TE OGH 1977/10/13 7Ob626/77

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Veröffentlicht am 13.10.1977
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Norm

ABGB §1493
Liegenschaftsteilgesetz §20

Kopf

SZ 50/130

Spruch

Ersitzung kann durch Besitzmittlung des Pächters erfolgen Ansprüche nach § 20 LiegTeilG setzen ein Verschulden des Ersatzpflichtigen voraus. Sie können aus bloßem Besitzesschutz nicht abgeleitet werden

OGH 13. Oktober 1977, 7 Ob 626/77 (OLG Wien 7 R 73/77; KG Krems 4 Cg 4/76)

Text

Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei, einer Gemeinde, die Zahlung eines Betrages von 20 000 S aus dem Rechtsgrund des § 20 LiegTeilG. Zur Begründung brachte sie vor, sie sei grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ 8 der KG M. Seit Menschengedenken hätten die Eigentümer dieser Liegenschaft den an das Grundstück Nr. 154 angrenzenden Teil des öffentlichen Gutes, Parzelle Nr. 247/1, durch Ablagerung von Holz benützt und durch Abmähen des Grases bewirtschaftet. Außerdem habe die Klägerin von einer auf der genannten Parzelle gelegenen Quelle eine Wasserleitung zu ihrem Anwesen geführt. Ihre Besitzvorgänger hätten seit unvordenklichen Zeiten von dieser Quelle Wasser geschöpft. Sie habe daher an dem bezeichneten Teil der Parzelle in einem Ausmaß von rund 1450 m2 das Eigentumsrecht, zumindest aber die Dienstbarkeitsberechtigungen des Holzablagerns, des Wasserschöpfens und des Grasabmähens ersessen.

Die beklagte Partei habe in den Jahren um 1970 den an der Liegenschaft der Klägerin vorbeiführenden Güterweg "W" neu angelegt. Im Zuge dieser Neuanlegung sei ein Verfahren zur vereinfachten Herstellung der Grundbuchsordnung im Sinne der §§ 16 ff LiegTeilG durchgeführt und ein 1160 m2 großes Trennstück der genannten Parzelle, deren Fläche von der Klägerin ersessen worden sei, den Ehegatten Johann und Maria M sowie eine weitere Trennfläche von 276 m2 der Karoline D zugeteilt worden. Die von der Klägerin dagegen erhobenen Rechtsmittel seien ebenso erfolglos geblieben wie eine gegen die drei vorgenannten Personen erhobene Klage auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin an den ersessenen Grundstücksflächen. Die Klägerin begehre daher mit der vorliegenden Klage den Ersatz der vorerwähnten ersessenen Rechte.

Die beklagte Partei habe nicht nur die Herstellung des Güterweges veranlaßt, sondern sei auch Eigentümerin des öffentlichen Gutes und habe im Zeitpunkt der Veränderung von den über mehr als 40 Jahre von der Klägerin und ihren Rechtsvorgängern ausgeübten Benützungsrechten Kenntnis gehabt. Sie habe der Klägerin daher den durch den Untergang dieser Rechte entstandenen Schaden gemäß dem § 20 LiegTeilG zu ersetzen. Ein solcher Schaden sei dadurch entstanden, daß infolge des Baues des höhergelegenen Güterweges eine Einfahrt durch das frühere Haupttor des Anwesens der Klägerin mit Fahrzeugen nicht mehr möglich sei. Der Klägerin seien dadurch jährlich Mehrkosten von zumindestens 5000 S entstanden. Für die Herstellung der erwähnten, aus Eisenrohren bestehenden Wasserzuleitung habe die Klägerin 10 000 S aufgewendet. Durch den Verlust des abgemähten Grases sei der Klägerin ein jährlich wiederkehrender Schaden von 1000 S entstanden. Der Klagsbetrag von 20 000 S sei unter Zugrundelegung eines Quadratmeterpreises von 15 S und unter Berücksichtigung des Wasserbezugsrechtes angemessen.

Die beklagte Partei bestritt dieses Vorbringen mit Ausnahme der Angaben über die Eigentumsverhältnisse und beantragte Klagsabweisung. Die Klägerin habe gemeinsam mit mehreren Bewohnern der Ortschaft M prekaristisch aus der Quelle das Überwasser bezogen. Seit der vor zirka fünf Jahren erfolgten Errichtung einer Ortswasserleitung, an die auch die Klägerin angeschlossen sei, bestehe der Anschluß der erwähnten Rohrleitung an die Quelle nicht mehr. Die Nutzung der Parzelle Nr. 247/1 sei von den Anrainern, gemeinsam erfolgt. Nach Streitigkeiten über die Benützung dieser Parzelle sei ein Vergleich über die gemeinsame Nutzung geschlossen worden. Die Klägerin könne sich daher nicht auf eine ausschließliche Nutzung berufen. Im übrigen sei die beklagte Partei passiv nicht legitimiert, weil nicht sie "der treibende Teil der Anlegung des Güterweges" gewesen sei, sondern die Agrarbezirksbehörde. Schließlich habe die beklagte Partei bereits am 17. März 1963 ihre Zustimmung zur kostenlosen Überlassung der alten aufgelassenen Wegteile an die Anrainer erteilt, ohne daß die Klägerin damals Ersatzansprüche geltend gemacht habe.

Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen und stützte ihr Begehren nunmehr auch auf ein Anerkenntnis der beklagten Partei. Dazu brachte sie lediglich vor, der seinerzeitige Bürgermeister Z habe "in den fünfziger Jahren", als sich die Eheleute M das Recht angemaßt hätten, das Gras auf jenem Grundstück abzumähen, das die Klägerin immer abgemäht habe, der Klägerin "den Weg zum Notariat empfohlen".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich eines Teilbetrages von 14 000 S samt Anhang statt und wies das Mehrbegehren von 6000 S samt Anhang ab. Es traf folgende noch wesentliche Feststellungen:

Am 10. März 1952 stellte die damalige Ortsgemeinde W bei der N Agrarbezirksbehörde den Antrag, einen 800 m langen Güterweg von W über M zur Bezirksstraße zu bauen. Nachdem am 8. August 1962 mit den Bauarbeiten begonnen worden war, beschloß der Gemeinderat von W am 17. März 1963, den Güterweg in das öffentliche Gut zu übernehmen. Der Gemeinderat gab ferner seine Zustimmung zur Umlegung des öffentlichen Gutes der Parzelle Nr. 247/1 und zur kostenlosen Überlassung der alten aufgelassenen Bestandteile zum Gutsbestand der Anrainer. In einem von der Klägerin gegen die Eheleute B angestrengten Besitzstörungsverfahren verpflichteten sich diese, auf einem näher bezeichneten Teilstück der Parzelle Nr. 247/1 kein Vieh mehr weiden zu lassen und jeden Eingriff in diesen Grundstücksteil zu unterlassen. Auf Grund des Anmeldungsbogens des Vermessungsamtes Z vom 28. November 1972 betreffend die Errichtung des Güterweges ordnete das Bezirksgericht O mit Beschluß vom 13. Feber 1973, Nc 320/72, gemäß dem § 15 f. LiegTeilG unter anderem die Abschreibung von Trennstücken kein der Parzelle Nr. 8 der Klägerin sowie der Parzelle Nr. 217 der Karoline D und die Einbeziehung dieser Trennstücke in die Parzelle Nr. 257 Weg an; ferner die Abschreibung eines Trennstückes von 116 m2 vom Grundstück Nr. 247/1 und die Einbeziehung in das Grundstück Nr. 152/2 der Landwirte Johann und Maria M sowie die Abschreibung eines Trennstückes von 276 m2 vom Grundstück Nr. 247/1 und Einbeziehung in das Grundstück Nr. 217 der Karoline D. Die restlichen Teile des Grundstückes Nr. 247/1 wurden in das Grundstück Nr. 257 Weg (öffentliches Gut) einbezogen. Ein von der Klägerin mit der Behauptung, sie habe die gegenständlichen Teilflächen des Grundstückes Nr. 247/1 ersessen, erhobener Rekurs blieb erfolglos. Eine von der Klägerin gegen Johann und Maria M sowie gegen Karoline D eingebrachte, auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts an den gegenständlichen Teilflächen gerichtete Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Infolge der durch das Bundesland Niederösterreich genehmigten Gemeindezusammenlegung gehört die ehemalige Gemeinde W nunmehr zur Marktgemeinde M (beklagte Partei).

Seit dem Jahr 1929 haben die Eigentümer der Parzelle Nr. 154 (EZ 8) auf dem jenseits des Weges befindlichen Teil der früheren Parzelle 247/1 jeweils etwa sechs Fuhren Holz gelagert. Von 1935 bis 1951 war Josef F Pächter der Liegenschaft EZ 8. Er benützte in dieser Zeit den der Parzelle Nr. 154 gegenüberliegenden, etwa 300 m2 großen Teil der Parzelle Nr. 247/1 durch Ablagern von vier bis fünf Fuhren Holz, ferner durch Abmähen des Grases und durch Weiden seiner Tiere. Die Klägerin nutzte den erwähnten Teil der Parzelle Nr. 247/1 in einer Ausdehnung von etwa 800 bis 1000 m2 durch Ablagern von Holz und durch Abmähen von Gras. Die Grasnutzung erfolgte auch durch andere Personen.

Auf der Parzelle Nr. 247/1 befand sich eine Quelle, aus der während der Zeit der Holzlagerung und der Grasnutzung nicht nur die Besitzvorgänger der Klägerin, sondern auch diese selbst sowie andere Ortsbewohner Wasser schöpften. Der Sohn der Klägerin verlegte "in den fünfziger Jahren" eine Wasserleitung von dieser Quelle zum Anwesen der Klägerin, wodurch Auslagen von zirka 5000 S entstanden. Vor etwa fünf Jahren wurde in M eine Ortswasserleitung gebaut, durch welche die Ortsbewohner und die Klägerin das Wasser beziehen.

Unbewiesen ist, aus welchem Gründe es zu den Nutzungen der Parzelle Nr. 247/1 gekommen ist. Dies ist auch dem damaligen Bürgermeister Z unbekannt geblieben. Unbewiesen ist eine ausdrückliche Anerkennung der Nutzung durch Gemeindeorgane. Bürgermeister Z hat der Klägerin und deren Sohn die weitere Benützung des Grundstückstreifens in der Art der Besitzvorgänger ausdrücklich gestattet.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß als Schadensverursacher nicht die N Agrarbezirksbehörde, sondern die ehemalige Ortsgemeinde W anzusehen sei, weil diese als Eigentümerin des zum öffentlichen Gut gehörenden Weges durch ihren Gemeinderat den Ausbau des Güterweges beschlossen habe. Die Voraussetzungen für die Ersitzung des Eigentumsrechtes an der früheren Parzelle Nr. 247/1 durch die Klägerin seien nicht gegeben, weil sie die Rechtsausübung nicht auf die volle Verfügung wie im Falle eines Eigentümers erstreckt habe und weil die erforderliche 40jährige Ersitzungszeit nicht abgelaufen sei. Eine Besitzanrechnung im Sinne des § 1493 ABGB könne nicht erfolgen, weil das hiezu erforderliche Rechtsnachfolgeverhältnis zwischen der Klägerin und F nicht bestanden habe. Dieser sei nämlich lediglich Pächter gewesen. Das gelte auch für die Ersitzung der behaupteten Dienstbarkeiten. Infolge der jahrelangen Lagerung von Holz und der Grasnutzung auf dem öffentlichen Gut sei die Klägerin in den Besitz dieser Rechte gelangt. Die gemäß dem § 454 ZPO eingetretene Verjährung der Besitzstörungsklage bewirke, daß der so gewonnene Rechtsbesitz der Klägerin mit Besitzklage nicht mehr angefochten werden könne. Die Wiederholung der Nutzungen sei eine ruhige Besitzausübung. Die Klägerin sei daher Beteiligte und somit Anspruchsberechtigte im Sinne des § 20 LiegTeilG. Durch die verlorengegangene Möglichkeit, ihre Nutzungsrechte weiterhin auszuüben, sei ihr ein Schaden entstanden. Dieser betrage hinsichtlich der für die Holzschlägerung notwendig gewordenen Mehrauslagen 1060 S, hinsichtlich der Grasnutzung 300 S. Eine Kapitalisierung nach dem § 21 Abs. 5 und 6 RSchO ergebe einen Mehraufwand von 10 600 S bezüglich der Holzlagerung und von 3000 S hinsichtlich der Grasnutzung. Durch das Unterbleiben der Wassernutzung erleide die Klägerin infolge ihres Anschlusses an die Ortswasserleitung keinen Schaden. Der Wert der in der Erde verbliebenen alten Eisenrohre werde gemäß dem § 273 ZPO mit 400 S angenommen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung, deren abweislicher Teil unbekämpft geblieben war, in klagsabweisendem Sinn ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen rechtliche Beurteilung über das Fehlen der Voraussetzungen einer Ersitzung des Eigentumsrechtes und von Dienstbarkeiten. Die Klägerin habe aber auch ein vertragliches Nutzungsrecht nicht besessen. Da nach der zur fraglichen Zeit in Geltung gestandenen Niederösterreichischen Gemeindeordnung, LGBl. 5/1864, jede Verfügung über das Gemeindevermögen, ferner die Bestimmung über die Art der Benützung und Verwaltung desselben sowie überhaupt alle Angelegenheiten, die nicht zur gewöhnlichen Verwaltung gehören, der Beschlußfassung durch den Gemeinderat unterliegen und nicht dem Bürgermeister vorbehalten sind, habe Bürgermeister Z der Klägerin durch Abgabe von Erklärungen keine weitgehenden, etwa unwiderruflichen Nutzungsrechte wirksam einräumen können. Die Klägerin habe daher bloß tatsächlich Vorteile als Anrainerin bezogen, die jedoch mangels gesetzlicher Grundlage nicht geeignet seien, eine Schadenersatzpflicht der beklagten Partei zu begrunden. Sie habe vielmehr stets damit rechnen müssen, daß die Vorteile jederzeit ein Ende finden könnten. Für die Wasserleitungsrohre habe sie einen Ersatz gar nicht begehrt. Überdies besäßen diese für die Klägerin wertlosen Rohre keinen meßbaren Wert.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen im strittig gebliebenen Umfang auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rechtsauffassung der Untergerichte, eine Rechtsnachfolgeschaft im Sinne des § 1493 ABGB, liege im Verhältnis zwischen dem Pächter einer Liegenschaft und dem dem Verpächter folgenden Eigentümer nicht vor, kann nicht gefolgt werden. Die Untergerichte übersehen nämlich, daß der Pächter einer Liegenschaft als Besitzmittler ein "selbständiger" und "selbstnütziger" Inhaber kraft eigenen Rechtsbesitzes ist, durch dessen Ausübung zugleich der Sachbesitz des Eigentümers sich auswirkt. Die Wirkung dieser Vermittlung kommt sowohl für die Erhaltung des Besitzes als auch für dessen Erwerb in Betracht (Schey, Klang in Klang[2] II, 80 f.; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[4] II, 15). Daraus folgt, daß der Eigentümer einer Sache diese unter den für eine Ersitzung erforderlichen Voraussetzungen - durch den Pächter als Besitzmittler ersitzen kann. Die Dauer des den Sachbesitz des Eigentümers vermittelnden Pachtverhältnisses ist daher in die Ersitzungszeit einzurechnen und bildet einen Gegenstand der Anrechnung im Sinne des § 1493 ABGB unter den dort normierten Voraussetzungen. Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall zutreffen, kann aber nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, weil weder die Redlichkeit noch die Echtheit des Besitzes des Voreigentümers der Klägerin und dessen Ausübung durch den Pächter feststehen.

Die Untergerichte werden aber auch die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadenersatzanspruches in der Richtung zu prüfen haben, ob die beklagte Partei ein Verschulden daran trifft, daß der Gemeinderat die Zustimmung zur kostenlosen Überlassung der klagsgegenständlichen alten, aufgelassenen Wegeteile an den Gutsbestand der Anrainer erteilt hat. Da sich die im § 20 LiegTeilG geregelte Verpflichtung nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechtes bestimmt, muß ein Verschulden des Ersatzpflichtigen vorliegen. Die Frage, ob allenfalls auch Bereicherungsansprüche gegen den Bereicherten zustehen, kann hier dahingestellt bleiben, weil die Klägerin derartige Ansprüche nicht erhoben hat. Sie stützt ihren Schadenersatzanspruch auf drei Umstände: auf die Veranlassung der Errichtung des Weges durch die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, auf deren Eigentum an dem öffentlichen Gut sowie auf die Kenntnis der beklagten Partei von den Rechten der Klägerin. Die beiden erstgenannten Umstände vermögen den Schadenersatzanspruch schon deshalb nicht zu begrunden, weil sie ihrer Art nach ein Verschulden der Organe der beklagten Partei ausschließen. Hingegen wird mit der in der Klage unter Beweis gestellten Behauptung, die beklagte Partei habe im Zeitpunkt der zur Enteignung führenden Veränderung Kenntnis von den ersessenen Rechten der Klägerin gehabt, ein Verschulden der Organe der beklagten Partei behauptet. Die Untergerichte haben in dieser Richtung jedoch keine Feststellungen getroffen. Die auf die Aussage des Sohnes der Klägerin gestützte Feststellung, der Bürgermeister habe die Benützung durch die Klägerin in der Art ihrer Besitzvorgänger ausdrücklich gestattet, reicht nicht aus, um eine solche Kenntnis annehmen oder ausschließen zu können. Abgesehen davon, daß nicht feststeht, ob er diese Erklärung vor oder nach dem Ablauf der Ersitzungszeit abgegeben hat, könnte allenfalls eher gegen eine solche Kenntnis sprechen, weil sonst eine Gestattung nicht notwendig gewesen wäre. Die Untergerichte werden daher das Beweisverfahren auch in der Richtung der behaupteten Kenntnis von den angeblich ersessenen Rechten der Klägerin - insbesondere auch hinsichtlich einer allfälligen rechtzeitigen Mitteilung der Klägerin an die beklagte Partei - zu ergänzen und die erforderlichen Feststellungen darüber zu treffen haben.

Auf das von der Klägerin behauptete Anerkenntnis der beklagten Partei braucht nicht näher eingegangen zu werden, weil der Rat des Bürgermeisters, die Klägerin solle wegen des von den Eheleuten M angemaßten Rechtes auf Abmähen eines Teiles der von der Klägerin bisher abgemähten Fläche den Notar aufsuchen, doch nicht ein auch nur konkludentes Anerkenntnis von Rechten der Klägerin gegenüber der damaligen Gemeinde W als Eigentümerin des öffentlichen Gutes enthielt. Im übrigen war der Bürgermeister, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, zur Einräumung einer Dienstbarkeit oder zur Abgabe des Anerkenntnisses eines dinglichen Rechtes oder überhaupt zur Abgabe einer Erklärung über die Einräumung eines Nutzungsrechtes am Gemeindevermögen nach den vom Berufungsgericht richtig zitierten Bestimmungen der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1864 nicht berechtigt, so daß die Klägerin auch aus der festgestellten Gestattung der weiteren Benützung der Teilfläche - vorbehaltlich der behaupteten und noch nicht geklärten Ersitzung - keine Rechte für sich ableiten kann, die über die bloße Duldung des tatsächlichen Gebrauches hinausreichen. Eine solche vom Bürgermeister zum Ausdruck gebrachte Duldung konnte aber schon ihrer Natur nach jederzeit widerrufen werden. Der Umstand, daß die Klägerin Besitzesschutz genossen hat, reicht für sich allein nicht aus, um Ansprüche im Sinne des § 20 LiegTeilG entstehen zu lassen, weil für den Besitzesschutz schon der ruhige Sach- oder Rechtsbesitz, von welcher Beschaffenheit immer (§ 339 ABGB), genügt.

Anmerkung

Z50130

Schlagworte

Ersitzung durch Besitzmittlung des Pächters, Verschuldensvoraussetzung bei § 20 LiegTeilG-Ansprüchen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0070OB00626.77.1013.000

Dokumentnummer

JJT_19771013_OGH0002_0070OB00626_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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