TE OGH 1979/5/16 10Os69/79

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Veröffentlicht am 16.05.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Mai 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ackerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Siegfried G wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg vom 11.Jänner 1979, GZ 11 c Vr 771/78-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug sowie des Verteidigers Dr. Winkler, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 11.Jänner 1979, GZ 11 c Vr 771/78-8, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 269 Abs 1 StGB (in Verbindung mit § 15 StGB).

Dieses Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch, daß der Angeklagte die dort angeführte Amtshandlung auf die bezeichnete Weise gehindert hat, ferner in der rechtlichen Beurteilung der Tat als vollendeter Widerstand gegen die Staatsgewalt (nach § 269 Abs 1 StGB) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß §§ 292, 288 Abs 2 Z 3 StPO

in der Sache selbst erkannt:

Siegfried G hat durch die im obbezeichneten Urteil umschriebene Tat die dort erwähnte Amtshandlung zu hindern versucht. Er hat hiedurch das Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB

begangen und wird hiefür nach § 269 Abs 1 (erster Strafsatz) StGB zu 2 (zwei) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 11. Jänner 1979, 11 c Vr 771/78-8, wurde der am 22.Jänner 1954 geborene Hilfsarbeiter Siegfried G des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, weil er am 15.Oktober 1978 in Göllersdorf durch Wegstoßen und Umsichschlagen mit Händen und Füßen die Justizwachebeamten Rupert H (richtig: I), Leopold J und Rudolf K mit Gewalt an einer Amtshandlung, und zwar seiner Verlegung in einen (anderen) Haftraum, hinderte. Dagegen meldeten sowohl der Angeklagte selbst als auch sein Verteidiger das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde, der Verteidiger auch jenes der Berufung an (ON. 9 und 10), doch gelangte nur die Berufung zur schriftlichen Ausführung (ON. 11). Da auch bei Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde keiner der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet worden war, wurde die Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg vom 16.Februar 1979 (ON. 14), der in Rechtskraft erwachsen ist, gemäß § 285 a Z 2 StPO zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufung wurden die Akten dem Oberlandesgericht Wien vorgelegt; eine Berufungsverhandlung hat noch nicht stattgefunden.

Nach den Urteilsfeststellungen des Schöffengerichtes sollte der Angeklagte, welcher sich zur Verbüßung einer 18-monatigen Freiheitsstrafe (Strafende 17.April 1979) in der Außenstelle Göllersdorf des kreisgerichtlichen Gefangenenhauses Korneuburg befindet, am 15.Oktober 1978

wegen eines Zwischenfalles, bei dem er sich gegenüber einem Justizwachebeamten einen provokanten Spaß erlaubt hatte, aus seinem bisherigen in einen anderen Haftraum verlegt werden. Der Angeklagte leistete jedoch der Anordnung, seine Sachen zusammenzupacken und mitzukommen, nicht Folge und kündigte, als ihm der Wachkommandant Rupert I für den Fall weiterer Weigerung die Absonderung androhte, sein Verharren in dieser Haltung an. Als ihn der erwähnte Beamte nunmehr am Hemdärmel erfaßte und mit Gewalt aus dem Haftraum zu entfernen versuchte, machte er mit seiner rechten Hand eine kräftige Aufwärtsbewegung gegen die Hände des ihn ergreifenden GI. I, wodurch dieser das Gleichgewicht verlor und rücklings auf das hinter ihm stehende Bett fiel. Während sodann I und ein weiterer Beamter (J) Hand an ihn legten und ihn mit Gewalt aus dem Haftraum zogen, schlug der Angeklagte mit Händen und Füßen um sich, um seine Verlegung in die andere Zelle zu vereiteln. Erst nachdem es den beiden genannten Beamten unter Assistenz eines Dritten (Rudolf K) gelungen war, den Angeklagten mit Gewalt in den Kirchenhof zu bringen, gab er seinen Widerstand auf und ließ sich in die Absonderungszelle führen. Ausgehend von diesem Sachverhalt fällte das Schöffengericht den eingangs festgehaltenen Schuldspruch;

seine Rechtsansicht, der Angeklagte habe das ihm hienach zur Last fallende Vergehen vollendet und nicht etwa nur versucht (§§ 15, 269 Abs 1 StGB) begründete es damit, daß 'die ursprünglich in Aussicht genommene Amtshandlung, nämlich die Verlegung des Angeklagten durch bloße Eskortierung (bloßes Begleiten des Angeklagten durch den GI. J) nicht durchgeführt werden konnte, sondern eine anders geartete, mit Handanlegung verbundene Form der Amtshandlung (Hinauszerren des Häftlings unter Gewaltanwendung) gewählt werden mußte'. Die auf diese Rechtsansicht gestützte Beurteilung der Tat als vollendetes Vergehen nach § 269 Abs 1 StGB anstatt als bloß versuchtes Vergehen dieser Art nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB verletzt das Gesetz in den letztgenannten Bestimmungen, weshalb das Urteil mit dem - im ordentlichen Rechtszug vorliegend nicht mehr relevierbaren -

Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO behaftet erscheint. Denn für die Abgrenzung zwischen der Deliktsvollendung (Hinderung der Amtshandlung) und dem bloßen Versuch des Deliktes ist - insbesondere auch, wenn wie vorliegend eine Eskortierung von einem Ort zum anderen gehindert werden soll - allein maßgeblich, ob der Täter durch seinen Widerstand wenigstens eine zeitlich nicht bloß völlig unbedeutende Unterbrechung der Amtshandlung erreicht hat (Vollendung) oder aber nur eine Verzögerung angesichts eines im übrigen an sich ununterbrochenen Ablaufes derselben, bzw. eine bloße Erschwerung ihrer Durchführung (Versuch) (vgl. hiezu 13 Os 14/76 = ÖJZ-LSK. 1976/165 u.v.a.).

Rechtliche Beurteilung

Geschützt ist demnach durch die Bestimmung des § 269 Abs 1 StGB das Gelingen der Amtshandlung an sich (und zwar ohne wesentliche zeitliche Unterbrechung), nicht aber das völlig beschwernisfreie Gelingen derselben, wie es dem normalen Geschehnisablauf und damit auch der Vorstellung des amtshandelnden Beamten entspricht. Die (gegenteilige) Meinung des Schöffengerichtes, jedes im § 269 Abs 1 StGB umschriebene Täterverhalten, welches dazu zwinge, eine ihrer Art nach nicht (notwendig) mit Gewaltanwendung verbundene Amtshandlung (so etwa auch eine Eskortierung) mit Gewalt durchzuführen, sei schon schlechthin als 'Hinderung an einer Amtshandlung' anzusehen und verwirkliche jedenfalls das Tatbild des (vollendeten) Vergehens nach § 269 Abs 1

StGB, erweist sich daher als verfehlt. Daß im gegebenen Falle der aktive tätliche Widerstand des Angeklagten zu irgendeiner zeitlich ins Gewicht fallenden Unterbrechung der Amtshandlung (Eskortierung von einem Haftraum zum anderen) geführt hätte, hat jedoch das Schöffengericht weder ausdrücklich festgestellt, noch kann dies dem als erwiesen angenommenen Tathergang entnommen werden, zumal sich nach der Aktenlage (S. 5), zum Zeitpunkt der Ermahnung des Angeklagten durch den GI. I, er möge dessen Aufforderung Folge leisten, und der darauffolgenden Gewaltanwendung dieses Beamten sich die sodann assistierenden weiteren Justizwachebeamten teils überhaupt schon an Ort und Stelle (Inspektor Leopold J), teils aber zumindest in Hörweite (Inspektor Rudolf K) befanden. Das Schöffengericht hat den Angeklagten sohin vorliegend zu Unrecht des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB anstatt rechtsrichtig des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB schuldig erkannt und damit zu seinem Nachteil gegen das Gesetz verstoßen. Diese Gesetzesverletzung kann nur noch im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes beseitigt werden. Der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Beschwerde war darum stattzugeben und gemäß § 292 StPO wie eingangs zu erkennen. Bei der Strafbemessung nahm der Oberste Gerichtshof als erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen, als mildernd das dem § 34 Z 17 StGB genügende Geständnis des Angeklagten und den Umstand an, daß die Tat beim Versuch geblieben ist.

Eine - weiterhin aufrechte - Kostenentscheidung wurde zwar für das erstinstanzliche Verfahren gefällt und findet diese ihre gesetzliche Deckung im § 389 StPO Hingegen findet nach ständiger Judikatur im Verfahren nach § 292 StPO

ein Kostenersatz nicht statt.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die obige Sachentscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E01983

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00069.79.0516.000

Dokumentnummer

JJT_19790516_OGH0002_0100OS00069_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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