TE UVS Salzburg 2000/08/30 3/11682/7-2000th

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg erlässt durch das Einzelmitglied Mag. Thomas Thaller über die Berufung von Frau F in S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P in S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 14.3.2000, Zahl III/S-21004/98, folgendes Erkenntnis:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird die Berufung zu den Spruchpunkten 1. und 3. (vorgeworfene Übertretungen des § 4 Abs 1 lit a StVO und des § 4 Abs 5 StVO) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als im Tatvorwurf nach dem Wort ?Verkehrsunfall? die Passage ?mit Sachschaden (Sie haben beim Ausparken ein Motorfahrrad umgestoßen und dadurch beschädigt)? eingefügt wird. Zu Spruchpunkt 2. (vorgeworfene Übertretung des § 4 Abs 1 lit c StVO) wird der Berufung Folge gegeben und dieser Spruchpunkt einschließlich des diesbezüglichen Kostenspruches aufgehoben. Das Verwaltungsstrafverfahren zu Spruchpunkt 2. wird gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat die Beschuldigte zu den Spruchpunkten 1. und 3. neben den erstinstanzlichen Verfahrenskosten von insgesamt S 250,-- (entspricht ? 18,17) auch einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens von insgesamt S 500,-- (entspricht ? 36,34) zu entrichten.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird der Beschuldigten vorgeworfen, sie sei am 11.07.1998 um 08.05 Uhr in Salzburg, Estraße 57, als Lenkerin des PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen S-376 DE mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe es unterlassen:

1.

sofort anzuhalten

2.

an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken

3.

ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen, da ein Identitätsnachweis nicht erfolgte.

 

Sie habe dadurch Verwaltungsübertretungen

1.

gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO 1960

2.

gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO 1960

3.

gemäß § 4 Abs 5 StVO

begangen und wurde wegen dieser über sie

 1. gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,--, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden,

 2. gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,--, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden,

 3. gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden,

verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte durch ihren Rechtsvertreter fristgerecht eine Berufung eingebracht. Darin bestreitet sie eine Kollision mit dem abgestellten Mofa verursacht haben zu können oder auch sonst in einem Zusammenhang dazu gestanden zu sein, hilfsweise dass ihr nicht erkennbar gewesen sei, dass ein Verkehrsunfall vorgelegen sei, welche jene Verpflichtungen auslöse, deren Unterlassung ihr nunmehr vorgeworfen werde. Die Behörde erster Instanz habe unschlüssig und unzureichend die Beweise gewürdigt. Es erscheine verfehlt, sich an die Angaben des Privatanzeigers bzw des Zeugen zu halten, zumal beide auch keine unmittelbare Beobachtung gemacht haben. Beide haben nur ein Geräusch gehört, seien dann zum Fenster gegangen und habe erst dann eine Wahrnehmung eingesetzt, als der Zusammenhang nicht mehr unmittelbar herstellbar gewesen sei. Das Geräusch müsse nicht unmittelbar im Zusammenhang mit einem umstürzenden Mofa gestanden haben. Dies könne vielmehr schon vorher auf Grund mannigfaltiger Ursachen am Boden gelegen haben. Es sei auch verfehlt ihr zum Vorwurf zu machen, dass eine solche Kollision wahrnehmbar hätte sein können. Es werde auch die Einholung eines kfz-technischen Amtsachverständigen sowie Durchführung eines Ortsaugenscheines und die Vornahme einer Stellprobe beantragt. Schließlich werde auch die Strafe als überhöht und nicht schuldangemessen moniert.

 

In der Sache fanden am 30.6.2000 sowie am 28.8.2000 öffentliche mündliche Berufungsverhandlungen statt, wobei der Zulassungsbesitzer des umgestürzten Mofas, Herr Michael S, dessen Freund Bernhard K sowie der aufnehmende Polizeibeamte RevInsp. B als Zeugen einvernommen wurden.

 

Der Zeuge S gab dabei an, damals zu seinem damaligen Freund K, welcher in der E-straße 22 wohne, gefahren zu sein. Er habe sein Mofa in der gegenüber dem Haus Nr. 22 gelegenen S-straße abgestellt, ca 1 m vor einem Fahrzeug, welches sich nachher als Fahrzeug der Beschuldigten herausstellte. Es sei schräg zum Fahrbahnrand gestanden. Die Wohnung seines Freundes habe sich im

2. Stock befunden. Er selbst sei im Zimmer seines Freundes gewesen und habe einen lauten Krach gehört. Sein Freund sei daraufhin zum Fenster gelaufen und habe ihm gesagt, dass eine Frau sein Moped umgefahren habe. Daraufhin sei auch er zum Fenster gelaufen und habe gesehen, wie sein Moped dagelegen sei. Er habe auch gesehen, wie ein dunkler Pkw weggefahren sei. Dieser habe sich schon auf der E-straße in Fahrtrichtung G-Z-Platz auf Höhe der S-straße, wo sein Mofa abgestellt gewesen war, befunden . Das Fahrzeug sei gerade beim Wegfahren gewesen. Es sei dann Richtung G-Z-Platz weggefahren. Er habe sich seine Schuhe angezogen und sei hinuntergelaufen. Er habe dann einen Passant gefragt, ob dieser das Nummernschild des Autos erkannt habe. Der Passant habe ihm dies verneint aber mitgeteilt, dass die Fahrerin ohnedies im gegenüberliegenden Haus wohne. Dabei habe es sich um ein Einfamilienhaus gehandelt. Er habe dort angeläutet und habe ihm eine ältere Frau geöffnet. Diese Frau habe ihm bejaht, dass bei ihr gerade jemand weggefahren sei. Sie habe ihm auch die Beschuldigte genannt und habe er dann die Telefonnummer im Telefonbuch herausgesucht. Er habe dann bei dieser Nummer angerufen, aber nur den Sohn erreicht, der angab, dass seine Mutter noch nicht zu Hause war. Daraufhin habe er seinen Vater angerufen, der ihm den Rat gegeben habe, die Sache anzuzeigen, woraufhin er ins Wachzimmer gefahren sei und dort die Anzeige erstattet habe. Er sei mit dem Mofa hingefahren und habe sich der Beamte dort das Mofa auch angeschaut. Der an seinem Mofa entstandene Schaden sei ihm vollständig ersetzt worden, er wisse aber nicht, ob von der Beschuldigten persönlich oder von deren Versicherung.

 

Der Zeuge K gab ebenfalls an, im Zimmer einen ?lauten Tuscher? gehört zu haben, woraufhin er zum Fenster gegangen und hinausgesehen habe. Dies habe vielleicht 5 Sekunden gedauert. Er habe das Moped seines Freundes auf der Straße liegen sehen, wobei hinsichtlich des genauen Abstellortes sich seine Angaben zu den Angaben des Zeugen S unterscheiden. Nach dem Zeugen K sei der PKW der Beschuldigten und das Mofa seines Freundes nicht in der Zufahrtsstraße, sondern auf der E-straße selbst abgestellt gewesen. Er habe nicht gesehen, wie das Moped durch das Fahrzeug umgestoßen wurde, sondern nur den Lärm gehört und danach, als er zum Fenster gegangen sei, gesehen, wie das Fahrzeug vor dem Moped gestanden sei und sich die Lenkerin umgeschaut habe. Sie sei dann aus der Parklücke herausgefahren, wobei sie reversieren habe müssen. Das Fahrzeug sei dann Richtung G-Z-Platz davongefahren. Sein Freund sei auch sofort auf die Straße gelaufen. Er habe dann mit seinem Freund die Schäden betrachtet.

 

Der Polizeibeamte gab an, die Anzeige vom Zeugen S aufgenommen zu haben. Dieser sei im Wachzimmer erschienen und habe angegeben, dass sein Moped durch ein Auto in der E-straße umgefahren worden sei. Er habe diese Angaben handschriftlich vermerkt und dann weitere Erhebungen durchgeführt. Im Zuge dieser Erhebungen habe er sicher auch das Moped besichtigt, da in der Anzeige die Schäden relativ detailliert angeführt worden seien. Er habe in weiterer Folge auch mit der vom Zeugen S angegebenen Unfallverursacherin, der Beschuldigten, Kontakt aufgenommen und sei diese dann auch auf die Dienststelle gekommen. Er habe auch deren Angaben handschriftlich vermerkt und in weiterer Folge sinngemäß in die Anzeige übertragen. Er könne sich noch erinnern, wie ihm die Beschuldigte angegeben habe, dass sie später noch einmal zur Unfallstelle zurückgefahren sei, da sie doch nicht gänzlich ausgeschlossen habe, dass das Moped durch ihre Schuld umgefallen sein könnte. Er selbst schaue sich die Beschädigungen immer sehr genau an und führe diese auch dezidiert in der Anzeige an. Er könne erkennen, ob eine Lackabsplitterung alt oder neu sei. Hätte er bei dem Fahrzeug alte Schäden festgestellt, hätte er es in der Anzeige zusätzlich vermerkt. Die von ihm bei den Sachschäden angeführten Kratzer seien mit Sicherheit frisch gewesen.

 

Die Beschuldigte gab in ihrer Einvernahme am 28.8.2000 an, damals als Krankenschwester einen Hausbesuch in der E-straße 57 durchgeführt zu haben. Sie sei etwa gegen 07.00 Uhr gekommen und habe ihren Pkw in der Zufahrtstraße zu den dortigen Reihenhäusern vor dem Gartentor des ersten Reihenhauses E-straße 57 mit dem Heck Richtung E-straße abgestellt. Sie sei in einer Entfernung von ca 2-3 m zur E-straße sehr knapp am Gehsteig gestanden. Nach ca 1 Stunde gegen 08.00 Uhr habe sie das Haus E-straße 57 wieder verlassen und sei sofort in ihren Pkw eingestiegen. Ein Moped, welches hinter ihrem Pkw abgestellt gewesen sei, sei ihr damals nicht aufgefallen. Sie sei dann im Retourgang ca 10 cm zurückgefahren und habe noch gemerkt, wie sie mit ihren Reifen am Randstein streifte. Dann sei sie ca 2m nach rechts vorne gefahren und in weiterer Folge retour in die E-straße gestoßen, wobei sie dann in Fahrtrichtung G-Z-Platz gestanden sei. Im Vorbeifahren habe sie dann im Bereich der Zufahrt ein Moped auf der Fahrbahn liegen sehen. Sie habe aber keinen Lärm eines umfallenden Mopeds wahrgenommen und beim Hinausreversieren auch keinen Anstoß an ihrem Fahrzeug verspürt. Sie sei dann Richtung G-Z-Platz weitergefahren und habe dort Einkäufe getätigt. Nach ca einer halben bis drei viertel Stunde sei sie wieder in der E-straße vorbeigefahren und habe dort das Moped nicht mehr liegen gesehen. Zu den Angaben des Beamten gab die Beschuldigte an, dass sie dieser offensichtlich missverstanden habe. Sie habe ihm gesagt, dass sie ein Umfallen des Mopeds nicht wahrgenommen habe und dass sie sich mit diesem Unfall nicht identifiziere. Sie habe den Eindruck gehabt, dass sie für den Beamten nach den Angaben des Mopedbesitzers als Unfallverursacherin in Frage komme und sie deswegen auch in die Richtung gefragt worden sei, ob sie nicht ausschließen könnte doch Unfallverursacherin gewesen zu sein. Sie sei auch nicht wegen des Mofas wieder über die E-straße zurückgefahren, sondern aus verkehrsbedingten Gründen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg stellt hiezu gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied fest:

 

Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Die Beschuldigte führte am 11.7.1998 gegen 07.00 Uhr in der Estraße 57 einen Hauskrankenbesuch durch. Sie parkte dabei ihren dunklen Pkw Toyota Corolla in der Zufahrtstraße zum Haus E-straße Nr. 57 ca 2-3 m von der Fahrbahn der E-straße entfernt, wobei das Heck ihres Fahrzeuges zur E-straße schaute. Gegen 08.00 Uhr stellte der Zeuge Michael S sein Mofa in dieser Zufahrtstraße ca 1 m hinter dem Fahrzeug der Beschuldigten schräg zur Fahrbahn ab und begab sich in die Wohnung seines Freundes K im gegenüberliegenden Haus in der E-straße 22. Kurz danach erschien die Beschuldigte von ihrem Krankenbesuch, bestieg ihr Fahrzeug und parkte dieses nach rückwärts in die E-straße aus, sodass sie auf der E-straße in Fahrtrichtung G-Z-Platz zum Stehen kam. Bei diesem Ausparkmanöver stieß sie das Mofa des Zeugen S um. Das Umstoßen des Mofas verursachte eine lautes Geräusch, welches auch vom Zeugen S und dessen Freund K  im gegenüberliegenden Haus akustisch wahrgenommen wurde, woraufhin beide zum Fenster gingen und sahen, wie die Beschuldigte gerade mit ihrem Pkw Richtung G-Z-Platz wegfuhr. Am Mofa selbst war der linke Seitenspiegel und die Seitenverkleidung links vorne gebrochen, weiters die Halterung für die vordere Seitenverkleidung und der Seitenständer verbogen, sowie befanden sich Kratzer an der Verkleidung links hinten. Der Schaden am Mofa wurde dem Zeugen S durch die Beschuldigte bzw deren Versicherung ersetzt.

 

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf folgende Beweiswürdigung:

Unbestritten ist, dass die Beschuldigte zur angeführten Tatzeit mit ihrem dunklen Pkw Toyota Corolla von der Zufahrtstraße im Bereich des Hauses E-straße 57 nach rückwärts in die E-straße ausparkte und Richtung G-Z-Platz wegfuhr. Sie selbst gibt an, dass sie dabei auch ein umgestürztes Mofa wahrnahm, dies aber nicht auf ihr Ausparkmanöver bezog. Die Zeugen S und K gaben übereinstimmend an, das Umstoßen des Mopeds akustisch wahrgenommen zu haben. Auch wenn die Zeugen S und K den unmittelbaren Anstoß nicht gesehen haben, haben sie doch des Umfallen des Mofas akustisch als lautes Geräusch wahrgenommen und sind innerhalb von Sekunden ans Fenster gegangen, wo sie das Fahrzeug der Beschuldigten wegfahren sahen. Die Berufungsbehörde geht nicht davon aus, dass ein abgestelltes Mofa von selbst umfällt, zumal Anhaltspunkte auf einen damals herrschenden starken Wind oder Sturm, welcher möglicherweise das Mofa  hätte umwerfen können, nicht hervorgekommen sind und auch nicht behauptet wurden. Da beide Zeugen nur Sekunden nachdem sie das Unfallgeräusch wahrgenommen haben, zum Fenster gekommen sind und dabei nur das Fahrzeug der Beschuldigten feststellten, als dieses gerade Richtung Graf Zeppelinplatz wegfuhr, schließt die Berufungsbehörde andere Ursachen für das Umstürzen des Mofas aus. Es kann als Erfahrungstatsache angesehen werden, dass ein abgestelltes Motorfahrrad bereits durch einen leichten Anstoß eines Pkws  umgestoßen werden kann, ebenso dass ein solches Umstoßen ein lautes, deutlich wahrnehmbares, typisches Geräusch verursacht, wie es auch der Zeuge S schilderte. Die Berufungsbehörde geht daher davon aus, dass das Umstürzen des Mofas - und dadurch die vom Polizeibeamten in der Anzeige festgestellte Beschädigung - durch das Ausparkmanöver der Beschuldigten verursacht wurde. Dafür spricht auch, dass nach der Aussage des Zeugen S, die in diesem Punkt unwidersprochen blieb, dessen Schaden am Mofa von der Beschuldigten bzw deren Versicherung ersetzt worden ist.

 

In rechtlicher Hinsicht ist dazu auszuführen:

 

Zu den Spruchpunkten 1. und 3.:

Gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten. Das sofortige Anhalten hat den Zweck, dass der Lenker, nachdem er sich vom Ausmaß des Verkehrsunfalls überzeugt hat, die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen, so insbesondere die nach § 4 Abs 1 lit b und c, Abs 2 und Abs 5 trifft.

 

Gemäß § 4 Abs 5 StVO  haben die an einem Verkehrsunfall beteiligten Personen bei einem Verkehrsunfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf dann unterbleiben, wenn die genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Sowohl die Anhaltepflicht gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO  als auch die Meldepflicht gemäß § 4 Abs 5 StVO setzen das Wissen um einen Verkehrsunfall voraus, wobei aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich ist, sondern es genügt, wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (z.B. VwGH 17.6.1992, 91/03/0286).

 

Im vorliegenden Fall ist jedenfalls ein Verkehrsunfall mit Sachschaden an dem umgeworfenen Mofa entstanden, wobei die Beschuldigte in Anbetracht des erwähnten lauten Geräusches, welches beim Umfallen des Mofas entsteht, und des Ansichtigwerdens des am Boden liegenden Mofas jedenfalls auf den ursächlichen Zusammenhang mit ihrem Ausparkmanöver hätte schließen müssen. Sie hätte daher gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO anzuhalten und, da ein Identitätsnachweis nicht erfolgt ist, ihre Verständigungspflicht nach § 4 Abs 5 StVO zu erfüllen gehabt.

 

Die vorgeworfenen Übertretungen zu den Spruchpunkten 1. und 3. werden daher als erwiesen angenommen, wobei der Beschuldigten jedenfalls grob fahrlässiges Verschulden vorzuwerfen ist.

 

Die Spruchkonkretisierung im Hinblick auf die näheren Unfallumstände konnte gemäß § 44a Z 1 VStG erfolgen, da diese sich bereits aus der Anzeige, in die der Beschuldigtenvertreter innerhalb der Verjährungsfrist Einsicht genommen hat, ergeben.

 

Zur Strafbemessung ist Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 dieser Norm sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Zur vorgeworfenen Übertretung des § 4 Abs 1 lit a StVO:

Diese Übertretung weist gemäß § 99 Abs 2 StVO einen Geldstrafrahmen von S 500,-- bis S30.000,-- aus. Die verletzte Vorschrift dient dazu, eine geordnete Schadensabwicklung zu gewährleisten. Im vorliegenden Fall ist es nur auf Grund des Umstandes, dass der Geschädigte den Verkehrsunfall zufällig wahrgenommen hat und dieser dann die Polizei verständigte, zu einer Schadenabwicklung gekommen. Der Übertretung liegt daher ein nicht mehr unbedeutender Unrechtsgehalt zugrunde.

 

An subjektiven Strafbemessungskriterien ist als mildernd die zum Tatzeitpunkt bestehende Unbescholtenheit der Beschuldigten zu werten. Es ist ihr jedenfalls grob fahrlässiges Verschulden vorzuwerfen. Die von der Beschuldigten angegebenen Einkommensverhältnisse sind in etwa als durchschnittlich zu werten.

 

Insgesamt erachtet die Berufungsbehörde die mit S 1.500,-- ohnedies im untersten Bereich des Strafrahmens verhängte Geldstrafe bei Berücksichtigung dieser Strafbemessungskriterien keinesfalls als unangemessen. Die Strafhöhe war insbesondere notwendig, um die Beschuldigte in Hinkunft von ähnlichen Übertretungen wirksam abzuhalten.

 

Zur vorgeworfenen Übertretung gemäß § 4 Abs 5 StVO:

Diese Übertretung weist gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO einen Strafrahmen bis zu S 10.000,-- aus. Auch diese Bestimmung dient vor allem einer geordneten Schadensabwicklung und ist ebenfalls von einem nicht bloß unbedeutenden Unrechtsgehalt auszugehen. Hinsichtlich der subjektiven Strafbemessungskriterien gelten die Ausführungen zu Spruchpunkt 1. sinngemäß. Es wird auch die zu Spruchpunkt 3. im untersten Bereich des Strafrahmens verhängte Geldstrafe nicht als unangemessen erachtet.

 

Die Berufung zu Spruchpunkt 1. und Spruchpunkt 3. war daher abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt 2.:

Die Verpflichtung der Unfallbeteiligten gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO an der Festestellung des Sachverhaltes mitzuwirken besteht nach ständiger VwGH - Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 5.11.1997, 97/03/0170) nur dann, wenn es bei einem Verkehrsunfall überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist immer der Fall, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs 2 StVO besteht; darüber hinaus aber auch dann, wenn ein am Unfall Beteiligter die Intervention eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst.

 

Im vorliegenden Spruchpunkt 2. wurde nicht konkret ausgeführt, wodurch die Beschuldigte nicht an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt hat. Eine Übertretung dieser Bestimmung kann durch die unterschiedlichsten Verhaltensweisen (zB durch das Verlassen des Unfallortes bei amtlicher Tatbestandaufnahme oder durch einen sogenannten ?Nachtrunk?) begangen werden (VwGH 22.4.1998, 97/03/0353). Für den Vorwurf einer Übertretung des § 4 Abs 1 lit c StVO reicht daher nicht bloß das Zitat der verba legalia aus, sondern ist das konkrete Verhalten, worin ein Nichtmitwirken an der Feststellung des Sachverhaltes gesehen wird, vorzuwerfen. Dies ist im vorliegenden Fall innerhalb der Verjährungsfrist nicht erfolgt (erst aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses lässt sich ableiten, dass die Erstbehörde der Beschuldigten offensichtlich das Verlassen der Unfallstelle als Übertretung gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO anlastet), sodass der Spruch diesbezüglich an einem Konkretisierungsmangel gemäß § 44a Z 1 VStG leidet. Es war daher Spruchpunkt 2. schon aus diesem Grund aufzuheben.

 

Im Übrigen musste es, da es sich gegenständlich um einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden handelte, nicht zur amtlichen Aufnahme des Tatbestandes an Ort und Stelle kommen; eine solche Tatbestandsaufnahme wurde auch tatsächlich nicht durchgeführt und von niemandem verlangt. Wenn die Erstbehörde der Beschuldigten  dennoch das Verlassen der Unfallstelle als Übertretung gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO anlastete, verkannte sie die Rechtslage (VwGH 22.4.1998, 97/03/0353).

Schlagworte
§ 44a Z 1 VStG; Für den Vorwurf einer Übertretung gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO reicht nicht bloß das Zitat der verba legalia aus, sondern ist das konkrete Verhalten, worin ein Nichtmitwirken an der Feststellung des Sachverhaltes gesehen wird, vorzuwerfen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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