TE OGH 2011/3/31 1Ob42/11z

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Veröffentlicht am 31.03.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Eleonore ***** V*****, vertreten durch Dr. Wulf Kern, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.663,78 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 18.792,26 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Dezember 2010, GZ 12 R 44/10v-61, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. August 2009, GZ 16 Cg 109/08d-47, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.119,24 EUR (darin enthalten 186,54 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die beklagte Bauherrin und Bestellerin beruft sich auf eine mangelhafte Leistung des klagenden Unternehmens, das für Trockenbauarbeiten in Polen hergestellte Gipskartonplatten verwendet habe, die nicht als in Österreich oder der Europäischen Union zugelassene Baustoffe gekennzeichnet worden seien und deren Einbau deshalb nach der Wiener Bauordnung und dem Wiener Bauprodukte- und Akkreditierungsgesetz (WBAG) nicht zulässig gewesen sei.

Anzumerken ist, dass die für das Vorliegen eines Mangels grundsätzlich beweispflichtige (RIS-Justiz RS0018553) Beklagte in ihrer Revision keine einzige konkrete Bestimmung nennt, aus der sich die behauptete Unzulässigkeit des verwendeten Werkstoffs einschließlich der gewünschten Rechtsfolge (Ausschluss der Möglichkeit, eine Benutzungsbewilligung für die geplante Dachgeschosswohnung zu erhalten) ableiten ließe.

Eine Leistung ist außerdem nur dann mangelhaft, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, also dem Vertragsinhalt, zurückbleibt (RIS-Justiz RS0018547; Reischauer in Rummel³, § 923 Rz 3; vgl P. Bydlinski in KBB³ § 922 Rz 1 je mwN). Die Frage, welche Leistung geschuldet wurde, ist nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu beurteilen und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0042936; vgl RS0044358).

Im konkreten Fall stimmte die Beklagte nach Rücksprache mit ihrem Architekten, der sich zuvor über die Verwendung und die Eignung der „polnischen“ Gipskartonplatten erkundigt hatte und von der fehlenden Kennzeichnung wusste, dem Einbau dieser von der klagenden Partei als „Billigst - und Bestbieter“ angebotenen Platten zu, weil sie den sich daraus ergebenden Preisvorteil ausnützen wollte. Die verwendeten Platten entsprachen qualitativ in Bezug auf Wärme- und Schalldämmung und sämtliche andere physikalischen Eigenschaften österreichischen, mit der erforderlichen Kennzeichnung versehenen Baustoffen. Derartige „polnische“ Platten waren zuvor schon mehrfach auf Baustellen in Österreich ohne Probleme mit der Baubehörde verwendet worden.

Haben die Vorinstanzen die Verwendung dieses Baustoffs als vertragskonforme und mängelfreie Leistung angesehen, so ist diese Beurteilung nicht zu korrigieren, steht es den Vertragsparteien doch grundsätzlich frei, eine nach der Verkehrsauffassung objektiv gesehen mangelhafte Leistung als vertragsgemäß zu werten (RIS-Justiz RS0107681; Reischauer aaO mwN). Die von den Vorinstanzen bejahte Eigenschaft des Architekten als Vertreter der Beklagten, dessen Erklärungen und Wissen ihr zuzurechnen seien, wird in der Revision nicht in Zweifel gezogen.

Die Beklagte beruft sich, auch wenn sie eine Anweisung im Sinn des § 1168a ABGB und dessen Anwendbarkeit bezweifelt, wohl auch in dritter Instanz auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht, weil die klagende Partei sie nicht vor dem Einsatz eines nicht zugelassenen Baustoffs gewarnt habe. Neuerlich ist darauf hinzuweisen, dass sie die Bestimmungen der Wiener Bauordnung und des WBAG in keiner Form konkretisiert. In ihren Argumenten übersieht sie überdies, dass sich die befürchtete Gefahr einer Verweigerung der Benützungsbewilligung nicht verwirklicht hat: Das Bauprojekt scheiterte nämlich deshalb, weil die Beklagte nicht über die zur Fertigstellung erforderlichen Mittel verfügte, einen Baustopp anordnete und den beteiligten ausführenden Unternehmen den Zugang zum Dachboden verweigerte. Die Beklagte, die den Preisvorteil der angebotenen Platten ausnützen wollte, legte auch nie dar, welche Konsequenzen sie aus der ihrer Auffassung nach gebotenen Aufklärung gezogen hätte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

Textnummer

E96985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00042.11Z.0331.000

Im RIS seit

03.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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