TE OGH 2011/6/9 3Ob104/11g

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.06.2011
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Dr. K***** S*****, vertreten durch Mag. Alexander Todor-Kostic, LL.M., Rechtsanwalt in Velden am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. M***** K*****, 2. J***** S*****, beide vertreten durch Dr. Gernot Murko und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 13 C 1879/93b des Bezirksgerichts Klagenfurt, über die Revision und den Rekurs der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 4. Februar 2011, GZ 1 R 139/10a-140, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 28. Oktober 2008, GZ 20 C 1281/00a-124, über Berufung der beklagten Parteien bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 490,40 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 81,73 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Zu AZ 13 C 1879/93b des Erstgerichts begehrte der Kläger von den Beklagten (deren Rechtsvorgängerin) die Ausfolgung eines Schlüssels für einen im Bereich eines bestimmten Weges von den Beklagten errichteten Schranken. Damit sollte dem Kläger die jederzeitige ungehinderte Benützung des bis zu seiner Liegenschaft führenden Weges ermöglicht werden, wobei er sich auf Ersitzung eines an der Weganlage für ihn als Liegenschaftseigentümer bestehenden Dienstbarkeitsrechts, aber auch die Vereinbarung eines solchen Dienstbarkeitsrechts berief. Das Erstgericht wies diese Klage mit Urteil vom 16. April 1995 ab; das Urteil erwuchs in Rechtskraft.

              Sowohl am 23. Oktober 1998 als auch am 21. Dezember 2004 vom Kläger eingebrachte Wiederaufnahmsklagen gegen das genannte Urteil scheiterten (jeweils Klagezurückweisung).

Mit der hier zu behandelnden Wiederaufnahmsklage vom 5. Mai 2000 begehrte der Kläger gleichfalls die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 13 C 1879/93b des Erstgerichts und die Aufhebung des in diesem Verfahren ergangenen klageabweisenden Urteils sowie im wiederaufzunehmenden Verfahren ein klagestattgebendes Urteil unter Berufung auf weitere von ihm aufgefundene Beweismittel, welche in derer Gesamtheit geeignet seien, die Beweisergebnisse des wiederaufzunehmenden Verfahrens zu erschüttern und ein für ihn günstigeres Urteil zu erwirken.

Am 17. September 2001 begehrte der Kläger im Verfahren AZ 22 Cg 200/01f des Landesgerichts Klagenfurt von den Beklagten die Beseitigung des auch im wiederaufzunehmenden Verfahren gegenständlichen Schrankens und die Unterlassung der Absperrung oder Abschrankung des (auch) zu seiner Liegenschaft führenden Weges. Er stützte sich auf subjektive öffentliche Rechte am Weg, darüber hinaus sowohl auf vertraglich eingeräumte als auch ersessene Dienstbarkeitsrechte am Weg, welche ihm insgesamt ein uneingeschränktes Zufahrtsrecht zu seiner Liegenschaft sichern würden. Dieses Klagebegehren wurde rechtskräftig abgewiesen (Ersturteil vom 28. Juli 2004, Berufungsurteil vom 14. Juli 2005 und Zurückweisung der außerordentlichen Revision des Klägers mit Beschluss vom 12. April 2007).

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Wiederaufnahmsklage.

Das Erstgericht bewilligte die Wiederaufnahme des Verfahrens und hob das zu AZ 13 C 1879/93b ergangene Urteil vom 16. April 1995 auf. Es erachtete den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gegeben, bejahte die Tauglichkeit der neuen Beweismittel (im Zusammenhang mit bereits bekannten Beweismitteln), eine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen, und sah die Wiederaufnahmsklage auch als rechtzeitig an.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit und bestätigte die Stattgebung des Wiederaufnahmsklagebegehrens. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, inwieweit später eingetretene, möglicherweise anspruchsvernichtende Tatsachen bereits in das Aufhebungsverfahren hineinwirken und die bereits bejahte Tauglichkeit neuer Tatsachen und Beweismittel ab einem bestimmten Verfahrenszeitpunkt wieder wegfallen lassen. Ob die Rechtskraft der Abweisung des Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens, das der Kläger auf ihm zustehende Dienstbarkeitsrechte am strittigen Weg gründete, Rechtskraft- oder Bindungswirkung auf das Verfahren zur Ausfolgung eines Schlüssels zu einem den Weg sperrenden Schranken habe, sei nicht schon im Verfahren zur Bewilligung der Wiederaufnahme, sondern erst im erneuerten Verfahren zu behandeln.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Wiederaufnahmsklagebegehrens anstreben, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsauspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Rekurs der Beklagten ist nicht zulässig.

Auf die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Frage kommt es vorliegend nicht an.

Die Bindungswirkung der Entscheidung (Ausschluss der Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerlichen Prüfung eines rechtskräftig entschiedenen Anspruchs bei der Entscheidung über ein neues, begrifflich aber untrennbar mit dem Inhalt der rechtskräftigen Vorentscheidung zusammenhängendes Klagebegehren) beschränkt sich als Folge der Rechtskraft grundsätzlich auf die Parteien und den „geltend gemachten Anspruch“, über den im Urteil entschieden wurde. Soweit die beiden Begehren nicht identisch oder ihre bloße Negation sind, muss wenigstens Präjudizialität derart vorliegen, dass der rechtskräftig entschiedene Anspruch eine Vorfrage, also das bedingende Rechtsverhältnis für den neuen Anspruch ist, sodass über den neuen Anspruch nur dann entschieden werden kann, wenn gleichzeitig als Voraussetzung hiefür über den rechtskräftig entschiedenen Anspruch erkannt wird (RIS-Justiz RS0041567). Bindungswirkung besteht nur an die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage (6 Ob 248/03v = SZ 2003/160 uva; RIS-Justiz RS0041567 [T8]), nicht aber an die in der Vorentscheidung beurteilten Vorfragen (RIS-Justiz RS0041342). Hiefür sieht die ZPO den Zwischenantrag auf Feststellung vor, welcher allein eine bindende Entscheidung über eine präjudizielle Vorfrage ermöglicht (6 Ob 176/06k; 6 Ob 59/99s ua).

Da im zu AZ 22 Cg 200/01f des Landesgerichts Klagenfurt anhängigen Verfahren nur über die Zulässigkeit der Abschrankung (in Vergangenheit und Zukunft), - mangels Zwischenantrags auf Feststellung der Wegedienstbarkeit - nicht aber über das Bestehen der vom Kläger behaupteten Dienstbarkeit an sich rechtskräftig abgesprochen wurde, fehlt im hier wieder aufzunehmenden Verfahren (über die Ausfolgung des Schlüssels zu einem den Weg sperrenden Schranken) eine bindende Vorfragenentscheidung. Die Rechtskraft der das Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren abweisenden Entscheidung steht der selbständigen Beurteilung des Ausfolgungsbegehrens nicht entgegen.

Ob auf eine bindende Vorentscheidung bereits im Wiederaufnahmeverfahren Bedacht zu nehmen ist, ist daher hier nicht zu beurteilen.

Auf die in erster Instanz wegen Veräußerung der Liegenschaft bestrittene, im Hinblick auf die Irrelevanz der Veräußerung gemäß § 234 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0109183) aber bestehende Klagelegitimation und das wegen zwischenzeitiger Beseitigung des Schrankens, zu dem der Schlüssel ausgefolgt werden soll, (angeblich) fehlende Rechtsschutzinteresse des Klägers kommen die Beklagten in ihrer Revision nicht mehr zurück.

Die Revision der Beklagten ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Da vom Berufungsgericht geprüfte, aber verneinte Nichtigkeiten nicht (nochmals) in dritter Instanz geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS00429981), war überdies der Rekurs gegen die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO; die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.

Textnummer

E97612

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00104.11G.0609.000

Im RIS seit

04.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten