Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karin H*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Franz S*****, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Aufhebung einer Dienstbarkeit, Räumung und Abgabe einer Willenserklärung, über die „außerordentliche" Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2009, GZ 21 R 312/09d-23, womit das Urteil des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 31. August 2009, GZ 2 C 557/08g-17, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt mit ihrer mit 2.000 EUR bewerteten Klage als Eigentümerin „eines Reihenhauses" die Aufhebung eines bücherlich einverleibten Wohnungsgebrauchsrechts des Beklagten aus wichtigem Grund, die Räumung des Hauses und die Einwilligung in die Einverleibung der Löschung des Rechts durch den Beklagten.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten gegen das stattgebende Ersturteil nicht Folge.
Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es nahm eine offenbare Unterbewertung durch die Klägerin an.
Das Erstgericht legte das als außerordentliche Revision bezeichnete Rechtsmittel des Beklagten entgegen der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 502 Abs 3 ZPO idF des Budgetbegleitgesetzes BGBl I 2009/52 (anwendbar nach Art 16 Abs 4 leg cit auf nach dem 30. Juni 2009 ergangene Berufungsentscheidungen) ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR, übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO - wie hier - für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.
Gegenstand des Streits ist im vorliegenden Fall ein dingliches Wohnungs-(gebrauchs-)recht. Es liegt daher kein Fall einer Streitigkeit aus einem Bestandvertrag, genossenschaftlichen Nutzungsvertrag oder Vertrag nach § 1103 ABGB iSd § 49 Abs 2 Z 5 JN und damit auch des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO vor (vgl RIS-Justiz RS0046865 [T15]). Die gemeinsame Bewertung der Ansprüche entspricht dem Umstand, dass sich die Ansprüche aus demselben Sachverhalt (iS eines erheblich nachteiligen Gebrauchs des Dienstbarkeitsobjekts) ableiten lassen (§ 500 Abs 3 ZPO iVm § 55 Abs 1 JN). Der Rechtsmittelwerber hat das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und geltend gemacht, dass er entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Ein ausdrücklicher Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) fehlt.
Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage war der Rechtsmittelschriftsatz nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof, vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).
Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese ausdrücklich an den Obersten Gerichtshof gerichtet sei, dann wird es wegen Fehlens eines Inhaltserfordernisses iSd § 84 Abs 3 ZPO einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Sollte die Rechtsmittelwerberin die Verbesserung ihres Schriftsatzes verweigern, wäre die Revision jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0109501).
Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.
Textnummer
E93064European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00270.09S.0127.000Im RIS seit
26.02.2010Zuletzt aktualisiert am
04.04.2012