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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der VP in W, geboren am 1. Jänner 1971, vertreten durch Dr. Philipp Wahl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. Juni 2000, Zl. 212.719/6-I/03/00, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Angelegenheit des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 31. August 1999 wies das Bundesasylamt einen Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "in die BR Jugoslawien Provinz Kosovo" gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin unbestritten am 6. September 1999 durch Hinterlegung beim Postamt 1034 Wien zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 21. September 1999, zur Post gegeben gleichfalls am 21. September 1999, erhob die Beschwerdeführerin gegen den genannten Bescheid des Bundesasylamtes Berufung; zur Rechtzeitigkeit brachte sie ohne nähere Ausführungen vor, dass der erstinstanzliche Bescheid am 7. September 1999 zugestellt worden sei. Seitens des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführerin daraufhin mit Note vom 14. Oktober 1999 vorgehalten, dass die Berufungsfrist bereits am 20. September 1999 abgelaufen sei. Dieser Vorhalt wurde der Beschwerdeführerin nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden Rückschein am 19. Oktober 1999 durch Hinterlegung zugestellt.
Mit am selben Tag zur Post gegebenem Schriftsatz vom 27. Oktober 1999 erstattete die Beschwerdeführerin in der Folge nachstehende Stellungnahme an die belangte Behörde:
"Ich habe am 7.9.1999 die Hinterlegungsanzeige der Post erhalten. Daraufhin versuchte ich das Schriftstück bei der Post zu beheben.
Da ich als Asylwerberin über kein österreichisches Ausweisdokument verfügte (auch die Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung wird nicht als ausreichend zur Feststellung meiner Identität angesehen), wurde mir mitgeteilt, dass mir das Schriftstück nicht ausgehändigt werden kann und als unzustellbar an den Absender zurückgeschickt werden muss.
Daraufhin bin ich am 8.9.99 persönlich zum Bundesasylamt gegangen, wo mir eine Kopie des gegenständlichen Bescheides ausgefolgt wurde.
Da somit der Bescheid mE erst durch Aushändigung der Kopie rechtskräftig zugestellt wurde, erfolgte die am 21.09.1999 zur Post gegebene Berufung also fristgerecht.
Hilfsweise beantrage ich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da ich durch ein unvorhergesehenes Ereignis ohne mein Verschulden daran gehindert war, die Frist einzuhalten. Die diesbezügliche Berufung wurde bereits eingebracht."
Die belangte Behörde übermittelte die eben genannte "Stellungnahme" gemäß § 6 AVG an das Bundesasylamt, wo sie am 2. November 1999 einlangte. (Außerdem wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid vom 31. August 1999 mit Bescheid vom 17. November 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.)
Über den Wiedereinsetzungsantrag entschied das Bundesasylamt mit Bescheid vom 4. November 1999. Es wies diesen gemäß § 71 Abs. 2 AVG zurück, weil - zusammenfassend - der Wiedereinsetzungsantrag jede Angabe iSd § 71 Abs. 2 AVG vermissen lasse, bei der falschen Behörde eingebracht worden und beim Bundesasylamt verspätet eingelangt sei. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 9. Juni 2000 ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage spätestens am 8. September 1999 von der Zulässigkeit der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. August 1999 Kenntnis erlangt habe. Der letzte Tag für die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages wäre somit der 22. September 1999 gewesen. Tatsächlich sei dieser jedoch erst am 27. Oktober 1999 erhoben und erst am 2. November 1999 bei der zuständigen Behörde, dem Bundesasylamt, eingelangt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist gemäß § 71 Abs. 1 AVG auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
Gemäß § 71 Abs. 2 leg. cit. muss der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Die belangte Behörde stellte im vorliegenden Fall bezüglich des Beginns der Wiedereinsetzungsfrist darauf ab, wann die Beschwerdeführerin von der Zulässigkeit der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. August 1999 Kenntnis erlangt habe; dies sei der 8. September 1999 gewesen. Sie folgte damit erkennbar der zweiten Alternative des § 71 Abs. 2 AVG, die allerdings im gegenständlichen Fall nicht zum Tragen kommen kann. Die Fristberechnung von der Kenntnisnahme der Zulässigkeit der Berufung an bezieht sich nämlich nur auf § 71 Abs. 1 Z 2 AVG, also auf jenen Fall, dass die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0009). Hier jedoch war der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund klar der noch im Antrag vom 27. Oktober 1999 zum Ausdruck gebrachte Irrtum darüber, wann die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides wirksam geworden sei und wann daher die Berufungsfrist zu laufen begonnen habe (vgl. auch die diesbezügliche Angabe in der Berufung vom 21. September 1999). Die Wiedereinsetzungsfrist war davon ausgehend tatsächlich aber erst mit Wegfall dieses Irrtums - der im Sinn des § 71 Abs. 1 AVG ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis sein kann (vgl. den hg. Beschluss vom 31. Mai 2001, Zl. 2001/20/0266, mwN) - oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist, zu berechnen. Im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin weiterhin vertretene Ansicht, die Berufung vom 21. September 1999 sei rechtzeitig eingebracht worden, und angesichts der nur hilfsweise erfolgten Stellung des Wiedereinsetzungsantrages kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Beginn der Wiedereinsetzungsfrist in Bezug auf den erwähnten Irrtum frühestens mit Zustellung des Vorhalts vom 14. Oktober 1999 angesetzt werden kann. Da die Zustellung des genannten Vorhalts am 19. Oktober 1999 erfolgte und der richtig gemäß § 6 AVG an das Bundesasylamt weitergeleitete Antrag dort am 2. November 1999 einlangte (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 14. September 2000, Zl. 96/21/0822), war die Wiedereinsetzungsfrist gewahrt und hätte daher eine meritorische Erledigung über den Antrag der Beschwerdeführerin erfolgen müssen. Der angefochtene Bescheid leidet daher an einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. August 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000010409.X00Im RIS seit
12.10.2001