TE OGH 1984/4/10 9Os12/84

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Veröffentlicht am 10.04.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat am 10. April 1984 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Gartner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfons A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 17. März 1980, GZ 9 a Vr 576/76-296, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 17. März 1980, GZ 9 a Vr 576/76-296, verletzt in den Punkten II/ und III/ des Schuldspruchs das Gesetz in der Bestimmung des § 65 Abs. 4 Z 1 StGB. Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird in den Punkten

II/

und III/ des Schuldspruchs sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben;

ebenso werden alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen (einschließlich der Endverfügung vom 13. Juni 1980) aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Alfons A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe 1. am 27. Juli 1968 in Bad Neuenahr (Bundesrepublik Deutschland) versucht, Christa B durch gefährliche Drohung, nämlich die Ankündigung, er werde sie umbringen, zur Unterlassung der Anzeige wegen der im Punkt I/ des unberührt gebliebenen Teiles des Schuldspruchs bezeichneten Straftat zu nötigen, wobei er die versuchte Nötigung begangen habe, indem er mit dem Tode gedroht hat;

2. am 14. Juli 1968 in Konstanz (Bundesrepublik Deutschland) fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld im Betrage von 107 DM, der Irmgard J*** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm nach den unberührt gebliebenen Punkten I/, IV/ und V/ des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB und das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1 bzw. Z 2 und Abs. 3 StGB, wird Alfons A nach §§ 28, 202 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil Nr. 8709 des 5. Bezirksgerichtes Bukarest vom 26. Dezember 1972, Dossier 13.774/1972, zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Monaten verurteilt.

Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB sowie über die Verpflichtung zum Kostenersatz werden aus dem Ersturteil übernommen.

Text

Gründe:

Mit dem (in Rechtskraft erwachsenen) Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 17. März 1980, GZ 9 a Vr 576/76 (am Aktendeckel '9 a Vr 576/75') - 296, wurde der am 15. Mai 1940 geborene österreichische Staatsbürger Alfons A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB (I/), des 'versuchten Verbrechens der schweren Nötigung' (richtig: des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung) nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (II/), des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB (III/) und des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1 bzw. Z 2 und Abs. 3 StGB (IV/ und V/) schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil Nr 2709

(richtig: 8 09; vgl.S 89/Band IV) des 5. Bezirksigerichtes Bukarest vom 26. Dezember 1972, Dossier 13.774/1972, nach § 202 Abs. 1 StGB zu einer Zusatzstrafe von 3 (drei) Monaten verurteilt. Von einem weiteren Anklagevorwurf erging ein (unbekämpft gebliebener) Freispruch; überdies wurde im Urteil dem Ankläger gemäß § 263 (Abs. 2) StPO die Verfolgung des Angeklagten wegen weiterer strafbarer Handlungen vorbehalten (S 400/Band IV).

Rechtliche Beurteilung

Die verhängte Zusatzstrafe gilt durch die gemäß § 38 StGB angerechnete Verwahrungs- und Untersuchungshaft als verbüßt (S 400, 410/Band IV).

Nach den Punkten I/ bis III/ des Schuldspruchs hat der Angeklagte I/ außer dem Fall der Notzucht Personen weiblichen Geschlechts mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf genötigt, und zwar 1. am 14. Juli 1968 in Konstanz (Bundesrepublik Deutschland) Irmgard C, indem er ihr mehrmals ins Gesicht schlug und sie würgte;

2. am 27. Juli 1968 in Bad Neuenahr (Bundesrepublik Deutschland) Christa B, indem er sie schlug und ihr ankündigte, er werde die Pistole hervorholen, wenn sie sich weiter zur Wehr setze;

II/ am 27. Juli 1968 in Bad Neuenahr (Bundesrepublik Deutschland) versucht, Christa B durch gefährliche Drohung, nämlich die Ankündigung, er werde sie umbringen, zur Unterlassung der Anzeige wegen der im Punkt I/2

bezeichneten Straftat zu nötigen, wobei er die versuchte Nötigung begangen hat, indem er mit dem Tod drohte;

III/ am 14. Juli 1968 in Konstanz (Bundesrepublik Deutschland) fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag von 107 DM, Irmgard C mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Das eingangs bezeichnete Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt ist - wie die Generalprokuratur in ihrer deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - in Ansehung der Punkte II/ und III/ des Schuldspruchs zum Nachteil des Verurteilten mit Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO behaftet.

Denn die Verfolgung der betreffenden Taten war zum Zeitpunkt der Urteilsfällung (17. März 1980) nach dem bundesdeutschen (Tatort-)Recht verjährt, sodaß die Strafbarkeit dieser Taten - bei an sich gegebener österreichischer Strafgewalt - infolge Verfolgungsverjährung erloschen war.

Die inländische Gerichtsbarkeit in Ansehung der bezeichneten, von Alfons A im Juli 1968 in der Bundesrepublik Deutschland begangenen - nicht in den §§ 63 und 64 StGB bezeichneten - und auch durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedrohten Taten gründet sich auf § 65 Abs. 1 Z 1 StGB, weil Alfons A zur Zeit der Tat Österreicher war (und dies nach der Aktenlage auch heute noch ist). Die Strafbarkeit von Auslandstaten eines Österreichers entfällt jedoch, wenn (u.a.) die Strafbarkeit der Tat nach den Gesetzen des Tatorts erloschen ist (§ 65 Abs. 4 Z 1 StGB). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn nach dem Tatortrecht Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Nach dem hier in Betracht kommenden Tatortrecht entspricht a) dem Tatbestand des § 202 Abs. 1 öStGB jener des § 177 dStGB ('Vergewaltigung'; strafbedroht mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minderschweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, bei leichtfertig verursachtem Tod des Opfers Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren);

b) dem Tatbestand der §§ 105, 106 öStGB jener des § 240 dStGB ('Nötigung'; strafbedroht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren);

c) dem Tatbestand des § 127 Abs. 1 öStGB jener des § 242 dStGB ('Diebstahl'; strafbedroht mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe), wobei für die Ermittlung der Strafdrohungen nach bundesdeutschem Strafrecht jeweils die Vorschrift des § 38 II dStGB gilt.

Nach den - im Zeitpunkt der Urteilsfällung (17. März 1980) geltenden - Verjährungsvorschriften des dStGB (§§ 78 ff) tritt Verfolgungsverjährung infolge Ablaufs der (im § 78 III normierten) Verjährungsfristen ein; wurde die Verjährung (durch eine der im § 78 c I angeführten Maßnahmen) unterbrochen, so beginnt die Verjährungsfrist nach jeder Unterbrechung von neuem. Gemäß § 78 c III zweiter Satz ist die Verfolgung jedoch spätestens verjährt, wenn das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist (absolute Verjährung). Diese Vorschriften gelten zufolge Art. 309 EGStGB auch für Taten, die - wie vorliegend - vor dem 1. Jänner 1975 begangen worden sind, soweit die bezeichnete Gesetzesstelle nichts anderes anordnet.

Gemäß § 78 III Z 4 dStGB beträgt die Verjährungsfrist für Nötigung (Par 240 dStGB) und für Diebstahl (§ 242 dStGB) jeweils fünf Jahre; das Doppelte dieser gesetzlichen Verjährungsfrist (zehn Jahre) war demnach im Juli 1978

verstrichen. Selbst wenn man unter Heranziehung des Art. 309 IV EGStGB den für den Verurteilten ungünstigsten Fall einer Unterbrechung der Verjährung (Art 309 II EGStGB iVm § 68 dStGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung) am 31. Jänner 1974 unterstellt, wäre die durch die zitierte übergangsbestimmung verlängerte Verjährungsfrist, die für jede Tat gesondert zu berechnen ist (vgl. Dreher/ Tröndle, Strafgesetzbuch 41 § 78 Rz 6, § 78 c Rz 2; Schönke/

Schröder, Kommentar 21 , § 78 Rz 8), im Juli 1979 abgelaufen. Untersuchungshandlungen im Ausland (auch wenn sie auf Grund eines Ersuchens um übernahme der Verfolgung vorgenommen werden) haben keine die Verjährung unterbrechende Wirkung (Schönke/Schröder aaO § 78 c Rz 20 aE).

Aus dem Gesagten folgt, daß die den Punkten II/ und III/ des Schuldspruchs zugrunde liegenden Taten im Zeitpunkt der Urteilsfällung (17. März 1980) nach dem Recht des Tatorts verjährt waren, somit ihre Strafbarkeit erloschen war, weshalb (auch) die inländische Strafbarkeit entfiel (§ 65 Abs. 4 Z 1 StGB). Die Strafbarkeit der in den Punkten I/1 und 2 angeführten Straftaten (Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 öStGB) hingegen war zum maßgeblichen Zeitpunkt angesichts der nach bundesdeutschem Strafrecht (vgl. § 78 I, III Z 2 und IV iVm § 38 II dStGB) geltenden zwanzigjährigen Verjährungsfrist nicht erloschen, sodaß in Ansehung dieser Taten ein Schuldspruch erfolgen durfte.

In Stattgebung der gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde war somit spruchgemäß zu erkennen.

Bei der hiedurch erforderlich werdenden Neubemessung der Zusatzstrafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Vorstrafen des Angeklagten, die Wiederholung der Nötigung zum Beischlaf und der Hehlerei sowie das Zusammentreffen zweier Verbrechen, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und das eingangs zitierte Urteil des 5. Bezirksgerichtes Bukarest (gemäß §§ 31, 40 StGB) erachtete der Oberste Gerichtshof eine Zusatzstrafe in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß als tatschuldangemessen und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten entsprechend.

Es war demnach insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E04722

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00012.84.0410.000

Dokumentnummer

JJT_19840410_OGH0002_0090OS00012_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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