TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/31 2000/14/0102

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Veröffentlicht am 31.03.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §108;
BAO §115 Abs2;
BAO §119;
BAO §161;
BAO §183 Abs4;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des Dipl.Ing. R H in St. J in T, vertreten durch Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hegergasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 7. April 2000, RV 365/1-T6/98, betreffend Einkommensteuer 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Leiter der Forstinspektionen St. Johann in Tirol und Kitzbühel. Für das Jahr 1997 machte er Werbungskosten u.a. für Studienreisen nach China und nach Italien (Südtirol/Trentino) geltend.

Aus den der Finanzverwaltung vorgelegten Reiseprogrammen ergibt sich für die Studienreise nach Italien folgender Verlauf:

"Montag, 29.9.1997

08.00 Uhr Abfahrt von lnnsbruck von den Garagen der Landesforstdirektion, Trientlgasse (Parkmöglichkeit)

09.30 Uhr Zusammentreffen mit Dr. Josef Schmiedhofer Leiter der Forst- und Domänenverwaltung in Südtirol Weiterfahrt in das Waldgebiet Latemar am Karerpass

Vor dem Mittagessen Waldbegehung

(2 Stunden, Begehbarkeit leicht)

Thema: Bewirtschaftung, Naturverjüngungsbetrieb

Holzverarbeitung im eigenen Sägewerk

Am Nachmittag Fahrt in das Fleimstal

Thema: Der Dammbruch im Stabatal und seine Folgen

Die Verantwortung der Forstaufsicht im Zusammenhang mit dem Dammbruch

Abendessen und Übernachtung im Hotel Sole in Bellamonte

Dienstag, 30.9.1997

Fahrt in das Waldgebiet Paneveggio

Waldbegehungen:

Thema: Waldverjüngung im Nationalpark

Besichtigung des Nationalparkmuseums

Mittagessen im Hotel Sole in Bellamonte

Weiterfahrt nach Montagnaga di Pine

Abendessen und Übernachtung im Albergo Posta

Mittwoch, 1.10.1997

Fahrt in das Tal Mocheni

Besichtigung der Gemeindewälder und eines Schaubergwerkes Thema: Die Bedeutung des Gemeindewaldes für die Erhaltung der bäuerlichen Landwirtschaft

Zusammentreffen mit Vertretern der deutschsprachigen

Bevölkerungsgruppe

Thema: Die Erhaltung der deutschen Sprache und des deutschen

Kulturgutes in Tal Mocheni

Mittagessen im Castel Pergine

Am Nachmittag Besichtigung eines neu errichteten Industriegebäudes

in Mezzacorona

Thema: Holz in Verbindung mit moderner Industriearchitektur

Abendessen und Übernachtung im Albergo Posta

in Montagnaga di Pine

Donnerstag, 2.10.1997

Fahrt nach Trient

Zusammentreffen mit Vertretern des Trentiner Forstvereines Thema: Die Aufgaben des Trentiner Landesforstdienstes und des Forstvereines

Besichtigung der Ausstellung im Castello Buonconsiglio

Weiterfahrt nach Covelo di Terlago

Mittagessen

Fahrt nach Ledro

Besichtigung der Pfahlbauten

Thema: Prähistorische Besiedelung, Holz als Baustoff in der Frühgeschichte

Weiterfahrt zum Gardasee

Abendessen und Übernachtung im Hotel Splendid in Limone

Freitag, 3.10.1997

Exkursion am Monte Baldo

Mehrstündige Wanderung durch Buchenwälder

Thema: Die endemische Vegetation, Umwandlung von Mittelwald in Hochwald

Mittagessen am Monte Baldo

Am Nachmittag Fahrt nach Rovereto

Zusammentreffen mit Vertretern des Forstdienstes

Thema: Die Funktion städtischer Wälder

Abendessen und Übernachtung wie am Vortag

Samstag, 4.10.1997

Fahrt nach Kaltern

Besichtigung des Weinmuseums

Mittagessen auf einer Forsthütte

Zusammentreffen mit dem Leiter des Forstinspektorates Bozen I

Dr. Martin Schöpf

Wanderung durch den Montigglerwald

Thema: Waldverjüngung nach einer Schneebruchkatastrophe

Bestandesumwandlung in einem Mischwald

Rückfahrt nach Innsbruck

Ca. 18.30 Uhr Eintreffen in Innsbruck"

Das Finanzamt anerkannte die Aufwendungen für die Reisen in Höhe von 42.700 S (China) und 7.831 S (Italien) nicht als Werbungskosten. Es begründete diese Entscheidung hinsichtlich der Italienreise damit, dass die Besichtigung des Nationalparkmuseums am 30. September 1997, des Schaubergwerkes und des neu errichteten Industriegebäudes am 1. Oktober, der Ausstellung und der Pfahlbauten am 2. Oktober und des Weinmuseums am 4. Oktober auch allgemein interessierte Personen ansprächen und nicht ausschließlich auf den Beruf des Antragstellers abgestellt sei. Hinsichtlich der Chinareise wird ausgeführt, dass das Reiseprogramm (des Kärntner Forstvereines) zwar keine allgemein interessierenden Programmpunkte (an den Wochentagen) aufweise, es aber auf der Hand liege, dass die erworbenen Kenntnisse der chinesischen Forstwirtschaft eine einigermaßen konkrete Verwendung im Beruf des Beschwerdeführers nicht zuließen.

Der Beschwerdeführer brachte gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 Berufung ein, in der er ein Vorbringen zum Vorwurf des Mischprogrammes bei der Italienreise und zur beruflichen Verwertung der auf der Chinareise erworbenen Kenntnisse (Erfahrungen Chinas im Kampf der Aufforstung gegen Trockenheit und Erosion und mit der Schutzfunktion des Waldes) erstattete.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom 19. November 1998 abgewiesen. Der Beschwerdeführer stellte in der Folge den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde sandte dem Beschwerdeführer einen mit 25. Jänner 2000 datierten Vorhalt, in dem weitere Fragen zum Ablauf und zu den Umständen der Reisen gestellt wurden. Im Vorhalt wurde um "ehestmögliche schriftliche Beantwortung" ersucht. Die Antwort des Beschwerdeführers ging der belangten Behörde am 14. April 2000 zu (Poststempel vom 12. April 2000).

Mit dem angefochtenen Bescheid, welcher dem Beschwerdeführer am 12. April 2000 zugestellt wurde, sprach die belangte Behörde über die Berufung ab. Sie führte zur Italienreise aus, dass sich das Reiseprogramm nicht nahezu ausschließlich an Teilnehmer der Berufsgruppe des Beschwerdeführers, sondern auch an andere Personen mit zumeist höherem Bildungsgrad, die durch solche Bildungsreisen das Land besser kennen lernen wollten, richte. Daher sei von einem Mischprogramm auszugehen, die Reisekosten stellten daher nichtabzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung dar. Auch bei der Reise nach China läge ein Mischprogramm vor (Hinweis auf die Besichtigung von Windkraftwerken, antiken unterirdischen Bewässerungsanlagen, Beregnungsanlagen, Windschutzgürtel, etc), was sich u.a. daraus ergäbe, dass tatsächlich auch Angehörige anderer Berufsgruppen an dieser Reise teilgenommen hätten. Weiters habe der Beschwerdeführer trotz des Vorhaltes vom 25. Jänner 2000 keine Angaben über die Dauer und die zeitliche Lagerung der allenfalls als ausschließlich beruflich anzusehenden Programmpunkte gemacht. Ebenso habe er trotz des Vorhaltes nicht dargelegt, inwieweit einzelne, im Vorhalt genannte Programmpunkte der Reise für seine konkrete berufliche Tätigkeit verwertbar seien.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Dazu gehören gemäß Ziffer 9 leg. cit. auch Reisekosten bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Demgegenüber sind gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abzugsfähig, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss gerade bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen können, ein strenger Maßstab angelegt werden (vgl. das Erkenntnis vom 18. März 1992, 91/14/0171).

Zur steuerlichen Anerkennung von Studienreisen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 19. Oktober 1999, 99/14/0131, und vom 24. April 1997, 93/15/0069) entschieden, dass Kosten einer solchen Reise grundsätzlich Aufwendungen für die Lebensführung im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 seien, es sei denn, es lägen folgende Voraussetzungen kumulativ vor:

-

Planung und Durchführung der Reise erfolgen entweder im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation oder sonst in einer Weise, die die zumindest weitaus überwiegende berufliche Bedingtheit einwandfrei erkennen lässt.

-

Die Reise muss nach Planung und Durchführung dem Abgabepflichtigen die Möglichkeiten bieten, Kenntnisse zu erwerben, die eine einigermaßen konkrete berufliche Verwertung gestatten.

-

Das Reiseprogramm und seine Durchführung müssen derart einseitig und nahezu ausschließlich auf interessierte Teilnehmer der Berufsgruppe des Abgabepflichtigen abgestellt sein, dass sie jeglicher Anziehungskraft auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer entbehren.

-

Andere allgemein interessierende Programmpunkte dürfen zeitlich gesehen nicht mehr Raum als jenen einnehmen, der während der laufenden Berufsausübung als Freizeit regelmäßig zu anderen als beruflichen Betätigungen verwendet wird; jedoch führt der nur zur Gestaltung der Freizeit dienende Aufwand keinesfalls zu einer steuerlichen Berücksichtigung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dementsprechend die Kosten von Reisen, bei denen ein typisches Mischprogramm absolviert wird, in den Bereich der privaten Lebensführung verwiesen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis 93/15/0069, sowie z.B. das Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, 98/14/0124).

              1.       Italienreise

Nach dem unstrittigen Programm der Italienreise durfte die belangte Behörde zu Recht von einer Reise mit Mischcharakter ausgehen. Insbesondere im Hinblick auf die Besichtigungen eines Nationalparkmuseums, eines Schaubergwerks und eines neu errichteten Industriegebäudes konnte die belangte Behörde die Feststellung treffen, dass die Reise auch Programmpunkte umfasste, die nicht nur für Forstbedienstete, sondern ebenso für andere Personen mit höherem Bildungsgrad auf Interesse stoßen würden. Ebenso ist auch das Zusammentreffen mit Vertretern der deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe, um Informationen über die Erhaltung der deutschen Sprache und des deutschen Kulturgutes zu erhalten, auch für andere kulturell engagierte Personen von Interesse. Einen ausschließlichen Bezug zur Tätigkeit in der Forstwirtschaft hat die belangte Behörde daher zu Recht ausgeschlossen. Dass diese Programmpunkte auch für den Forstwirt von beruflichem Interesse sind, ist insoweit unbeachtlich.

Im Hinblick auf das Mischprogramm kann es der Beschwerde auch nicht zum Erfolg verhelfen, wenn es zutreffen sollte, dass der Beschwerdeführer Kenntnisse, die er auf dieser Reise erworben hat, konkret beruflich verwenden konnte.

              2.       Chinareise

Hinsichtlich dieser Reise vermag der Beschwerdeführer eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen:

Im angefochtenen Bescheid beurteilt die belangte Behörde das Programm der Chinareise erstmals (also anders als vorher das Finanzamt) als Mischprogramm und stützt sich dabei darauf, dass einzelne, konkret bezeichnete Programmpunkte von allgemeinem touristischem Interesse seien und dass an der Reise auch Personen teilgenommen hätten, die nicht zur Berufsgruppe des Beschwerdeführers gehörten.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass der Umstand, dass bei einer ausschließlich auf die Angehörigen einer bestimmten Berufsgruppe abgestellten Reise tatsächlich auch eine nicht dieser Berufsgruppe angehörende Person teilnimmt, für sich allein nicht gegen die beruflich Veranlassung der Reise spricht.

Entscheidend ist im gegebenen Zusammenhang sodann, dass die belangte Behörde mit dieser Vorgangsweise gegen das im Verwaltungsverfahren geltende Überraschungsverbot verstoßen hat. Sie wäre verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zur Charakterisierung des Reiseprogramms als Mischprogramm zu hören (vgl die hg Erkenntnisse vom 15. Juli 1999, 97/07/0223, und vom 28. Mai 1997, 94/13/0015). In der Beschwerde wird vorgebracht, dass die Programmpunkte, welche die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid als touristische Sehenswürdigkeiten eingestuft hat, im Wesentlichen nicht an Wochentagen, sondern samstags und sonntags absolviert worden seien. Insoweit zeigt die Beschwerde die Relevanz des Verfahrensfehlers auf.

Weiters beruft sich die belange Behörde im angefochtenen Bescheid auf das Fehlen von Angaben zur Dauer und zeitlichen Lagerung der allfälligen beruflichen Programmpunkte und zur Verwertbarkeit der auf der Reise erlangten Kenntnisse. Zutreffend ist hier die Rüge des Beschwerdeführers über die von der belangten Behörde gewählte Gestaltung des Vorhalteverfahrens. An die Partei einen Vorhalt zu richten, dem eine Fristsetzung für seine Beantwortung fehlt, ist eine Vorgangsweise, welche der Behörde das Recht nimmt, sich im darauf ergangenen Bescheid auf das Unterbleiben einer Beantwortung des Vorhaltes durch die Partei zu stützen. Hielt die belangte Behörde Aufklärungen durch den Beschwerdeführer zur Beurteilung des Falles für erforderlich, dann hätte sie in ihrem Vorhalt eine Frist setzen müssen, weil die mit einem Vorhalt konfrontierte Partei Anspruch darauf hat, über die ihr zur Beantwortung des Vorhaltes zur Verfügung stehende Zeit Bescheid zu wissen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1997, 94/13/0209). Das Ersuchen um ehestmögliche Beantwortung des Vorhaltes ist keine derartige Fristsetzung. Der Beschwerdeführer hat in seiner Eingabe vom 12. April 2000 ein Vorbringen betreffend die Dauer und zeitliche Lagerung der von ihm als beruflich angesehenen Programmpunkte sowie betreffend die Verwertbarkeit der auf der Reise erworbenen Kenntnisse erstattet.

Hätte die belangte Behörde bezüglich der Abziehbarkeit der Kosten für die Chinareise Verfahrensfehler unterlassen, ist nicht auszuschließen, dass sie zu einem inhaltlich anderen Bescheid gekommen wäre. Daher sind die Verfahrensfehler wesentlich i.S.d.

§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG und führen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelmarken beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 EuroG, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 31. März 2003

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000140102.X00

Im RIS seit

07.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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