TE OGH 2011/8/25 13Os66/11x

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Veröffentlicht am 25.08.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. August 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Einwagner als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Lieselotte Z***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (idF vor BGBl I 2010/104) FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Dezember 2010, GZ 13 Hv 127/09b-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Lieselotte Z***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (idF vor BGBl I 2010/104) FinStrG (I/1 und 2) und nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a (idF vor BGBl I 2010/104) FinStrG (II) schuldig erkannt.

Danach hat sie im Bereich des Finanzamts Wien 2/20/21/22 als Einzelunternehmerin in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine Verkürzung folgender Abgaben bewirkt, und zwar

(I) vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht, „nämlich durch Nichterfassen von Umsätzen und Erlösen im buchhalterischen Rechenwerk“ und Nichterfassung derselben in den diesbezüglichen Jahressteuererklärungen,

1) von Umsatzsteuer für die Jahre 1999 bis 2005 um insgesamt 85.096,95 Euro;

2) von Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2004 um insgesamt 128.159,66 Euro;

(II) vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen, nämlich durch Nichterfassen von Umsätzen in den Umsatzsteuervoranmeldungen und Nichtentrichtung der darauf entfallenden Umsatzsteuervorauszahlungen, von Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume Jänner bis November 2006 um insgesamt 22.910,82 Euro und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Dagegen richtet sich die aus den Gründen der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO) zum Nachteil der Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) wahrzunehmen war:

Der Tatbestand der Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG setzt in subjektiver Hinsicht erstens einen (zumindest) bedingten Vorsatz in Betreff der Verletzung der jeweiligen abgabenrechtlichen Pflicht - also der Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht (Abs 1) oder der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen (Abs 2 lit a) - sowie zweitens hinsichtlich des Bewirkens einer Abgabenverkürzung im Fall des Abs 1 abermals (zumindest) bedingten Vorsatz, im Fall des Abs 2 lit a hingegen Wissentlichkeit voraus (RIS-Justiz RS0087051). Nur Zweiteres hat das Erstgericht mit der Formulierung, „die Angeklagte setzte diese Malversationen im Rechenwerk, um durch die Nichtmeldung und Nichtabfuhr abgabenrechtlicher Zahllasten liquide Geldmittel zur Befriedigung ihrer persönlichen finanziellen Bedürfnisse zu erhalten, weshalb sie um die so bewirkten Abgabenhinterziehungen auch wusste“ (US 4), festgestellt. Daran ändert auch die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) nichts (RIS-Justiz RS0114639).

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die gänzliche Kassation des Urteils, weshalb sich eine Erörterung der darauf abzielenden Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt.

Mit ihren Rechtsmitteln war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bleibt zur Vermeidung weiterer Fehler im zweiten Rechtsgang anzumerken:

Die mit dem „Nichterfassen von Erlösen im buchhalterischen Rechenwerk“ angesprochene (US 2 und 4) Verletzung von Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten (vgl § 124 BAO iVm §§ 189 f UGB) mag der Vorbereitung einer Abgabenhinterziehung dienen, ist als solche jedoch nicht Tatbestandselement des § 33 Abs 1 oder Abs 2 lit a FinStrG (RIS-Justiz RS0087191; Reger/Hacker/Kneidinger, FinStrG3 § 33 Rz 15). Einem Schuldspruch wegen eines dieser Finanzvergehen müssen (in objektiver Hinsicht) also eindeutige Konstatierungen zur Verletzung einer der dort genannten abgabenrechtlichen Pflichten zu Grunde liegen.

Rechtliche Beurteilung

Den Tatbestand des § 33 Abs 2 lit a FinStrG erfüllt in objektiver Hinsicht, wer unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen  eine Verkürzung von Umsatzsteuer bewirkt. Nach § 21 Abs 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen hat. Eine sich (aus dieser Berechnung) ergebende Vorauszahlung hat der Unternehmer spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten (vgl 13 Os 129/10k); auch dazu sind Feststellungen zu treffen (vgl § 33 Abs 3 lit b FinStrG).

Für die Abgrenzung Versuch/Vollendung bei auf unrichtigen Abgabenerklärungen basierenden Festsetzungen (§ 33 Abs 3 lit a erster Fall FinStrG) bedarf es überdies Konstatierungen zur Rechtskraft der Abgabenbescheide (13 Os 38/11d; RIS-Justiz RS0086391 ua).

Zudem hat das Urteil im Fall eines Schuldspruchs unter dem Aspekt mängelfreier Begründung (Z 5 [allenfalls iVm Z 11 erster Fall] des § 281 Abs 1 StPO) die Berechnungsgrundlage des festzustellenden strafbestimmenden Wertbetrags (§ 33 Abs 5 FinStrG) insgesamt (und nicht wie vorliegend bloß in Ansehung von Einzelaspekten) - allenfalls durch konkreten Hinweis auf aktenkundige, von den Tatrichtern als schlüssig erachtete Berechnungen der Abgabenbehörde oder eines gemäß § 126 StPO bestellten Sachverständigen - nachvollziehbar darzustellen.

Schließlich wird im zweiten Rechtsgang die mit 1. Jänner 2011 in Kraft getretene Änderung der Finanzstrafgesetz-Novelle 2010 zu beachten sein (§ 33 Abs 5 zweiter Satz FinStrG).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E98406

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0130OS00066.11X.0825.000

Im RIS seit

07.10.2011

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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