erstgericht ein Antrag beider Kläger auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang „für das Berufungsverfahren" ein. Ein Kuvert ist dem Verfahrenshilfeantrag nicht angeschlossen. Neben dem Eingangsvermerk der Einlaufstelle mit dem Datum „19. 2. 2008" findet sich der handschriftliche Zusatz „pers".
Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 27. 3. 2008 den Antrag der Kläger auf Gewährung der Verfahrenshilfe für das Berufungsverfahren ab. Dieser Beschluss wurde dem Klagevertreter ebenso wie beiden Klägern persönlich am 8. 4. 2008 zugestellt. Am 5. 5. 2008 gab der Klagevertreter die Berufung der Kläger gegen das klageabweisende Ersturteil zur Post.
Diese Berufung wies das Berufungsgericht mit dem nun angefochtenen Beschluss als verspätet zurück: Das Berufungsgericht ging davon aus, dass mit Rücksicht auf die Zustellung des Ersturteils an den Klagevertreter am 21. 1. 2008 die Berufungsfrist für die Kläger mit Ablauf des 18. 2. 2008 geendet habe. Der erst am 19. 2. 2008 beim Erstgericht persönlich überreichte Verfahrenshilfeantrag sei daher verspätet und habe die mit Ablauf des 18. 2. 2008 eingetretene Rechtskraft des angefochtenen Urteils nicht mehr beseitigen können. Daran ändere nichts, dass das Erstgericht bei seiner den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Entscheidung die Verspätung der Antragstellung offensichtlich übersehen habe.
Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der (gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässige) Rekurs der Kläger mit dem Antrag, den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts ersatzlos zu beheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen.
Die Kläger beziehen sich in ihrem Rekurs darauf, dass entgegen der Beurkundung der Einlaufstelle, wonach der Verfahrenshilfeantrag (erst) am 19. 2. 2008 beim Erstgericht persönlich überreicht worden wäre, „der Erstkläger" (gemeint: Zweitkläger) tatsächlich den Verfahrenshilfeantrag am 18. 2. 2008 beim Postamt in Jenbach als Einschreibsendung abgefertigt habe. Unrichtigerweise sei von der zuständigen Postbeamtin zwar die richtige Postleitzahl „6240" (gemeint: des Erstgerichts) vermerkt, allerdings als unrichtiger Ort Brixlegg eingetragen worden, obwohl sich aus dem adressierten Kuvert jedenfalls richtig als Empfänger das Bezirksgericht 6240 Rattenberg ergeben habe. Diesem Rekursvorbringen schlossen die Kläger eine eidesstättige Erklärung des Zweitklägers an, wonach er am 18. 2. 2008 um 8:20 Uhr beim Postamt Jenbach den Verfahrenshilfeantrag an das Erstgericht aufgegeben habe. Ferner ist im Rekurs eine Kopie des Postaufgabescheins angeschlossen, die als Datum der Aufgabe des Einschreibsendens den 18. 2. 2008 und als Bestimmungsort „Bezirksgericht 6240 Brixlegg" nennt.
Das Berufungsgericht ist zutreffend und von den Klägern auch gar nicht bezweifelt davon ausgegangen, dass ein außerhalb der Berufungsfrist gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe unabhängig davon, ob das Erstgericht in der Folge über diesen Verfahrenshilfeantrag inhaltlich entschied, die bereits eingetretene Rechtskraft einer Entscheidung nicht zu beseitigen vermag (RIS-Justiz RS0036235; RS0041621; 10 ObS 67/98w; 8 Ob 152/00m uva). Zur Klärung der Frage, ob der Verfahrenshilfeantrag rechtzeitig gestellt wurde, ob also das Rekursvorbringen zutrifft und der Zweitkläger den Verfahrenshilfeantrag bereits am 18. 2. 2008 beim Postamt Jenbach aufgab oder ob der Verfahrenshilfeantrag entsprechend der Beurkundung durch die Einlaufstelle (§ 102 Abs 1 Geo.) erst am 19. 2. 2008, also außerhalb der Berufungsfrist, beim Erstgericht persönlich überreicht wurde, sind ergänzende Erhebungen notwendig. Das Erstgericht wird daher zunächst eine Befragung jenes Bediensteten vorzunehmen haben, der auf dem Verfahrenshilfeantrag vermerkte, dass er am 19. 2. 2008 persönlich überreicht wurde. Dann werden allfällige weitere Erhebungen (Einvernahme der Postbediensteten, allenfalls Einvernahme des Zweitklägers) durchzuführen sein, die verlässlich beurteilen lassen, ob der Verfahrenshilfeantrag am 18. 2. 2008 zur Post gegeben wurde; gegebenenfalls, ob er - wegen der Falschadressierung („Bezirksgericht 6240 Brixlegg" statt „Bezirksgericht 6240 Rattenberg") - retourniert wurde. Nach Durchführung der aufgetragenen Erhebungen wird der Akt erneut zur inhaltlichen Behandlung des zulässigen (RIS-Justiz RS0042770) Rekurses der Kläger durch den Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.
Anmerkung
E902918Ob154.08tEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0080OB00154.08T.1216.000Zuletzt aktualisiert am
21.04.2009