TE OGH 2011/2/24 6Ob34/11k

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Veröffentlicht am 24.02.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** S*****, Niederlande, vertreten durch Mag. Alois Huter und andere Rechtsanwälte in Mittersill, gegen die beklagte Partei I***** Ltd, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Herbert Harlander, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2010, GZ 22 R 359/10p-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das nach § 31 Abs 1 IPRG berufene Recht (der gelegenen Sache [Realstatut]) gilt für alle sachenrechtlichen Fragen, also etwa auch für den Erwerb, den Inhalt, die Wirkungen und den Schutz dinglicher Geschäfte (Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ [2010] § 31 IPRG Rz 2), und erfasst etwa auch Pfandrechte (7 Ob 543/92 SZ 65/62; Neumayr aaO Rz 1). Im Hinblick auf die Lage der vom klägerischen Räumungsbegehren betroffenen Liegenschaft in Österreich haben die Vorinstanzen somit zutreffend (und auch von den Parteien nicht in Abrede gestellt) österreichisches Recht angewendet.

2. Auf § 138 Abs 2 EO stützt der Kläger sein Räumungsbegehren im Revisionsverfahren nicht mehr.

3. Der Kläger bezeichnet seine Klage (nunmehr) ausdrücklich als Devastationsklage. Nach § 458 ABGB steht diese jedoch an sich nur dem Pfandgläubiger zu, dessen Pfand durch Verschulden des Pfandgebers (etwa durch Abschluss von Bestandverträgen bei verpfändeten Liegenschaften [6 Ob 261/01b MietSlg 53.837; Hinteregger, Rechte des Pfandgläubigers bei Entwertung der Pfandliegenschaft durch Vermietung, ÖBA 2001, 448]) verschlechtert wurde. Zwar hat der Oberste Gerichtshof mehrfach (RIS-Justiz RS0008355; ebenso etwa 8 Ob 170/99d; 6 Ob 261/01b) ausgeführt, dem Ersteher könne analog eine Devastationsklage zustehen, wenn es sein Schutz erfordere; dies sei jedoch in jenen Fällen ausgeschlossen, in denen dem Ersteher zur Zeit der Abgabe seines Meistbots das Bestandverhältnis bekannt war (ebenso Hinteregger in Schwimann, ABGB³ [2005] § 458 Rz 6).

Die in der außerordentlichen Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob auch derjenige, der eine Liegenschaft vom Ersteher erworben hat, zur Erhebung der Devastationsklage aktiv legitimiert ist, stellt sich damit allein schon deshalb nicht, weil weder feststeht noch vom Kläger im Verfahren erster Instanz vorgebracht wurde, dass er bei Erwerb der Liegenschaft in Unkenntnis der zwischen (vormaliger) Eigentümerin und Beklagter geschlossenen (Bestand-)Verträge gewesen wäre. Im Übrigen ist auch die Schutzbedürftigkeit des Erwerbers nicht ersichtlich, hätte er doch - allenfalls nach entsprechenden Nachforschungen - vom Erwerb Abstand nehmen können beziehungsweise stehen ihm gegen den Ersteher allenfalls (auch Gewährleistungs-)Ansprüche zu.

4. Der Kläger meint in der außerordentlichen Revision, die (Bestand-)Verträge seien als Scheingeschäfte (§ 916 ABGB) anzusehen und damit unwirksam; der Grund des Abschlusses sei in der Verhinderung der bevorstehenden Zwangsversteigerung gelegen. Damit macht der Kläger aber (lediglich) einen verpönten Zweck der Verträge geltend; tatsächlich war der Abschluss von Bestandverträgen gewollt.

5. Schließlich macht der Kläger „Sittenwidrigkeit der Verträge“ geltend. Der Oberste Gerichtshof teilt zwar nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger könne sich darauf nicht berufen, weil er nicht Vertragspartner dieser Vereinbarungen sei; tatsächlich ist der Kläger - nach der Ersteherin - gemäß §§ 1120, 1121 ABGB in die (Bestand-)Verträge eingetreten (vgl dazu grundsätzlich 3 Ob 572/92 ÖBA 1993, 665). Allerdings ist nicht jeder nach Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens abgeschlossene (Bestand-)Vertrag sittenwidrig, sondern allenfalls nach § 138 Abs 2 EO Gläubigern und dem Ersteher gegenüber (also relativ) unwirksam; Sittenwidrigkeit wird hingegen nur bei Verletzung öffentlicher Interessen angenommen, also etwa wenn durch die konkrete Vertragsgestaltung der Wert der der Zwangsversteigerung unterworfenen Sache erheblich verringert und dadurch die Möglichkeit der Durchführung der Zwangsversteigerung verhindert oder erschwert oder der Wert so weit verringert wird, dass (auch) jemand, der ein Gebot in der Höhe des geringsten Gebots abgibt, mit einem Schaden rechnen muss (ausführlich 3 Ob 572/92; ebenso 9 Ob 58/03z; 3 Ob 66/06m). Derart substanziiertes Vorbringen hat der Kläger im Verfahren erster Instanz (ebenso wie im Revisionsverfahren) aber nicht erstattet, sondern nur ganz allgemein Sittenwidrigkeit behauptet.

6. Die in der außerordentlichen Revision behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Dass der Kläger nicht einvernommen wurde, stellt keine Gehörverletztung dar und kann daher auch keine Nichtigkeit begründen.

Textnummer

E96580

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00034.11K.0224.000

Im RIS seit

23.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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